RG, 22.11.1879 - II 81/79

Daten
Fall: 
Rechtsfolgen bei Nichtzahlung der Versicherungsprämie bei Verschulden des Versicherers
Fundstellen: 
RGZ 1, 196
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
22.11.1879
Aktenzeichen: 
II 81/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Civilkammer des Kreis- und Hofgerichts Freiburg.
  • Appellationssenat desselben Gerichts.

Erlischt der Versicherungsanspruch durch Nichtzahlung der Prämie seitens des Versicherten auch dann, wenn der Versicherer die Nichtzahlung verschuldet hat?

Tatbestand

B. hat sein Leben bei der verklagten Gesellschaft versichert und demnächst über die Police durch ein Rechtsgeschäft, bezüglich dessen bestritten ist, ob es Cession oder Verpfändung ist, zu Gunsten des Z. disponiert. Die Police enthält die Bedingung, daß die Versicherung erlischt, wenn die Prämie nicht in dem bestimmten Termine bezahlt werde. Die letzte Prämie wurde nicht bezahlt. B. und Z. klagen auf Anerkennung des Versicherungsanspruches. Die Verklagte excipiert, daß derselbe durch Nichtzahlung der Prämie erloschen sei. Kläger replizieren, daß die Nichtzahlung nicht durch den Versicherten, sondern durch die verklagte Gesellschaft verschuldet sei.

Gründe

"Das Reichsgericht erkennt, daß der Versicherungsanspruch fortbesteht, aus folgenden Gründen:

Es ist dein Appellationsrichter unbedenklich darin beizustimmen, daß die Zahlung der Prämie am 25. Juni 1877 oder vor Ablauf der bis zum 9. Juli vertragsmäßig laufenden Nachfrist ohne Verschulden des B. unterblieben ist. Es ist namentlich als festgestellt anzusehen, daß die Mutter des B. vor jenem 9. Juli wiederholt zu dem Agenten R., an welchen vertragsmäßig die Prämie gegen die Aushändigung einer Quittung der Direktion der beklagten Gesellschaft zu zahlen war, gegangen ist, um die Prämie zu bezahlen, beziehungsweise sich nach dein Eintreffen der Prämienquittung der Direktion zu erkundigen, daß aber der Agent sie mit dem Bemerken beschwichtigt hat, daß sie nur nicht ängstlich sein möge, daß er vielmehr die Quittung, sobald sie ankomme, ihr bringen und dagegen das Geld holen wolle; daß aber die Quittung nicht rechtzeitig angekommen ist, und zwar aus dem Grunde, weil die beklagte Direktion die Quittung dem Agenten nicht senden wollte. Die eigenen Erklärungen der Beklagten ergeben, daß sie von der irrtümlichen Meinung ausging, daß sie, falls der Versicherte durch Verpfändung, Cession oder Zahlungsanweisung über den Versicherungsanspruch disponiert habe, die Aushändigung der Prämienquittung, um ihren Rechten nicht zu präjudizieren, davon abhängig machen dürfe, wer die Zahlung offeriere. Die Beklagte mußte die Zahlung der Prämie, durch welche die Erhaltung des Versicherungsanspruches bedingt war, vorerst von jedem, der sie als Zahlung dieser Prämienschuld anbot, unweigerlich, allenfalls zur Vermeidung eines Rechtsnachteiles unter Verwahrung, annehmen. Daraus, daß B. durch Cession oder Verpfändung über den Anspruch disponiert hatte, durfte sie nicht das Recht ableiten, Prämienzahlungen des Versicherten oder seines Angehörigen zurückzuweisen. Es blieb vielmehr nach Annahme der Zahlung zu erörtern, ob und welche Bedeutung die Person des Zahlenden auf den Fortbestand oder Umfang des Versicherungsanspruches hatte. Auf die Bestimmung in §. 7 Abs. 2 der Policebedingungen, wonach die Zahlung eventuell an die Direktion eingeschickt werden soll, kann die Beklagte sich nicht berufen, da der Versicherte zunächst dem Agenten die Zahlung anbieten durfte, und da die Beklagte selbst die Schuld trägt, daß der Agent die Quittung nicht erhielt. Eine Zahlung an die Direktion brauchte der Versicherte auch nur gegen Quittung zu leisten, und diese wollte ja die Beklagte nach ihren eigenen Erklärungen nicht erteilen. Die Beklagte trägt daher allein die Schuld, daß die Prämienzahlung nicht geleistet ist, sie kann daher nicht verlangen, daß der Versicherte wegen unterbliebener Prämienzahlung seines Anspruches verlustig werde."