RG, 26.11.1880 - III 637/80

Daten
Fall: 
Dotalhypothek
Fundstellen: 
RGZ 3, 174
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
26.11.1880
Aktenzeichen: 
III 637/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Braunschweig.
  • OLG Braunschweig.
Stichwörter: 
  • Vorrang der Dotalhypothek vor der Hypothek, die im Rahmen eines Kaufvertrages bestellt worden ist

Gewährt das Privileg der Dotalhypothek einen Vorrang vor der Hypothek, welche in einem Kaufvertrage dem Verkäufer für das kreditierte Kaufgeld an der verkauften Sache bestellt worden ist?

Tatbestand

Der Ehemann der Klägerin hat im Jahre 1874 von dem Beklagten eine Mühlenbesitzung käuflich erworben. Er hat hierbei in Anrechnung auf den Kaufpreis u. a. eine auf dem Kaufobjekte zu Gunsten eines gewissen L. ruhende Hypothek übernommen und für einen 24000 M. betragenden Rest des Kaufpreises, welcher ihm verzinslich kreditiert wurde, in dem Kaufkontrakte das Kaufobjekt dem Beklagten zur Hypothek bestellt. Der Beklagte hat im Einverständnis mit dem Käufer darauf an das zuständige Gericht den Antrag gerichtet, zugleich mit der Besitztitelberechtigung auch die Eintragung seiner Hypothek zu bewirken, und demgemäß sind beide Eintragungen am 9. März 1874 vorgenommen worden. Die Klägerin behauptet, mit ihrem gedachten Ehemann seit 1863 verheiratet zu sein und demselben ein Vermögen im Betrage von 30100 M. in die Ehe gebracht zu haben. Wegen ihres Eingebrachten stand ihr nach dem damaligen Landesrechte (Verordnung vom 21. März 1823, braunschweigische Ges.-Samml. S. 1121) eine stillschweigende Generalhypothek an dem Vermögen ihres Ehemannes zu. Diese Hypothek hat sie, als durch die Gesetzgebung im Jahre 1878 die stillschweigenden und die generellen Hypotheken beseitigt wurden, in Gemäßheit des §. 1 des Gesetzes vom 8. Mai 1878 (Ges. Samml. S. 87) am 4. September 1879 in der angegebenen Höhe auf die gedachte Mühlenbesitzung ihres Ehemannes eintragen lassen und hierdurch den bisherigen Rang derselben aufrecht erhalten. Auf Antrag des Hypothekengläubigers L. ist die Mühlenbesitzung alsdann zur Subhastation gekommen; von dem Erlöse sind nach Befriedigung des 2. ungefähr 21000 M. übrig geblieben, welche sich im gerichtlichen Depositum befinden. Diese Gelder nimmt jeder der beiden Streitteile vermöge des Vorranges seines hypothekarischen Rechtes in Anspruch. Die Klägerin hat in ihrer Klage beantragt, ihr diese Gelder unter Anerkennung ihres Vorranges zuzusprechen; vom Beklagten und Widerkläger ist beantragt, die Klage abzuweisen, dagegen seinen Vorrang anzuerkennen und ihm diese Gelder zuzusprechen. In beiden Vorinstanzen ist die Klage abgewiesen und nach dem Antrage der Widerklage erkannt. Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Revision ist aus folgenden Gründen zurückgewiesen worden:

Gründe

"Der jetzigen Specialhypothek der Klägerin ist das Privileg ihrer ursprünglichen generellen Dotalhypothek erhalten. Auch der Hypothek des Beklagten gebührt das Privileg einer versio in rem, allein dasselbe kann ihm gegen die Klägerin nicht nützen, weil ihre Generalhypothek die ältere ist und nach der insoweit klaren Vorschrift der Nov. 97 cap. 3 wenigstens die ältere Dotalhypothek auch dem Privileg der versio im rem vorgeht.

