RG, 19.10.1917 - III 208/17

Daten
Fall: 
Protokollierung des Armenrechtsgesuchs
Fundstellen: 
RGZ 91, 26
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.10.1917
Aktenzeichen: 
III 208/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Schneidemühl
  • OLG Posen

Kann ein unabwendbarer Zufall im Sinne des § 233 ZPO. darin liegen, daß der Gerichtsschreiber die Protokollierung des Armenrechtsgesuchs ablehnt?

Tatbestand

Der bei der Erlassung des landgerichtlichen Urteils vom 6. Mai 1916 im Militärdienst abwesende Beklagte legte gegen dieses seinem Prozeßbevollmächtigten am 23. Mai 1916 zugestellte Urteil am 23. Dezember 1916 unter gleichzeitigem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Berufung ein, nachdem ihm durch Beschluß des Berufungsgerichts vom 9. Dezember 1916 das Armenrecht für die Berufungsinstanz bewilligt worden war. Zuvor hatte der Berufungsrichter das am 21. Juni 1916 vom Vater des Beklagten eingereichte Armenrechtsgesuch durch Beschluß vom 23. Juni mangels Vorlegung einer Vollmacht zurückgewiesen; und ebenso ein erneutes Gesuch des Vaters vom 11. Juli mit beigefügter Vollmacht des Beklagten und mit der Bitte um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da Gründe für eine Wiedereinsetzung nicht gegeben seien. Vor Absendung des ersten Armenrechtsgesuchs vom 21. Juni 1916 war der Vater des Beklagten am 19. Juni wiederholt auf der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts in R. erschienen, um dieses Gesuch zu Protokoll zu geben; es war ihm jedoch auf der Gerichtsschreiberei und am nächsten Tage, 20. Juni, auch von dem Amtsrichter gesagt worden, er solle das Gesuch selbst einreichen.

Der Berufungsrichter hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Vater des Beklagten die Versäumnis verschuldet habe, der Beklagte also nicht durch einen unabwendbaren Zufall an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert worden sei.

Die Revision des Beklagten hatte Erfolg.

Gründe

"Den Erwägungen des Berufungsrichters kann nicht beigepflichtet werden.

Die Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts in R. war verpflichtet, das Armenrechtsgesuch des Vaters des Beklagten zu Protokoll zu nehmen und sofort an das Berufungsgericht einzusenden. Sie hatte nicht die Befugnis, die Bevollmächtigung des Vaters und die Schlüssigkeit der Begründung des Gesuchs ihrerseits vorzuprüfen und auf Grund solcher Vorprüfung dem Vater anzuraten, das Gesuch selbst zu verfassen und selbst einzusenden. Wäre sie richtig und ordnungsmäßig verfahren, so hätte das Berufungsgericht noch rechtzeitig Beschluß fassen können, - entweder auf Bewilligung, indem die militärdienstliche Abwesenheit des Beklagten und die Bevollmächtigung seines schon für einen amtsgerichtlichen Termin mit der Vertretung betraut gewesenen und im landgerichtlichen Urteile wiederholt erwähnten Vaters als genügend erwiesen und sachlich die weitere Rechtsverteidigung und Rechtsverfolgung als nicht aussichtslos erschien, - oder auf Ablehnung aus formellem oder sachlichem Grunde; letztfalls ist anzunehmen, daß der ablehnende Beschluß dem Vater des Beklagten noch so zeitig zugekommen wäre, daß ihm die Einlegung der Berufung durch einen von ihm selbst bestellten Anwalt möglich blieb. Also ist der Beklagte durch einen unabwendbaren Zufall - Verhalten der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts in N. - an Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen." ...