Islamic Banking – Eine wirtschaftsethische Betrachtung

Der Begriff Wirtschaftsethik wird immer häufiger gebraucht. In der allgemeinen Wahrnehmung handelt es sich dabei um eine Errungenschaft der postindustriellen Zeit, die die Säulen des eigenen wirtschaftlichen Erfolgs kritisch betrachtet.1 Vor diesem Hintergrund könnte man annehmen, dass der Gedanke der Wirtschaftsethik zumindest in seinem Kern auf die liberalen, säkularen, frühindustrialisierten Länder des Westens beschränkt ist. Es wäre aus hiesiger Sicht legitim, im Islamic Banking eine Frühform eben jenes Gedankens zu sehen. Die folgende Bearbeitung intendiert, dem Leser eine erste Orientierung zu bieten, welche Aspekte hinsichtlich des Islamic Banking zu beachten sind. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Vermittlung von Grundlagenwissen im Islamic Banking gelegt. Idealerweise finden sich Überschneidungen zu unserer heutigen Vorstellung der Wirtschaftsethik.2

1. Wirtschaftsethik

Wirtschaftsethik befasst sich mit der Frage, wie moralische Normen und Ideale unter den Bedingungen der modernen Wirtschaft zur Geltung gebracht werden können (Implementationsproblematik). Neuere Ansätze erweitern den Begriff, indem sie – entsprechend einer modernen Auffassung von Ökonomik als allgemeine Verhaltenstheorie – Wirtschaftsethik als ökonomische Theorie der Moral bzw. ökonomische Ethik verstehen. Damit sind auch die Begründung von Normen, z. B. von Menschenrechten, und die ökonomischen Folgen moralischen Verhaltens Gegenstand von Wirtschaftsethik.3

An dieser Stelle zeigt sich die Bedeutung des historischen Hintergrundes: Untersuchungsgegenstand ist die moderne Wirtschaft. Anders als die religiöse Betrachtung, die Unterscheidungen von Gut und Böse meist ohne zeitlichen Bezug und Einordnung in den historischen Kontext vornimmt, widmet sich die Wirtschaftsethik ausschließlich den Herausforderungen des heutigen Wirtschaftslebens.

2. Islamisches Recht

Der Koran ist die erste und wichtigste Quelle des islamischen Rechts. Als zweite Quelle ist die Sunna zu nennen. Hierbei handelt es sich um die Überlieferungen des letzten islamischen Propheten Mohammed, die als Anleitungen für das tägliche Leben zu verstehen sind.4

Zu beachten ist, dass diese beiden Hauptquellen keine Antworten zu jeglichen Fragen geben können, die im Wirtschaftsleben auftauchen. Die auftretenden Lücken sollen durch die Ijma (Konsens der islamischen Rechtsgelehrten) und Quiyas (Analogien zu vergleichbaren „Präzedenzfällen“) geschlossen werden. Letztgenannte finden dabei subsidiäre Anwendung, wenn die Vorschriften des Korans bzw. der Sunna nicht einschlägig sind.5

3. Rechtskategorien

Im Folgenden werden die beiden bedeutendsten Rechtskategorien, Sharia und Fiqh, näher analysiert.

Die Sharia wird häufig als das islamische Recht beschrieben. Genau genommen stellt sie eher einen Wegweiser dar, wie sich der rechtschaffene Muslim zu jeder Zeit und an jedem Ort zu verhalten hat.6 Demgegenüber stellt die Fiqh die Summe aller Normen aus den genannten Rechtsquellen dar. Diese sind wiederum in Fiqh’lbadah (Beziehung zwischen Mensch und Gott) und Fiqh Mu’amalat (Beziehungen zwischen den Menschen) zu unterscheiden.7 Hierzu gehört auch das Islamic Banking, welches die Grundlage dieser Arbeit darstellt.

4. Islamic Banking

Wie der Name bereits darlegt, stellt das Islamic Banking eine Banktätigkeit dar, die in Übereinstimmung mit dem Islam stattfindet.
Hauptaugenmerk ist das Verbot der wirtschaftlichen Ausbeutung der Wirtschaftspartner.8 Dreh- und Angelpunkt dieses sozialen Gedankens ist das Verbot von Zinsen (Riba).9

4.1. Riba

Von dem Verbot sind jegliche Zinsen, unabhängig ob festverzinslich oder nicht, umfasst. Erlaubt sind hingegen Handelstätigkeiten oder Investitionen in ein bestimmtes Produkt, nämlich Handelsfinanzierungen, Risikokapitalverleihungen, Vermietungen, Leasing oder Rohstoffhandel.