Man hat aber in früherer Zeit allgemein angenommen, daß die s. g. reservierte Kaufgeldshypothek - und als eine solche ist die Hypothek des Beklagten anzusehen - von dem Privileg der Dotalhypothek und überhaupt von den Privilegien aller von dem Käufer herrührenden Hypotheken nicht berührt werde, und derselben ein (Quasi-) Separationsrecht in dem Konkurse des Käufers zugestanden. Diese Meinung schließt sich der in früherer Zeit gleichfalls ganz allgemeinen Meinung an, daß die von einem Eigentumsvorgänger sich herschreibenden Hypotheken dem Vorrange der Pfandrechte, welche von einem späteren Eigentümer herrühren, nicht unterworfen seien; die Gleichstellung der reservierten Kaufgeldshypothek wurde namentlich durch die Auffassung zu rechtfertigen gesucht, daß die Sache bereits beim Übergang in das Eigentum des Käufers mit der Hypothek belastet gewesen sei.

Beide Meinungen sind bekanntlich in neuer Zeit vielfach bestritten, besonders von Thibaut, civil. Abh. S.311 (1814); gegen den Vorzug der Kaufgeldshypothek auch schon von Gmelin, Ordnung der Gläubiger S. 390 (1813). In Beziehung auf das Verhältnis des Pfandrechtes, welches bei einem früheren Eigentümer erworben wurde, zu den bei späteren Eigentümern von denselben erworbenen privilegierten Pfandrechten ist Wächter (Archiv für civilistische Praxis Bd. 14 S. 340) mit Erfolg für die ältere Ansicht eingetreten und hat namentlich überzeugend nachgewiesen, daß der Ehefrau für ihre dos nicht ein so weitreichendes Privilegium gegeben sei, daß dasselbe auch den von einem früheren Eigentümer erworbenen Pfandrechten vorgehe.

Damit ist nun zwar nicht zugleich auch die hier allein in Betracht kommende Frage erledigt, ob dasselbe auch Geltung habe für die bei Übertragung des Eigentumes an den Ehemann von dem bisherigen Eigentümer für den kreditierten Kaufpreis reservierte Hypothek. Andererseits darf man aber auch diese Frage nicht mit der Betrachtung als erledigt ansehen wollen, daß der das Eigentum erwerbende Ehemann für die reservierte Hypothek rechtlich als der Besteller derselben anzusehen sei. Denn so unzweifelhaft es auch ist, daß nach römischem Recht, gleich wie eine Servitut, so auch ein Pfandrecht nur an einer fremden Sache erworben werden kann, und also auch bei der Begründung eines solchen dinglichen Rechtes durch einen bei der Eigentumsübertragung erfolgten Vorbehalt derjenige, auf welchen das Eigentum übergeht, rechtlich als der eigentliche Besteller des dinglichen Rechtes anzusehen ist, so steht es doch andererseits ebenso entschieden fest, daß das römische Recht für die Konstituierung eines solchen Rechtes nicht eine erst nach dem durch Tradition vollzogenen Eigentumserwerb noch hinzutretende vertragsmäßige Bestellung erfordert, sondern es für zulässig erachtet hat, daß durch den bei der Tradition beredeten Vorbehalt das dingliche Recht dergestalt begründet wird, daß sich die Konstituierung desselben mit dem Eigentumserwerb gleichzeitig vollzieht, und daß das Eigentum also nur mit der Belastung mit dem vereinbarten dinglichen Recht auf den neuen Erwerber übergeht. Letzteres wird auch insbesondere für das reservierte Pfandrecht ausdrücklich anerkannt in der 1. 2 Dig. de rebus eorum qui sub etc. 27, 9. Denn wenn hier, im Anschluß an die vorausgehende 1.1 §. 4, die Frage weiter erörtert wird, ob in dem Fall, wo für einen Minderjährigen das Grundstück angekauft worden, die verabredete Verpfändung desselben für den kreditierten Kaufpreis aus dem Grunde rechtsungültig sei, weil es versäumt worden, die für die Verpfändung des Grundstückes eines Minderjährigen vorgeschriebene obrigkeitliche Genehmigung einzuholen, gegen die diese Frage bejahende Ansicht, welche die Erwirkung eines kaiserlichen Reskriptes zur Sanierung des Mangels für erforderlich erachtet, als Zweifelsgrund geltend gemacht wird, daß das Eigentum nur belastet mit dem Pfande erworben worden sei, so ist es doch von selbst klar, daß ein solches Bedenken sich überhaupt nicht hätte erheben lassen, wenn die römische Rechtsanschauung nicht davon ausgegangen wäre, daß, obwohl bei der Reservierung einer Hypothek der Erwerber des Eigentums als der Besteller der Hypothek anzusehen sei, doch bei der Gleichzeitigkeit des Eigentumserwerbes und der Konstituierung der Hypothek das Eigentum nur belastet mit der letzteren auf den neuen Erwerber übergehe.

