RG, 22.05.1880 - I 262/79

Daten
Fall: 
Kontokorrentverhältnis und Konkurs
Fundstellen: 
RGZ 2, 262
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
22.05.1880
Aktenzeichen: 
I 262/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Frankfurt an der Oder
  • Appellationsgericht an der Oder

Wirkung der Nichterfüllung eines Vertrages auf Kontokorrentposten, welche in der vorausgesetzten Erfüllung ihre causa haben, bei Beendigung des Kontokorrentverhältnisses. - Einfluß des Konkurses des Aktienzeichners auf die Verpflichtung zur Leistung der nach Konkurseröffnung ausgeschriebenen Einzahlungen.

Tatbestand

Die Niederlausitzer Kreditgesellschaft Z. & Co. hatte einen erheblichen Teil des Aktienkapitals der klagenden Aktiengesellschaft gezeichnet, war aber, während ein Teil der gezeichneten Piecen noch uneingefordert ausstand, in Konkurs verfallen. Klägerin erhob wegen der nach der Konkurseröffnung ausgeschriebenen Einzahlungsbeträge wider die Konkursmasse Feststellungsklage. Die Konkursmasse erachtete solchen Anspruch für unzulässig, weil nicht mehr schlechthin für die gezeichneten Beträge, sondern nur für einen Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Zeichnungsvertrages Befriedigung aus der Masse gefordert werden könne. Eventuell machte sie in Höhe eines Teiles der geforderten Summen einen Kompensationseinwand geltend. Klägerin - so behauptete sie - habe mit der Kridarin in Kontokorrentverkehr gestanden, in welchem letztere mit einem erheblichen Posten zu Gunsten der ersteren deshalb belastet worden sei, weil in Höhe gedachten Betrages Schulden der Kridarin an ihrer Stelle von Klägerin nach einem zwischen ihnen geschlossenen Vertrage übernommen worden seien. Klägerin habe aber keine jener Schulden bezahlt noch die Exnexuation der Kridarin herbeigeführt, so daß alle diese Schulden im Konkurse angemeldet seien. Werde jener Belastungsposten im Kontokurrent wieder gestrichen, so ergebe sich ein Saldo zu Gunsten der Kridarin in Höhe des zur Kompensation gestellten Betrages. Beide Instanzrichter verurteilten die beklagte Konkursmasse nach dem Klageanträge, insbesondere den Kompensationseinwand deshalb verwerfend, weil Kridarin nicht Entlastung von dem für die Schuldenübernahme geschaffenen Belastungsposten, sondern nur Herbeiführung der Exnexuation von den Schulden fordern könne. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten, welche nur in Bezug auf den sich mit der Kompensationsforderung deckenden Teil der Klageforderung erhoben wurde, wurde das zweitinstanzliche Erkenntnis in betreff jenes Forderungsteiles vernichtet und die Klage in betreff desselben in angebrachter Art abgewiesen.

Aus den Gründen

"Unter der Übernahme fremder Schulden ist nach der Terminologie der §§. 404. 405 A.L.R. I. 14, wie nach der gewöhnlichen Bedeutung des Begriffs nicht die bloße Verpflichtung, fremde Schulden übernehmen zu wollen, das Vertragsverhältnis zwischen dem Übernehmer und dem bisherigen Schuldner, wodurch sich ersterer dem letzteren zum Eintritt verpflichtet, sondern der Eintritt des Übernehmers dem Gläubiger gegenüber unter Befreiung des bisherigen Schuldners, bez. die Herbeiführung der Befreiung des Schuldners, zu verstehen. Dies ist die Handlung, für welche im Zweifel dem Übernehmer erst die Vergütung vom bisherigen Schuldner erwächst. Wird daher jemand im Kontokorrent für die Übernahme seiner Schulden durch seinen Korrespondenten zu Gunsten dessen in Höhe des Schadenbetrages belastet, so kann diese Belastung nur als in Voraussetzung wirklich bereits bewirkter Befreiung oder einer noch vorzunehmenden erfolgt angesehen werden. Erreicht der Kontokorrentvertrag sein Ende, ohne daß jene Voraussetzung der Belastung zur Verwirklichung gelangt ist, so muß der betreffende Belastungsposten durch einen entsprechenden Entlastungsposten wieder ausgeglichen werden, da nach dem Wesen des Kontokorrentvertrages die einzelnen Rechtsverhältnisse zwischen den Interessenten in das Kontokorrent und dessen Abrechnung nur insoweit gehören, als sie für die Interessenten einen Geldschuldungseffekt des einen dem anderen gegenüber hervorgebracht haben. Ob nach Inhalt des geschlossenen Schuldenübernahmevertrages dessen Erfüllung dann noch von der einen oder anderen Seite begehrt werden kann, dies ist eine von dem Kontokorrentverhältnis unabhängige, lediglich aus dem Übernahmevertragsverhältnis zu lösende Frage. Der Konkurs des Beklagten setzte naturgemäß dem Kontokorrentvertrag sein Ziel. Sind die Behauptungen des Beklagten richtig, so hatte zu dieser Zeit zu keinem Betrage des Belastungspostens eine sie befreiende Schuldenübernahme seitens der Klägerin stattgefunden. Der Schuldenübernahmevertrag selbst fiel aber dann, als von keiner Seite bisher erfüllt, gemäß §. 16 preuß. Konkurs-Ordnung zusammen.