Am häufigsten verbreitet sind jedoch Aktienkäufe. Der Grund dafür liegt in der Betrachtung von Dividenden. Diese gelten nicht als Zinsen, da die Aktionäre hierauf kein bindendes Recht haben.10

Zusammenfassend kann geschlussfolgert werden, dass der Faktor Zeit bei der Frage, ob eine Tätigkeit legitim ist, das entscheidende Kriterium ist: Soweit eine Vergütung lediglich aufgrund der zeitlichen Überlassung von Geld erfolgt, fällt sie unter das Zinsverbot. Soweit sie allerdings mit einer Leistung bzw. einer Beteiligung verbunden ist, ist sie aus islamischer Sicht legitim. Dies stellt einen sozialen Grundgedanken des islamischen Rechts dar: Niemand soll alleine aufgrund der Tatsache, dass er bereits wohlhabend ist, noch wohlhabender werden, ohne eine konkrete Leistung hierfür zu erbringen. Ob dieser Gedanke auch der wirtschaftsethischen Betrachtung entspricht, ist fraglich. Schließlich muss die Vermehrung eben jenes Geldes nicht zwingend negative gesellschaftliche Folgen haben. Die Frage die sich also stellt, ist: Ist es verwerflich, dass eigene Vermögen alleine durch Zinsen zu vermehren und somit den Vorteil auszunutzen, vermögender als andere zu sein?

4.2. Gharar-Verbote

Ebenfalls verboten sind sogenannte Gharar-Geschäfte (Risiko- und Spekulationsgeschäfte). Dabei ist nicht das Risiko an sich, sondern nur das unangemessen hohe Risiko verboten.11 Hierbei lässt sich eine Parallele zu der wirtschaftsethischen Betrachtung finden: Vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise ist Kritik an maßlosen Spekulationsgeschäften legitim.

4.3. Maysir

Maysir umfasst das Glücksspielverbot.12 Besonders problematisch ist, ob Aktiengeschäfte hierunter fallen. Aktiengeschäfte sind nach herrschender Ansicht legitim, wenn keine Verbindung zu sündigen Geschäften wie etwa der Alkoholherstellung besteht.13 Führt man sich vor Augen, dass das Glücksspiel vor allem verboten ist, weil es dabei immer einen Verlierer gibt, ist diese Betrachtung überzeugend: Beim Aktienhandel ist eine Win-Win-Situation durchaus möglich, beim Glücksspiel hingegen nicht.

5. Fazit

Das Islamic Banking gibt einen groben Handlungsrahmen hinsichtlich der Befolgung von wirtschaftsethischen Vorgaben vor. Dabei ließen sich viele der Probleme der letzten Jahre wie etwa die weltweite Finanzkrise durch stärkere Einflüsse des Islamic Bankings vermutlich vermindern. Allerdings ist die große Spannweite hinsichtlich der Interpretation des Korans und islamischer Vorschriften zu beachten. So sind Aktiengeschäfte grundsätzlich legitim, wenn keine Verbindung zu sündhaften Unternehmen besteht. Doch was sind sündhafte Unternehmen? Würde die Waffenherstellung auch hierunter fallen? Die grundsätzlich völlig unterschiedlichen Interpretationen der islamischen Vorschriften im islamischen Raum erschweren also auch die Umsetzbarkeit des Islamic Banking. Somit lässt sich eine genauere Implementierung der meisten Aspekte so lange schlecht verwirklichen, so lange es so unterschiedliche Auslegungen gibt, ohne dass sich abzeichnet, welche Auslegung sich mittelfristig durchsetzt. An dieser Stelle zeigt sich die Problematik, dass eine autoritäre Instanz, vergleichbar mit der katholischen Kirche, fehlt. Dies würde zu mehr Rechtssicherheit führen.

  • 1. Wirtschaftslexikon Gabler.
  • 2. Ebd.
  • 3. Der Abschnitt bezieht sich diesbezüglich auf die Interpretation und Auslegung der Sunniten, die sowohl in der MENA-Region als auch im gesamtislamischen Raum die Mehrheit darstellen.
  • 4. Amereller, S. 20.
  • 5. Ayub, S. 22 f.
  • 6. Spuler-Stegemann, S. 91.
  • 7. Bergmann, S. 25.
  • 8. Bergmann, S. 29.
  • 9. Amereller, S. 26.
  • 10. Mills, S. 8 f.
  • 11. Mahlknecht, S. 24.
  • 12. Ayub, S. 62 f.
  • 13. Gassner, Wackerbeck, S. 31.
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
  • Wirtschaftslexikon Gabler.
  • Amereller, Florian: Hintergründe des „Islamic Banking”, 1995, 1. Auflage.
  • Ayub, Muhammad: Understanding Islamic Finance, 2007, 1. Auflage.
  • Spuler-Stegemann, Ursula, Die 101 wichtigsten Fragen – Islam, 2007, 1. Auflage.
  • Bergmann, Daniel: Islamic Banking, Ein Studienhandbuch, 2008, 1. Auflage.
  • Gassner, Michael / Wackerbeck, Philipp, Islam – gerechte Finanzanlagen und Finanzierungen, 2007, Islamic Finance, 1. Auflage.