RG, 10.06.1920 - IV 510/19

Daten
Fall: 
Widerlegung der Eigentumsvermutung
Fundstellen: 
RGZ 99, 152
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.06.1920
Aktenzeichen: 
IV 510/19
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Berlin I
  • KG Berlin

Genügt zur Widerlegung der Vermutung aus § 1362 Abs. 2 BGB. der Nachweis, daß der Mann das Eigentum an den Sachen während der Ehe durch Eingang erworben hat?

Tatbestand

Die Parteien sind Eheleute, leben jedoch getrennt. Der Kläger fordert Herausgabe eines Nerzkragens, einer goldenen Brosche mit Perlen, eines goldenen Armbandes und eines Brillantkolliers, die er während der Ehe von seiner im Jahre 1909 gestorbenen Mutter geerbt hat. Die Beklagte, welche die Sachen seit dem Jahre 1910 getragen hat, hat sie bei ihrer Trennung vom Kläger mitgenommen und verweigert die Herausgabe mit der Behauptung, der Kläger habe sie ihr nach der Geburt des ersten Kindes geschenkt. Der Kläger stellt die behauptete Schenkung in Abrede und will die Sachen der Beklagten nur zur Benutzung überlassen haben. Die Beklagte wurde in zwei Instanzen nach dem Klagantrage verurteilt. Die Revision hatte Erfolg.

Gründe

"Die Beklagte hat sich für ihr Eigentum an den streitigen Gegenständen auf die Vermutung des §1362 Abs. 2 BGB. berufen. Das Berufungsgericht verwirft diese Auffassung, weil es sich um Gegenstände handle, die nicht von vornherein, insbesondere schon bei der Eheschließung, der Frau gehört hätten, sondern zunächst Eigentum des Mannes gewesen seien, der sie während der Ehe durch Erbgang erworben habe, und weil nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Fortbestand des einmal erlangten Eigentums zu vermuten sei. Diese Erwägung wird mit Recht von der Revision als rechtsirrig bekämpft.

Der § 1362 Abs. 2 BGB. bestimmt, daß für die ausschließlich zum persönlichen Gebrauche der Frau bestimmten Sachen, insbesondere für Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräte im Verhältnis der Ehegatten zueinander und zu den Gläubigern die Vermutung gilt, daß die Sachen der Frau gehören. Die Frau, die sich für ihr Eigentum an bestimmten Sachen auf § 1362 Abs. 2 BGB. beruft, hat daher nur zu beweisen, daß die betreffenden Sachen ausschließlich zu ihrem persönlichen Gebrauche bestimmt sind. Darauf, ob diese Bestimmung schon zur Zeit der Eheschließung bestanden hat oder ob sie erst während der Ehe erfolgt ist, kommt es nicht an. Den Mann oder den Gläubiger, der das Eigentum der Frau bestreitet, trifft die Beweislast dafür, daß die Sachen ungeachtet ihrer ausschließlichen Bestimmung zum persönlichen Gebrauche der Frau nicht deren Eigentum sind. Dazu kann der bloße Nachweis, daß der Mann die Sachen erst während der Ehe von dritter Seite erworben hat, nicht genügen. Die vom Kammergerichte herangezogene Vermutung für den Fortbestand eines erworbenen Eigentums muß demjenigen gegenüber versagen, zu dessen Gunsten das Gesetz auf Grund eines später eingetretenen Tatbestandes eine Eigentumsvermutung aufstellt. Demgemäß ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ. Bd. 55 S. 52) anerkannt, daß derjenige, der als Eigentümer die Herausgabe einer im Besitz eines anderen befindlichen beweglichen Sache verlangt, gegenüber einem auf §1006 BGB. gestützten Einwande des Beklagten nicht nur seinen Eigentumserwerb beweisen, sondern auch die im § 1006 BGB. zugunsten des beklagten Besitzers aufgestellte Eigentumsvermutung widerlegen muß. In gleicher Weise muß auch der Mann, der Sachen der im § 1362 Abs. 2 BGB. gedachten Art der Frau gegenüber als sein Eigentum in Anspruch nimmt, außer dem Beweise seines Eigentumserwerbs den weiteren Nachweis führen, daß die Frau durch die demnächstige Bestimmung der Sachen zu ihrem ausschließlichen persönlichen Gebrauch entgegen der gesetzlichen Vermutung kein Eigentum daran erlangt hat. Das Gesetz unterscheidet nicht, von wem die Bestimmung der Sachen zum persönlichen Gebrauche der Frau ausgegangen ist, die aufgestellte Vermutung gilt daher auch für alle die Sachen, die der Mann der Frau ausschließlich zu ihrem persönlichen Gebrauch überlassen hat. Allerdings wird hierdurch die Stellung des Mannes im Rechtsstreite nicht unwesentlich erschwert, wenn der Mann es unterlassen hat, sich rechtzeitig für den Vorbehalt seines Eigentums ausreichende Beweismittel zu sichern. Dessen ist sich aber die Reichstagskommission, auf deren Beschluß die Festsetzung der Vermutung des § 13S2 Abs. 2 BGB. und deren Ausdehnung auf das Verhältnis der Ehegatten untereinander beruht (Komm-Ber. S.105, 106) bewußt gewesen. Denn die aus der Vermutung des Abs. 1 der Frau drohenden Nachteile sind von der Kommission eingehend erörtert worden und haben dazu geführt, die vom Entwürfe vorgesehene Geltung des Abs. 1 für das Verhältnis der Ehegatten zueinander zu streichen. Wenn dann gleichzeitig die Vermutung des Abs. 2 zugunsten der Frau aufgestellt wurde, so hat man damit im Interesse des Schutzes der Frau als des "schwächeren Teiles der Ehe" den Mann als den "stärkeren Teil" den sich daraus für ihn ergebenden Erschwerungen unterwerfen wollen. Es muß hiernach als Standpunkt des Gesetzes angesehen werden, daß für Sachen, die der Mann aus seinem Vermögen der Frau ausschließlich zu ihrem persönlichen Gebrauch überläßt, die Vermutung gelten soll, daß die Überlassung in der Absicht der Eigentumsübertragung erfolge. Tatsächlich wird sich diese Vermutung auch für die überwiegende Mehrzahl aller Fälle als gerechtfertigt erweisen. Sache des Mannes ist es daher, im gegebenen Falle den Gegenbeweis gegen die für den Eigentumserwerb der Frau streitende Vermutung zu führen. Das Berufungsgericht verletzt daher den § 1362 Abs. 2 BGB., indem es der Beklagten die Beweislast dafür auferlegt, daß der Kläger ihr die streitigen Gegenstände geschenkt habe, und die Beklagte wegen Nichterbringung dieses Beweises zur Herausgabe verurteilt." ...