BVerfG, 11.06.1958 - 1 BvR 1/52; 1 BvR 46/52

Daten
Fall: 
Teuerungszulage
Fundstellen: 
BVerfGE 8, 1; DÖV 1958, 620; JZ 1958, 479; MDR 1958, 576; NJW 1958, 1228; RiA 1958, 252
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
11.06.1958
Aktenzeichen: 
1 BvR 1/52; 1 BvR 46/52
Entscheidungstyp: 
Beschluss

1. Es gibt keinen "hergebrachten Grundsatz" im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, der dem Beamten den einmal erworbenen Anspruch auf eine summenmäßig bestimmte Besoldung gewährleistet.
2. Es ist ein "hergebrachter Grundsatz" im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, daß den Beamten nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards ein angemessener Lebensunterhalt zu gewähren ist. Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber zu beachten.
Art. 33 Abs. 5 GG gibt dem Beamten insoweit ein grundrechtsähnliches Individualrecht, dessen Verletzung nach § 90 Abs. 1 BVerfGG mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann.
3. Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde darf das Bundesverfassungsgericht ein Besoldungsgesetz, das wegen einer Veränderung der Lebensverhältnisse den Erfordernissen eines angemessenen Unterhalts nicht mehr entspricht und deshalb mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht mehr vereinbar ist, nicht für nichtig erklären. Es ist vielmehr auf die Feststellung beschränkt, daß der Gesetzgeber durch Unterlassen einer Besoldungsänderung das in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Recht des Beamten verletzt habe.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 11. Juni 1958
– 1 BvR 1/52, 46/52 –
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. des Oberstleutnants a. D. von X., 2. des Bürgermeisters a. D. Franz R., gegen § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vom 6. Dezember 1951 – BGBl. I S. 939 -.
Entscheidungsformel:

Der Bundesgesetzgeber hat die in Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte der Beschwerdeführer dadurch verletzt, daß er es unterlassen hat, im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vom 6. Dezember 1951 – BGBl. I S. 939 – ihre Bezüge mit Wirkung vom 1. Oktober 1951 ab angemessen zu erhöhen.

Gründe

A.

I.

Auf Grund des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes stehenden Personen vom 17. Mai 1950 (BGBl. S. 207) richtete sich die Besoldung der Bundesbeamten nach dem Reichsbesoldungsgesetz vom 16. Dezember 1927 (RGBl. I S. 349) in der am 23. Mai 1949 geltenden Fassung. Nach der Währungsreform hatten sich wegen der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse Hilfsmaßnahmen für die Beamten als erforderlich erwiesen. Die seit 1948 zunächst vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, später vom Bund vorgenommenen Besoldungsverbesserungen wurden schließlich durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vom 6. Dezember 1951 (BGBl. I S. 939; im folgenden: ÄnderungsG) abgelöst und erweitert.

Die Begründung zum Regierungsentwurf dieses Gesetzes (BT I/1949, Drucksache Nr. 2504, S. 4) schildert ausführlich die Entwicklung der Besoldungsgesetzgebung und betont "zur Vermeidung großer Gefahren für die Beamten und den Staat... die Notwendigkeit, weitere ... Maßnahmen zugunsten sämtlicher Beamtengruppen zu treffen. Die notwendige schnelle Hilfe für die Beamten (könne) nur durch Sofortmaßnahmen geboten werden", für die zwei Grundsätze maßgeblich sein müßten: die bisherigen unorganischen Einzelmaßnahmen müßten von einer Regelung abgelöst werden, die sich in das Besoldungsrecht organisch einfüge; die bisher zu beobachtenden Nivellierungstendenzen, die das Leistungsprinzip außer acht ließen und der Erhaltung einer qualifizierten Beamtenschaft abträglich seien, müßten aufgegeben werden. Diese Grundsätze könnten "nur durch Gewährung einer für alle Gruppen nach einem einheitlichen Hundertsatz bemessenen Zulage verwirklicht werden".

Kapitel I § 1 des ÄnderungsG hebt frühere Gehaltskürzungen auf. Kapitel II gewährt Zulagen zu den Dienst- und Versorgungsbezügen: Die planmäßigen und außerplanmäßigen Beamten und Richter erhalten zu ihrem Grundgehalt oder zu ihren Diäten für die Zeit vom 1. April 1951 bis 30. September 1951 eine nichtruhegehaltfähige Zulage in Höhe von 15 vom Hundert, für die Zeit ab 1. Oktober 1951 eine ruhegehaltfähige Zulage in Höhe von 20 vom Hundert (§ 5 Abs. 1); die Beamten mit einem Grundgehalt oder mit Diäten unter 230.- DM erhalten außerdem monatlich einen besonderen, gestaffelten Zuschlag, der ab 1. Oktober 1951 ruhegehaltfähig ist (§ 5 Abs. 2).

§6 ÄnderungsG erhöht die Versorgungsbezüge sowie die Übergangsgehälter und -bezüge nach § 37 und § 52 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307; im folgenden: G 131); die Vorschrift lautet:

"§ 6
(1) Die Bezüge der am 1. Oktober 1951 vorhandenen Ruhestandsbeamten, Wartestandsbeamten und sonstigen Versorgungsempfänger, deren Versorgung auf einem Bundesbeamtenverhältnis beruht oder für die die Versorgungsausgaben durch das Zweite Überleitungsgesetz vom 21. August 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 774) vom Bund übernommen worden sind, werden mit Wirkung vom 1. Oktober 1951 in der Weise festgesetzt, daß die der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge zugrundeliegenden Grundgehälter um zwanzig vom Hundert erhöht werden. In den Fällen, in denen der Berechnung ein Grundgehalt nicht zugrunde liegt, werden die Versorgungsbezüge um sechzehn vom Hundert erhöht.
(2) Übergangsgehälter und Übergangsbezüge nach den §§ 37 und 52 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 307) werden mit Wirkung vom 1. Oktober 1951 um zwanzig vom Hundert, jedoch nicht über das Ruhegehalt hinaus, erhöht."

Der Regierungsentwurf hatte eine Erhöhung der Versorgungsbezüge noch nicht vorgesehen; in der Begründung war dazu ausgeführt:

"Der Forderung der Altpensionäre, auch in die Neuregelung einbezogen zu werden, kann im gegenwärtigen Zeitpunkt aus Haushaltsgründen nicht entsprochen werden. Die notwendige Neuregelung der ihrer Versorgung zu Grunde liegenden Dienstbezüge kann erst im Zusammenhang mit der grundlegenden Besoldungsreform vorgenommen werden und bei einer Besserung der Haushaltslage im nächsten Jahre in Kraft treten."

Bei der ersten Beratung des Änderungsgesetzes im Bundestag (BT I/1949, 165. Sitzung, Prot. S. 6712 C ff.) hatten jedoch Sprecher der Regierungskoalition und der Opposition Bedenken gegen die Nichteinbeziehung der Versorgungsempfänger erhoben. Der Bundestagsausschuß für Beamtenrecht (25. Ausschuß) trug diesen Bedenken Rechnung, indem er seiner Neufassung des Gesetzentwurfs den jetzigen § 6 einfügte (§ 5 a [neu] des Ausschußentwurfs; Drucksache Nr. 2660). Der Berichterstatter, Dr. Mießner, erklärte bei der zweiten und dritten Beratung des Gesetzes im Bundestag (168. Sitzung, S. 6873 A f. [6874 B]) dazu:

"Die Rechtsfrage, ob etwa eine Änderung im Besoldungsrecht auch verbindlich und maßgeblich für die in diesem Zeitpunkt bereits pensionierten Staatsdiener sei, konnte man im Ausschuß dahingestellt sein lassen, da es sich in dem vorliegenden Gesetz nicht um Schaffung neuen Rechts, sondern im Grunde nur um eine rein geldmäßige Angleichung an die eingetretene Teuerung handelt. Es handelt sich also nicht um eine neue Besoldungsform, sondern nur um einen Ausgleich gegenüber der eingetretenen Geldentwertung."

