RG, 20.01.1879 - II 82/79

Daten
Fall: 
Vertragsaufhebung
Fundstellen: 
RGZ 1, 217
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.01.1879
Aktenzeichen: 
II 82/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Barmen.
  • Appellationsgerichtshof Köln.
Stichwörter: 
  • Recht auf Vertragsaufhebung der Verweigerung der Erfüllung des Vertrages auf Grund eines unbedeutenden Mangels der Erfüllung

Giebt jede Nichterfüllung des Vertrages den Gegenkontrahenten das Recht, Auflösung des Vertrages (Art. 1184 Code civ.) zu verlangen oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegenzuhalten, oder ist zu unterscheiden zwischen wesentlichen und unwesentlichen Vertragsverletzungen?

Tatbestand

Im Nov. 1872 schloß die Firma V. & G. mit der chemischen Fabrik zu Hochfeld einen Vertrag ab, gemäß dessen die letztere 5000 Centner Pottasche zu liefern hatte und dabei sich verpflichtete, bis Ende 1873 keine Pottasche in Rheinland und Westfalen in den Handel zu bringen. In einem zwischen der Firma V. & G. und dem Kaufmanne O., welcher einen Teil der 5000 Ctr. von ihr abzunehmen hatte, entstandenen Rechtsstreite kam in Frage, ob O. diese Abnahme verweigern dürfe, weil die Fabrik H. der besagten Vertragsbedingung zuwidergehandelt habe.

Das Reichsgericht, nach Vernichtung des appellationsgerichtlichen Urteiles in der Sache entscheidend, erklärte, es sei unnötig zu prüfen, ob die Firma V. & G. schon bei Abschluß des Vertrages für Rechnung des O. gehandelt, oder ob sie den betreffenden Teil der Pottasche an ihn mit Garantie für Erfüllung jener Stimulation weiter verkauft habe, denn auch bei letzterer Unterstellung sei die Weigerung unberechtigt und zwar aus folgenden Gründen:

Gründe

"In Erwägung, daß sowohl betreffs der Auflösung eines Vertrages auf Grund von Art. 1184 Code civ., als betreffs der Einrede des nicht erfüllten Vertrages, in Fällen, wo Erfüllung nicht mehr möglich ist, zwischen wesentlichen und unwesentlichen Vertragsverletzungen zu unterscheiden ist;

daß nicht jeder ganz unbedeutende Mangel der Erfüllung das Recht geben kann, den Vertrag selbst aufzuheben oder die Erfüllung desselben zu verweigern, vielmehr auch hier, ähnlich wie in den vom Gesetze besonders geregelten Falle des Art. 1636 Code civ., zu prüfen ist, ob anzunehmen, es sei in der That eine Bedingung des Vertrages nicht erfüllt, d. h, es würde der betreffende Kontrahent den Vertrag nicht geschlossen haben, wenn er diesen Mangel der Erfüllung hätte voraussehen können, da, wenn diese Frage zu verneinen ist, der Vertrag an sich bestehen bleibt und nur von Schadensersatz bezw. Preisminderung die Rede sein kann;

daß nun, was vorliegenden Fall anbelangt, bei richtiger Auffassung der erwähnten von der Fabrik H. übernommenen Verpflichtung, nicht anzunehmen ist, es sei derselben im wesentlichen zuwidergehandelt worden."