BGH, 15.12.1975 - II ZR 95/73

Daten
Fall: 
Technische Öle
Fundstellen: 
BGHZ 65, 378; DB 1976, 619; DNotZ 1976, 300; GmbHR 1976, 65; JZ 1977, 56; MDR 1976, 295; NJW 1976, 419
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
15.12.1975
Aktenzeichen: 
II ZR 95/73
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Richter: 
Stimpel, Schulze, Fleck, Bundschuh, Skibbe
Instanzen: 
  • OLG Frankfurt am Main, 27.03.1973
  • LG Fulda
Stichwörter: 
  • § 11 Abs. 2 GmbH, (auf die Einlageverpflichtung beschränkte) Außenhaftung der Gründergesellschafter einer Vor-GmbH (GmbH i.Gr.)

a) Handelnder im Sinne des § 11 Abs. 2 GmbHG ist nicht schon ein Gründer, der die vorzeitige Geschäftsaufnahme veranlaßt, gefördert oder erst ermöglicht bat, aber nicht zum Geschäftsführer bestellt gewesen oder wie ein solcher im Namen der GmbH vor deren Eintragung tätig gewesen ist.
b) Zur Haftung der Gründer einer GmbH für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 27. März 1973 aufgehoben (1).

Die Sache wird (2) zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1 (im folgenden: Beklagter) gesamtschuldnerisch mit dessen am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten Sohn aus der Lieferung technischer öle an die "Ernst D. Baustoffwerk GmbH" in Anspruch.

Diese Gesellschaft wurde vom Beklagten und seinem Sohn, dem der Beklagte auf diese Weise eine Existenzgrundlage schaffen wollte, durch notariellen Vertrag vom 26. Mai 1970 gegründet und am 9. September 1970 in das Handelsregister eingetragen. Der Sohn ließ sich zum alleinigen Geschäftsführer bestellen. Am 8. Dezember 1970 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet.

Durch Vertrag vom 6. Juni 1970 hatten der Beklagte und dessen Sohn, beide als Gesellschafter und der Sohn zugleich als Geschäftsführer für die "Ernst D. Baustoffwerk GmbH" handelnd, sämtliche Aktiva des Handelsgeschäfts S.-Leichtbauplatten, Elisabeth M., mit Ausnahme der Firma käuflich übernommen. Der Beklagte beschaffte bei einer Sparkasse die für die Weiterführung des Betriebs notwendigen Kredite. Der Kläger lieferte, wie schon für die Firma M., so auch nach dem Betriebsübergang an die "Ernst D. Baustoffwerk GmbH" vor deren Eintragung in das Handelsregister und später Hydraulik- und Schalöl, das der Sohn des Beklagten namens der GmbH bestellt hatte. Davon entfallen auf die Zeit bis zur Eintragung der GmbH Lieferungen im Rechnungsbetrag von insgesamt 971,25 DM. Die Forderung auf Bezahlung dieses Betrags ist jetzt noch Gegenstand der Klage.

Das Landgericht hat der ursprünglich weiter gehenden Klage gegenüber dem Sohn des Beklagten nur in Höhe von 971,25 DM mit Zinsen stattgegeben und sie gegen den Beklagten abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers auch den Beklagten gesamtschuldnerisch mit seinem Sohn und in derselben Höhe wie diesen verurteilt. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, möchte der Beklagte die Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

1.

Nach § 11 Abs. 2 GmbHG haftet persönlich, wer vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt hat. Das Berufungsgericht hält den Beklagten aufgrund dieser Bestimmung für verpflichtet, die Klageforderung zu erfüllen, weil er als Gesellschafter beim Erwerb des Betriebsvermögens der Firma Mattern mitgewirkt und außerdem die für die Betriebsfortführung wesentlichen Kredite beschafft hat. Dem kann nicht gefolgt werden.