Die endgültige Fassung des § 6 Abs. 1 ÄnderungsG läßt als größere Gruppe nur die Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 unberücksichtigt. Der Berichterstatter, Dr. Mießner, führte hierzu aus, die Lage sei haushaltmäßig schwierig gewesen. Eine 20-prozentige Erhöhung der Pensionen nach dem G 131 würde weitere 100 Millionen DM im Haushaltsjahr erfordern. Dieser Betrag habe mit dem im Regierungsentwurf angesetzten Betrag von 25 Millionen DM nicht ausgeglichen werden können. Er sei auch zu hoch gewesen, als daß man ihn durch Herabsetzung des Prozentsatzes für die übrigen Gruppen in irgendeiner Form hätte kompensieren können. Der Ausschuß für Beamtenrecht habe diese Situation ausdrücklich bedauert und bei den Beratungen seinen Willen bekundet, eine weitere Fortsetzung der ungleichmäßigen Behandlung der verschiedenen Beamtengruppen für die Zukunft auf jeden Fall zu vermeiden.

2. Erst das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vom 20. August 1952 (BGBl. I S. 582; im folgenden: Zweites ÄnderungsG) gewährt die Teuerungszulage auch den Ruhegehaltsempfängern nach dem G 131, indem es dem § 6 ÄnderungsG folgende Fassung gibt:

"§ 6
(1) Soweit nicht nach § 5 Abs. 1 eine ruhegehaltfähige Zulage gewährt worden ist, werden die Versorgungsbezüge (Wartegelder Ruhegehälter, Witwen- und Waisengelder und Unterhaltsbeiträge), die der Bund zu tragen hat, in der Weise festgesetzt, daß zu den Grundgehältern, die der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge zugrunde liegen, eine Zulage von zwanzig vom Hundert tritt. Liegt der Berechnung der Versorgungsbezüge ein Grundgehalt nicht zugrunde, so beträgt die Zulage sechzehn vom Hundert der Versorgungsbezüge.
(2) Übergangsgehälter und Übergangsbezüge nach den §§ 37 und 52 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 307) werden um zwanzig vom Hundert, jedoch nicht über das sich nach Absatz 1 ergebende Ruhegehalt hinaus erhöht.
(3) Absatz 1 gilt entsprechend für
a) Ruhegehalt, Ruhevergütung und Ruhelohn nach § 52 Abs. 1 und für Bezüge nach § 51 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (Bundesgesetzbl. I S.307),
b) Ruhevergütung und Ruhelohn, die der Bund auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften zu tragen hat,
c) laufende Unterstützungen, die Angestellte und Arbeiter ehemaliger Heeres- und Marinebetriebe und der ehemaligen Reichsdruckerei nach den dafür ergangenen Bestimmungen erhalten.
(4) Die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 gelten auch, wenn Einrichtungen nach § 61 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (Bundesgesetzbl. I S. 307) zur Versorgung verpflichtet sind."

Da die Neufassung des § 6 Abs. 1 ÄnderungsG nach Kapitel V § 6 des Zweiten ÄnderungsG erst am 1. April 1952 in Kraft trat, blieben die Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 für die Zeit vom 1. Oktober 1951 bis 31. März 1952 endgültig von der Gewährung der Teuerungszulage ausgeschlossen.

II.

1. Der Beschwerdeführer zu 1 war Berufsoffizier. Er wurde im Jahre 1920 mit Ruhegehalt verabschiedet. Im zweiten Weltkrieg wurde er erneut zur Wehrmacht eingezogen, aus der er am 12. März 1943 ausgeschieden ist. Bis zum 1. Mai 1945 erhielt er ein monatliches Ruhegehalt von 699,77 RM. Er gehört zum Kreis der versorgungsberechtigten ehemaligen Berufsoffiziere nach dem G 131; danach betrug sein Ruhegehalt vom 1. April 1951 ab 360.- DM.

Der Beschwerdeführer fühlt sich in seinen Rechten aus Art. 3 und Art. 33 Abs. 5 GG verletzt, weil die "Altpensionäre" der ehemaligen Wehrmacht mit Ruhegehaltsbescheid vor dem 8. Mai 1945 von den Teuerungszulagen und Zuschlägen nach dem ÄnderungsG ausgeschlossen seien. Er beantragt, das ÄnderungsG insoweit für nichtig zu erklären.

2. Der Beschwerdeführer zu 2 wurde auf seinen Antrag im Jahre 1917 als Kreisausschußsekretär des Kreises Sensburg (Ostpreußen) pensioniert. Kurze Zeit danach wurde er zum Bürgermeister gewählt, jedoch im Jahre 1933 durch nationalsozialistische Maßnahmen ohne Entschädigung entlassen. Der Beschwerdeführer bezog nunmehr aus seinem früheren Amt als Kreisausschußsekretär Ruhegehalt in Höhe von 240.75 RM monatlich. Seit dem 1. April 1951 erhielt er als Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 monatlich 241 .- DM. Da er für die Zeit vom 1. Oktober 1951 bis zum 31. März 1952 nicht die erhöhten Bezüge der Versorgungsempfänger nach § 6 Abs. 1 ÄnderungsG erhalten hat, fühlt er sich in seinem Grundrecht aus Art. 3 GG verletzt. Er hat beantragt, ihn als heimatvertriebenen Kommunalbeamten bzw. Pensionär den einheimischen Beamten und Pensionären gleichzustellen.

III.

Die Bundesregierung, die sich gemäß § 94 Abs. 2 BVerfGG geäußert hat, hält die Verfassungsbeschwerden für zulässig, aber nicht für begründet: Art. 3 Abs. 1 GG gebiete nicht, die Empfänger von Ruhegehalt und Hinterbliebenenbezügen nach Kapitel I G 131 den übrigen Beamten und Versorgungsempfängern gleichzustellen.

Grundsätzlich sei der Bund überhaupt nicht verpflichtet, die Versorgung der früheren Reichsbeamten und Pensionäre des Reiches den Bezügen derjenigen Beamten und Versorgungsempfänger anzupassen, die in einem unmittelbaren Beamtenverhältnis zum Bund stünden oder deren Versorgungsanspruch auf einem Bundesbeamtenverhältnis beruhe. Hätte der Gesetzgeber den unter Art. 131 GG fallenden Personen allgemein nur einen bestimmten Bruchteil der Bezüge der Beamten und Versorgungsempfänger des Bundes bewilligt, so wäre das nach Art. 3 GG nicht zu beanstanden gewesen. Wenn das G 131 sie grundsätzlich den Beamten und Versorgungsempfängern des Bundes gleichstelle, so seien sie sogar gegenüber anderen Reichsgläubigern, wie den Anleihegläubigern oder den Rückerstattungsberechtigten, bevorzugt.

Auch die verschiedene Behandlung innerhalb des Kreises der Versorgungsempfänger, deren Anspruch nicht auf einem Bundesbeamtenverhältnis beruhe, sei sachlich gerechtfertigt. Es handle sich dabei auf der einen Seite um Versorgungsempfänger, deren Versorgungslasten der Bund durch das Zweite Überleitungsgesetz übernommen habe. Zu ihnen gehörten auch Ruhegehaltsempfänger, deren Bezüge am 8. Mai 1945 aus Kassen im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu zahlen gewesen seien, und zwar – soweit der spätere Übergang auf den Bund in Betracht kam – aus Mitteln des Reiches. Da die Länder nach dem Zusammenbruch die Einnahmen des Reiches für sich beanspruchten, hätten sie auch die Versorgungslasten des Reiches getragen, die vor der Kapitulation aus Kassen ihres Gebietes zu entrichten gewesen seien. Die Länder hätten sich für berechtigt gehalten, insoweit auch Änderungen des Versorgungsrechts dieser Personen vorzunehmen, und zwar zuungunsten (Sparverordnung) und zugunsten der Empfänger. Die Länder hätten damit die Versorgungsempfänger des Reiches völlig ihren eigenen Versorgungsempfängern gleichgestellt. Da der Bund durch das Zweite Überleitungsgesetz diese bei seiner Errichtung gegen die Gebietskörperschaften im Bundesgebiet bestehenden Verpflichtungen übernommen habe, sei er verpflichtet gewesen, den betroffenen Personenkreis in die zwanzigprozentige Erhöhung miteinzubeziehen, weil andernfalls eine Ungleichheit gegenüber den bisher gleichgestellten Versorgungsempfängern der Länder eingetreten wäre.

