RG, 06.07.1880 - II 160/80

Daten
Fall: 
Wiederherstellung eines widerrufenen letzten Willens durch ein späteres Testament
Fundstellen: 
RGZ 2, 363
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
06.07.1880
Aktenzeichen: 
II 160/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreis- und Hofgericht Mannheim, Civilkammer
  • OLG Karlsruhe

Kann ein widerrufener letzter Wille durch ein späteres Testament, welches einfach den früheren Widerruf aufhebt, wieder hergestellt werden?

Tatbestand

Der im Jahre 1870 verstorbene S. Z. hatte am 2. Februar 1869 ein öffentliches Testament errichtet, durch welches er seinen Nachlaß durch verschiedene Vermächtnisse nahezu erschöpfte.

In einem eigenhändigen letzten Willen vom 19. Mai 1869 setzte er den Beklagten zum Universalerben ein. - Am 24. Juni 1869 verfügte er ebenfalls eigenhändig: "bezüglich Allem bleibt mein letzter Wille aufrecht erhalten und zwar gerade so, wie derselbe bei Notar S. dahier gemacht wurde," (es ist dies unbestritten der vom 2. Februar 1869) - "Alles, was vielleicht währenddem geschehen war, gilt nicht - bloß dieses, welches daliegt."

Die gesetzliche Erbin des O. Z. und die im Testamente vom 2. Februar 1869 bedachten Legatare begehrten nun den Vollzug desselben. Der Beklagte B. behauptete aber - neben verschiedenen anderen Einwänden - daß durch einfachen Widerruf des Aktes vom 19. Mai 1869 der letzte Wille vom 2. Februar nicht habe wieder aufleben können. -

Beide Instanzen haben diesen Einwand verworfen und die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Es kann zunächst vom Einflusse des Widerrufes dieses Testaments (vom 19. Mai) völlig abgesehen werden; denn, wenn auch nicht die Bezugnahme auf irgend eine Urkunde oder Aufzeichnung als hinreichend bestimmte letztwillige Anordnung gelten kann, so ist doch der herrschenden Doktrin und Praxis beizutreten, welche annehmen, daß durch die Verweisung auf eine Urkunde, welche selbst alle Merkmale eines Testamentes an sich trägt, eine letztwillige Verfügung in zulässiger Weise einen bestimmten oder doch bestimmbaren Inhalt erlange, so daß das Testament vom 24. Juni durch jenes vom 2. Februar zu ergänzen und so als selbständiger letzter Wille zum Vollzug zu bringen wäre. Aber auch die Annahme kann nicht als rechtsirrtümlich bezeichnet werden, daß infolge des im Akte vom 24. Juni ausgesprochenen Widerrufs des Testaments vom 19. Mai und der Erklärung, daß jenes vom 2. Februar gelten solle, dies durch den Widerruf des Widerrufs wieder in Kraft getreten sei. Durch den Widerruf ist das Testament vom 2. Februar keineswegs an nichtiger Akt geworden, sondern seinem Vollzuge, stand nur die Widerrufserklärung entgegen, wenn diese zur Zeit des Todes des Erblassers noch in Kraft war; ist sie aber vorher, wie hier durch den Akt vom 24. Juni, beseitigt worden, so kann dem Ansprüche auf Vollzug des Testamentes nicht mit dein Einwände begegnet werden, daß ein Widerruf bestehe."