Das Berufungsgericht stützt sich vor allem auf das Urteil des Senats vom 24. Oktober 1968 (BGHZ 51, 30, 35), wonach ein unmittelbares Handeln in eigener Person nicht erforderlich ist, sondern eine aktive Einflußnahme auf die konkrete Geschäftsführung genügen kann, um die Haftung aus § 11 Abs. 2 GmbHG zu begründen. Wie die Revision zutreffend vermerkt, unterscheidet sich der Tatbestand dieses Urteils wesentlich von dem vorliegenden Sachverhalt. Es ging dort um die Haftung eines Mitgründers der Gesellschaft, der, wie zu unterstellen war, das von ihm eingebrachte Unternehmen als oder wie ein Geschäftsführer im tätigen Zusammenwirken mit anderen weiterbetrieben und dadurch zum laufenden Abschluß von Geschäften für die noch nicht eingetragene GmbH, auch soweit er bei ihnen nicht unmittelbar in Erscheinung getreten war, wesentlich beigetragen hatte. Ebenso betreffen die folgenden Entscheidungen des Senats vom 9. Februar 1970 (BGHZ 53, 206 und 210) und vom 2. Mai 1974 - II ZR 111/71 - (NJW 1974, 1284) solche Beklagte, die zu Geschäftsführern bestellt worden und in dieser Eigenschaft zwar nicht persönlich nach außen aufgetreten waren, aber ihre Funktionen durch andere hatten ausüben lassen und deshalb für deren Geschäftsabschlüsse mitverantwortlich waren.

Bei dem Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits handelt es sich dagegen um einen Gründer-Gesellschafter, der weder zum Geschäftsführer bestellt gewesen ist noch sonstwie Geschäftsführungsaufgaben für die künftige GmbH unmittelbar oder mittelbar wahrgenommen hat. Der Beklagte hat allerdings in seiner Eigenschaft als Gesellschafter durch die Mitunterzeichnung des Kaufvertrages über das Betriebsvermögen der Firma M. und die Besorgung von Krediten die wirtschaftliche Grundlage dafür mitgeschaffen, daß sein Sohn als alleiniger Geschäftsführer laufend namens der noch einzutragenden GmbH kaufmännisch tätig werden konnte. Das reicht aber für eine aus dieser Tätigkeit herzuleitende Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG nicht aus.

Denn diese Haftung setzt ein Handeln "im Namen der Gesellschaft" voraus. Sie ist keine bloße Veranlassungshaftung, sondern eine Haftung aus rechtsgeschäftlichem Handeln (BGHZ 53, 210, 214). Ihr Grund liegt darin, daß die GmbH, in deren Namen gehandelt wird, vor der Eintragung noch nicht existiert und deshalb für den Fall, daß sie nicht entsteht oder nicht in das Geschäft eintritt, dem Geschäftsgegner ein Schuldner gegeben werden muß (BGHZ 47, 25, 29 f). Dieser Zweck ist erfüllt, wenn dem Gläubiger alle diejenigen haften, die bei der Führung der Geschäfte für die künftige GmbH persönlich oder durch andere verantwortlich mitgewirkt und in diesem Rahmen auch die konkrete Geschäftstätigkeit, aus der die Verbindlichkeit herrührt, mitgetragen haben (ähnlich im Ergebnis - mit anderer Begründung - Ulmer in Hachenburg GmbHG 7. Aufl. § 11 Rdn. 32, 72, 73; K. Schmidt, GmbHRdsch 1973, 146, 151 f). Eine Inanspruchnahme dieser Personen rechtfertigt sich aus dem Gedanken, daß der namens der GmbH Handelnde dem Geschäftsgegner dafür geradestehen muß, daß der versprochene rechtliche Kontakt zustande kommt (vgl. BGHZ 63, 45, 48 f). Auf einen Gesellschafter, der sich lediglich mit der Eröffnung (oder Fortführung) des Geschäftsbetriebs vor der Eintragung allgemein einverstanden erklärt hat, trifft dies nicht zu (BGHZ 47, 25). Das gleiche gilt, wenn der Gründer, sei es auch in maßgeblicher Weise, die vorzeitige Geschäftsaufnahme veranlaßt, gefördert oder erst ermöglicht, sich aber nicht selber geschäftsführend betätigt hat. Selbst die Tatsache, daß hier der Beklagte beim Abschluß von Verträgen, die eine wesentliche Voraussetzung für den schon vor der Eintragung entfalteten Geschäftsbetrieb bildeten, als Gründer-Gesellschafter mitgewirkt hat, ohne sich jedoch an der dadurch ausgelösten Geschäftstätigkeit irgendwie zu beteiligen, vermag daher seine Haftung aus dieser Tätigkeit in Ermangelung eines eigenen rechtsgeschäftlichen Handelns im Namen der künftigen GmbH nicht zu begründen.