Auf der anderen Seite stünden die Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131, die von den Ländern nach dem Zusammenbruch lediglich Vorschüsse auf ihre früheren Versorgungsbezüge erhalten hätten, da eine zur Zahlung verpflichtete Kasse im Geltungsbereich des Grundgesetzes nicht vorhanden gewesen sei. Ihnen habe erst der Bund durch das G 131 Rechtsansprüche gegeben. Die beiden Gruppen von Versorgungsbezügen hätten also rechtlich einen durchaus verschiedenen Gehalt und beträfen zwei voneinander getrennte Personenkreise. Ihre verschiedene Behandlung verstoße daher nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Nichtberücksichtigung der Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 verletze auch nicht etwa deshalb den Gleichheitssatz, weil das ÄnderungsG die Übergangsgehälter und Übergangsbezüge nach dem G 131 in seine Regelung mit einbezogen habe. Diese Bezüge seien wegen der beschränkten öffentlichen Mittel zunächst nur in Höhe eines Bruchteils des Ruhegehalts festgesetzt, jedoch von vornherein in § 37 Abs. 4 G 131 als änderungsbedürftig bezeichnet worden. Wenn daher § 6 Abs. 2 ÄnderungsG diesem Personenkreis die zwanzigprozentige Zulage gewähre, sei das sachlich gerechtfertigt. Differenzierungen zugunsten wirtschaftlich, gesellschaftlich oder politisch schwacher Klassen und Berufe würden nach deutschen Begriffen nicht als Verstoß gegen den Gleichheitssatz empfunden.

Die Bundesregierung betont schließlich, daß die verdrängten Ruhestandsbeamten durch das ÄnderungsG auch nicht etwa wegen ihrer Heimat oder Herkunft benachteiligt worden seien. Die früheren Beamten und Pensionäre des Reiches erhielten nach dem ÄnderungsG eine Zulage, sofern nach dem 8. Mai 1945 eine auf Grund ordnungsmäßiger Überweisung zur Zahlung der Bezüge verpflichtete Kasse im Bundesgebiet vorhanden gewesen sei. Auf die Heimat der Betroffenen komme es also nicht an, ebensowenig sei die "Herkunft" irgendwie maßgeblich.

Beide Beschwerdeführer haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

B.

Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.

I.

Beide Beschwerdeführer haben hinreichend deutlich die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 GG vorgetragen (BVerfGE 6, 132 [134]). Freilich können sie mit dieser Begründung nur entweder die Feststellung der Nichtigkeit der ganzen Norm verlangen – in diesem Falle würden sie nur die Beseitigung der gesetzlichen Regelung, nicht aber ihre eigene Berücksichtigung erwirken können – oder wenigstens die Feststellung, der Gesetzgeber habe durch Unterlassen – Nichtberücksichtigung der Beschwerdeführer – Grundrechte verletzt.

In beiden Fällen würde eine ausschließlich auf Art. 3 GG gestützte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber die Möglichkeit offen lassen, die Gleichheit dadurch wieder herzustellen, daß er von jeder begünstigenden Regelung – im vorliegenden Falle also von jeder Erhöhung der Gehälter und Pensionen – absieht. Zwar betrifft das hier angegriffene Gesetz einen in der Vergangenheit, nämlich am 31. März 1952 abgeschlossenen Tatbestand. Man könnte daher aus § 79 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG folgern, der Gesetzgeber würde nach Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 3 GG in jedem Falle verpflichtet sein, die bisherige Regelung unverändert auch auf die Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 zu erstrecken; denn die unter Verletzung des Gleichheitssatzes begünstigten Beamten und Versorgungsempfänger wären nach § 79 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG nicht verpflichtet, ihre für die Zeit vom 1. Oktober 1951 bis 31. März 1952 erhaltenen höheren Bezüge zu erstatten. Eine solche Folgerung wäre jedoch nicht ohne weiteres zwingend: Denn es kann im Einzelfalle zweifelhaft sein, ob nicht eine unter Verstoß gegen Art. 3 GG vom Gesetzgeber gewährte Vergünstigung innerhalb gewisser Grenzen auf Grund neuer gesetzlicher Regelung ganz oder teilweise rückgängig gemacht werden könnte, falls sich aus zwingenden Gründen für die zurückliegende Zeit der Grundsatz der Gleichheit nicht auf andere Weise herstellen ließe. Diese Frage kann immer nur nach Lage des jeweiligen Falles und erst dann entschieden werden, wenn der Gesetzgeber nach einer auf Art. 3 GG gestützten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neue gesetzliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichheit trifft.

II.

Eine nähere Prüfung des Gedankenganges der Verfassungsbeschwerden ergibt jedoch: Die Beschwerdeführer erstreben höhere Bezüge nicht nur für den Fall, daß die Besoldungsänderung zugunsten der übrigen Beamten und Versorgungsempfänger beibehalten wird; sie wollen vielmehr vor allem geltend machen, daß ihre eigene Versorgung seit dem 1. Oktober 1951 nicht mehr der Verpflichtung des Staates zu einer angemessenen Alimentation entsprochen habe.

Mit dieser Begründung wollen die Beschwerdeführer nicht eine schematisch gleiche Erstreckung der sonstigen Besoldungsregelung auf sich erwirken, sondern – unabhängig von dem ÄnderungsG – ein eigenes Recht auf angemessenen Unterhalt gegenüber dem Staat geltend machen. Ein solches Recht könnte sich möglicherweise aus Art. 33 Abs. 5 GG ergeben, auf den sich der Beschwerdeführer zu 1 auch ausdrücklich beruft. Hier wird etwas grundsätzlich anderes begehrt als bloße Gleichbehandlung. Es bedarf daher einer besonderen Prüfung, ob die Verfassungsbeschwerden auch mit einem solchen andersartigen Ziele zulässig sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob § 90 Abs. 1 BVerfGG eine unmittelbar auf Art. 33 Abs. 5 GG gestützte Verfassungsbeschwerde eines Beamten zuläßt, bisher offen gelassen (BVerfGE 3, 58 ff. [136]). Sie ist – in dem hier maßgeblichen Umfange – zu bejahen.

Nach § 90 Abs. 1 BVerfGG kann eine Verfassungsbeschwerde auch darauf gestützt werden, daß der Beschwerdeführer durch die öffentliche Gewalt "in einem seiner in Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte" verletzt worden sei. In Übereinstimmung mit dem Beschluß des Zweiten Senats vom 14. Mai 1957 (BVerfGE 6, 445 [448]) ist anzunehmen, daß "die Anführung der Art. 38 und 33 in § 90 BVerfGG diese Artikel nicht in ihrem ganzen Umfang" meint, "sondern nur soweit sie in ähnlicher Weise wie die übrigen Artikel des Grundgesetzes, in die sie hier eingereiht sind, Individualrechte garantieren".

Es kommt mithin darauf an, ob Beamte (und Versorgungsempfänger) grundrechtsähnliche Individualrechte aus Art. 33 Abs. 5 GG herleiten können.

