BGH, 03.10.1979 - 3 StR 264/79 (S)

Daten
Fall: 
Zulässiges Verteidigerhandeln
Fundstellen: 
BGHSt 29, 99; EBE 1979, 414; JR 1981, 73; JuS 1980, 455; MDR 1980, 67; NJW 1980, 298; NJW 1980, 64; NStZ 1981, 95
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
03.10.1979
Aktenzeichen: 
3 StR 264/79 (S)
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg

Ein zulässiges Verteidigerhandeln kann keine rechtswidrige Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung sein.

Tatbestand

Anklage und Eröffnungsbeschluß legen dem Angeklagten zur Last, er habe im Jahre 1974 nach der Ermordung S eine kriminelle Vereinigung, die Gruppe um J, unterstützt (§ 129 StGB a.F.) und sich dadurch zugleich einer persönlichen Begünstigung schuldig gemacht (§ 257 StGB a.F.) - Fall I der Anklage; außerdem habe er durch eine weitere selbständige Handlung eine persönliche oder sachliche Begünstigung (§ 257 StGB a.F.) begangen, indem er einen mit falschen polizeilichen Kennzeichen versehenen Pkw seines Mandanten R, der sich wegen des Verdachts eines bewaffneten Raubüberfalls in Untersuchungshaft befand, selbst oder durch andere von K nach H überführt habe - Fall II der Anklage. Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die der Generalbundesanwalt nur zum Fall I der Anklage vertritt, rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

I. Zum Fall R (II der Anklage)

1. Zu Unrecht meint die Revision, die Feststellungen des Landgerichts zu diesem Komplex seien widersprüchlich.

a) Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die Zeugen M und H gefragt, ob sie den Wagen nach H überführen könnten. Das Landgericht hat, wie es hervorhebt, nicht klären können, ob er diese Frage bereits als entsprechende Aufforderung hat verstanden wissen wollen. Es hat nicht ausgeschlossen, daß er lediglich hat vorfühlen wollen, ob die Zeugen zu der Überführung bereit und in der Lage seien.

b) Eine dem widersprechende Feststellung des Inhalts, daß es sich bei der Frage doch um eine vom Vorsatz umfaßte Aufforderung gehandelt habe, hat die Strafkammer entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht getroffen, auch nicht im Zusammenhang mit der Wiedergabe und Würdigung der verschiedenen Aussagen der Zeugin M. Die Zeugin hat bei ihrer polizeilichen Vernehmung vom 2. Januar 1975 u.a. bekundet, H und sie hätten die vom Angeklagten an sie herangetragene Bitte abgeschlagen, den Wagen nach H zu überführen. Vor dem Ermittlungsrichter hat sie am 14. Januar 1975 ausgesagt, sie hätten die Frage, die der Angeklagte wegen der Überführung an sie gerichtet habe, verneinen müssen und auch nicht seiner Bitte entsprechen können, den Wagen durch einen Dritten überführen zu lassen. Das Landgericht hat keinen Grund gesehen, an der Richtigkeit der Aussage vom 14. Januar zu zweifeln. Auch hat es festgestellt, daß sich diese Aussage weitgehend mit den Angaben der Zeugin M vom 12. Januar decke. All dies widerspricht aber nicht den Zweifeln, die die Strafkammer zur inneren Tatseite nicht überwunden hat. Denn die Zeugin M hat die Vorgänge naturgemäß aus ihrer Sicht geschildert und kann als "Bitte" und damit Aufforderung verstanden haben, was für den Angeklagten lediglich ein "Vorfühlen" war, dem noch kein Entschluß zugrunde lag, sich der Zeugen zur Überführung des Wagens zu bedienen und in dieser Richtung auf sie einzuwirken. Wenn die Revision meint, die von der Zeugin geschilderten Bitten kämen einer Aufforderung im Sinne einer erfolglosen Anstiftung gleich, so ersetzt sie damit unzulässigerweise die Beweiswürdigung, die dem Tatrichter vorbehalten ist, durch eine eigene Würdigung des Beweisergebnisses.