Die hiernach wegen Verkennung des Wesens des dem Einwände zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfts und Verletzung des §.16 Konkurs-Ordnung erforderliche Vernichtung des zweiten Erkenntnisses kann als ihr Objekt nicht bloß die erfolgte Kognition über den Kompensationseinwand, welche Kognition ja nur einen Entscheidungsgrund in Bezug auf einen Teil der Klageforderung abgegeben hat, muß vielmehr als Objekt die Entscheidung in betreff des Klageanspruches, soweit er sich seiner Höhe nach mit der zur Kompensation gestellten Forderung deckt, ergreifen.

Demgemäß entsteht bei freier Beurteilung dieses Teiles des Klageanspruches zunächst und ehe der Kompensationseinwand in Betracht zu ziehen ist, die Frage, ob denn der Anspruch an sich in der angegebenen Art überhaupt begründet ist, und diese Frage muß verneint werden.

Klägerin verlangt im Konkurse ihres Aktienzeichners tributarische Befriedigung wegen ihres Anspruchs auf Einzahlung der nach der Konkurseröffnung ausgeschriebenen Beträge. Der Leistung der Einzahlung von der einen Seite muß aber nach dem Wesen des Aktienzeichnungsvertrages die Gewährung von Aktienrechten und Aktienurkunden, bez. Interimsquittungen, von der anderen Seite entsprechen. Es handelt sich also nicht um eine einseitige Schuldverbindlichkeit, die einzutreiben ist, sondern um ein zweiseitiges Vertragsverhältnis, und es ist nicht ersichtlich, welches Schicksal bei einer bloß tributarischen Befriedigung des Anspruchs auf die gezeichnete Summe der korrespondierende Anspruch auf Gewährung von Aktien haben soll, da der Aktiengesellschaft nicht zugemutet werden kann, gegen nur tributarische Befriedigung des Anspruches auf den Zeichnungsbetrag die vollen Aktien zu gewähren, andererseits aber auch der Konkursmasse nicht, sich mit einem der Konkursdividende entsprechend reduzierten Aktienbetrag abfinden zu lassen, was in Wahrheit darauf hinausliefe, daß die Aktiengesellschaft für das, was. sie demnach noch leistet, Vollzahlung empfinge.

Es handelt sich demnach, wie dies auch in Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 25 S. 299 ff. ausgeführt ist, um ein Verhältnis, auf welches der §. 16 preuß. Konk.-Ordn. Anwendung findet. Tritt die Konkursmasse nicht in das Vertragsverhältnis ein, in welchem Falle die Verpflichtung zur Zahlung Massenschuld werden würde, so muß wegen der synallagmatischen Natur des Verhältnisses, mit welcher eine Teilung von Leistung und Gegenleistung in der Art, daß auf die eine nur tributarische Befriedigung, die andere aber voll zu gewähren ist, unvereinbar ist, während eine gleichmäßige Reduzierung beider Leistungen das ganze Vertragsverhältnis ändern und den Principien gleichmäßiger Befriedigung der Gläubiger im Konkurse widersprechen würde, der Gläubiger, der am Konkurse teilnehmen will, seinen Anspruch in einen reinen Konkursanspruch auf Entschädigung wegen Nichterfüllung des geschlossenen Vertrages umwandeln. Sieht man als solche Entschädigungsforderung den Anspruch auf Ersatz des Ausfalles an, welchen die Aktiengesellschaft bei anderweitiger Unterbringung der betreffenden Aktien gegenüber dem Nominalbeträge derselben zu erleiden hätte, so mag, wenn nach den Verhältnissen der Aktiengesellschaft die Aktien überhaupt zu keinem Betrage anderweitig unterzubringen sind, der Entschädigungsanspruch in seiner Höhe dem Anspruche auf Erfüllung aus der Aktienzeichnung gleichkommen können. Im vorliegenden Falle ist aber in gedachter Weise der Anspruch nicht begründet."