1. Das Bundesverfassungsgericht hält an seiner grundsätzlichen Entscheidung fest, daß Art. 33 Abs. 5 GG "nicht, wie Art. 129 WRV, die wohlerworbenen Rechte unter Verfassungsschutz" stellt (BVerfGE 3, 58 ff. [137]), daß "seit der Beseitigung der Verfassungskraft des Art. 129 WRV wohlerworbene Rechte als solche nicht verfassungsmäßig, insbesondere nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützt sind" . Die Entstehungsgeschichte des Art. 33 Abs. 5 GG zeigt deutlich, daß das Grundgesetz – im Gegensatz zu Art. 129 WRV – nicht vom Schutz subjektiver Rechte der Beamten, sondern von der Erhaltung der Einrichtung eines Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit ausgeht (BVerfGE 3, 58 ff. [137]). Es wollte also keineswegs alle einem Beamten einmal vom Gesetzgeber verliehenen Rechte unter Verfassungsschutz stellen. Daher würde es dem Sinn und Zweck des Art. 33 Abs. 5 GG widersprechen, wenn man annehmen wollte, der Schutz der wohlerworbenen Rechte als solcher sei selbst ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und daher nach Art. 33 Abs. 5 GG "zu berücksichtigen". Eine solche Auslegung würde den sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden Grundgedanken des Art. 33 Abs. 5 GG verfälschen.

Aber auch der Auslegungsstreit um Begriff, Inhalt und Umfang der sogenannten wohlerworbenen Rechte, der während der ganzen Geltungsdauer der Weimarer Verfassung angehalten hat, schließt die Annahme aus, das Grundgesetz habe einen Grundsatz des "Schutzes wohlerworbener Rechte" allgemein zur Grundlage für die Gestaltung des öffentlichen Dienstes machen wollen. Hinsichtlich der vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten hat sich freilich das Reichsgericht – nach anfänglichen erheblichen Zweifeln: RGZ 108, 314 (316); 109, 117 (121); 114, 220 (228); 120, 374 (394);125, 369 (370) – schließlich der Auffassung angeschlossen, Art. 129 Abs. 1 Satz 3 WRV garantiere den Anspruch der Beamten auf Fortgewährung der Bezüge in der einmal auf Grund der Besoldungsgesetzgebung erworbenen Höhe, also einen summenmäßig fest begrenzten Anspruch (besonders RGZ 134, 1 [12]; 141, 342 [347]; 143, 77 [80]). Es hat jedoch stets Änderungsvorbehalte in einfachen Reichsgesetzen als rechtswirksam anerkannt. Vor allem aber läßt die Besoldungsgesetzgebung, also das für die "wohlerworbenen Rechte" der Beamten praktisch bedeutsamste Gesetzgebungsgebiet, erkennen, daß die Sicherung eines Rechtsanspruchs des einzelnen Beamten auf ein summenmäßig fest begrenztes Gehalt weder vor noch während der Geltung der Weimarer Verfassung maßgeblicher Grundsatz für die Regelung der besoldungsrechtlichen Verhältnisse "des Berufsbeamtentums" gewesen ist.

Mit der Annahme, der Beamte habe ein wohlerworbenes Recht auf einen summenmäßig fest begrenzten Geldanspruch, wurde offenbar bezweckt, der Gehaltsforderung einen absoluten eigentumsähnlichen Schutz zu gewährleisten. Dabei wurde jedoch nicht berücksichtigt, daß eine Eigentumsgarantie dem Wesen öffentlich-rechtlicher Geldforderungen, die auf einer Fürsorgepflicht des Gemeinwesens beruhen, in der Regel nicht gerecht werden kann. Einerseits hat die Inflation nach dem ersten Weltkrieg gezeigt, daß summenmäßig fest begrenzte "wohlerworbene Vermögensrechte der Beamten in Zeiten der Geldentwertung wenig praktische Bedeutung haben" (RGZ 125, 369 ff. [371]). Andererseits erwies es sich in Zeiten der Währungsreform und Deflation, daß summenmäßig unveränderliche vermögensrechtliche Ansprüche der Beamten mit den Interessen der Allgemeinheit und der Institution eines staatsverbundenen Berufsbeamtentums unvereinbar sind. Unter der Weimarer Verfassung hat daher der Gesetzgeber – und zwar im übereinstimmenden Interesse von Staat und Berufsbeamtentum – einen anderen Grundsatz befolgt, indem er je nach Lage der Währungs- und Wirtschaftsverhältnisse die Beamtengehälter erhöht oder herabgesetzt hat. Es ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, näher darauf einzugehen, welche Rechtsgestaltungen der Gesetzgeber hier im einzelnen angewandt hat und ob alle seine Maßnahmen den damaligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen genügten. Entscheidend ist allein, daß ein Grundsatz, der Gesetzgeber habe ein Recht des Beamten auf eine summenmäßig bestimmte Gehaltsforderung zu beachten, weder befolgt wurde, noch daß seine Beachtung vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Der in der Weimarer Verfassung vorgesehene Schutz derartiger wohlerworbener Rechte als solcher ist also kein hergebrachter Grundsatz im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG.

2. Dagegen zeigt die Entwicklung schon in der Zeit der konstitutionellen Monarchie und während der Geltung der Weimarer Verfassung, daß der Gesetzgeber sich bei der Besoldungsregelung von dem Grundsatz hat leiten lassen, den Beamten nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt, den man früher auch als standesgemäßen Unterhalt bezeichnet hat, zu gewähren. Dieser Grundsatz lag sowohl den Besoldungskürzungen als auch den Besoldungserhöhungen zugrunde. Unter der Weimarer Verfassung beachteten die Gerichte ihn besonders dann, wenn sie Besoldungsänderungen daraufhin prüften, ob eine an sich zulässige Kürzung noch innerhalb der Grenzen eines angemessenen Unterhalts liege. Bei Besoldungsverbesserungen zeigte sich die Beachtung dieses Grundsatzes gerade darin, daß sie in der Regel den Zweck verfolgten, die ursprüngliche gesetzliche Besoldung veränderten Wirtschafts- und Lebensumständen anzupassen, um das Sinken des Lebensstandards der Beamten unter das Maß des Angemessenen abzuwenden oder wieder zu beseitigen. Das gilt bereits für die Gewährung von Teuerungszulagen im Jahre 1907 wie für das erste Reichsbesoldungsgesetz vom 15. Juli 1909 (RGBl. S. 573; vgl. Völter, "Die Deutsche Beamtenbesoldung" in der von Wilhelm Gerloff herausgegebenen Schrift "Die Beamtenbesoldung im modernen Staat", 1932, S. 12/13). Derselbe Grundsatz liegt den während des ersten Weltkriegs gewährten Kriegsteuerungszulagen zugrunde; vor allem aber zeigt er sich in dem Auf und Ab der Besoldungsregelung während der Inflation, nach der Währungsreform, bei der Besoldungsneuordnung im Jahre 1927 und schließlich während der Deflation in den Jahren 1930 bis 1933. Ob der Gesetzgeber in allen diesen Fällen wirklich noch einen angemessenen Lebensstandard der Beamten gesichert hat, bleibe dahingestellt. Wesentlich ist allein, daß ein solcher Grundsatz bestand und seine Beachtung in der Regel auch beabsichtigt war.

3. Der Grundsatz, daß der Staat verpflichtet sei, seinen Beamten den angemessenen Unterhalt zu gewähren, wurde durch einen weiteren Grundsatz ergänzt: der Staat, der als Dienstherr befugt war, die Beamtenbezüge einseitig zu bestimmen, hatte sie – jedenfalls seit der Reichsgründung – grundsätzlich generell festzulegen (vgl. hierzu Völter aaO, S. 1 ff. [11 ff.]). Das Grundgehalt der planmäßigen Reichsbeamten wurde anfänglich im Haushaltsplan geregelt, während für die Diäten der außerplanmäßigen Beamten Verordnungen des Reichskanzlers, für die Aufrückungsbeträge innerhalb der einzelnen Gruppen sowie für die Berechnung des Besoldungsdienstalters Verwaltungsvorschriften maßgebend waren. Die mit der jährlichen Beschlußfassung über den Haushaltsplan notwendig verbundene Unsicherheit in der Beamtenbesoldung wurde für das Reich erstmals durch das Besoldungsgesetz vom 15. Juli (RGBI. S. 573) beseitigt, das nicht nur die Grundgehälter in ihrem Anfangs- und Endbetrag, sondern auch die Aufrückungsstufen und -fristen sowie das Wohnungsgeld regelte. Seitdem verblieb es bei der gesetzlichen Besoldungsregelung.