2. Die Überprüfung dieses Falles auf die Sachrüge hin hat auch im übrigen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten aufgedeckt.

a) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, daß als Vortat der persönlichen Begünstigung (Strafvereitelung) im Sinne des zur Tatzeit geltenden § 257 Abs. 1 StGB a.F. hier nur die Urkundenfälschung in Betracht kommt, deren sich R durch die Verwendung der falschen Kennzeichen am Pkw schuldig gemacht haben kann (vgl. BGHSt 18, 66, 70). Es hat nicht klären können, ob der Wagen oder dessen Inhalt als Tat- oder Beweismittel mit weiteren möglichen Straftaten R in Verbindung stand (UA S. 20 f).

b) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landgericht die lediglich vorfühlende Frage des Angeklagten, ob die Zeugen M und H den Wagen nach H überführen könnten, nicht als Beistandleisten nach § 257 Abs. 1 StGB a.F. angesehen hat. Beistandleisten, um den Vortäter der Bestrafung zu entziehen, ist ein Unternehmenstatbestand. Daß die persönliche Begünstigung den erstrebten Erfolg hat, ist demnach nicht erforderlich. Doch muß die Handlung geeignet sein, den Vortäter günstiger zu stellen. Die Unterstützung muß mindestens versucht worden sein; ihre bloße Vorbereitung genügt nicht (RGSt 50, 364, 365 f;63, 240, 241;66, 316, 324;76, 122 f; BGHSt 2, 375 f;4, 221, 224). Es kann offen bleiben, ob das Tatbestandsmerkmal des Beistandsleistens nach diesen Grundsätzen schon erfüllt ist, wenn der Beschuldigte im Sinne einer lediglich versuchten Anstiftung auf einen anderen dahin einwirkt, er möge dem Vortäter in rechtswidriger Weise helfen. Denn bei der Frage an die Zeugen M und H, ob sie den Wagen nach H überführen könnten, hat der Angeklagte, wie nicht ausgeschlossen ist, ohne Anstiftungswillen gehandelt; er wollte möglicherweise nur vorfühlen, ob die Zeugen zur Überführung überhaupt bereit und in der Lage seien. Die Strafkammer hat diese Frage auf der Grundlage ihrer Feststellungen zu Recht dem Bereich der straflosen Vorbereitung zugeordnet.

c) Das Landgericht hat nicht erörtert, ob der Angeklagte durch sein darüber hinaus festgestelltes Verhalten R rechtswidrig Beistand im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB a.F. geleistet hat. Das gefährdet den Bestand des Urteils im Ergebnis jedoch nicht.

Bei dem Gespräch vom 6. April 1974, bei dem ihn R um die Überführung bat, war der Angeklagte noch nicht entschlossen, der Bitte zu entsprechen; insoweit fehlt es wenigstens am Vorsatz. Dadurch, daß er sich am 11. April 1974 bei R Vater nach einem Wagenschlüssel erkundigte, hat er die beabsichtigte Überführung lediglich vorbereitet. Denn die Erkundigung selbst war noch nicht geeignet, R vor Strafverfolgung zu schützen; diese Handlung erfüllt damit nicht den Tatbestand des § 257 Abs. 1 StGB a.F.. Das gleiche gilt für die Reise nach K, die der Angeklagte am 12. April 1974 unternommen hat, um die Überführung des Fahrzeugs in die Wege zu leiten; für die Suche nach dem Wagen in K und für die Einschaltung der Zeugen M und H hierbei. Daß der Angeklagte die Zeugen aufgefordert hat, den Wagen durch einen Dritten überführen zu lassen, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht festgestellt. Der Wagen wurde schließlich von einem Unbekannten, den R möglicherweise selbst beauftragt hat, nach H gebracht.

