RG, 24.09.1880 - III 58/80

Daten
Fall: 
Kauf zur Sicherstellung einer Förderung als Verpfändung
Fundstellen: 
RGZ 2, 173
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
24.09.1880
Aktenzeichen: 
III 58/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Rotenburg.
  • Apellationsgericht Kassel.

Kauf zur Sicherstellung einer Forderung. Wann als verschleierte Verpfändung aufzufassen? Verbot der Bestellung einer Hypothek an beweglichen Sachen in §. 12 des preuß. Ges. vom 29. Mai 1873 über das Grundbuchswesen im Bezirke des Appellationsgerichtes zu Kassel.

Tatbestand

Durch notariellen Vertrag vom 27. September 1877 verkaufte der Mühlenbesitzer E. zu R. sein Mobiliar für die Summe von 9 000 M. an den Kläger. Im Eingange der Urkunde wird erwähnt, daß E. einen Kredit in laufender Rechnung bei dem Vorschußverein zu M. bis zum Betrage von 9 000 M. erwirkt und Kläger sich als Selbstschuldner für die pünktliche Rückzahlung des Kapitals verbürgt habe. Um nun, so wird fortgefahren, dem Bürgen für alle möglichen Fälle Sicherheit zu verschaffen, sollten die in dem Vertrage erwähnten Gegenstände demselben käuflich überlassen werden. Der Käufer erkannte sodann den Besitz der Kaufobjekte als ihm überliefert an, verpflichtete sich jedoch, deren Benutzung einstweilen dem Verkäufer zu überlassen. Der §. 4 endlich bestimmte, daß, sobald der Verkäufer die bei dem gedachten Vereine kontrahierte Schuld von 9000 M. samt Zinsen abgetragen haben werde, der Vertrag mit allen seinen Folgen aufgehoben sein solle.

Als nun L. H., der jetzige Beklagte, wegen einer ihm rechtskräftig zuerkannten Forderung an E. eine Reihe der im Besitze des letzteren befindlichen Mobilien pfänden ließ, nahm Kläger mittels Zwischenklage das Eigentum der Pfandobjekte in Anspruch. Die erste Instanz wies diese Klage ab, die zweite Instanz gab derselben statt, das Reichsgericht stellte auf - im alten Verfahren - erhobene Revision das erste Urteil wieder her.

Das Nähere aus den Gründen:

Gründe

"Der von dem Zwischenkläger vorgelegte Vertrag mit dein Mühlenbesitzer E. trägt unverkennbar den Charakter einer verschleierten Verpfändung an sich. Wie sich aus einer Vergleichung der einzelnen Bestimmungen desselben ergiebt, soll derselbe dem Kläger "für alle möglichen Fälle", insbesondere aber für den Fall Sicherheit gewähren, daß er von dem Vorschußverein zu M. aus der für E. geleisteten Bürgschaft in Anspruch genommen werde. Die Fortdauer des Vertrages ist sodann an die Voraussetzung geknüpft, daß der Käufer als Selbstschuldner die verbürgte Schuld bezahle; tilgt solche der Verkäufer und Hauptschuldner, so gilt der Kontrakt mit allen seinen Folgen ohne weiteres als aufgehoben. Diese Aufhebung erfolgt jedoch nicht bei Abtragung des Kapitals allein; E. muß auch dessen Zinsen an den Gläubiger bezahlen, mithin mehr als das angeblich vereinbarte Kaufgeld betrug. Durch den Vertrag entäußerte sich endlich E. seines Haus- und Mühleninventars, seiner Moventien und der vorhandenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse, zum Teile also solcher Gegenstände, welche bei dauernder Aufbewahrung dem Verderben preisgegeben waren, deren Gebrauch jedenfalls nur in einem Verbrauche bestehen konnte; gleichwohl sollte der Verkäufer die Benutzung aller Kaufobjekte ohne Entgelt und auf unbestimmte Zeit behalten, jedoch die Gefahr des Verlustes tragen und etwaigen Abgang ersetzen.