Der Beamte hatte also Besoldungsansprüche nur nach Maßgabe der Gesetze; das wurde in § 36 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung ausdrücklich festgelegt (vgl. jetzt auch § 83 Abs. 1 BBG und § 50 BRRG). Soweit den Beamten für vermögensrechtliche Ansprüche der Rechtsweg offenstand, konnte er sie nur auf Grund dieser Gesetze geltend machen. Eine Befugnis des Richters, vermeintlich unzulängliche Gehälter im Einzelfalle zu erhöhen, wurde stets, auch während der Geltung der Weimarer Verfassung, insbesondere auch während der Inflation, verneint (vgl. RGZ 113, 78 [81, 82]; RGZ 134, 1 [22]; Bruns, "Das Prinzip verfassungsrechtlicher Sicherung der Beamtenrechte", 1955, S. 111; Schwalb, DJZ 1932, 1024 [1026 und 1028]; Obergericht Danzig in RuPrVBl. 1929, S. 112 [113]; OLG Dresden DRiZ 1931, S. 401 ff.; Lewin, DRiZ 1932, 11 [13]). Eine solche Befugnis hätte offensichtlich nicht nur dem Grundsatz genereller Gehaltsregelung widersprochen; sie hätte vor allem einen Eingriff der richterlichen in die gesetzgebende Gewalt und in das gesetzgeberische Ermessen bedeutet. Unter der Weimarer Verfassung konnten daher die Gerichte den Gesetzgeber nicht verpflichten, eine im Laufe der Zeit unzulänglich gewordene Beamtenbesoldung zu erhöhen; sie konnten jedoch gesetzliche Besoldungskürzungen daraufhin überprüfen, ob sie mit der verfassungsrechtlichen Pflicht, den angemessenen Unterhalt zu gewähren, noch vereinbar seien; sie haben diese Prüfung sogar vorgenommen, wenn die Kürzung in die Form einer Gehaltssteuer gekleidet war (RFH 27, 321 [323]; 28, 208).

4. Der sich aus der geschichtlichen Entwicklung vor und während der Geltung der Weimarer Verfassung ergebende Grundsatz, daß der Staat den Beamten einen angemessenen Unterhalt zu gewähren habe, ist als "hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums" bei der Regelung des öffentlichen Dienstes zu "berücksichtigen" (vgl. dazu BVerfGE 3, 58 ff. [137]). Das Grundgesetz beläßt in Art. 33 Abs. 5 GG dem Bundesgesetzgeber grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum, um die Beamtengesetzgebung den Erfordernissen des freiheitlichen demokratischen Staates und seiner fortschrittlichen Entwicklung anpassen zu können. Andererseits gewährt es nicht etwa völlige Regelungsfreiheit. Der einzelne hergebrachte Grundsatz ist vielmehr in seiner Bedeutung für die Institution des Berufsbeamtentums in der freiheitlichen rechts- und sozialstaatlichen Demokratie zu würdigen; davon hängt ab, in welcher Weise und in welchem Ausmaß er zu beachten ist. Das Berufsbeamtentum kann die ihm hier zufallende Funktion, eine stabile Verwaltung zu sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften zu bilden, nur erfüllen, wenn es rechtlich und wirtschaftlich gesichert ist (BVerfGE 7,155 [162/163]). Deshalb ist die Folgerung unabweisbar, daß die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts als ein besonders wesentlicher "hergebrachter Grundsatz" anzusehen ist, zu dessen Beachtung der Gesetzgeber verpflichtet ist.

5. Mit der unmittelbaren objektiven Gewährleistung des angemessenen Lebensunterhalts gibt Art. 33 Abs. 5 GG zugleich aber auch dem einzelnen Beamten ein grundrechtsähnliches Individualrecht gegenüber dem Staat. Das muß vor allem aus der Eigenart des beamtenrechtlichen Rechtsverhältnisses gefolgert werden: Der Beamte steht dem Staat als seinem Dienstherrn gegenüber, aber dieser Dienstherr ist in seiner Stellung als Gesetzgeber zugleich für die Regelung des Rechtsverhältnisses, die Verteilung der gegenseitigen Rechte und Pflichten allein zuständig und verantwortlich. Der einzelne Beamte hat keine eigenen rechtlichen Möglichkeiten, auf die nähere Ausgestaltung seines Rechtsverhältnisses, insbesondere auf die Höhe seines Gehalts, einzuwirken; ebensowenig ist er nach hergebrachten Grundsätzen befugt, zur Förderung gemeinsamer Berufsinteressen kollektive wirtschaftliche Kampfmaßnahmen zu ergreifen. Er ist auf die Regelung angewiesen, die sein Dienstherr als Gesetzgeber getroffen hat. Wenn daher das Grundgesetz in Art. 33 Abs. 5 GG unmittelbar die Gewähr dafür bieten will, daß die beamtenrechtliche Gesetzgebung bestimmten eng begrenzten verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen entspricht, dann liegt die Annahme nahe, daß den hauptsächlich und unmittelbar Betroffenen ein entsprechendes Individualrecht eingeräumt werden soll, damit sie insoweit in Übereinstimmung mit den rechts- und sozialstaatlichen Grundprinzipien ihre verfassungsmäßige Stellung auch rechtlich wahren können (vgl. auch BVerfGE 6, 386 [387/388]). Diese Annahme wird durch einen Blick auf die tatsächliche Entwicklung unterstützt, die seit der Zeit der konstitutionellen Monarchie konsequent dahin gegangen ist, den individuellen Rechtsschutz der Beamten gerade hinsichtlich ihrer vermögensrechtlichen Stellung zu erweitern. Berücksichtigt man die allgemein auf Verstärkung des Rechtsschutzes des einzelnen gerichtete Tendenz des Grundgesetzes, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß Art. 33 Abs. 5 GG dem Beamten ein der verfassungsmäßigen Verbürgung entsprechendes Individualrecht gewährt. Auch dieses Recht ist gemeint, wenn § 90 Abs. 1 BVerfGG die Verfassungsbeschwerde mit der Rüge einer Verletzung des Art. 33 GG zuläßt.

6. Soll mit einer auf Art. 33 Abs. 5 GG gestützten Verfassungsbeschwerde die Verletzung des Rechts auf den angemessenen Lebensunterhalt geltend gemacht werden, so ist sie vornehmlich nach zwei Richtungen hin möglich.

a) Da der vermögensrechtliche Anspruch des Beamten auf die gesetzliche Besoldung sich darauf erstreckt, daß die Gehaltsregelung der verfassungsmäßigen Ordnung entspricht , kann der Beamte, der eine Gehaltskürzung für verfassungswidrig hält, das zuständige Gericht (vgl. § 172 BBG) anrufen. Tritt es seiner Rechtsauffassung bei, so hat es nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen; hält es dagegen die Kürzung und die mit ihr verbundene Aufhebung oder Änderung der bisherigen Besoldungsregelung für verfassungsmäßig, so steht dem Beamten nach Art. 33 Abs. 5 GG der Weg der Verfassungsbeschwerde – grundsätzlich nach Erschöpfung des Rechtsweges – offen.

