RG, 03.01.1919 - III 283/18

Daten
Fall: 
Abrechnung einer pensionsfähigen Dienstzeit eines Oberlehrers
Fundstellen: 
RGZ 94, 255
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.01.1919
Aktenzeichen: 
III 283/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Breslau
  • OLG Breslau

Ist die pensionsfähige Dienstzeit eines Oberlehrers, der erst bei seiner festen Anstellung den Diensteid geleistet hat,
1. von dem Beginn des Probejahrs oder
2. auch dann von dem Beginne seiner ersten Hilfslehrertätigkeit ab zu rechnen, wenn er nur zu einer Vertretung als Hilfslehrer berufen wurde?

Tatbestand

Der Kläger, bis zum 1. April 1916 Oberlehrer am staatlichen Gymnasium in M., wurde zu diesem Tage unter Bewilligung eines jährlichen Ruhegehalts von 4578 M in den Ruhestand versetzt. Er beansprucht Erhöhung des Ruhegehalts, weil in seine auf 24 Jahre 295 Tage berechnete Dienstzeit

1.die Zeit vom 1. Oktober 1888 bis zum 4. Mai 1890, von dem Ende des Probejahrs bis zum Beginne seiner ersten Beschäftigung als Hilfslehrer, und
2.die Zeit vom 6. Juli 1890 bis zum 11. August 1892, von dem Ende der ersten bis zum Beginne der zweiten Beschäftigung als Hilfslehrer, nicht eingerechnet seien;

er habe in diesen Zeiträumen beschäftigungslos zur Verfügung des Provinzialschulkollegiums gestanden. Auf seine Beschwerde gegen die Ruhegehaltsfestsetzung von dem Minister der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten im Einverständnis mit dem Finanzminister im Juni 1916 abschlägig beschieden, hat er am 27. November 1916 Klage auf Zahlung eines weiteren jährlichen Ruhegehaltsbetrags von 604,50 M erhoben. Das Landgericht hat nach dem Klagantrag erkannt. Die Berufung des Beklagten hatte zum Teil Erfolg; das Oberlandesgericht hat nur den zweiten der streitigen Zeiträume für anrechnungsfähig erklärt und dem Kläger nur einen weiteren Betrag von jährlich 267 M zugesprochen. Die hiergegen von beiden Teilen erhobenen Revisionen sind zurückgewiesen worden.

Gründe

1.

"Der Kläger begründet seinen Anspruch auf Einrechnung der Zeit von dem Ende seines Probejahrs bis zum Beginne seiner ersten Hilfslehrertätigkeit in sein pensionsfähiges Dienstalter damit, er sei, wenn er auch erst zu Beginn seiner festen Anstellung den Diensteid geleistet habe, doch schon mit dem Antritte seines Probejahrs in den Staatsdienst eingetreten, daher sei seine Dienstzeit nach § 13 Satz 2 BPG. von diesem Zeitpunkte an zu rechnen. Dieser von dem Landgericht gebilligten Auffassung ist das Berufungsgericht mit Recht und mit zutreffender Begründung entgegengetreten.

Aus der Vorschrift des § 14 Nr. 5 BPG., die in der Fassung des Gesetzes vom 25. April 1896 lautet:

"Bei Berechnung der Dienstzeit kommt auch die Zeit in Anrechnung, während welcher ein Beamter ...
5. als Lehrer (§6 Abs. 2) der vorgeschriebenen praktischen Ausbildung sich unterzogen hat. "

Dabei wird ein vorschriftsmäßig zurückgelegtes Ausbildungsjahr stets zu zwölf vollen Monaten gerechnet" ergibt sich unzweideutig, daß das Probejahr keinen Staatsdienst im Sinne des § 13 Satz 2 bildet; sonst wäre dieses Jahr schon auf Grund der letzteren Vorschrift anzurechnen und jene überflüssig oder, wenn sie nur zur Beseitigung von Zweifeln aufgenommen wäre, anders gefaßt worden. Daß durch sie aber nicht nur, wie das Landgericht angenommen hat, Zweifel abgeschnitten werden sollten, ergibt sich aus der von dem Berufungsgerichte herangezogenen Entstehungsgeschichte: Die Nr. 4 und 5 des § 14 sind in das Beamtenpensionsgesetz vom 27. März 1872, und zwar Nr. 5 in der Fassung: "5. als Lehrer (§ 6) das vorgeschriebene Probejahr abhielt", durch die Kommission des Abgeordnetenhauses eingeschaltet worden. Dabei ist zu Nr. 4, die die Anrechnung der Zeit vorschreibt, während deren ein Beamter "eine praktische Beschäftigung außerhalb des Staatsdienstes ausübte, insofern und insoweit diese Beschäftigung vor Erlangung der Anstellung in einem unmittelbaren Staatsamte behufs der technischen Ausbildung in den Prüfungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist", erwogen worden, daß für manche Arten von technischen Staatsbeamten in den Prüfungsvorschriften eine längere praktisch-technische Ausbildung vorgeschrieben sei, ehe sie zur Prüfung zugelassen werden und in den Staatsdienst eintreten könnten; diese Ausbildungszeit müsse der Zulassung zur Prüfung vorhergehen, nach der erst die Vereidigung erfolgen könnte; die Nichtanrechnung dieser Zeit würde daher die technischen Beamten gegen die Beamten anderer Verwaltungszweige, deren praktischer Vorbereitungsdienst wie der der Juristen und Verwaltungsbeamten nach der Vereidigung beginne, zurückstellen. Zu Nr. 5 heißt es dann in dem Kommissionsberichte: "Auf gleicher Stufe wie die praktische Vorbereitungszeit der technischen Beamten steht das von den Lehrern an den höheren Unterrichtsanstalten vor der Vereidigung abzuhaltende Probejahr. Auch dieses mußte daher durch den Zusatz unter Nr. 5 zur Anrechnung gelangen" (Kommissionsber. Nr. 189, Anl. zu den Sten. Ber. des Abg.-H. 11. Legisl.-Per. 2. Sess. 1871/72 Bd. 2 S. 1089). Die gleichen Ausführungen machte der Berichterstatter in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 2. März 1872 (Sten. Ber. des Abg.-H. 1871/72 Bd. 2 S. 1067 flg.); zu Nr. 5 insbesondere bemerkte er:

"Die Nr. 5 bezieht sich lediglich auf die Lehrer; das Probejahr derselben liegt auch vor ihrem Eintritt in den unmittelbaren Staatsdienst, vor ihrer Vereidigung nämlich. Auch dieses muß aus gleichen Gründen zur Anrechnung gelangen, da ja auch die Lehrer während des Probejahrs dem Staate Dienste leisten, wenngleich sie nicht im unmittelbaren Staatsdienste stehen."

Diese Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Vorschriften des § 14 Nr. 4, 5 läßt keinen Zweifel an der Richtigkeit der schon aus dem Gesetze selbst zu entnehmenden Auffassung, daß die vorgeschriebene praktische Ausbildungszeit, insbesondere das Probejahr der Lehrer, ebenso wie die vorgeschriebene praktische Beschäftigung der technischen Beamten, auf die Dienstzeit angerechnet werden soll, obwohl sie vor der Vereidigung liegt und keinen Staatsdienst im Sinne des § 13 Satz 2 darstellt. Das Berufungsgericht weist außerdem auch zutreffend darauf hin, daß nach § 14 Nr. 5 BPG., wie in dem Urteile des erkennenden Senats vom 19. März 1918 (Warneyer Nr. 105) dargetan, nur das vorgeschriebene eine, nicht etwa auch ein zweites Probejahr anzurechnen sei, während nach des Klägers Auffassung auch ein solches zur pensionsfähige Dienstzeit gehören müßte.

Diesen aus dem Gesetze selbst in Verbindung mit seiner Entstehungsgeschichte entnommenen Erwägungen gegenüber fallen die von dem Kläger und dem Landgerichte für die Gegenmeinung angeführten Gründe nicht ins Gewicht. Dies gilt insbesondere von den im ersten Urteil erwähnten, vor dem Erlasse des Beamtenpensionsgesetzes ergangenen Bestimmungen über das Probejahr vom 30. März 1867, die die Befugnisse der Probekandidaten regeln, und dem Erlasse vom 17. April 1912, der die Vereidigung für den Zeitpunkt des Antritts des Seminarjahres vorschreibt. In dem Urteile des erkennenden Senats RGZ. Bd. 84 S. 62 flg. ferner ist nur die Beamteneigenschaft nicht vereidigter Hilfslehrer im Sinne des § 13 Satz 2 BPG. anerkannt, und daß deren Rechtslage von der der Probekandidaten wesentlich verschieden ist, ist in Bd. 94 S. 198 näher dargetan.

Die Revision des Klägers ist demnach zurückzuweisen.

2.

Der Beklagte greift mit seiner Revision die Annahme der beiden Vorinstanzen an, daß der Kläger mit dem Beginne seiner ersten Hilfslehrertätigkeit nicht nur für die Zeit dieser Tätigkeit, sondern dauernd in den Staatsdienst im Sinne des § 13 Satz 2 BPG. eingetreten und ihm daher die Zeit zwischen seiner ersten und seiner zweiten Beschäftigung als Hilfslehrer anzurechnen sei. Diese Annahme steht aber völlig im Einklange mit den Entscheidungen des erkennenden Senats Bd. 86 S. 289 und Bd. 94 S. 198, an denen festzuhalten ist. Der Umstand, daß der Kläger im Jahre 1890 nur zur Vertretung eines Oberlehrers als Hilfslehrer berufen wurde, steht der Begründung eines dauernden Staatsbeamtenverhältnisses ebensowenig entgegen wie die in jenen Entscheidungen bereits gewürdigte Tatsache, daß das Verhältnis zwischen der Unterrichtsverwaltung und den Kandidaten in der hier in Betracht kommenden Zeit nur ein sehr loses gewesen ist. Unstreitig hat sich der Kläger in der Zwischenzeit fortgesetzt zur Verfügung der Schulbehörde gehalten und um weitere Beschäftigung gebeten, die nicht etwa endgültig abgelehnt wurde, sondern nur infolge Überfüllung vorläufig nicht gewährt werden konnte; das genügt zur Annahme der Fortdauer des einmal begründeten, nicht ausdrücklich zeitlich beschränkten Staatsbeamtenverhältnisses."