RG, 20.03.1880 - I 6/80

Daten
Fall: 
Versäumnisurteil im Termin der Beweisaufnahme
Fundstellen: 
RGZ 1, 238
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.03.1880
Aktenzeichen: 
I 6/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg
  • OLG Hamburg

Kann im Termine zur Beweisaufnahme vor dein Prozeßgerichte, insonderheit in der Berufungsinstanz, die erschienene Partei gegen die ausgebliebene sofort das Versäumnisurteil beantragen?

Tatbestand

Das Oberlandesgericht hatte in der mündlichen Verhandlung einen Beweisbeschluß erlassen und Termin zur Beweisaufnahme angesetzt. In dem letzteren erschien zwar der Kläger und Berufungskläger, welcher die Beweisaufnahme beantragt hatte, nicht aber der Beklagte, und jener beantragte nun, in Gemäßheit des §. 504 Abs. 2 C.P.O. das Versäumnisurteil zu erlassen und anzunehmen, daß die Beweisaufnahme das von ihm in Aussicht gestellte Ergebnis gehabt habe. Das Oberlandesgericht aber beschloß nach Maßgabe des §. 332 Abs. 1 C.P.O. die Beweisaufnahme zu bewirken. Hiergegen erhob der Kläger sofortige Beschwerde nach §. 301 C.P.O. Diese wurde als unbegründet verworfen aus folgenden Erwägungen:

Gründe

"Nach der eigenen Sachdarstellung des Klägers war der Termin vom 28. Februar, in welchem der Beklagte nicht erschienen war, und der Kläger deswegen auf ein Versäumnisurteil antrug, vom Oberlandesgerichte nicht unmittelbar zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung, sondern zunächst zur Beweisaufnahme angesetzt. Nun ist aber nach §. 504, ebenso wie nach §§. 295-297 C.P.O. das Versäumnisurteil dadurch bedingt, daß die eine Partei in einem Termine zur mündlichen Verhandlung, beziehungsweise zur Fortsetzung derselben, ausgeblieben ist. Wenn auch nach §. 335 Abs. 1 C.P.O., falls die Beweisaufnahme, wie hier, vor dem Prozeßgerichte erfolgt, der Beweisaufnahmetermin zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt ist, so nimmt er diesen Charakter doch erst nach wirklich erfolgter Beweisaufnahme an; denn das Gesetz spricht von dem Termine, "in welchem die Beweisaufnahme stattfindet", nicht schlechtweg von demjenigen, welcher zur Beweisaufnahme bestimmt ist. Für den Termin zur Beweisaufnahme als solchen verordnet dagegen §. 332 Abs. 1 C.P.O., daß ungeachtet des Ausbleibens einer Partei die Beweisaufnahme insoweit zu bewirken ist, als dies nach Lage der Sache geschehen kann.

Aus der Stellung der §§. 382 und 333 zwischen den §§. 326-331 und dem §. 334, welche sämtlich nur von der Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter, beziehungsweise im Auslande, handeln, und zu denen im Gegensatze dann der §. 335 von dem Falle der vor dem Prozeßgerichte erfolgenden Beweisaufnahme zu reden anhebt, könnte man freilich auf den ersten Blick schließen, daß auch die §§. 332 und 333 sich nur auf die Beweisaufnahme vor beauftragtem oder ersuchtem Richter bezögen. Obwohl dies auch die Auffassung der Motive des Regierungsentwurfes ist, kann dieselbe indessen doch nicht gebilligt werden, wie auch der Regierungsvertreter in der Reichstagskommission (Protokolle Seite 125) anerkannt hat; denn die Worte der §§. 332 und 333, für sich betrachtet, geben keinen Anhalt für jene einschränkende Auslegung, während auch aus inneren Gründen die daselbst getroffenen Bestimmungen auch im Falle der Beweisanfnahme vor dem Prozeßgerichte nicht wohl zu entbehren sind. Dieselbe Auslegung der §§. 332 Abs. 1 und 335 Abs. 1 ist zum Beispiel auch angenommen von Struckmann und Koch, zu §. 258 Nr. 1, Aufl. 2 S. 217, und zu §. 332 Nr. 1, S. 283 flg., Wach, Vorträge S. 122 flg,; vgl. auch von Bar, Systematik des Deutschen Civilprozeßrechts S. 65 flg.; während freilich Endemann, zu §. 297 S. 153, zu §. 332 S. 194 Anmerk. 1, und zu §. 335 S. 197, anderer Ansicht zu sein scheint.

Der Kläger will nun zwar behaupten, daß durch den §. 504 Abs. 2 für die Berufungsinstanz in Ansehung des Termines zur Beweisaufnahme vor dem Prozeßgerichte der §. 332 Abs. 1 außer Anwendung gesetzt sei, indem er sich dafür auf Endemann, zu §. 504 S. 439, beruft. Diese Ansicht widerlegt sich aber einfach dadurch, daß, wie schon hervorgehoben, auch der Abs. 2 des §. 504 keineswegs vom Termine zur Beweisaufnahme, sondern vom Termine zur mündlichen Verhandlung spricht. Inwiefern in §. 504 Abs. 2 in Wahrheit wegen des Versäumnisverfahrens in der Berufungsinstanz etwas von den die erste Instanz betreffenden Vorschriften Abweichendes verfügt ist, darüber sind zu vergleichen z. B. Struckmann und Koch, zu §. 504 Nr. 3 und 4 S. 425 flg., und Wach, Vorträge S. 206 flg.

Nur beiläufig soll noch bemerkt werden, daß die Berufung des Klägers auf seine Befugnis, nach §. 364 C.P.O. auf seine Zeugen zu verzichten, völlig verfehlt ist; denn durch solchen Verzicht wäre die von ihm beantragte Beweisaufnahme, in Ansehung welcher nach seinem jetzigen Antrage angenommen werden sollte, daß sie das in Aussicht gestellte Ergebnis gehabt habe, überhaupt rückgängig gemacht worden."...