Da nun das gesetzliche Privilegium der dos der Ehefrau in einer Generalhypothek an dem Vermögen des Mannes besteht, so wird für die ältere Ansicht sich geltend machen lassen, daß die reservierte Hypothek, welche die Voraussetzung bildet für die zum Eigentumserwerb notwendige Kreditierung des unbezahlten Kaufpreises, die Folge hat, daß nur das Grundstück belastet mit der Hypothek in den Bereich des Vermögens des Ehemannes eintritt, an welchem der Frau eine Generalhypothek zusteht, und diese sich also, so lange die reservierte Hypothek noch besteht, nur erstreckt auf den nach Abzug derselben verbleibenden Wert des neuerworbenen Grundstückes.

Wenn es nun auch immerhin sehr wohl möglich ist, daß Justinian dem previlegium dotis eine weiterreichende Tragweite hat geben wollen, wodurch es auch den Vorrang gewonnen hätte vor der reservierten Hypothek und selbst auch vor den von früheren Eigentümern bestellten Pfandrechten, so enthält doch andererseits auch das römische Recht keine Bestimmung, wodurch es klar gestellt wäre, daß alle aus der allgemein gehaltenen Wortfassung der bezüglichen Gesetze zu entlehnenden Konsequenzen auch wirklich gewollt seien und eine einschränkende Auslegung daher ausgeschlossen erscheinen müsse.

Es handelt sich hier also jedenfalls keineswegs um eine völlig zweifellose Frage der Auslegung. Und eben daher wird man auch der Entscheidung, welche diese Frage durch Jahrhunderte hindurch in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte gefunden hat, theoretischen Bedenken gegenüber ausschlaggebende Bedeutung beilegen müssen, zumal von dieser Gerichtspraxis behauptet werden darf, nicht nur, daß ihr das Rechtsgefühl entschieden zur Seite steht, sondern insbesondere auch, daß ihr langer Bestand dem Verkehr die Sicherheit gegeben, daß man es mit einem feststehenden Grundsatze zu thun habe, der unbedenklich bei Vertragsabschlüssen zur Grundlage genommen werden dürfe.

Jene ältere Ansicht, der auch das angefochtene Urteil folgt, ist aber bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts von Doktrin und Praxis anerkannt worden, und die weiter fortgesetzte konstante Praxis wird auch noch bezeugt von, welcher bemerkt:

"das Vorrecht der reservierten Kaufgeldshypothek ist in Deutschland durch die Praxis unerschütterlich festgestellt", wie denn auch die vereinzelten Entscheidungen der Neuzeit, welche im Seuffertschen Archiv mitgeteilt sind (Bd. 16 Nr. 199 und Bd. 21 Nr. 108), Belege dafür liefern, daß da, wo die Gesetzgebung noch Raum gelassen für die praktische Anwendbarkeit jener Ansicht, an ihr festgehalten worden ist."