Soweit der Senat in seinem Urteil vom 27. Februar 1961 - II ZR 253/59 (LM GmbHG § 11 Nr. 10) eine weitergehende Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht fest.

2.

Scheidet hiernach § 11 Abs. 2 GmbHG als Rechtsgrundlage für eine Inanspruchnahme des Beklagten aus, so stellt sich nach dem Sachverhalt weiterhin die Frage, ob die Klage unter dem Gesichtspunkt der Haftung des Beklagten als Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft begründet ist. Diese Frage drängt sich schon deshalb auf, weil die Klageforderung aus Lieferungen für ein Handelsgeschäft stammt, das in der hier maßgeblichen Zeit von der Vorgesellschaft betrieben wurde. Es liegt daher nahe, daß nach dem gemäß §§ 133, 157 zu ermittelnden Vertragsinhalt auch die Vorgesellschaft für diese Zeit verpflichtet sein sollte, so wie die früheren Bestellungen zu Lasten der damaligen Geschäftsinhaberin und die Bestellungen nach Eintragung der GmbH allein zu deren Lasten gingen. Die hierfür notwendige Vertretungsmacht des Geschäftsführers ließe sich daraus herleiten, daß der Beklagte durch seine Mitwirkung bei der Übernahme eines werbenden Unternehmens, zu dessen Erhaltung zwangsläufig schon vor der Eintragung der GmbH laufende Geschäftsabschlüsse notwendig waren, sein allgemeines Einverständnis mit diesen Abschlüssen bekundet hat.

Kann das Berufungsgericht im weiteren Verfahren eine Verpflichtung der Vorgesellschaft feststellen, so fragt sich weiter, inwieweit der Beklagte als Gründer-Gesellschafter persönlich dafür haftet. Das hängt davon ab, ob, für den Kläger erkennbar, die Vertretungsmacht und die ihr entsprechenden Vertragserklärungen des Geschäftsführers darauf beschränkt waren, die Gründer nur bis zur Höhe ihrer Einlagen zu verpflichten. Der Wille zu einer solchen Haftungsbegrenzung könnte nach außen schon durch die Bezeichnung "GmbH" zum Ausdruck gekommen sein (vgl. für Erklärungen namens einer "Kommanditgesellschaft": BGHZ 61, 59, 67; für die GmbH: Ulmer a.a.O. § 11 Rdn. 60 ff; Lieb, DB 1970, 961, 967; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973 S. 364 f; a.M. im neueren Schrifttum Wiedemann, JurA 1970, 439, 457; Flume in Festschr. Geßler, 1971 S. 33 ff; Fabricius in Festschr. Kastner, 1972, S. 196 f; K. Schmidt a.a.O. S. 151; weitere Nachw. bei Ulmer a.a.O.). Wäre eine solche Haftungsbeschränkung anzunehmen, so käme es weiter darauf an festzustellen, inwieweit der Beklagte seine im Gesellschaftsvertrag auf 5.000 DM festgesetzte Einlage erbracht hat. Hierzu fehlt es bisher an einem Parteivortrag. Hätte der Beklagte jenen Betrag vor Eintragung der GmbH bereits voll eingezahlt, käme für ihn eine weitere Haftung mit seinem Privatvermögen nicht mehr in Betracht und die Klage wäre abzuweisen. Da es sich um eine Bareinlage handelt, mußte der Beklagte allerdings nur ein Viertel davon schon vor der Eintragung der Gesellschaft einzahlen (§ 7 Abs. 2 GmbHG). Den Rest, dessen Fälligkeit der Gesellschaftsvertrag nicht besonders regelt, konnte er hingegen, wenn er gegenüber der eingetragenen Gesellschaft mit Sicherheit von seiner Einlagepflicht frei werden wollte, erst danach in das Gesellschaftsvermögen leisten (BGHZ 37, 75). Sollte er so verfahren sein, so dürfte er sich aber auf eine solche Leistung dem Kläger gegenüber nur dann berufen, wenn dieser wegen der Klageforderung auch auf das Vermögen der eingetragenen GmbH hätte zugreifen können. Das war nach dem bisher feststehenden Sachverhalt nicht der Fall:

Da die Einbringung eines Handelsgeschäfts nicht im Gesellschaftsvertrag festgesetzt war, ist die GmbH mit ihrer Eintragung nicht kraft Gesetzes in die im Rahmen dieses Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten eingetreten. Denn es wäre mit dem Zweck der geltenden gesetzlichen Vorschriften zur Aufbringung und Sicherung des Stammkapitals unvereinbar, wenn die Mitglieder der Vorgesellschaft oder ihr Geschäftsführer bei einer Bargründung das garantierte Anfangskapital der GmbH im voraus durch seine Belastung mit Verbindlichkeiten aushöhlen könnten, die in Gesetz und Satzung keine Grundlage haben und auch nicht für das Entstehen der GmbH notwendig sind (BGHZ 53, 210, 212). Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts (BU S. 6) hat der Beklagte auch nicht dafür gesorgt, daß die GmbH nach ihrer Eintragung die Klageforderung durch rechtsgeschäftliche Erklärung als für sich verbindlich anerkannte. Unter diesen Umständen liefe eine Verweisung des Klägers auf die Einlage des Beklagten insoweit, als diese niemals in das Vermögen der Vorgesellschaft gelangt, sondern erst nach der Eintragung an die GmbH geleistet worden ist, auf einen völligen Haftungsausschluß hinaus, der bei verständiger Würdigung der Vertragserklärungen in aller Regel nicht als gewollt anzusehen ist. Das würde bedeuten, daß der Beklagte ohne Rücksicht darauf, was er der GmbH nach deren Eintragung zugeführt hat, dem Kläger bis zur Höhe seiner satzungsmäßigen Ein

lage haften müßte, soweit er diese nicht in das Vermögen der Vorgesellschaft eingebracht oder - was dem gleichzusetzen wäre - andere Gläubiger der Vorgesellschaft befriedigt hat.

Es kann also dazu kommen, daß die Gründer einer GmbH bis zur Höhe ihrer Einlagen insoweit, als sie diese nicht schon mit befreiender Wirkung auch gegenüber der eingetragenen GmbH in das Vermögen der Vorgesellschaft geleistet haben, doppelt zahlen müssen, wenn die eingetragene GmbH für eine Schuld der Vorgesellschaft nicht in Anspruch genommen werden kann; möglicherweise ist das - was hier nicht zu entscheiden ist - auch dann der Fall, wenn die GmbH in die Schuld nicht schon kraft Gesetzes, sondern freiwillig eintritt und diese nicht aus dem über die Stammeinlagen hinaus vorhandenen Vermögen befriedigen kann (ebenso im Ergebnis Kuhn, WM Sonderbeil. 5/1956 S. 14; Rittner a.a.O. S. 364). Das ist aber eine im Interesse der Gläubiger von Vorgesellschaft und GmbH sachgerechte Folge der vorzeitigen Aufnahme eines Geschäftsbetriebs, die bei der Bargründung nicht den gesetzlichen Vorstellungen entspricht.

3.

Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 8. November 1962 - 2 AZR 11/62 (NJW 1963, 680) und des Bundessozialgerichts vom 20. Dezember 1966 - 3 RK 63/63 (NJW 1967, 2031), die vor dem Urteil BGHZ 47, 25 ergangen sind. In beiden Urteilen ist ausgesprochen, daß die Gründer einer GmbH aus einem mit ihrem Einverständnis vor der Eintragung aufgenommenen Geschäftsbetrieb persönlich haften. Damit ist, wie die Gründe im Zusammenhang ergeben, die Haftung als Mitglied der Vorgesellschaft für deren Verbindlichkeiten gemeint, die auch der Senat grundsätzlich für gegeben hält.

4.

Da hiernach das Berufungsurteil mit der bisherigen Begründung aus § 11 Abs. 2 GmbHG nicht bestehenbleiben kann und unter dem Gesichtspunkt der Gründerhaftung weitere tatsächliche Feststellungen nötig sind, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.