EuGH, 09.10.2001 - C-377/98

Daten
Fall: 
Biopatent-Richtlinie
Fundstellen: 
EuGH Slg. 2001, I-7079; NJW 2002, 2455; DVBl 2001, 1828; EuZW 2001, 691
Gericht: 
Europäischer Gerichtshof
Datum: 
09.10.2001
Aktenzeichen: 
C-377/98
Entscheidungstyp: 
Urteil
Stichwörter: 
  • Nichtigerklärung - Richtlinie 98/44/EG - Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen - Rechtsgrundlage - Artikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG), Artikel 235 EG-Vertrag (jetzt Artikel 308 EG) oder Artikel 130 und 130f EG-Vertrag (jetzt Artikel 157 EG und 163 EG) - Subsidiarität - Rechtssicherheit - Völkerrechtliche Verpflichtungen der Mitgliedstaaten - Grundrechte - Menschenwürde - Kollegialprinzip für Gesetzgebungsvorschläge der Kommission.

Leitsätze

1. Für die Ermittlung der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts, die dessen Erlass zugrunde zu legen ist, ist auf das Hauptziel des Rechtsakts abzustellen. Die Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen bezweckt zwar die Förderung der Forschung und der Entwicklung im Bereich der Gentechnik in der Europäischen Gemeinschaft. Die Art und Weise, in der sie zu diesem Ziel beiträgt, besteht aber darin, die rechtlichen Hindernisse im Binnenmarkt in Form der Unterschiede in den Rechtsvorschriften und in der Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten abzubauen, die die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in diesem Bereich behindern und zu einem Ungleichgewicht führen können. Die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten stellt daher nicht nur ein beiläufiges oder ergänzendes Ziel der Richtlinie dar, sondern entspricht ihrem Wesen. Dass sie auch ein Ziel verfolgt, das unter die Artikel 130 und 130f EG-Vertrag (jetzt Artikel 157 EG und 163 EG) fällt, schließt daher Artikel 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) als Rechtsgrundlage der Richtlinie nicht aus.
( vgl. Randnrn. 27-28 )

2. Artikel 6 der Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, der Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen würde, von der Patentierbarkeit ausnimmt, lässt den Verwaltungsbehörden und den Gerichten der Mitgliedstaaten unstreitig einen großen Spielraum bei der Durchführung dieses Ausschlusskriteriums. Dieser Spielraum ist jedoch nicht unbegrenzt: Die Richtlinie grenzt diese Begriffe ein, indem sie zum einen vorsieht, dass die gewerbliche Verwertung einer Erfindung nicht allein deshalb gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, weil sie durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften verboten ist, und zum andern vier Beispiele von Verfahren und Verwendungen anführt, die nicht patentierbar sind.
( vgl. Randnrn. 37, 39 )

3. Insbesondere Artikel 4 der Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, dem zufolge ein Patent zwar nicht für eine Pflanzensorte, wohl aber für eine Erfindung erteilt werden kann, deren Ausführung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte beschränkt ist, ist zu entnehmen, dass anders als eine gentechnische Veränderung einer bestimmten Pflanzensorte eine Veränderung mit größerem Anwendungsbereich, die sich z. B. auf eine Art bezieht, patentierbar sein kann.
( vgl. Randnrn. 43-45 )

4. Die Artikel 8 und 9 der Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, denen zufolge der durch das Patent gewährte Schutz jedes biologische Material umfasst, das durch generative oder vegetative Vermehrung aus dem biologischen Material gewonnen wird, das die patentierte Information enthält, beziehen sich nicht auf die Patentierbarkeit an sich, sondern auf den Umfang des betreffenden Schutzes. Dieser kann sich also auf eine Pflanzensorte erstrecken, ohne dass diese selbst patentierbar wäre.
( vgl. Randnr. 46 )

5. Die Rechtmäßigkeit einer Handlung der Gemeinschaft hängt grundsätzlich nicht von ihrer Vereinbarkeit mit einem internationalen Übereinkommen ab, an dem die Gemeinschaft nicht beteiligt ist, wie dem Münchener Übereinkommen vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente. Ihre Rechtmäßigkeit kann auch nicht anhand völkerrechtlicher Instrumente beurteilt werden, die, wie das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation und die dazu gehörenden Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) und über technische Handelshemmnisse, wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften gehören, an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst.

Dies kann jedoch nicht für das Übereinkommen von Rio de Janeiro vom 5. Juni 1992 über die biologische Vielfalt gelten, das im Gegensatz zum Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation nicht strikt auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit zum beiderseitigen Nutzen beruht. Auch wenn die Bestimmungen dieses Übereinkommens keine unmittelbare Wirkung haben, also keine Rechte schaffen sollten, auf die sich der Einzelne vor den Gerichten berufen kann, so hindert das den Richter doch nicht daran, die Einhaltung der Verpflichtungen zu prüfen, die der Gemeinschaft als Vertragspartei obliegen.
( vgl. Randnrn. 52-54 )

6. Es obliegt dem Gerichtshof, im Rahmen der Kontrolle der Übereinstimmung der Handlungen der Organe mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts die Beachtung der Menschenwürde und des Grundrechts auf Unversehrtheit der Person sicherzustellen. Die Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen fasst das Patentrecht in Bezug auf lebende Materie menschliche Ursprungs so streng, dass der menschliche Körper tatsächlich unverfügbar und unveräußerlich bleibt und somit die Menschenwürde gewahrt wird.

Zum einen kann nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung keine patentierbare Erfindung darstellen.