b) Ist dagegen der Beamte – ohne daß eine Besoldungskürzung erfolgt wäre – der Auffassung, daß die bisherige Besoldungsregelung infolge einer Änderung der Verhältnisse nicht mehr dem in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Mindestrecht entspreche, also eine Gesetzesänderung verfassungsrechtlich geboten sei, so kann er zwar – wie sich auch aus den Ausführungen unter B II 3 ergibt -nicht die für seinen Besoldungsanspruch zuständigen Gerichte anrufen. Dem würde der hergebrachte Grundsatz, daß die Beamtengehälter generell durch Gesetz zu regeln sind , und die Stellung der Gerichte im Rahmen des Grundgesetzes entgegenstehen . Sie können dem einzelnen Beamten nicht ein gesetzlich nicht geregeltes Gehalt zusprechen. Wohl aber eröffnet § 90 Abs. 1 BVerfGG dem Beamten den Weg einer Verfassungsbeschwerde gegenüber dem Gesetzgeber (BVerfGE 6, 257 ff.).

aa) Auch das Bundesverfassungsgericht ist freilich nicht befugt, Beamtengehälter außerhalb der generellen gesetzlichen Regelung für den Einzelfall festzulegen . Es könnte als Gericht auch nicht anläßlich einer Einzelbeschwerde von sich aus anstelle des Gesetzgebers bestimmen, welche generelle Regelung erforderlich sei. Wohl aber kann das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, ob eine bestehende gesetzliche Regelung noch den Mindesterfordernissen des Art. 33 Abs. 5 GG entspricht. Bei Prüfung dieser Frage hat es selbstverständlich das gesetzgeberische Ermessen zu beachten und alle verfassungsmäßig zulässigen Erwägungen zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber etwa von einer Änderung der Besoldungsgesetzgebung abgehalten haben könnten. Nur dann, wenn für ein Festhalten an der bisherigen Regelung schlechthin keine verfassungsmäßige Grundlage mehr gegeben ist, wenn also die aus dem Grundgesetz folgende Notwendigkeit einer Gesetzesänderung sich mit der für eine richterliche Entscheidung erforderlichen Eindeutigkeit ergibt, kann das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß der bisherigen Regelung gegen Art. 33 Abs. 5 GG feststellen.

bb) Für den Inhalt einer solchen Entscheidung ergibt sich jedoch aus dem hergebrachten Grundsatz, daß die Gehälter generell durch Gesetz zu regeln sind, eine bedeutsame Schranke: Grundsätzlich ist ein gegen die Verfassung verstoßendes Gesetz für nichtig zu erklären. Bei einem Besoldungsgesetz, das infolge einer Änderung der Verhältnisse nicht mehr den Mindestanforderungen eines angemessenen Unterhalts entspricht, würde aber eine solche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einen Zustand herbeiführen, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung noch weniger entsprechen würde; denn Art. 33 Abs. 5 GG verlangt, daß generelle gesetzliche Besoldungsregelungen überhaupt vorhanden sind. Wegen des Zusammenhangs der beiden verfassungsrechtlichen Grundsätze – Garantie eines angemessenen Lebensunterhalts und generelle gesetzliche Besoldungsregelung darf daher das Bundesverfassungsgericht unzulänglich gewordene Besoldungsgesetze nicht für nichtig erklären; es ist in derartigen Fällen auf die Feststellung beschränkt, daß der Bundesgesetzgeber durch das Unterlassen einer Besoldungsänderung das in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltene Recht verletzt habe. Eine solche Entscheidung, die das unzureichende bisherige Besoldungsgesetz zunächst bestehen läßt, ist jedoch nicht ohne praktische Bedeutung; denn sie verpflichtet den Gesetzgeber verfassungsrechtlich zu entsprechendem Handeln (BVerfGE 6, 257 ff. [265/266]).

7. Dieselben Möglichkeiten wie den Beamten stehen nach Art. 33 Abs. 5 GG den Ruhegehaltsempfängern zu. Auch hier ist es nicht entscheidend, von welchem Zeitpunkt an Rechtslehre und Rechtsprechung unter der Weimarer Verfassung den Versorgungsanspruch als "erdient" angesehen und ein wohlerworbenes Recht auf ein summenmäßig bestimmtes Ruhegehalt angenommen haben. Maßgeblich ist allein, daß der Gesetzgeber auch gegenüber den Ruhegehaltsempfängern im allgemeinen den Grundsatz verfolgt hat, den aus dem Beamtenverhältnis hervorgegangenen Versorgungsanspruch so zu regeln, daß er unter Berücksichtigung der sich wandelnden Verhältnisse jeweils einen angemessenen Lebensunterhalt sichert. Diesem Grundsatz will gegenwärtig § 86 Abs. 2 BBG Rechnung tragen.

8. Im vorliegenden Falle gehören die beschwerdeführenden Ruhegehaltsempfänger dem Kreis der unter das G 131 fallenden Personen an. Hier hatte der Gesetzgeber für die Neugestaltung der am 8. Mai 1945 erloschenen Beamtenverhältnisse weitgehende Freiheit des Ermessens; er brauchte Art. 33 Abs. 5 GG im Rahmen des Art. 131 GG nicht in dem sonst erforderlichen Umfang zu berücksichtigen (BVerfGE 3, 58 ff. [138]). Für die Regelung der unter Art. 131 GG fallenden Versorgungsverhältnisse war dagegen Art. 33 Abs. 5 GG in stärkerem Maße heranzuziehen, da sie nicht durchweg mit dem Zusammenbruch erloschen waren. Das gilt besonders für die hier in Betracht kommenden Ruhegehaltsansprüche. Der Beschwerdeführer zu 2 bezieht sein Ruhegehalt aus einer vor 1933 abgeschlossenen Tätigkeit. Der Beschwerdeführer zu 1 gehörte der Wehrmacht an; sein Ruhegehaltsanspruch bestand daher ebenfalls über den 8. Mai 1945 hinaus fort (BVerfGE 3, 288 ff. [341]) und war in einer hergebrachten beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprechenden Weise innerhalb der Grenzen angemessenen Unterhalts - unter Berücksichtigung des allgemeinen Lebensstandards – zu sichern (aaO S. 342).

Der Gesetzgeber hat bei der grundsätzlichen Versorgungsregelung im Rahmen des Art. 131 GG nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstoßen, wie das Bundesverfassungsgericht in den angeführten Entscheidungen ausgesprochen hat.

Mit der durch das G 131 bewirkten Umgestaltung aber stehen nunmehr die Ruhegehaltsansprüche beider Beschwerdeführer voll unter dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG.

III.

Beide im Januar 1952 eingegangenen Verfassungsbeschwerden sind auch rechtzeitig erhoben worden. Soweit sie sich wegen Verletzung des Grundrechts aus Art. 3 GG unmittelbar gegen das ÄnderungsG richten, ist die Frist nach § 93 Abs. 2 BVerfGG gewahrt. Dasselbe gilt, soweit die Beschwerdeführer einen Verstoß des Gesetzgebers gegen Art. 33 Abs. 5 GG geltend machen, weil er es unterlassen habe, im Zusammenhang mit dem ÄnderungsG auch ihren unzureichenden Unterhalt angemessen zu erhöhen.

C.

Die Verfassungsbeschwerden sind begründet.

I.

Soweit sie auf Art. 3 GG gestützt werden, ist zu beachten, daß – wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17. Dezember 1953 (BVerfGE 3, 58 ff. [144, 158, 159]) dargelegt hat – die Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 unter Berufung auf Art. 3 GG nicht ihre völlige Gleichstellung mit denjenigen Versorgungsempfängern verlangen können, die ihre Bezüge auf Grund eines Bundesbeamtenverhältnisses erhalten oder nach dem 8. Mai 1945 aus einer Kasse im Geltungsbereich des Grundgesetzes bezogen haben. Ebensowenig können die Beschwerdeführer sich darauf berufen, daß die Übergangsgehälter und Übergangsbezüge nach § 37 und § 52 Abs. 2 G 131 in die Regelung des § 6 ÄnderungsG mit einbezogen worden sind; denn hier handelt es sich um Personengruppen, deren beamtenrechtliche Sonderstellung – der Status des Beamten zur Wiederverwendung ohne weiteres ersichtlich ist, deren Bezüge außerdem zunächst besonders gering bemessen und als verbesserungsbedürftig bezeichnet worden waren (§ 37 Abs. 4 G 131). Den Ausführungen der Bundesregierung, daß insoweit Art. 3 GG nicht verletzt sei, kann das Bundesverfassungsgericht daher nur beitreten.

