RG, 04.03.1919 - VII 396/18

Daten
Fall: 
Bestimmung der Pflichten eines Vorbehaltsverkäufers
Fundstellen: 
RGZ 95, 105
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.03.1919
Aktenzeichen: 
VII 396/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht III Berlin
  • Kammergericht Berlin

Zur Übergabe- und Übereignungspflicht des Verkäufers, insbesondere bei Verkäufen unter Vorbehalt des Eigentums. Ist nach erfolgter Übergabe der Anspruch auf Übereignung selbständig abtretbar? Kann der neue Gläubiger das Eigentum unmittelbar von dem Verkäufer erwerben?

Tatbestand

Der Tiefbauunternehmer W. kaufte im Jahre 1912 von der Aktiengesellschaft O. & K. einen Dampfbagger. Er versprach, den Kaufpreis in Raten zu tilgen, und erhielt den Bagger übergeben. O. & K. behielten sich jedoch das Eigentum bis zur vollständigen Tilgung des Kaufpreises vor. Noch bevor diese Tilgung geschehen war, verkaufte am 13. Dezember 1912 W. den "ihm gehörigen Bagger" durch notariellen Vertrag an den Beklagten. Eine Übergabe erfolgte nicht, dagegen wurde der Bagger vom Beklagten an W. vermietet. Am 13. Oktober 1913 schloß W. mit dem Kläger einen Vertrag, in dem sich zunächst der Kläger verpflichtete, die noch auf 3711 M bezifferte Restschuld für den Bagger an O. & K. abzutragen und dem W. 289 M bar darzuleihen, sodann W. anerkannte, dem Kläger weitere 7000 M zu verschulden, und in dem endlich gesagt war: "Zur Sicherheit tritt Herr W. an Herrn G. (Kläger) den Anspruch ab, den er an die Firma O. & K. auf Übertragung des Eigentums an dem Bagger gegen Zahlung der Restkaufsumme hat. Hiernach sind die Parteien darüber einig, daß der Bagger mit dieser Zahlung Eigentum des Herrn G. wird; und zwar soll er dies so lange bleiben, bis nicht nur die hier erwähnten 4000 M, sondern auch die 7000 M aus dem Vertrage vom 15. Februar 1913 nebst den Zinsen an Herrn O. zurückgezahlt sind, Herr G. überläßt Herrn W. den Bagger bis auf weiteres zur leihweisen Benutzung."

Der Kläger hat, wie er behauptet, im Februar und März 1914 das Restkaufgeld an O. & K. gezahlt, er ist später auch in den Besitz des Baggers gelangt. Die Parteien streiten über das Eigentum an dem Bagger. Auf Grund eines von ihnen geschlossenen Vergleichs befindet sich der Kläger im Besitze des Baggers, er hat aber zur Sicherheit des Beklagten 6000 M in Kriegsanleihe bei dem Geheimen Justizrat Dr. H. hinterlegen müssen. Mit der Klage bittet der Kläger, sein Eigentum an dem Bagger festzustellen und den Beklagten zu verurteilen, in die Aushändigung der Kriegsanleihe zu willigen.

Während das Landgericht der Klage stattgab, wies das Kammergericht sie ab und verurteilte den Kläger auf erhobene Widerklage, den Bagger an den Beklagten herauszugeben. Auf die Revision des Klägers wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache in die Berufungsinstanz zurückverwiesen.

Gründe

"Das Kammergericht verkennt den Inhalt und die Bedeutung des von W. mit dem Kläger geschlossenen Vertrags. Den Gegenstand des Vertrags bildet nicht sowohl der Bagger als der Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an dem Bagger. Zu Unrecht bezweifelt das Kammergericht, daß W. noch einen solchen Anspruch gegen O. & K. hatte. Seine Meinung, daß O. & K. durch die Übergabe des Baggers an W. ihre sämtlichen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag erfüllt hatten, ist rechtsirrig. In § 433 BGB. werden dem Verkäufer die Pflichten, dem Käufer die Sache zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, zwar nebeneinander, aber getrennt voneinander auferlegt (vgl. RGZ. Bd. 85 S. 322). Der Verkäufer, der dem Käufer die Sache zwar übergeben, aber noch nicht übereignet hat, ist also mit einem Teile der ihm obliegenden Gesamtleistung noch im Rückstande.