Zum anderen sind Bestandteile des menschlichen Körpers als solche ebenso wenig patentierbar, und ihre Entdeckung kann nicht geschützt werden. Gegenstand einer Patentanmeldung können nur Erfindungen sein, die einen natürlichen Bestandteil mit einem technischen Verfahren verknüpfen, durch das dieser im Hinblick auf eine gewerbliche Anwendung isoliert oder reproduziert werden kann. Somit kann ein Bestandteil des menschlichen Körpers Teil eines Erzeugnisses sein, das durch ein Patent geschützt werden kann, aber er kann in seiner natürlichen Umgebung nicht Gegenstand einer Aneignung sein. Diese Unterscheidung gilt auch für Arbeiten an Sequenzen oder Teilsequenzen menschlicher Gene. Das Ergebnis solcher Arbeiten kann nur dann zur Erteilung eines Patents führen, wenn die Anmeldung eine Beschreibung zum einen der neuen Methode der Sequenzierung, die zu der Erfindung geführt hat, und zum anderen - wie in Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie ausgeführt - der gewerblichen Anwendung umfasst, die das Ziel der Arbeiten ist. Ohne eine solche Anwendung hätte man es nicht mit einer Erfindung zu tun, sondern mit der Entdeckung einer DNA-Sequenz, die als solche nicht patentierbar wäre. Die Richtlinie soll somit nur das Ergebnis einer wissenschaftlichen oder technischen erfinderischen Tätigkeit schützen und erfasst beim Menschen natürlich vorkommende biologische Daten nur, soweit sie für die Durchführung und Verwertung einer besonderen gewerblichen Anwendung erforderlich sind.

Das Recht auf Unversehrtheit der Person, das im Bereich der Medizin und der Biologie die unbeeinflusste Zustimmung des Spenders und des Empfängers in voller Kenntnis der Sachlage umfasst, kann nicht gegen eine Richtlinie angeführt werden, die sich nur mit der Erteilung von Patenten befasst und deren Anwendungsbereich sich daher nicht auf Vorgänge vor und nach dieser Erteilung - sei es die Forschung oder die Verwendung der patentierten Erzeugnisse - erstreckt.
( vgl. Randnrn. 70-75, 77-79 )

7. Die Pflicht zur Begründung von Richtlinien nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 235 EG) geht nicht so weit, dass die dort angesprochenen Bezugnahmen auf Vorschläge und Stellungnahmen die tatsächlichen Umstände umfassen müssten, denen entnommen werden kann, dass die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ihre Verfahrensregeln beachtet haben.

Ferner wäre ein Organ allenfalls bei ernsthaften Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit des seiner Beteiligung vorausgehenden Verfahrens berechtigt, sich entsprechend zu erkundigen.
( vgl. Randnrn. 86-87 )

Parteien

In der Rechtssache C-377/98
Königreich der Niederlande, vertreten durch M. A. Fierstra und I. van der Steen als Bevollmächtigte,
Kläger,
unterstützt durch
Italienische Republik, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von P. G. Ferri, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
und
Königreich Norwegen, vertreten durch H. W. Longva als Bevollmächtigten,
Streithelfer,
gegen
Europäisches Parlament, vertreten durch J. Schoo und E. Vandenbosch als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
und
Rat der Europäischen Union, vertreten durch R. Gosalbo Bono, G. Houttuin und A. Lo Monaco als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
eklagte,
unterstützt durch
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Banks und P. van Nuffel als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (ABl. L 213, S. 13),
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, des Kammerpräsidenten P. Jann, den Kammerpräsidentinnen F. Macken und N. Colneric, des Kammerpräsidenten S. von Bahr sowie der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, J.-P. Puissochet (Berichterstatter), L. Sevón, M. Wathelet und V. Skouris und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: F. G. Jacobs
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 13. Februar 2001, in der das Königreich der Niederlande durch J. van Bakel als Bevollmächtigten, die Italienische Republik durch D. Del Gaizo, avvocato dello Stato, das Königreich Norwegen durch H. Seland als Bevollmächtigten, das Europäische Parlament durch J. Schoo und E. Vandenbosch, der Rat durch G. Houttuin und A. Lo Monaco und die Kommission durch K. Banks und P. van Nuffel vertreten waren,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Juni 2001,
folgendes
Urteil

Entscheidungsgründe

1 Mit Klageschrift, die am 19. Oktober 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das Königreich der Niederlande gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) die Nichtigerklärung der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (ABl. L 213, S. 13, im Folgenden: Richtlinie) beantragt.

2 Die auf der Grundlage des Artikels 100a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 95 EG) erlassene Richtlinie erlegt den Mitgliedstaaten - im Rahmen ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen - den Schutz biotechnologischer Erfindungen durch ihr nationales Patentrecht auf.

3 Zu diesem Zweck legt die Richtlinie insbesondere fest, welche Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen, Tiere oder der menschliche Körper sind, patentierbar sind und welche nicht.

4 Der Kläger weist einleitend darauf hin, dass er auf ausdrückliches Ersuchen des niederländischen Parlaments handele, das genetischen Veränderungen bei Tieren und Pflanzen und der Patentierung von Produkten aus biotechnologischen Verfahren, die solche Veränderungen fördern könnten, ablehnend gegenüberstehe.

5 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 28. April 1999 ist die Kommission der Europäischen Gemeinschaften als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union zugelassen worden. Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofes vom 3. Mai 1999 sind die Italienische Republik und das Königreich Norwegen als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs der Niederlande zugelassen worden.

Zur Zulässigkeit des Streithilfeantrags des Königreichs Norwegen

6 Das Parlament und der Rat machen geltend, dass der vom Königreich Norwegen am 19. März 1999 eingereichte Schriftsatz sich darauf beschränke, den Gerichtshof auf bestimmte Probleme hinzuweisen, die die Durchführung der Richtlinie im Rahmen des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR-Abkommen) verursachen könnte, aber weder sich den Anträgen der Klageschrift anschließe noch die Nichtigerklärung der Richtlinie beantrage. Der Schriftsatz unterstütze daher nicht die Anträge des Königreichs der Niederlande und sei somit unzulässig.