Es könnte sich nur die Frage erheben, ob der Gesetzgeber dann willkürlich handelt und gegen Art. 3 GG verstößt, wenn er eine einzige Gruppe des öffentlichen Dienstes unberücksichtigt läßt, obwohl das allgemeine Niveau der Besoldung offensichtlich nicht mehr dem Maßstab des Art. 33 Abs. 5 GG entspricht und der Gesetzgeber dies bei allen anderen Gruppen durch Erhöhung der Bezüge selbst anerkannt hat. Die Frage braucht hier jedoch nicht abschließend entschieden zu werden, weil die Verfassungsbeschwerden unter dem Gesichtspunkt des Art. 33 Abs. 5 GG begründet sind.

II.

1. Wie oben ausgeführt, räumt Art. 33 Abs. 5 GG dem Gesetzgeber in der Frage, welcher Lebensunterhalt angemessen sei, ein weitgehendes Ermessen ein (vgl. auch das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 1954 BVerfGE 4, 115 ff. [135/136] -). Er darf nicht nur Besoldungen, die sich im Laufe einer rückläufigen Wirtschaftsentwicklung als zu hoch erweisen und daher über die Grenze des angemessenen Unterhalts hinausgehen, entsprechend kürzen, sondern er hat auch hinsichtlich der oberen und unteren Grenze der Angemessenheit einen weiten Beurteilungsspielraum. Das Bundesverfassungsgericht wird daher in zweifelhaften Fällen nur schwer einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG mit der für eine richterliche Entscheidung erforderlichen Eindeutigkeit feststellen können.

2. Im vorliegenden Falle bestehen jedoch solche Zweifel nicht. Die Bundesregierung hat in der Begründung ihres Gesetzentwurfs (BT I/1949, Drucksache Nr. 2504) ausgeführt, daß "die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse ... zur Vermeidung großer Gefahren für die Beamtenschaft und den Staat den Dienstherrn vor die Notwendigkeit (gestellt habe), weitere Maßnahmen zugunsten sämtlicher Beamtengruppen zu treffen". Sie hat betont, daß "die notwendige schnelle Hilfe für die Beamten ... nur durch Sofortmaßnahmen geboten werden", der Zeitpunkt einer echten Besoldungsreform also nicht abgewartet werden könne. Mit Rücksicht auf die Notlage der Beamtenschaft war man – wie die Regierungsbegründung weiterhin ergibt sogar dazu übergegangen, mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages ohne Gesetzesänderung die auf früheren Regelungen beruhende 6 prozentige Gehaltskürzung mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 ab nicht mehr vorzunehmen und befristete Zulagen zu gewähren.

In den voraufgegangenen Beratungen während des ersten Durchganges des Gesetzentwurfs beim Bundesrat hatte der Berichterstatter des Finanzausschusses darauf hingewiesen, daß das Besoldungsänderungsgesetz "die Besoldung der Bundesbeamten den veränderten wirtschaftlichen Lebensverhältnissen anpassen" solle, daß "die Beamtengehälter, die noch heute auf der Grundlage des Reichsbesoldungsgesetzes von 1927 beruhen, ... dringend einer Anpassung an das veränderte Lohn- und Preisgefüge" bedürften. Trotz des Zweifels, ob alle Länder zur Gewährung gleich hoher Besoldungen ohne weiteres in der Lage seien, dürfe der Bundesrat "nicht nur von den fiskalischen Möglichkeiten ausgehen, sondern (müsse) von dem Grundsatz geleitet sein, daß der Staat seinen Beamten ein ausreichendes und den Leistungen entsprechendes Gehalt zahlen sollte" (Sitzungsbericht über die 62. Sitzung des Deutschen Bundesrats, S. 467/468). Während der ersten Beratung des Gesetzentwurfs in der 165. Sitzung des Bundestages vom 27. September 1951 äußerten sich Vertreter aller Parteien in demselben Sinne. Zunächst wies der Vertreter der SPD darauf hin, daß es sich um "den Versuch" handle, "die Beamtengehälter den Zeitverhältnissen anzupassen". "Die Relation, die einmal geschaffen war, als die Besoldungsordnung in Kraft trat, (sei) längst überholt", und es sei heute vielfach so, "daß Beamte, die als Vorgesetzte von Arbeiter- und Angestelltengruppen tätig (seien), in ihrem Verdienst weit unter dem der Leute ihrer Kolonnen" lägen (BT I/1949, Prot. S. 6713). Der Vertreter der Bayernpartei, der sich besonders für die gleiche Berücksichtigung der Pensionäre einsetzte, wies darauf hin, daß das Problem der Besoldungsverbesserung seit Oktober 1950, also seit einem vollen Jahre, der gesetzlichen Lösung harre und daß durch vorläufige Teilregelungen im Verwaltungswege und dadurch, daß einzelne Länder in der Besoldungsanpassung vorausgegangen seien, eine "unerfreuliche Wirrnis" bestehe . Der Vertreter der Regierungskoalition (CDU/CSU, FDP, DP) schließlich begründete deren Stellungnahme folgendermaßen (aaO S. 6718):

"Wenn man heute von der Plattform des Bundestages endlich einmal auch über eine bescheidene Teuerungszulage zu den Beamtengehältern sprechen kann, so ist das wirklich hohe Zeit. Der treue Staatsdiener, der selber den Streik zur Durchsetzung seiner berechtigten Forderungen ablehnt, muß es nun seit Jahren mit ansehen, daß über seine Gehaltsaufbesserung immer nur geredet wird, während andere Berufsstände schon längst das Doppelte und mehr an Teuerungszulagen von dem erhalten haben, was bei ihm erst diskutiert wird. Gewiß, die Kassenlage des Staates ist stark angespannt; aber wenn schließlich die deutsche Wirtschaft innerhalb eines Sektors bestimmte Teuerungszulagen für notwendig und tragbar hält, so kann diese selbe deutsche Wirtschaft ihre Staatsdiener, die mittelbar genau so zum Funktionieren des deutschen Wirtschaftslebens beitragen, hier nicht mit anderen Maßstäben messen. Eine Besoldungserhöhung im öffentlichen Dienst ist daher bei der eingetretenen Teuerung und der bitteren Not der Beamtenschaft heute in jeder Hinsicht eine zwingende Notwendigkeit, nicht zuletzt auch im Interesse der Allgemeinheit; denn es könnte sehr leicht der Zustand eintreten, daß als Folge einer ständigen Unterbezahlung die besten Kräfte der Beamtenschaft abwandern, wie es verschiedentlich, insbesondere bei der Finanzverwaltung bereits zu verzeichnen ist.... Wir wollen es ruhig einmal aussprechen, daß die Bezüge der aktiven Beamten und Pensionäre und der verdrängten Staatsdiener billigerweise um rund ein Drittel erhöht werden müßten, denn das allein würde der eingetretenen Teuerung entsprechen. Leider können wir jedoch als Regierungsparteien, die in erster Linie die Verantwortung für den Gesamthaushalt tragen, einen solchen Antrag für das laufende Rechnungsjahr nicht stellen. Wie die Dinge nun einmal liegen steht gegenwärtig nur etwa die Hälfte der an sich notwendigen Mittel zur angemessenen Erhöhung der Beamtenbezüge haushaltsmäßig zur Verfügung. Danach blieb uns bei der gegebenen Begrenzung der Mittel in diesem Haushaltsjahr nur noch ihre gerechte Aufteilung unter die verschiedenen Beamtengruppen übrig."