II. Zum Fall J (I der Anklage)

1. Das Landgericht ist der Meinung, in diesem Komplex komme als Tathandlung (nach § 257 Abs. 1 StGB a.F. und § 129 StGB) allein der J und B erteilte Rat in Betracht, in dem Ermittlungsverfahren, das wegen der Ermordung S eingeleitet worden war, die Aussage als Zeuge vor Gericht zu verweigern. Insoweit hat es eine Strafbarkeit nicht angenommen. Die Revision erblickt einen Rechtsfehler darin, daß das Landgericht es nach ihrer Ansicht unterlassen hat, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB) auch zu prüfen, ob der Angeklagte die Abstimmung falscher Zeugenaussagen für möglich gehalten und in Kauf genommen hat, als er J am 10. Juni 1974 Fotokopien der Niederschrift über ihre richterliche Vernehmung vom 8. Juni 1974 und des sogenannten Gedächtnisprotokolls nach W sandte, in welchem T seine polizeiliche Vernehmung vom 5. Juni 1974 geschildert hat. J und T hatten bei diesen Vernehmungen, wie von der Gruppe abgesprochen, vorsätzlich falsche Aussagen gemacht. Die Durchschrift des Protokolls vom 8. Juni 1974 war dem Angeklagten, der für J auftrat, vom Richter ohne weiteres überlassen worden, wie es bei späteren Vernehmungen ebenfalls geschah. Das Gedächtnisprotokoll hatte er am 8. Juni 1974 bei einem Gespräch mit J und B erhalten.

Das Landgericht hat nicht für erwiesen erachtet, daß sich der Angeklagte die Durchschriften der Vernehmungsprotokolle aushändigen ließ und Fotokopien davon nach W schickte, um so bei der Koordinierung falscher Zeugenaussagen behilflich zu sein. Es hat ausgeführt: Die Weiterleitung der Protokolle sei zwar bedenklich gewesen, weil "natürlich" die Gefahr bestanden habe, daß die Gruppe weitere Zeugenaussagen danach habe abstimmen können. Ob der Angeklagte dies "gewollt" habe, sei jedoch fraglich. Ob er die festgestellte Gefahr erkannt, für wie groß er sie gehalten und ob er ihre Verwirklichung hingenommen hat, wird nicht erörtert.

2. Es kann auf sich beruhen, ob dem Urteilszusammenhang bei diesem Sachverhalt mit ausreichender Sicherheit entnommen werden kann, daß sich die Zweifel zur inneren Tatseite, die das Landgericht zur Strafvereitelungsabsicht des Angeklagten gehabt hat, auch auf ein Bewußtsein im Sinne eines bedingten Unterstützungsvorsatzes (§ 129 Abs. 1 StGB erstreckt haben. Denn die Übersendung der Schriftstücke war keine rechtswidrige Unterstützung der kriminellen Vereinigung um J, weil sie sich im Rahmen zulässiger Verteidigertätigkeit hielt, nicht von einer Strafvereitelungsabsicht getragen war und damit durch den Verteidigungszweck gedeckt ist. Insoweit ist auch für die Annahme einer Beihilfe zur vorsätzlichen Falschaussage kein Raum.

a) Eine kriminelle oder terroristische Vereinigung unterstützt, wer als Nichtmitglied ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer Ziele fördert. Unterstützung im Sinne der §§ 129 und 129 a StGB ist zu Täterschaft verselbständigte Beihilfe (vgl. BGHSt 20, 89). Wie beim Beistandleisten nach § 257 Abs. 1 StGB a.F. kommt es deshalb nicht darauf an, ob die Hilfe den Erfolg hat, den der Täter mit ihr erstrebt. Für die Schuldfrage ist es insbesondere unerheblich, ob der Organisation nachweisbar ein meßbarer Nutzen entstanden ist. Vielmehr genügt es, wenn die Hilfe den Bestrebungen der Vereinigung oder ihrer Tätigkeit irgendwie vorteilhaft ist oder wenn sie die Mitglieder in dem Entschluß bestärkt, die geplanten Taten zu begehen (BGHSt 20, 89, 90; BGH NJW 1975, 985, 986; von Bubnoff in LK, 10. Aufl. § 129 StGB Rdn. 18; vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 19. Aufl. § 129 Rdn. 15 und 15 a). Zur inneren Tatseite reicht - anders als bei der Strafvereitelung nach altem und neuem Recht - bedingter Vorsatz aus (BGH bei Wagner GA 1960, 236; BGH LM StGB Nr. 6 zu § 129; von Bubnoff aaO. Rdn. 19; Dreher/Tröndle, StGB 38. Aufl. § 129 Rdn. 5; Lenckner aaO. Rdn. 16; Rudolphi in SK § 129 Rdn 19).