7 Nach Artikel 37 der EG-Satzung des Gerichtshofes können mit den im Streithilfeschriftsatz gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden.

8 Der von der norwegischen Regierung eingereichte Schriftsatz soll, wie es in seiner Schlussfolgerung heißt, darauf hinweisen, dass einige der von der Regierung der Niederlande in ihrer Klage auf Nichtigerklärung der Richtlinie 98/44/EG aufgeworfenen Fragen für die Entscheidung darüber, ob die Richtlinie unter das EWR-Abkommen fällt, und auch für die Übernahme der Richtlinie in das EWR-Abkommen von Bedeutung sein könnten; die norwegische Regierung ersucht darum den Gerichtshof, die nachfolgenden Argumente zu berücksichtigen.

9 Wortwörtlich genommen mag sich der so beschriebene Gegenstand zwar von dem eines zulässigen Streithilfeschriftsatzes unterscheiden. Jedoch beabsichtigte die norwegische Regierung offensichtlich weder, den Anträgen des Klägers weitere Anträge hinzufügen, noch, den Gerichtshof darum zu bitten, über ganz andere Fragen zu entscheiden, sondern vielmehr, der Klage des Königreichs der Niederlande durch zusätzliche Erläuterungen zum Erfolg zu verhelfen.

10 Dies wird dadurch bestätigt, dass alle im Schriftsatz der norwegischen Regierung enthaltenen Argumente das Vorbringen des Königreichs der Niederlande in der Klageschrift aufnehmen und in manchen Punkten weiter entwickeln.

11 Insgesamt und im Zusammenhang betrachtet stellt der vom Königreich Norwegen eingereichte Schriftsatz daher einen zulässigen Antrag auf Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Klägers dar.

Zu den Klagegründen

12 Der Kläger macht sechs Klagegründe geltend, und zwar die irrtümliche Wahl des Artikels 100a EG-Vertrag als Rechtsgrundlage der Richtlinie, einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, eine Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen, eine Verletzung der Menschenwürde und einen Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften bei der Annahme des Vorschlags der Kommission.

Zum ersten Klagegrund

13 Der Kläger trägt vor, dass die Richtlinie nicht zu den Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten gehöre, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand hätten, und dass sie zu Unrecht auf der Grundlage des Artikels 100a EG-Vertrag erlassen worden sei.

14 Erstens bestuenden die Unterschiede in den Rechtsvorschriften und Praktiken der Mitgliedstaaten und die Gefahr ihrer Verschärfung, die die fünfte und die sechste Begründungserwägung der Richtlinie mit dem Hinweis, dass sie zu Handelsschranken führen könnten, anführen, nicht oder bezögen sich nur auf nebensächliche Punkte, die eine Harmonisierung nicht rechtfertigten.

15 Artikel 100a kann als Rechtsgrundlage herangezogen werden, um der Entstehung neuer Hindernisse für den Handel infolge einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen, wenn das Entstehen solcher Hindernisse wahrscheinlich ist und die fragliche Maßnahme ihre Vermeidung bezweckt (Urteile vom 13. Juli 1995 in der Rechtssache C-350/92, Spanien/Rat, Slg. 1995, I-1985, Randnr. 35, und vom 5. Oktober 2000 in der Rechtssache C-376/98, Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 2000, I-8419, Randnr. 86).

16 Die vom Parlament und vom Rat angeführten Beispiele zeigen zum einen hinreichend, dass die unterschiedlichen Auslegungen, die die vor Erlass der Richtlinie bestehenden einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften - auch wenn sie in den meisten Fällen dem am 5. Oktober 1973 in München unterzeichneten Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen, im Folgenden: EPÜ) entnommen sind - im Hinblick auf die Patentierbarkeit von biotechnologischen Erfindungen erlauben, zu Abweichungen in Praxis und Rechtsprechung führen können, die für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts schädlich sind.

17 Zur Gefahr auseinander laufender Entwicklungen kommt hinzu, dass sich bei einigen speziellen Punkten, wie der Patentierbarkeit von Pflanzensorten und des menschlichen Körpers, bereits bei Erlass der Richtlinie deutliche Unterschiede zwischen bestimmten nationalen Rechtsordnungen mit beträchtlichen Folgen gezeigt haben.

18 Zum anderen will die Richtlinie dadurch, dass sie die Mitgliedstaaten verpflichtet, biotechnologische Erfindungen durch ihr nationales Patentrecht zu schützen, eine Gefährdung der Einheit des Binnenmarkts vermeiden, die sich daraus ergeben könnte, dass Mitgliedstaaten einseitig beschließen, diesen Schutz zu gewähren oder zu verweigern.

19 Der Kläger trägt zweitens vor, dass die Anwendung der einschlägigen völkerrechtlichen Vorschriften durch die Mitgliedstaaten zwar rechtliche Unsicherheiten mit sich bringe, diese aber nicht durch eine Harmonisierungsmaßnahme der Gemeinschaft, sondern durch eine Neuverhandlung der völkerrechtlichen Instrumente wie des EPÜ zur Klärung von deren Vorschriften aus dem Weg geräumt werden müssten.