Während der dritten Beratung des Gesetzes in der 168. Sitzung des Bundestages vom 16. Oktober 1951 erklärte der Vertreter der CDU folgendes (BT I/1949 Prot. S. 6879):

"Zunächst müssen wir sagen: Endlich, endlich ist nun heute der Zeitpunkt da, in dem wir in die Lage versetzt sind, diese Besoldungsaufbesserung auch für die Beamten des öffentlichen Dienstes entsprechend dem Vorschlage des Ausschusses zu beschließen. Dieses "Endlich!" möchte ich mit ganz wenigen Ziffern motivieren.

Der Lebenshaltungsindex beträgt heute 167% desjenigen von 1938; die Beamtenbesoldung betrug im Jahre 1950 94%, und nicht von 1938, sondern von 1927; sie wurde 1950 auf 100%, im Frühjahr 1951 für die aktiven Beamten auf 115% erhöht und soll jetzt durch diese Vorlage auf 120%, wohlgemerkt aber nur der Grundgehälter von 1927, ohne Berücksichtigung des Wohnungsgeldes und der Kinderzulagen, erhöht werden. Praktisch bedeutet das also, daß, wenn dieses Gesetz angenommen wird, die Beamten des Bundes 116% ihrer Bezüge des Jahres 1927 erhalten, und das bei einem Lebenshaltungsindex von 167%.

... Die öffentlichen Bediensteten sind mit ihren Realbezügen in einem Ausmaß zurückgeblieben, daß man versucht ist, geradezu von einer Gefährdung des Staatsapparates zu sprechen, und daß man sich weiter fragen muß, ob die lange Aufrechterhaltung dieses Zustandes mit der Treuepflicht, die ja nicht nur der Beamte, sondern auch der Staat hat, überhaupt noch zu vereinbaren gewesen ist."

Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt sich somit eindeutig, daß die Gehaltserhöhungen durch das ÄnderungsG ausschließlich den Zweck verfolgten, die Besoldung auf das für einen angemessenen Unterhalt im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG unerläßliche Mindestmaß zu erhöhen. Diese einmütige Auffassung darf das Bundesverfassungsgericht ohne Bedenken seiner Entscheidung zugrunde legen, besonders da sich aus der weiteren wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung, vor allem aus dem Zweiten ÄnderungsG und aus der späteren Besoldungsreform, ebenso aus der Entwicklung der Steuer- und Sozialgesetzgebung des Bundes, nicht der geringste Anhalt für eine abweichende Beurteilung ergibt.

3. Das ÄnderungsG betrifft neben den aktiven Beamten und den Empfängern von Übergangsgehältern und Übergangsbezügen nach dem G 131 auch alle sonstigen Versorgungsempfänger. Lediglich die Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 blieben unberücksichtigt. Der Bundesgesetzgeber war allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch Art. 3 GG nicht genötigt, Gehälter und Ruhegehälter im G 131 den Bezügen der Bundesbeamten und der eigentlichen Bundesversorgungsempfänger voll anzugleichen; er durfte sie vielmehr grundsätzlich abweichend regeln (wegen der Einzelheiten vgl. BVerfGE 3, 58 ff. [159] und BVerfGE 3, 288 [343]). Das Grundgesetz nötigte den Bundesgesetzgeber daher auch nicht, Besoldungserhöhungen für Bundesbeamte und Bundesversorgungsempfänger, die etwa über die Mindestgrenze angemessenen Unterhalts hinausgingen, allein unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG auf die Versorgungsempfänger nach dem G 131 zu erstrecken.

4. Nachdem der Bundesgesetzgeber jedoch im G 131 den Unterhalt der Ruhegehaltsempfänger auf einer Grundlage, die sich aus Art. 33 Abs. 5 GG im Rahmen des Art. 131 GG (vgl. oben unter B II 8) ergab, angemessen festgesetzt hatte, war er für die Zukunft durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich gebunden, diesen Unterhalt in der jeweils angemessenen Höhe weiter zu gewähren. Er war daher durch Art. 33 Abs. 5 GG unmittelbar verpflichtet, eine Änderung der für die Angemessenheit des Unterhalts maßgeblichen Verhältnisse auch diesen Versorgungsempfängern gegenüber zu beachten. In diesem Zusammenhang ist folgendes von Bedeutung:

Der Bundesgesetzgeber hat von vornherein die Versorgung nach §§ 48, 53, 29 G 131 grundsätzlich der Versorgung der Bundesbeamten angeglichen und in § 78 ausdrücklich bestimmt, daß auch "die versorgungsrechtlichen Grundlagen ... nach Inkrafttreten des endgültigen Bundesbeamtengesetzes der darin vorgesehenen versorgungsrechtlichen Regelung anzupassen" seien. Bis dahin enthielten die versorgungsrechtlichen Grundlagen nach dem G 131 gewisse Abweichungen, indem sie die für eine Besoldungsreform vorgesehenen Änderungen – z. B. zehnjährige Wartezeit, Beförderungsbeschränkungen – für den Personenkreis nach dem G 131 vorwegnahmen. Mit diesem Vorbehalt aber sollte die Versorgung nach dem G 131 der allgemeinen Versorgung im Bunde entsprechen. Nun war damals allgemein bekannt, daß die im wesentlichen vom Jahre 1927 her übernommene allgemeine Versorgung nicht mehr dem angemessenen Mindestunterhalt entsprach. Dem Gesetzgeber war es naturgemäß aus psychologischen und praktischen Gründen nicht möglich, die schwierige und umfassende Regelung gerade bei Erlaß des besonders beschleunigungsbedürftigen Ausführungsgesetzes zu Art. 131 GG vorwegzunehmen. Wenn er daher die Versorgung der Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 zunächst noch in die bestehende Versorgungsregelung einfügte, so kann das nicht so gedeutet werden, als ob er damit habe feststellen wollen, diese Versorgung sei für die Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 bereits die endgültig angemessene Versorgung. Vielmehr mußte der Vorbehalt der Verbesserungsbedürftigkeit, der der ganzen damals bestehenden Versorgungsregelung bereits innewohnte, sich nunmehr auch auf die Regelung nach dem G 131 erstrecken.

Diese Auslegung hat der Gesetzgeber selbst dadurch bestätigt. daß er im Zweiten Änderungsgesetz die Versorgung nach dem G 131 vom 1. April 1952 ab entsprechend erhöht hat. Dafür spricht ferner, daß der Bundestag am 20. Februar 1952 einstimmig eine Entschließung angenommen hat, mit der er die Bundesregierung ersucht, im Nachtragshaushaltsplan 1951 und im Haushaltsplan 1952 die für eine Anpassung der Ruhestandsbezüge nach dem G 131 erforderlichen Mittel bereitzustellen, um die Angleichung der Bezüge mit Wirkung vom 1. Oktober 1951 an durchzuführen (BT I/1949, Prot. S. 8360).

Das Bundesverfassungsgericht kann deshalb eindeutig feststellen, daß die Höhe der Versorgung für die Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 am 1. Oktober 1951 nicht mehr die sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebende Mindestgrenze des angemessenen Unterhalts erreichte. Daraus folgt, daß der Gesetzgeber die in Art. 33 Abs. 5 GG enthaltenen Rechte der Beschwerdeführer verletzt hat, indem er es unterließ, sie im Zusammenhang mit dem ÄnderungsG angemessen zu berücksichtigen.

Da eine verfassungsmäßige Regelung der Versorgung dem Bundesgesetzgeber vorbehalten ist, wird er nunmehr auch für die Ruhegehaltsempfänger nach dem G 131 eine dem Art. 33 Abs. 5 GG entsprechende Regelung für die Zeit vom 1. Oktober 1951 bis 31. März 1952 zu treffen haben.