b) Bei der Weite, die der Unterstützungstatbestand der §§ 129 und 129 a StGB demnach zur äußeren und inneren Tatseite hat, besteht die Gefahr, daß eine erlaubte Verteidigertätigkeit in den Anwendungsbereich der Vorschriften fällt, wenn der Beschuldigte Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung ist. Denn Strafverteidigung ist ihrer Natur nach auf den Schutz des Beschuldigten vor Anklage, Verhaftung und Verurteilung ausgerichtet. Sie wird sich infolgedessen häufig notwendigerweise günstig auf den Fortbestand einer solchen Organisation oder die Realisierung ihrer Pläne auswirken, indem sie den Zugriff der Strafverfolgungsorgane auf die Gruppenmitglieder verhindert oder wenigstens erschwert (vgl. Rudolphi, Festschrift für Bruns 1978, S. 315, 334 f). Das kann auch der Fall sein, wenn der Verteidiger dem Beschuldigten Abschriften von Vernehmungsprotokollen überläßt (vgl. Rudolphi aaO. S. 334).

aa) Sachgerechte Strafverteidigung setzt voraus, daß der Beschuldigte weiß, worauf sich der gegen ihn erhobene Vorwurf stützt, und daß er den Verteidiger informieren kann, wie er sich dazu einlassen wird. Der Verteidiger ist deshalb in der Regel berechtigt und unter Umständen sogar verpflichtet, dem Beschuldigten zu Verteidigungszwecken mitzuteilen, was er aus den Akten erfahren hat (Lüttger NJW 1951, 744, 745; Dahs/Dahs, Handbuch des Strafverteidigers 4. Aufl. Rdn. 210). Im gleichen Umfang, wie er ihm den Akteninhalt mitteilen darf, ist er prozessual auch berechtigt, dem Beschuldigten Aktenauszüge und Abschriften aus den Akten auszuhändigen (BGH, Urteil vom 24. April 1968 - 4 StR 34/68 - bei Dallinger MDR 1968, 728; Dünnebier in Löwe/Rosenberg, StPO 22. Aufl. § 147 Anm. 4;23. Aufl. § 147 Rdn. 17; Eb. Schmidt, Lehrkommentar StPO § 147 Rdn. 17 und 18; Kleinknecht, StPO 34. Aufl. § 147 Rdn. 15; Lüttger aaO. S. 747; einschränkend - "in geeigneten Fällen" - Dahs/Dahs aaO. Rdn. 210). Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen - abgesehen vom Sonderfall der Verschlußsachen (vgl. BGHSt 18, 369, 371 ff) - nur in Betracht, wenn die Aushändigung den Untersuchungszweck gefährden würde oder zu befürchten ist, daß die Auszüge oder Abschriften zu verfahrensfremden Zwecken (z.B. für eine private Veröffentlichung) mißbraucht werden (BGH aaO.).

bb) Unter welchen Voraussetzungen der Untersuchungszweck eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens gefährdet wird, läßt sich nicht allgemein umschreiben. Die Frage kann jeweils nur anhand des Einzelfalls beurteilt werden.

