RG, 09.10.1880 - I 141/79

Daten
Fall: 
Konnossement
Fundstellen: 
RGZ 2, 127
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.10.1880
Aktenzeichen: 
I 141/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Hamburg
  • OLG Hamburg
Stichwörter: 
  • Rechtsnatur eines vertretungsweise ausgestellten "Konnossements"

Rechtliche Bedeutung eines von einer anderen Person, als vom Schiffer ausgestellten Konnossementes.

Gründe

... "In der Sache selbst handelt es sich darum, ob die Beklagten eine ihnen von den Klägern gelieferte und von ihnen empfangene Partie Steinnüsse mit dem in der Schlußnote für Oktober- und November- Verschiffungen oder mit dem für Dezember-Verschiffungen bedungenen Preise, d. h. mit 32 oder mit 30 M. pr. 100 Pfund, zu bezahlen haben. In der Schlußnote ist bei der Nennung der verschiedenen Verschiffungszeiten hinzugefügt: "laut Konnossements-Datum", und die Kläger haben nun mit der Klage als Anlage 3 ein mit dem Datum des 29. November 1878 versehenes, für das Dampfschiff "Allemannia", Capt. A., in englischer Sprache ausgestelltes, nicht mit dem Namen des Schiffers, sondern mit "J. R. Meincke, Purser" unterzeichnetes angebliches Konnossement vorgelegt, um ihren Anspruch auf Zahlung des November-Preises zu begründen. Die Beklagten behaupten, daß die Abladung in Wirklichkeit erst zu Anfang Dezember stattgefunden habe, wollen die Anlage 3 gar nicht als ein Konnossement gelten lassen und verlangen deshalb die Abweisung der Klage.

Hätten die Beklagten darin Recht, daß die Anlage 3 sich schon der äußeren Form nach gar nicht als Konnossement darstelle, so würde eine Klagabweisung gerechtfertigt erscheinen. Der Einwand mußte indessen als unhaltbar erscheinen. Ob überhaupt nach dem geltenden deutschen Seerechte zur Form des Konnossementes gerade eine Unterschrift gehöre, konnte nach Lage des Falles dahin gestellt bleiben, da es an einer solchen hier ja nicht fehlen würde; andererseits bedurfte jedenfalls die Frage der Entscheidung, ob es für den Begriff des Konnossementes wesentlich sei, daß gerade der Schiffer als Aussteller desselben erscheine. Wenn sich die Beklagten für die Bejahung dieser Frage auf Art. 644 Abs. 1 H.G.B. berufen haben, so trifft das nicht zu, weil hier nur das Recht des Abladers festgestellt ist, nach Beendigung der betreffenden Abladung von dem Schiffer die Ausstellung des Konnossementes zu fordern. Unentschieden kann hier wiederum die Frage bleiben, ob die Worte "hat auszustellen" dabei streng wörtlich zu nehmen sind, so daß der Schiffer verpflichtet wäre, alle Konnossemente selbst zu schreiben, bez. zu unterschreiben, oder ob er seiner Verbindlichkeit auch dadurch genügt, daß er dem Ablader ein von irgend- einem anderen, als solchem nachzuweisenden Vertreter des Rheders ("des Schiffes") vollzogenes Konnossement verschafft; denn keinesfalls ist aus dem Art. 644 zu entnehmen, daß ein von einer anderen Person für das Schiff ausgestelltes Konnossement ungültig, überhaupt kein Konnossement wäre. Nach den Gewohnheiten des heutigen Seeverkehres aber ist freilich regelmäßiger Aussteller des Konnossementes der Schiffer; ausnahmsweise jedoch wird auf Grund besonderer Verhältnisse das Konnossement auch, statt von ihm, von einem anderen ausgestellt, bez. unterzeichnet.

Hamburger Protokolle S. 2194 und 2211 flg. Neues Archiv für Handelsrecht Bd. 2 S. 96 flg. Voigt jun., ebenda S. 460 flg. Goldschmidt, Handelsrecht Bd. 1 Abth. 2 S. 670 flg. Lewis, Deutsches Seerecht Bd. 1 S. 291 flg. Entscheidungen des Reichs- Oberhandelsgerichts Bd. 14 S. 337 flg.

Mag auch nach deutschem Seerecht ein gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlicher Vertreter neben dem Schiffer zu diesem Zwecke nicht vorhanden sein, so kann doch auf Grund der allgemeinen Principien über Vollmachten mit Rücksicht auf besondere thatsächliche Vorgänge, wie veröffentlichte Reglements oder, dergleichen, auch irgend ein anderer, und so u. a. auch der in der vorliegenden Sache in Frage kommende "purser" oder Zahlmeister des Schiffes, möglicher Weise den Rheder, bez. nach Art. 478 und 479 H.G.B. auch den Schiffer, durch Ausstellung von Konnossementen obligieren. Käme es im einzelnen Falle auf die Feststellung an, ob dies wirklich der Fall sei, so müßte selbstverständlich der Beweis jener erheblichen thatsächlichen Vorgänge erbracht werden. Allein auch hiervon kann in der gegenwärtigen Sache den Beklagten gegenüber nicht einmal die Rede sein. Ihnen sollte nur das Konnossement über die betreffende Abladung zum Zwecke der Nachweisung des Datums vorgelegt werden, es muß also einmal wirklich der Form nach ein Konnossement, und sodann dasjenige Konnossement sein, das über die fragliche Abladung für das Schiff ausgestellt ist; ob dasselbe in einer den Rheder, bez. den Schiffer, verbindenden Weise ausgestellt ist, das ist hierbei gleichgültig. Daß aber die vorliegende Urkunde, falls sie überhaupt der Form nach ein Konnossement sein sollte, dann das über die fragliche Abladung ausgestellte sei, haben die Beklagten gar nicht bestritten. Sie sind durchaus im Irrtum, wenn sie meinen, die Rhederei möge vielleicht nach den Umständen des Falles durch das Konnossement obligiert sein, ihnen als Dritten gegenüber könne dies aber nicht in Betracht kommen. Vielmehr liegt die Sache umgekehrt so, daß die Beklagten nach dem Sinne der fraglichen Schlußnotenklausel ebensowenig Grund haben, den Nachweis der Vertretungsbefugnis des Ausstellers, wie den der Echtheit der Unterschrift zu verlangen. Anders möchte es sein, wenn das Konnossement ihnen gegenüber nicht bloß zum Nachweise der Zeit der Abladung dienen sollte, sondern zu einem Zwecke, für welchen es auf die wirkliche Haftung des Rheders, bez. des Schiffers, praktisch ankäme, z. B. als Sicherheit für eine von ihnen zu acceptierende Tratte. Hieraus erklären sich die von den Beklagten angeführten Entscheidungen des hamburgischen Obergerichts und des Ober-Appellationsgerichts zu Lübeck, welche im Neuen Archiv für Handelsrecht Bd. 2 S. 107 und 109 flg. mitgeteilt sind." ...