So liegt die Sache auch, wenn der Verkäufer sich bei der Übergabe das Eigentum an der Sache bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten hat. Im Zweifel ist dann das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises übertragen, §455 BGB. Die restliche Erfüllung von seiten des Verkäufers ist damit vertragsmäßig auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben. Die Übergabe der Sache unter Eigentumsvorbehalt soll den Kaufvertrag nicht schon in der Gegenwart, sondern erst in der Zukunft erfüllen, sie gewährt dem Käufer nicht die volle rechtliche Herrschaft über die Sache, sie macht ihn nicht zum Eigenbesitzer, sondern nur zum Verwahrer und Verwalter, und das selbst dann, wenn ihm die Sache nur auf Grund des Kaufvertrags übergeben wird (vgl. RGZ. Bd. 64 S. 334). Der Verkäufer bleibt dementsprechend nach der Übergabe unter Eigentumsvorbehalt noch verpflichtet, dem Käufer das Eigentum an der Sache zu verschaffen und ihn dadurch auch zum Eigenbesitzer zu machen. Der Wille des Verkäufers, das Eigentum an der Sache auf den Käufer zu übertragen, muß also noch in dem Augenblicke vorhanden sein, wenn der letzte Kaufgelderrest bezahlt wird und damit die Bedingung eintritt (vgl. RGZ. Bd. 64 S. 204, Bd. 66 S. 345; Urt. des Reichsgerichts vom 11. Januar 1907, II 313/06). Dieser Pflicht des Verkäufers entspricht das Recht des Käufers. Deshalb konnte W. am 13. Oktober 1913 seinen ihm gegen O. & K. noch zustehenden Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem Bagger an den Kläger abtreten. Wenn in dem Vertrage vom 13. Oktober 1913 die Bemerkung angefügt wird, daß die Beteiligten darüber einig seien, mit der Bezahlung der Restkaufsumme werde der Bagger Eigentum des Klägers, so bedeutet das nicht eine aufschiebend bedingte Übertragung des Eigentums an dem Bagger von W. auf den Kläger, es wird damit vielmehr nur die mit der Abtretung gewollte Rechtsfolge noch einmal klar ausgesprochen. Durch die Zahlung der Restkaufsumme sollte der Kläger das Eigentum an dem Bagger unmittelbar von O. & K. erlangen, und W. erklärte, daß er dieses Ergebnis seiner Abtretung anerkenne. Der am 13. Oktober 1913 endlich noch vereinbarte Leihvertrag sollte nicht einen Ersatz der Übergabe nach § 930 BGB. bilden, sondern das Recht des W. zum Besitz des Baggers auch für die Zeit sicherstellen, während welcher er dem Kläger gehören würde. Ohne den Leihvertrag hätte Kläger nach Erlangung des Eigentums die Herausgabe des Baggers von W. fordern können. Ein Übergabeersatz war nicht notwendig, da W. ja selbst Eigentum nicht übertragen wollte.

So betrachtet stehen die Verträge vom 13. Dezember 1912 und 13. Oktober 1913 nicht in dem Verhältnis nebeneinander, wie es das Kammergericht angenommen hat. Nur der Vertrag vom 13. Dezember 1912 enthielt die Verfügung eines Nichtberechtigten über den Bagger. Sie konnte wirksam werden, wenn der Bagger von W., ohne daß dieser selbst inzwischen das Eigentum daran erworben zu haben brauchte, dem Beklagten körperlich übergeben wurde (§ 933 BGB.) und außerdem dann, wenn W. das Eigentum an dem Bagger erlangte (§185 BGB.). Die Voraussetzungen des § 933 sind unstreitig nicht gegeben; der Möglichkeit, selbst Eigentümer des Baggers zu werden, wollte sich W. durch den Vertrag vom 13. Oktober 1913 entäußern. Durch den Abschluß dieses Vertrags handelte er, wie der Revisionsbeklagte zutreffend hervorhebt, seiner im Vertrage vom 13. Dezember 1912 übernommenen Pflicht zuwider; dieser Umstand vermag aber die dingliche Wirkung der am 13. Oktober 1913 erklärten Abtretung nicht zu beeinträchtigen. Wenn der Vertrag vom 13. Oktober 1913 also - was der Beklagte bestreitet und was noch zu prüfen sein wird - ernstlich gemeint war, dann erlangte der Kläger den Anspruch, daß O. & K. bei Empfang des Restkaufgeldes das Eigentum an dem Bagger ihm übertrugen. Dazu gehörte, daß O. & K. in dem entscheidenden Zeitpunkte den entsprechenden Willen hatten. Der Kläger behauptet, daß das der Fall gewesen sei, weil er alsbald nach Abschluß des Vertrags O. & K. von der geschehenen Abtretung benachrichtigt habe. Trifft auch das zu - was ebenfalls noch zu prüfen sein wird -, dann hat der Kläger das Eigentum an dem Bagger erworben, nicht W., und nicht von W. gemäß § 185 der Beklagte."