Sie kann z.B. zu bejahen sein, wenn der Beschuldigte aus einer ihm ausgehändigten Abschrift aus den Akten erfahren würde, daß eine Durchsuchung seiner Wohnung bevorsteht oder die Staatsanwaltschaft den Erlaß eines Haftbefehls gegen ihn beantragt hat (vgl. Dünnebier, 22. Aufl. aaO.;23. Aufl. aaO. Rdn. 15; Lüttger aaO. S. 746; a.A. Eb. Schmidt aaO. Rdn. 19). Dagegen reicht die nur selten auszuschließende Möglichkeit, daß er eine Unterrichtung über das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen, insbesondere der Zeugenaussagen, zur Verdunkelung des Sachverhalts, etwa zum Aufbau eines falschen Alibis, benutzen könnte, zur Annahme einer solchen Gefährdung nicht aus. Die entgegengesetze Auffassung würde zu einem weitgehenden Informationsverbot für den Verteidiger, insbesondere den gewissenhaften, führen und damit dem rechtsstaatlichen Gebot, eine möglichst unbehinderte Verteidigung zu gewährleisten, schweren Abbruch tun. Zweifel, Vermutungen und selbst ein erheblicher Verdacht des Verteidigers, der Beschuldigte könne ihm überlassene Unterlagen zur Verschleierung des Sachverhalts mißbrauchen, können deshalb kein Grund sein, dem Verteidiger Handlungen zu untersagen, die üblicherweise im Interesse der Verteidigung liegen. Bei der Mitteilung von Zeugenaussagen an den Beschuldigten gilt dies, wenn sie wahr oder zu dessen Ungunsten unrichtig sind, und darüberhinaus jedenfalls auch dann, wenn sie zwar zu Gunsten des Beschuldigten falsch sind, dem Verteidiger dies aber unbekannt oder er darüber im Ungewissen ist.

So war es hier. Denn das Landgericht hat nicht feststellen können, wann der Angeklagte über die einzelnen Fahrten der Gruppe um J nach B sowie darüber informiert worden ist, daß ein Mitglied der Gruppe S erschossen hat. Bei der Übersendung der Fotokopien kann der Angeklagte die Aussagen also noch für richtig gehalten haben.

Abzulehnen ist die von Kleinknecht (aaO. Rdn. 15 unter Hinweis auf Marxen NJW 1977, 2188, 2190 Fußn. 30) vertretene Ansicht, die Wahrheitserforschung könnte erheblich gefährdet werden, wenn Zeugen damit rechnen müßten, daß ein Angeklagter Abschriften der Protokolle über ihre Vernehmung in Besitz habe; Protokollabschriften dürften ihm daher in der Regel nicht ausgehändigt werden. Ein Zeuge, der im Ermittlungs- oder Strafverfahren aussagt, ist zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet. Im allgemeinen muß er seine Aussage in der Hauptverhandlung wiederholen. Er kann sich deshalb, soweit zulässig, darauf einstellen, daß der Angeklagte erfährt, was er gegen ihn vorbringt. Unannehmlichkeiten, die mit der Bekundung der Wahrheit verbunden sein können, muß er hinnehmen, soweit die Pflichten als Zeuge es verlangen. Ob der Verteidiger den Beschuldigten mündlich, durch schriftliche Ausführungen oder unter Überlassung einer Protokollabschrift vom Inhalt einer Zeugenaussage unterrichtet, hängt oft von Äußerlichkeiten (z.B. von der Arbeitsbelastung des Anwalts oder dem Umfang der Aussage) ab. Welchen Weg er wählt, steht in der Regel in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Soll und darf die Information der Verteidigung dienen, so kann die Art und Weise, in der sie geschieht, auch aus Sicht von Zeugen keinen wesentlichen Unterschied machen. Deren etwaige Befürchtung, der Beschuldigte könne über den Inhalt ihrer belastenden Aussagen genau informiert sein, rechtfertigt es deshalb im allgemeinen nicht, Abschriften von Vernehmungsprotokollen von der Aushändigung an ihn auszuschließen. Einen Fall wie den von der Revision aufgegriffenen vom 10. Juni 1974, bei dem das weitergeleitete Schriftstück die Abschrift eines Protokolls über eine Vernehmung des Verdächtigen selbst ist, trifft die hier abgelehnte Rechtsansicht ohnehin nicht. Das gleiche gilt, wenn der Zeuge gegen die Aushändigung der Abschrift an den Beschuldigten ersichtlich nichts einzuwenden hat, wie es beim Gedächtnisprotokoll T der Fall war.