20 Dieses Vorbringen geht fehl. Eine Harmonisierung dient nämlich dazu, die Hindernisse für das Funktionieren des Binnenmarkts zu verringern, die unterschiedliche Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten, welchen Ursprungs diese auch sein mögen, darstellen. Beruhen diese Unterschiede auf einer (möglichen) unterschiedlichen Auslegung von Begriffen völkerrechtlicher Abkommen, zu deren Vertragsstaaten die Mitgliedstaaten gehören, so steht dem Erlass einer Richtlinie als Mittel zur Gewährleistung einer einheitlichen Auslegung solcher Begriffe durch die Mitgliedstaaten grundsätzlich nichts entgegen.

21 Darüber hinaus war im vorliegenden Fall eine solche Vorgehensweise weder mit der Beachtung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus dem EPÜ unvereinbar noch zur Erreichung des Zieles einer Vereinheitlichung der Voraussetzungen für die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen ungeeignet.

22 Daher war der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht daran gehindert, die Harmonisierung durch eine Richtlinie der - weniger direkten und weniger sicheren - Lösung vorzuziehen, sich um eine Änderung des EPÜ zu bemühen.

23 Drittens überschreitet die Richtlinie nach Ansicht des Klägers das, was eine Maßnahme zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten beinhalten darf: Sie schaffe in Wirklichkeit einen Eigentumstitel neuer Art, der sich in mehrfacher Hinsicht von den Titeln des geltenden Patentrechts unterscheide. Nicht nur betreffe sie Erzeugnisse, die in manchen Mitgliedstaaten wie dem Königreich der Niederlande bisher nicht patentierbar gewesen seien, sie unterscheide sich vom geltenden Patentrecht auch dadurch, dass der von ihr vorgesehene Schutz nach den Artikeln 8 und 9 nicht nur für bestimmtes biologisches Material gelte, sondern auch für biologisches Material, das aus diesem durch generative oder vegetative Vermehrung gewonnen werde, und dass das Recht des Patentinhabers nach Artikel 11 gegenüber den Landwirten beschränkt sei.

24 Wie der Gerichtshof in Randnummer 59 seines Gutachtens 1/94 vom 15. November 1994 (Slg. 1994, I-5267) ausgeführt hat, verfügt die Gemeinschaft im Bereich des geistigen Eigentums über eine Zuständigkeit zur Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften gemäß den Artikeln 100 EG-Vertrag (jetzt Artikel 94 EG) und 100a EG-Vertrag und kann auf der Grundlage von Artikel 235 EG-Vertrag (jetzt Artikel 308 EG) neue Titel schaffen, die dann die nationalen Titel überlagern, wie sie es mit der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 11, S. 1) getan hat.

25 Die aufgrund der Richtlinie erteilten Patente sind nationale Patente, die nach den in den Mitgliedstaaten geltenden nationalen Verfahren erteilt werden. Die Richtlinie bezweckt nicht die Einführung eines Gemeinschaftspatents, und sie bewirkt sie auch nicht; sie schafft keinen neuen Titel, was nur auf der Rechtsgrundlage des Artikels 235 EG-Vertrag möglich wäre. Dem steht weder entgegen, dass die fraglichen Erfindungen in manchen Mitgliedstaaten bisher nicht patentierbar waren - was ja gerade eine Harmonisierung gerechtfertigt hat -, noch, dass die Richtlinie einige Klarstellungen vornimmt und bestimmte Ausnahmen vom geltenden Patentrecht bezüglich der Reichweite des gewährten Schutzes vorsieht.

26 Die italienische Regierung macht schließlich viertens als Streithelferin zur Unterstützung des Klägers geltend, dass die Richtlinie auf der Grundlage der Artikel 130 und 130f EG-Vertrag (jetzt Artikel 157 EG und 163 EG) und nicht des Artikels 100a EG-Vertrag hätte erlassen werden müssen, da ihr Hauptziel, wie die ersten drei Begründungserwägungen zeigten, die Stützung der industriellen Entwicklung der Gemeinschaft und der wissenschaftlichen Forschung im Bereich der Gentechnik sei.

27 Für die Ermittlung der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts, die dessen Erlass zugrunde zu legen ist, ist auf das Hauptziel des Rechtsakts abzustellen (vgl. Urteil vom 17. März 1993 in der Rechtssache C-155/91, Kommission/Rat, Slg. 1993, I-939, Randnr. 19 bis 21). Die Richtlinie bezweckt zwar die Förderung der Forschung und der Entwicklung im Bereich der Gentechnik in der Europäischen Gemeinschaft. Die Art und Weise, in der sie zu diesem Ziel beiträgt, besteht aber darin, die rechtlichen Hindernisse im Binnenmarkt in Form der Unterschiede in den Rechtsvorschriften und in der Rechtsprechung in den Mitgliedstaaten abzubauen, die die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten in diesem Bereich behindern und zu einem Ungleichgewicht führen können.

28 Die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten stellt daher nicht nur ein beiläufiges oder ergänzendes Ziel der Richtlinie dar, sondern entspricht ihrem Wesen. Dass sie auch ein Ziel verfolgt, das unter die Artikel 130 und 130f EG-Vertrag fällt, schließt daher Artikel 100a EG-Vertrag als Rechtsgrundlage der Richtlinie nicht aus (vgl. analog Urteil vom 29. März 1990 in der Rechtssache C-62/88, Griechenland/Rat, Slg. 1990, I-1527, Randnrn. 18 bis 20).

29 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Richtlinie zu Recht auf der Grundlage des Artikels 100a EG-Vertrag erlassen worden ist und dass der erste Klagegrund daher zurückzuweisen ist.

Zum zweiten Klagegrund

30 Der Kläger macht geltend, dass die Richtlinie gegen das in Artikel 3b EG-Vertrag (jetzt Artikel 5 EG) verankerte Subsidiaritätsprinzip verstoße, hilfsweise, dass ihre Begründung nicht hinreichend erkennen lasse, dass dieses Erfordernis berücksichtigt worden sei.

