RG, 31.01.1889 - VI 299/88

Daten
Fall: 
"Hauptsache" im Sinne des §. 94 C.P.O.
Fundstellen: 
RGZ 23, 339
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
31.01.1889
Aktenzeichen: 
VI 299/88
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Ravensburg
  • Oberlandesgericht Stuttgart

1. Ist der Gerichtsstand des §. 25 C.P.O. begründet für Klagen, welche nicht den Ausspruch der Nichtexistenz des Pfandrechtes oder der Löschung desselben zum Gegenstande haben, sondern nur die Löschung vorbereiten sollen?
2. "Hauptsache" im Sinne des §. 94 C.P.O.

Tatbestand

Für eine Schuld des Klägers war Unterpfandrecht auf Grundstücken, welche in dem Gerichtsbezirke des Landgerichtes Ravensburg belegen sind, bestellt und ein Pfandschein ausgestellt worden. Nach Bezahlung der Schuld erhob Kläger bei dem genannten Gerichte Klage auf Herausgabe des Pfandscheines. Das Landgericht verwarf

  1. die von dem Beklagten vorgeschützte Einrede der Unzuständigkeit des Gerichtes und verurteilte den Beklagten
  2. zu Herausgabe des Pfandscheines, sowie
  3. zu Tragung der Prozeßkosten.

Das Oberlandesgericht wies die Berufung gegen die Ziff. 1 zurück und verwarf die Berufung gegen Ziff. 3 als unzulässig. Diese Entscheidung wurde aufgehoben.

Aus den Gründen

1.

... "Ob der Gerichtsstand des §. 25 C.P.O. für eine Klage auf Löschung einer Hypothek auch in dem Falle begründet ist, wenn dieselbe nicht als dingliche erhoben wird, vielmehr ein persönlicher Anspruch auf Befreiung vom Pfandrechte den Grund der Klage bildet, was der Berufungsrichter unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Reichsgerichtes bejaht, kann unerörtert bleiben. Gegenstand der vorliegenden Klage ist nicht die Löschung des Pfandrechtes im Unterpfandsbuche. Der Berufungsrichter führt aus, der Kläger bezwecke, indem er auf Herausgabe des Pfandscheines klage, nichts anderes, als diese Löschung herbeizuführen, welche nach württembergischem Rechte außergerichtlich geschehe und, wenn ein Pfandschein ausgestellt worden, nur nach dessen Rückgabe an die Unterpfandsbehörde ober Kraftloserklärung erfolgen könne, und nach Ansicht des Berufungsrichters wäre für die erhobene Klage der Gerichtsstand des §. 25 deshalb begründet, weil dieselbe den gleichen Zweck habe wie die nach anderen Gesetzgebungen zulässige Klage auf Löschung. Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden. Der Zweck, welcher mittelbar durch die Klage erreicht werden soll, kann nicht als entscheidend angesehen werden. Nach dem Wortlaute des Gesetzes ist der unmittelbare Gegenstand der Klage entscheidend, und es fehlt an jedem Anhalt für die Annahme, daß es in der Absicht des Gesetzgebers liege, eine Klage wie die vorliegende vor den dinglichen Gerichtsstand des §. 25 zu verweisen; hiergegen spricht vielmehr, daß dieser Gerichtsstand ein ausschließlicher ist, was die Gesetzesmotive mit der Erwägung begründen, daß eine richtige Würdigung und sichere Feststellung der Rechtsverhältnisse des Grundeigentums vorzugsweise von dem Richter der belegenen Sache zu erwarten sei, und daß diese Erwägung keineswegs in gleicher Weise wie für Klagen auf Löschung des Pfandrechtes auch für solche Klagen zutrifft, welche auf eine Leistung gerichtet sind, wodurch die Löschung erst vorbereitet werden soll.

2.

Mit Unrecht ist sodann die Berufung im Kostenpunkte als unzulässig verworfen. Nach §. 94 C.P.O. ist zwar eine Anfechtung der Entscheidung im Kostenpunkte unzulässig, wenn gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel nicht eingelegt ist, und dies muß, wie der Berufungsrichter zutreffend bemerkt, auch gelten, wenn gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel zwar eingelegt, demselben aber nachträglich entsagt wurde. Diese Voraussetzung des §. 94 trifft jedoch hier nicht zu. Der Beklagte hat zwar die Berufung gegen die materielle Entscheidung über den Klaganspruch nicht verfolgt; er hat aber seinen Antrag, die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichtes abzuweisen, festgehalten. Über diesen Antrag mußte in zweiter Instanz erkannt werden, und es ist auch darüber und damit über die Hauptsache erkannt worden. Der Berufungsrichter scheint davon auszugehen, daß §. 94 unter "Hauptsache" dasselbe verstehe, was in §§. 247. 248 C.P.O. darunter verstanden ist. Dies ist nicht die Meinung des Gesetzes. In §§. 247. 348 bildet "Hauptsache" den Gegensatz zu den prozeßhindernden Einreden, in §. 94 aber den Gegensatz zum Kostenpunkte. Daß der Ausdruck "Hauptsache" in der Prozeßordnung in verschiedenem Sinne gebraucht wild, ergiebt sich auch aus §§. 191. 305 Ziff. 3."