cc) Für die Frage, ob sich die Übersendung der Protokollabschrift im Rahmen zulässiger Verteidigung hält, ist es unerheblich, daß J zur Zeit der Übersendung noch nicht als Beschuldigte gehört worden war, sondern nur als Zeugin. Die unter aa) und bb) dargelegten Erwägungen greifen ein, wenn der Rechtsanwalt bei seinem Handeln formell Verteidiger ist. Sie müssen aber auch dann gelten, wenn er seine Tätigkeit - so wie hier - aus gutem Grund materiell als Strafverteidigung ansieht. In einem solchen Fall darf er dem von ihm vertretenen Verdächtigen Abschriften von Vernehmungsprotokollen jedenfalls dann aushändigen, wenn sie ihm vom vernehmenden Richter ohne weiteres überlassen worden sind.

dd) Unter welchen Umständen ein Mißbrauch von Aktenauszügen oder -abschriften zu verfahrensfremden Zwecken zu befürchten und wie ein daraus erwachsendes prozessuales Aushändigungsverbot von dem wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks abzugrenzen ist, braucht der Senat hier nicht näher zu untersuchen. Denn im gleichem Umfang und aus denselben Gründen wie unter dem Gefährdungsaspekt kann die bloße Möglichkeit, daß der Beschuldigte eine ihm zur Information überlassene Vernehmungsabschrift zur Verschleierung des Sachverhalts und damit zur Unterstützung einer kriminellen Vereinigung verwendet, auch unter dem Gesichtspunkt des Mißbrauchs zu verfahrensfremden Zwecken nicht ausreichen, die Aushändigung der Abschrift zu verbieten.

c) Der Konflikt, der zwischen einem danach prozessual zulässigen Verteidigerhandeln wie der Aushändigung von Abschriften aus den Akten und dem strafrechtlichen Unterstützungsverbot der §§ 129 und 129 a StGB möglich ist, muß dahin gelöst werden, daß solches Handeln kein rechtswidriges Unterstützen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung sein kann, es sei denn, es dient unter dem Anschein zulässiger Verteidigung in Wirklichkeit dem Ziel, einer solchen Vereinigung zu helfen. Das Bestreben, das organisierte Verbrechen mit den Mitteln des Strafrechts schon im Vorfeld seiner Ausführung zu bekämpfen, hat - mit den genannten Einschränkungen - gegenüber dem rechtsstaatlichen Gebot zurückzutreten, auch in diesem Bereich eine ungehinderte und damit wirksame Strafverteidigung zu ermöglichen. Die Erfüllung dieses Gebots wäre ernsthaft gefährdet, wenn der Verteidiger im Zusammenhang mit Verfahren nach den §§ 129 und 129 a StGB der Gefahr ausgesetzt würde, wegen einer üblichen und zulässigen Verteidigertätigkeit strafrechtlich selbst verfolgt zu werden. Das darf nicht sein, soll nicht der Rechtsstaatsgedanke erhebliche Einbuße erleiden. Im Ergebnis führt die hier vertretene Auffassung dazu, daß ein der Verteidigung dienendes Handeln, das zur Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung führen kann, unter den dargelegten Voraussetzungen nicht geeignet ist, im Rahmen einer erlaubten Verteidigertätigkeit die Strafbarkeit des Verteidigers nach den genannten Vorschriften zu begründen.