31 Nach Artikel 3a Absatz 2 EG-Vertrag wird die Gemeinschaft in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.

32 Das Ziel der Richtlinie, durch Vermeidung und Ausräumung der Unterschiede in den Rechtsvorschriften und Praktiken der Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes biotechnologischer Erfindungen das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, hätte durch Maßnahmen auf der Ebene allein der Mitgliedstaaten nicht erreicht werden können. Da das Ausmaß dieses Schutzes unmittelbare Auswirkungen auf den Handel und folglich auch auf den innergemeinschaftlichen Handel hat, liegt es im Übrigen auf der Hand, dass das fragliche Ziel aufgrund des Umfangs und der Wirkungen der in Betracht gezogenen Maßnahmen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden konnte.

33 Zudem gehen die fünfte, die sechste und die siebte Begründungserwägung stillschweigend, aber offenkundig auf die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips ein, wenn es dort heißt, dass die Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften und Praktiken das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts behindere, falls die Gemeinschaft nicht eingreife. Die Richtlinie ist damit in diesem Punkt hinreichend begründet.

34 Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund

35 Der Kläger trägt vor, dass die Richtlinie nicht zur Beseitigung der in ihren Begründungserwägungen angeführten rechtlichen Unsicherheiten beitrage, sondern diese noch verschärfe und damit gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße. So lasse sie zum einen den nationalen Behörden ein Ermessen bei der Umsetzung allgemein und mehrdeutig formulierter Begriffe wie derjenigen der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten in Artikel 6. Zum anderen enthalte die Richtlinie unklare Bestimmungen, deren Verhältnis zueinander nicht deutlich sei, insbesondere was die in Artikel 4 Absätze 1 und 2, Artikel 8, Artikel 9 und der 31. und 32. Begründungserwägung angesprochene Patentierbarkeit von Pflanzensorten angehe.

36 Die beiden Rügen, die der Kläger für sein Vorbringen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit anführt, sind getrennt zu prüfen.

37 Artikel 6 der Richtlinie, der Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen würde, von der Patentierbarkeit ausnimmt, lässt den Verwaltungsbehörden und den Gerichten der Mitgliedstaaten unstreitig einen großen Spielraum bei der Durchführung dieses Ausschlusskriteriums.

38 Dieser Spielraum ist jedoch notwendig, um den besonderen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, die die Verwertung von bestimmten Patenten im sozialen und kulturellen Umfeld der jeweiligen Mitgliedstaaten aufwerfen können. Dieses Umfeld können die Verwaltung, die Gesetzgebung und die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten besser erfassen als die Gemeinschaftsbehörden. Eine solche Klausel, nach der im Fall eines drohenden Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten die Erteilung eines Patents verweigert werden kann, ist im Patentrecht im Übrigen üblich und insbesondere auch in den einschlägigen völkerrechtlichen Abkommen wie dem EPÜ enthalten.

39 Ferner ist dieser Spielraum der Mitgliedstaaten nicht unbegrenzt: Die Richtlinie grenzt diese Begriffe ein, indem sie zum einen vorsieht, dass die gewerbliche Verwertung einer Erfindung nicht allein deshalb gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, weil sie durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften verboten ist, und zum andern vier Beispiele von Verfahren und Verwendungen anführt, die nicht patentierbar sind. Der Gemeinschaftsgesetzgeber gibt damit eine Leitlinie für die Anwendung der fraglichen Begriffe vor, die es im allgemeinen Patentrecht sonst nicht gibt.

40 Schließlich verstößt eine Richtlinie nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn sie für ihre Durchführung auf den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten bekannte Begriffe verweist und, wie hier, deren Bedeutung und die Grenzen klarstellt und dabei die Besonderheiten der fraglichen Materie berücksichtigt.

41 Artikel 6 der Richtlinie verschärft daher die rechtlichen Unsicherheiten, denen die Richtlinie begegnen will, nicht.

42 Was die Patentierbarkeit von Pflanzensorten angeht, so ergibt die Prüfung der in der Klageschrift angeführten Vorschriften nicht, dass sie widersprüchlich wären.

43 Wie das Parlament und der Rat in ihrer Klagebeantwortung ausgeführt haben, bestimmt Artikel 4 nämlich, dass ein Patent zwar nicht für eine Pflanzensorte, wohl aber für eine Erfindung erteilt werden kann, deren Ausführung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte beschränkt ist.

44 Diese Unterscheidung wird in der 29. bis 32. Begründungserwägung der Richtlinie näher ausgeführt, aus denen sich ergibt, dass die Pflanzensorten als solche dem Sortenschutzrecht unterliegen. Der Sortenschutz erfasst aber nur Pflanzensorten, die durch ihr gesamtes Genom gekennzeichnet sind. Bei Pflanzengesamtheiten eines höheren taxonomischen Ranges als die Sorte, die durch ein bestimmtes Gen und nicht durch ihr gesamtes Genom gekennzeichnet sind, besteht die Gefahr eines Konflikts zwischen dem Sortenrecht und dem Patentrecht nicht. Daher können Erfindungen, die nur ein Gen einschließen und eine Gesamtheit betreffen, die größer ist als eine Pflanzensorte, patentiert werden.

45 Daraus folgt, dass anders als eine gentechnische Veränderung einer bestimmten Pflanzensorte eine Veränderung mit größerem Anwendungsbereich, die sich z. B. auf eine Art bezieht, patentierbar sein kann.

