RG, 11.02.1880 - I 404/79

Daten
Fall: 
Unterschied zwischen Warenzeichen und Etikette
Fundstellen: 
RGZ 1, 74
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.02.1880
Aktenzeichen: 
I 404/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Obergericht Rostock

Unterschied zwischen Warenzeichen und Etikette.

Gründe

... "Die Ansicht, daß die Beklagte nicht gehindert sei, das für die Klägerin eingetragene Warenzeichen auf den Etiketten ihrer Tabaksfabrikate zu führen, wenn sie demselben ihre Firma beifüge, kann nicht für begründet erachtet werden. Das Markenschutzgesetz, welches im §. 13 eine Klage gegen denjenigen gewährt, welcher ein eingetragenes fremdes Warenzeichen oder eine fremde Firma widerrechtlich zur Warenbezeichnung verwendet, entscheidet nicht ausdrücklich den Fall, daß jemand ein fremdes Warenzeichen unter Beifügung seiner eigenen Firma zu diesem Zwecke gebraucht. Stellen sich diese Bezeichnungen als zwei verschiedene Mittel dar, die Ware zu kennzeichnen, so unterliegt es keinem Zweifel, daß die Rechtswidrigkeit der einen durch die Rechtmäßigkeit der anderen Bezeichnung nicht aufgehoben wird. Sind dagegen das Zeichen und die Firma in eine solche Verbindung gebracht, daß beide zusammen ein einziges Warenzeichen bilden, und weicht dieses Zeichen in seiner Gesamterscheinung von dem eingetragenen augenfällig ab, so kann in dem Gebrauche desselben, wie man mit dem vormaligen Reichsoberhandelsgerichte (Entsch. Bd. 20 S. 353; Bd. 21 S. 410) annehmen muß, ein Gebrauch des eingetragenen Zeichens nicht gefunden werden, es wäre denn der Unterschied zwischen beiden Zeichen ein solcher, welcher nach §. 18 des Markenschutzgesetzes nicht in Betracht kommt. Ob nun in der Verwendung der Firma neben dem Zeichen der Gebrauch einer einzigen oder mehrerer Bezeichnungen zu finden sei, kann nur in jedem einzelnen Falle entschieden werden, wobei insbesondere darauf zu sehen ist, ob beide Bezeichnungen als ein einziges Warenzeichen zum Handelsregister angemeldet sind, und ob sie sich in ihrer äußeren Erscheinung als ein Ganzes darstellen. Daraus allein aber, daß die Etikette der Ware sowohl das Zeichen als die Firma enthält, ist die Verbindung derselben zu einem Gesamtzeichen noch nicht zu entnehmen. Versteht man unter Etikette die am Äußeren von Gegenständen, namentlich an Gefäßen oder Hüllen angebrachte Angabe über den äußerlich nicht erkennbaren Inhalt derselben,1 so decken sich die Begriffe von Etikette und Warenzeichen nicht gänzlich. Wie es Etiketten geben kann, die als nicht an Waren angebracht keine Warenzeichen sind, und Warenetiketten, welche als lediglich aus Worten bestehend keine Warenzeichen sind, so ist es auch bei Warenetiketten, welche figürliche Zeichen enthalten, möglich, daß nicht alles, was auf der Etikette sich befindet, als Bestandteil des Zeichens sich darstellt. Insbesondere ist es möglich, daß die Etikette Bestandteile hat, welche nicht dazu bestimmt sind, die Ware von den Waren anderer Gewerbetreibenden zu unterscheiden, sondern gewisse Eigenschaften derselben hervorzuheben, z. B. Preismedaillen, Maß- und Gewichtsangaben, die Echtheit verbürgende Siegel oder Stempel. Ebenso ist es möglich, daß ein Teil der Etikette den Produzenten, ein anderer Teil den Händler bezeichnet. Aber auch wenn solche Gründe nicht vorhanden sind, zwischen den einzelnen Bestandteilen der Etikette zu unterscheiden, ergiebt sich aus dem Umstände allem, daß ein Zeichen und die Firma in der Etikette enthalten sind, mehr nicht, als daß der betreffende Gewerbetreibende sich zweier verschiedener Mittel zur Bezeichnung seiner Ware bedient hat, von denen jedes auch für sich allein zu diesem Zwecke dienen könnte. Die Beifügung der Firma auf der Etikette giebt mithin noch keinen Grund ab, dieselbe als Bestandteil der ebenfalls auf derselben angebrachten Marke zu betrachten. Im vorliegenden Falle fehlt es, wie das Erkenntnis voriger Instanz mit Recht ausführt, an jedem Grunde, ein durch Kombination der Figuren und der Firma gebildetes Warenzeichen anzunehmen. Es bedarf daher der Untersuchung nicht, ob, wenn ein solches anzunehmen wäre, die Gesamterscheinung desselben von der für die Klägerin eingetragenen Marke so sehr abweichen würde, daß die Abänderungen auch ohne Anwendung besonderer Sorgfalt wahrgenommen werden könnten."

  • 1. Amtl. Anm.: vgl. Littré, Dictionnaire s. v. étiquette: petit écriteau qu'on met sur les objets pour reconnaître ce qu'ils sont,