aa) Darin liegt keine willkürliche Besserstellung des Verteidigers gegenüber anderen. Denn er hat als Wahl- oder Pflichtverteidiger einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, dessen Ausführung nicht nur im Interesse des Beschuldigten, sondern auch in dem einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege liegt. Sein Verteidigungsauftrag erfordert und rechtfertigt es, daß er den Beschuldigten ausreichend über den Akteninhalt informiert, auch wenn das mit einem gewissen Risiko für die Ermittlung der Wahrheit und damit - in Fällen wie dem vorliegenden - mittelbar für die Bekämpfung des Terrorismus verbunden ist.

bb) Dies gilt allerdings nicht, wenn ein Tun, das sich nur den äußeren Anschein statthafter Verteidigung gibt, in Wirklichkeit dem Ziel dient, einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung zu helfen. Dann wird es nicht mehr vom Verteidigungszweck getragen; vielmehr fehlt ihm das die Rechtmäßigkeit des Handelns begründende Element. Bei einem derartigen strafbaren Sachverhalt liegt auch kein prozessual zulässiges Verteidigerhandeln vor, sondern ein verteidigungsfremdes Verhalten (vgl. von Bubnoff aaO. Rdn. 18 a.E.). Ein Konflikt im oben (unter II 2 c) dargelegten Sinn besteht dann in Wirklichkeit nicht.

cc) Das Ergebnis steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der Verteidiger der Strafvereitelung (§ 257 StGB a.F., § 258 StGB 1975) schuldig macht. Danach darf er zwar auch dann auf den Freispruch eines vor Gericht leugnenden Angeklagten hinwirken, wenn er dessen Schuld kennt. Doch darf er dies nur mit prozessual zulässigen Mitteln tun (BGHSt 2, 375, 377 f; BGH, Urteil vom 8. Januar 1057 - 5 StR 360/56 - bei Dallinger MDR 1957, 267). So entzieht er einen Angeklagten rechtswidrig der Bestrafung, wenn er den Sachverhalt durch Angriffe auf die Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen bewußt verdunkelt, indem er zur Entlastung wissentlich falsche Tatsachen behauptet und hierfür Zeugen benennt (RGSt 66, 316, 323 ff, 325). Auch macht er sich strafbar, wenn er den Freispruch dadurch erreicht, daß er einen Zeugen absichtlich in einer vorsätzlichen Falschaussage bestärkt (RGSt 70, 390 ff) oder durch eine bewußte Täuschung dazu bestimmt, von einem ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen (BGHSt 10, 393, 395 f). In all diesen und vergleichbaren Fällen können auch die Strafvorschriften der §§ 129 oder 129 a StGB eingreifen, sofern ihre Voraussetzungen im übrigen erfüllt sind.

3. Daß sich das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung auf die Erörterung des anwaltlichen Rats zur Auskunftverweigerung beschränkt hat, gefährdet den Bestand des Urteils auch im übrigen nicht.

a) Soweit die Strafkammer weitere Feststellungen getroffen hat, wird das Verhalten des Angeklagten vom Verteidigungszweck gedeckt; so das Gespräch über das Gedächtnisprotokoll T, die Informationsreise zu Rechtsanwalt E, die Beschaffung eines B möglicherweise belastenden Fotos aus der Presse und die Aufforderung an B nachzuforschen, wo das Foto aufgenommen worden war.

b) Daß der Angeklagte der Gruppe J darüberhinaus in rechtswidriger Weise geholfen hat, ist nicht festgestellt. Das gilt sowohl für die ihm vorgeworfene Unterstützung bei der Vorbereitung der von der Gruppe beschlossenen vorsätzlichen Falschaussagen J und B als auch für andere angebliche Handlungen, die als verbotene Unterstützung in Betracht kommen: für die Entgegennahme des J gehörenden Reisepasses, um ihn eventuell als Beweismittel zu vernichten; für das Bestärken B in der Annahme, S sei ein Verräter für den Rat an B sich vor dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane zu verbergen , sowie für den Hinweis, den Ermittlungsbehörden die Entwendung von dessen Sparbuch vorzutäuschen, das - zusammen mit der Ausrüstung für einen vorbereiteten Kassenüberfall - in einem verunglückten Kraftfahrzeug gefunden worden war.