46 Die Artikel 8 und 9 der Richtlinie beziehen sich nicht auf die Patentierbarkeit an sich, sondern auf den Umfang des durch das Patent gewährten Schutzes. Danach umfasst dieser Schutz jedes biologische Material, das durch generative oder vegetative Vermehrung aus dem biologischen Material gewonnen wird, das die patentierte Information enthält. Der Patentschutz kann sich also auf eine Pflanzensorte erstrecken, ohne dass diese selbst patentierbar wäre.

47 Artikel 12 schließlich regelt durch ein System von Zwangslizenzen die Fälle, in denen ein für eine biotechnologische Erfindung erteiltes Patent ein früher erteiltes Sortenrecht verletzen würde und umgekehrt.

48 Die beiden Rügen, die der Kläger für die sich angeblich aus der Richtlinie ergebende Rechtsunsicherheit vorgetragen hat, können somit die Nichtigerklärung der Richtlinie nicht rechtfertigen.

49 Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund

50 Der Kläger macht geltend, dass die durch die Richtlinie eingeführten Pflichten der Mitgliedstaaten nicht mit deren völkerrechtlichen Verpflichtungen vereinbar seien, obwohl die Richtlinie nach ihrem Artikel 1 Absatz 2 die Verpflichtungen aus internationalen Übereinkommen nicht berühre. Die Richtlinie verstoße insbesondere gegen das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen) in Anhang I C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (im Folgenden: WTO-Übereinkommen), das im Namen der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich der in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 (ABl. L 336, S. 1) genehmigt wurde, das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse in Anhang I A des WTO-Übereinkommens, das EPÜ und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, das am 5. Juni 1992 in Rio de Janeiro unterzeichnet und im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 93/626/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 genehmigt wurde (ABl. L 309, S. 1).

51 Das Parlament und der Rat weisen darauf hin, dass das EPÜ keine Verpflichtungen für die Gemeinschaft schaffe, die keine Vertragspartei sei. Zu den anderen drei völkerrechtlichen Abkommen führt der Rat aus, dass die Rechtswidrigkeit einer Handlung der Gemeinschaft nur wegen Verstoßes gegen solche völkerrechtliche Verträge, an denen die Gemeinschaft beteiligt sei, gerügt werden könne, deren Bestimmungen unmittelbare Wirkung hätten. Dies sei hier aber nicht der Fall.

52 Die Rechtmäßigkeit einer Handlung der Gemeinschaft hängt grundsätzlich nicht von ihrer Vereinbarkeit mit einem internationalen Übereinkommen ab, an dem die Gemeinschaft nicht beteiligt ist, wie dem EPÜ. Ihre Rechtmäßigkeit kann auch nicht anhand völkerrechtlicher Instrumente beurteilt werden, die, wie das WTO-Übereinkommen und das dazu gehörende TRIPS-Übereinkommen und das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse, wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften gehören, an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst (Urteil vom 23. November 1999 in der Rechtssache C-149/96, Portugal/Rat, Slg. 1999, I-8395, Randnr. 47).

53 Dies kann jedoch nicht für das Übereinkommen über die biologische Vielfalt gelten, das im Gegensatz zum WTO-Übereinkommen nicht strikt auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit zum beiderseitigen Nutzen beruht (Urteil Portugal/Rat, Randnr. 42 bis 46).

54 Auch wenn die Bestimmungen dieses Übereinkommens, wie der Rat vorträgt, keine unmittelbare Wirkung haben, also keine Rechte schaffen sollten, auf die sich der Einzelne vor den Gerichten berufen kann, so hindert das den Richter doch nicht daran, die Einhaltung der Verpflichtungen zu prüfen, die der Gemeinschaft als Vertragspartei obliegen (Urteil vom 16. Juni 1998 in der Rechtssache C-162/96, Racke, Slg. 1998, I-3655, Randnrn. 45, 47 und 51).

55 Darüber hinaus ist der Klagegrund so zu verstehen, dass er weniger einen eigenen Verstoß der Gemeinschaft gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen, sondern vielmehr die den Mitgliedstaaten durch die Richtlinie vermeintlich auferlegte Verpflichtung beanstandet, gegen ihre völkerrechtlichen Pflichten zu verstoßen, obwohl es in der Richtlinie ausdrücklich heißt, dass sie diese Verpflichtungen nicht berührt.

56 Schon allein aus diesem Grund ist der Klagegrund zulässig.

57 Materiell macht der Kläger erstens geltend, dass Artikel 27 Absatz 3 Buchstabe b des TRIPS-Übereinkommens den Mitgliedstaaten freistelle, für Pflanzen und Tiere, mit Ausnahme von Mikroorganismen, keine Patente zu erteilen, wohingegen die Richtlinie die Mitgliedstaaten diese Befugnis nehme.

58 In der Tat nimmt die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis, die das TRIPS-Übereinkommen den Vertragsparteien hinsichtlich der Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren einräumt. Die in Artikel 4 der Richtlinie getroffene Entscheidung ist jedoch als solche mit dem Übereinkommen vereinbar, das bestimmten Vertragsparteien auch nicht verbietet, hinsichtlich seiner Durchführung eine gemeinsame Position einzunehmen. Eine Entscheidungsbefugnis, die ein völkerrechtliches Abkommen, an dem die Mitgliedstaaten beteiligt sind, den Vertragsparteien einräumt, gemeinsam auszuüben, hält sich im Rahmen der in Artikel 100a EG-Vertrag vorgesehenen Angleichung der Rechtsvorschriften.

59 Zweitens enthalte die Richtlinie technische Vorschriften im Sinne des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse, die dem Sekretariat der Welthandelsorganisation hätten mitgeteilt werden müssen.