Nun kann zwar unter Umständen ein wirklicher Kaufvertrag zu dem Zwecke abgeschlossen werden, um dem Gläubiger Sicherheit wegen seiner Forderung an den Schuldner zu verschaffen, und es wird her rechtliche Charakter und die Wirkung eines solchen Kontraktes an sich dadurch nicht geändert, daß die Kontrahenten den Beweggrund zum Vertrage ausdrücklich hervorheben.1 Allein immerhin muß deren Absicht erkennbar auf die Übertragung des Eigentums am Kaufobjekte gegen Gewährung des Kaufpreises gerichtet sein. Wenn sich daher aus der Vereinbarung der Kontrahenten ergiebt, daß die Kaufgeldforderung

nur dann zur Entstehung kommen soll, wenn der Käufer aus einem Schuldverhältnisse des Verkäufers zu einem Dritten in Anspruch genommen werde, oder daß der Verkäufer, welcher den Besitz der Kaufobjekte namens des Käufers fortsetzt, diese frei zu benutzen und zu veräußern befugt sein soll, so ist, da derartige Verabredungen mit dem Wesen des Kaufvertrages in Widerspruch stehen, nach ausdrücklicher Vorschrift der Gesetze

1. 80 §. 3 Dig. de contah. emt. 18, 1

ein Geschäft anderer Gattung geschlossen.

Im vorliegenden Falle ist zweifellos weder ein wahrer Kaufpreis vereinbart worden, noch die Absicht der Kontrahenten dahin gegangen, dem Käufer die streitigen Mobilien eigentümlich zu übertragen. Denn der Verkäufer blieb dem Vorschußvereine zu M. gegenüber wegen dessen zur Zeit des Vertragsabschlusses ziffermäßig noch gar nicht einmal feststehender, vielmehr dem Wechsel unterworfener Forderung fortwährend verhaftet, und es hat keine Tilgung der - wenn auch etwa erst später fällig werdenden - Forderung des Käufers durch Aufrechnung des dem Verkäufer zukommenden Kaufgeldes stattgefunden, während der letztere vermöge einer der Willenserklärung selbst innewohnenden Beschränkung jederzeit einseitig vom Vertrag zurücktreten durfte. Auch erhellt nicht, unter welchen Voraussetzungen der Käufer befugt sein sollte, seinem Mitkontrahenten gegenüber den Anspruch auf Auslieferung der Kaufobjekte durchzusetzen.

Es kann daher nur davon ausgegangen werden, daß durch den streitigen Vertrag dem Zwischenkläger ein Vorzugsrecht vor anderen Gläubigern für den Fall eingeräumt werden sollte, daß Kläger den gedachten Vorschußverein befriedigen müsse. In Wirklichkeit liegt sonach kein Kauf, sondern ein durch §. 12 des Gesetzes vom 29. Mai 1873 über das Grundbuchwesen im Bezirke des Appellationsgerichtes zu Kassel verbotener Pfandvertrag vor, und es gilt nach

1. 1. 2. 3 Cod. plus valere 4. 22

weder das abgeschlossene (vorgespiegelte), noch das wirklich beabsichtigte Geschäft.

Das Erkenntnis erster Instanz muß darnach wiederhergestellt werden.

Zwar hat sich Kläger in der Berufungsschrift noch auf eine Übereinkunft vom 15. Mai 1879 bezogen, wonach unter Aufhebung des §. 4 jenes Vertrages zwischen ihm und. E. stipuliert worden sei, daß er, Kläger, die dem Vorschußverein schuldigen 9 000 M. als Selbstschuldner zahlen und die verkauften Sachen endgültig als sein Eigentum behalten solle. Allein dies Vorbringen ist nicht zu beachten. Als Modifikation des ursprünglichen Vertrages steht und fällt jene Abrede, selbst ihre Wahrheit vorausgesetzt, mit dem ersteren. Ein Kontrakt, der weder nach dem erklärten noch nach dem gewollten Inhalte rechtsbeständig ist, wird auch dadurch nicht gültig, daß später einzelne Bestimmungen desselben abgeändert oder außer Wirksamkeit gesetzt werden,"2

  • 1. Amtl. Anm.: Vgl. das Urteil des I. Civilsenats unter Nr. 44 S. 168. D. Red.
  • 2. Amtl. Anm.: In gleichem Sinne hat der III. Civilsenat des Reichsgerichts erkannt: i. S. H. R. (Bekl.) w. C. F. (Kl.), Urt. v. 9. Jan. 1880 Rep. III. 32/79; i. S. Cr. Konkurs (Bekl.) w. H. R. (Kl.), Urt. v. 7. Mai 1880 Rep. III. 364/79; i. S. D. M. (Bekl.) w. E. R. (Kl.), Urt. v. 8. Juni 1880 Rep. III. 32/80; indem er die von den Zwischenklägern vorgelegten Veräußerungsverträge für ungültig erklärte, weil nach den Umständen des Falles die Kontrahenten nur die äußere Form eines Kaufes zur Umgehung des geschlichen Verbots der Bestellung einer Hypothek an beweglichen Sachen benutzt, hiernach aber in Wirklichkeit eine Eigentumsübertragung nicht vollzogen hätten.