60 Technische Vorschriften im Sinne des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse sind im Anhang I des Übereinkommens als Dokument definiert, die Merkmale eines Produktes oder die entsprechenden Verfahren und Produktionsmethoden festlegen; eine solche Vorschrift enthält die Richtlinie nicht. Daher kann dahinstehen, inwieweit der rechtliche Schutz biotechnologischer Erfindungen in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen könnte.

61 Der Kläger macht drittens geltend, dass Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie, wonach Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde", von der Patentierbarkeit ausgenommen seien, gegen Artikel 53 EPÜ verstoße, wonach Erfindungen, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde", von der Patentierbarkeit ausgenommen seien. Der unterschiedliche Wortlaut berühre unter Verstoß gegen Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie die Verpflichtungen, die das EPÜ den Mitgliedstaaten auferlege.

62 Der Kläger gibt jedoch nicht an, inwiefern der geringfügig abweichende Wortlaut der Richtlinie, der sich an den Wortlaut des Artikels 27 Absatz 3 des TRIPS-Übereinkommens anlehnt, den Mitgliedstaaten aufgeben würde, gegen ihre Verpflichtungen aus dem EPÜ zu verstoßen, um ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie nachzukommen. In Ermangelung konkreter Beispiele für das Gegenteil ist davon auszugehen, dass es für die Feststellung, dass eine Erfindung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt, keinen Unterschied macht, ob auf die Veröffentlichung, die Verwertung oder die gewerbliche Verwertung abgestellt wird.

63 An vierter und letzter Stelle machen der Kläger und stärker noch die norwegische Regierung als sein Streithelfer geltend, dass der Zweck der Richtlinie an sich, nämlich biotechnologische Erfindungen in allen Mitgliedstaaten patentierbar zu machen, der gerechten Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile widerspreche, die eines der Ziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt sei.

64 Die Gefahren, die der Kläger und der Streithelfer anführen, sind jedoch nur hypothetisch; sie ergeben sich nicht unmittelbar aus den Bestimmungen der Richtlinie, sondern allenfalls daraus, wie sie ihrer Ansicht nach angewendet werden könnten.

65 Bis zum - hier nicht erbrachten - Nachweis des Gegenteils kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die bloße Tatsache des Patentschutzes für biotechnologische Erfindungen - wie vorgetragen - zur Folge hätte, dass die Entwicklungsländer ihre biologischen Ressourcen nicht mehr kontrollieren und über ihr traditionelles Wissen nicht mehr verfügen könnten oder dass die Monokultur gefördert oder nationale und internationale Bemühungen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt geschwächt würden.

66 Ferner nennt Artikel 1 des Übereinkommens über die biologische Vielfalt zwar als Ziel die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile, insbesondere durch angemessenen Zugang zu genetischen Ressourcen und angemessene Weitergabe der einschlägigen Technologien; dies hat aber unter Berücksichtigung aller Rechte an diesen Ressourcen und Technologien zu erfolgen. Das Übereinkommen schreibt nicht spezifisch vor, dass zu den Voraussetzungen für die Erteilung eines Patents für eine biotechnolgische Erfindung die Berücksichtigung der Interessen des Landes, aus dem die genetische Ressource stammen soll, oder das Vorliegen eines Technologietransfers gehören müssten.

67 Schließlich kann die Richtlinie auch kein Hindernis für die internationale Zusammenarbeit darstellen, die zur Erreichung der Ziele des Übereinkommens erforderlich ist, da die Mitgliedstaaten nach Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie verpflichtet sind, diese in Übereinstimmung mit den Verpflichtungen anzuwenden, die sie u. a. hinsichtlich der biologischen Vielfalt eingegangen sind.

68 Daraus ergibt sich, dass der vierte Klagegrund zurückzuweisen ist.

Zum fünften Klagegrund

69 Nach Ansicht des Klägers bedeutet die aus Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie folgende Patentierbarkeit isolierter Bestandteile des menschlichen Körpers eine Instrumentalisierung lebender menschlicher Materie, die die Menschenwürde verletzt. Darüber hinaus sei das Selbstbestimmungsrecht bedroht, weil es keine Bestimmung gebe, die die Prüfung der Zustimmung des Spenders oder des Empfängers von auf biotechnologischem Wege gewonnenen Erzeugnissen verlange.

70 Es obliegt dem Gerichtshof, im Rahmen der Kontrolle der Übereinstimmung der Handlungen der Organe mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts die Beachtung der Menschenwürde und des Grundrechts auf Unversehrtheit der Person sicherzustellen.

71 Die Achtung der Menschenwürde wird grundsätzlich durch Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie gewährleistet, wonach der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung keine patentierbare Erfindung darstellen kann.

72 Bestandteile des menschlichen Körpers sind als solche ebenso wenig patentierbar und ihre Entdeckung kann nicht geschützt werden. Gegenstand einer Patentanmeldung können nur Erfindungen sein, die einen natürlichen Bestandteil mit einem technischen Verfahren verknüpfen, durch das dieser im Hinblick auf eine gewerbliche Anwendung isoliert oder reproduziert werden kann.

73 Somit kann ein Bestandteil des menschlichen Körpers, wie die 20. und die 21. Begründungserwägung ausführen, Teil eines Erzeugnisses sein, das durch ein Patent geschützt werden kann, aber er kann in seiner natürlichen Umgebung nicht Gegenstand einer Aneignung sein.

74 Diese Unterscheidung gilt auch für Arbeiten an Sequenzen oder Teilsequenzen menschlicher Gene. Das Ergebnis solcher Arbeiten kann nur dann zur Erteilung eines Patents führen, wenn die Anmeldung eine Beschreibung zum einen der neuen Methode der Sequenzierung, die zu der Erfindung geführt hat, und zum anderen - wie in Artikel 5 Absatz 3 der Richtlinie ausgeführt - der gewerblichen Anwendung umfasst, die das Ziel der Arbeiten ist. Ohne eine solche Anwendung hätte man es nicht mit einer Erfindung zu tun, sondern mit der Entdeckung einer DNA-Sequenz, die als solche nicht patentierbar wäre.

75 Die Richtlinie soll somit nur das Ergebnis einer wissenschaftlichen oder technischen erfinderischen Tätigkeit schützen und erfasst beim Menschen natürlich vorkommende biologische Daten nur, soweit sie für die Durchführung und Verwertung einer besonderen gewerblichen Anwendung erforderlich sind.

76 Zusätzliche Sicherheit bietet Artikel 6 der Richtlinie, wonach Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen, Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens und die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten und daher als nicht patentierbar gelten. Die 38. Begründungserwägung stellt klar, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist und dass alle Verfahren, deren Anwendung gegen die Menschenwürde verstößt, ebenfalls von der Patentierbarkeit auszunehmen sind.

77 Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Richtlinie das Patentrecht in Bezug auf lebende Materie menschlichen Ursprungs so streng fasst, dass der menschliche Körper tatsächlich unverfügbar und unveräußerlich bleibt und somit die Menschenwürde gewahrt wird.

78 Der zweite Teil des Klagegrundes stellt das Recht auf Unversehrtheit der Person in Frage, soweit es im Bereich der Medizin und der Biologie die unbeeinflusste Zustimmung des Spenders und des Empfängers in voller Kenntnis der Sachlage umfasst.

79 Dieses Grundrecht kann jedoch nicht gegen eine Richtlinie angeführt werden, die sich nur mit der Erteilung von Patenten befasst und deren Anwendungsbereich sich daher nicht auf Vorgänge vor und nach dieser Erteilung - sei es die Forschung oder die Verwendung der patentierten Erzeugnisse - erstreckt.

80 Wie in der 14. Begründungserwägung ausgeführt, berührt die Erteilung eines Patents rechtliche Einschränkungen oder Verbote nicht, die für die Entwicklung patentierbarer Erzeugnisse oder die Verwertung patentierter Erzeugnisse gelten. Die Richtlinie soll restriktive Bestimmungen nicht ersetzen, die jenseits des Anwendungsbereichs der Richtlinie die Achtung bestimmter ethischer Normen garantieren sollen, zu denen auch das Recht des Menschen gehört, durch Zustimmung in voller Kenntnis der Sachlage über sich selbst zu verfügen.

81 Der fünfte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum sechsten Klagegrund

82 Der Kläger trägt schließlich vor, dass die Richtlinie gegen wesentliche Formvorschriften verstoße, da sie nicht erkennen lasse, dass der Vorschlag der Kommission nach Beratung im Kollegium und auf der Grundlage eines in allen Amtssprachen verfassten Textes erlassen worden sei.

83 Der Rat hält diesen Klagegrund für unzulässig, da der Kläger nicht darlege, ob der ursprüngliche oder der geänderte Vorschlag der Kommission gemeint sei, und nichts zur Stützung seines Klagegrundes vorbringe.

84 Jedoch betrifft der Klagegrund sowohl den Richtlinienvorschlag 96/C 296/03, der von der Kommission am 25. Januar 1996 (ABl. 1996, C 296, S. 4) vorgelegt wurde, als auch den geänderten Vorschlag 97/C 311/05, der von der Kommission am 29. August 1997 (ABl. 1997, C 311, S. 12) vorgelegt wurde; das ergibt sich daraus, dass die Richtlinie in ihrer Präambel auf den Vorschlag der Kommission" Bezug nimmt und in der Fußnote auf die Ausgaben des Amtblatts der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Oktober 1996 und 11. Oktober 1997 verweist. Darüber hinaus ist der Klagegrund so präzise, dass der Gerichtshof verstehen kann, worum es geht.

85 Die Kommission hat in ihrem Streithilfeschriftsatz Ausführungen gemacht, die belegen, dass das Kollegialprinzip und das Sprachenregime, die für ihre Beratungen gelten, beachtet wurden. Der Kläger hat daraufhin klargestellt, dass er mit diesem Klagegrund nicht den Verstoß gegen das Kollegialprinzip selbst rüge, sondern das Fehlen einer klaren Begründung im Text der Richtlinie, die auf dieses Prinzip einginge.

86 Die Pflicht zur Begründung von Richtlinien nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 235 EG) geht nicht so weit, dass die dort angesprochenen Bezugnahmen auf Vorschläge und Stellungnahmen die tatsächlichen Umstände umfassen müssten, aus denen entnommen werden kann, dass die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ihre Verfahrensregeln beachtet haben.

87 Ferner wäre ein Organ allenfalls bei ernsthaften Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit des seiner Beteiligung vorausgehenden Verfahrens berechtigt, sich entsprechend zu erkundigen. Es ist aber weder dargelegt noch auch nur behauptet worden, dass das Parlament oder der Rat berechtigte Gründe zu der Annahme gehabt hätten, dass die Beratung der Kommission über ihren Vorschlag nicht ordnungsgemäß gewesen sei.

88 Der sechste Klagegrund ist daher zurück- und die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung

Kosten
89 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich der Niederlande mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß den Anträgen des Parlaments und des Rates die Kosten aufzuerlegen.

90 Gemäß Artikel 69 § 4 Absätze 1 und 2 der Verfahrensordnung tragen die Italienische Republik, das Königreich Norwegen und die Kommission als Streithelfer ihre eigenen Kosten.

Tenor

Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Das Königreich der Niederlande trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Italienische Republik, das Königreich Norwegen und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften tragen ihre eigenen Kosten.