RG, 04.04.1917 - I 185/16

Daten
Fall: 
Ungerechtfertigte Bereicherung im Kunstschutzgesetz
Fundstellen: 
RGZ 90, 137
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
04.04.1917
Aktenzeichen: 
I 185/16
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

1. Sind die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die ungerechtfertigte Bereicherung auch im Bereiche des Kunstschutzgesetzes vom 9. Januar 1907 anzuwenden?
2. Besteht im Falle der Bereicherung ein Anspruch aus Auskunfterteilung nach § 260 BGB.?

Tatbestand

In der in RGZ. Bd. 84 S. 146 bezeichneten, in die Berufungsinstanz zurückverwiesenen Sache wies das Berufungsgericht die Unterlassungsklage ab, verurteilte die Beklagte zur Vorlegung eines Verzeichnisses über die von ihr hergestellten und vertriebenen Stücke des Erikamusters und wies die Sache zur Entscheidung über die sich aus der Vorlegung des Verzeichnisses ergebende Bereicherung an das Landgericht zurück.

Die Revision der Klägerin wie die Anschlußrevision der Beklagten, welche die gänzliche Abweisung der Klage forderte, wurden zurückgewiesen.

Gründe

... Die mangels Vorhandenseins der Revisionssumme nur als Anschlußrevision zulässige Revision der Beklagten war ebenfalls erfolglos.

Bei der vom Kammergericht ausgesprochenen Verneinung der Klageänderung, die nach Ansicht der Beklagten in der Erhebung des Bereicherungsanspruchs an Stelle des Schadenersatzanspruchs liegen sollte, verbleibt es prozeßrechtlich auch für die Revisionsinstanz (§ 270 ZPO.). Dies schließt die Prüfung nicht aus, ob das Kunsturhebergesetz vom 9. Januar 1907 - die Grundlage der Klage - einen solchen Anspruch anerkennt. Das Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, vom 11. Juni 1870 (§ 18), ließ den Veranstalter des Nachdrucks, wenn ihn kein Verschulden traf, dem Urheber für den entstandenen Schaden bis zur Höhe seiner Bereicherung haften. Diese Bestimmung übernahmen das Gesetz, betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, vom 9. Januar 1876 (§ 16) und das Gesetz, betr. den Schutz der Photographien, vom 10. Januar 1876 (§ 9) für ihre Rechtsgebiete. Eine entsprechende Vorschrift enthält zwar weder das Gesetz, betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur, vom 19. Juni 1901 noch das Kunsturhebergesetz vom 9. Januar 1907; die Begründung ihrer Entwürfe (S. 38 u. 33) bemerken aber übereinstimmend:

"Der Entwurf hat nicht die Aufgabe, die zivilrechtlichen Folgen von Eingriffen in das Recht des Urhebers erschöpfend zu regeln. Soweit sich aus den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes sonstige Ansprüche begründen lassen, bleiben diese unberührt."

Auch die Reichstagskommission zu Beratung des Entwurfs des Kunsturhebergesetzes lehnte den Antrag, in das Gesetz die Bestimmung einzuschalten: .Erfolgt die Rechtsverletzung weder vorsätzlich noch fahrlässig, so ist der Täter dem Berechtigten zur Herausgabe der Bereicherung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die ungerechtfertigte Bereicherung verpflichtet" - im Hinblick auf die Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs als überflüssig ab (Bericht S. 28 Nr. 448 der RTVerhandl. II. Session 1905/06).

Nach dieser Entstehungsgeschichte des Kunsturhebergesetzes kann der Mangel einer ausdrücklichen Vorschrift über den Bereicherungsanspruch jedenfalls nicht als seine Verneinung ausgelegt werden. Um sie annehmbar zu machen, müßten zwingende Gründe hinzukommen. Da diese fehlen, so ist mit der herrschenden Lehre davon auszugehen, daß der Anwendung der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die ungerechtfertigte Bereicherung im Bereiche des Kunsturhebergesetzes grundsätzlich nichts im Wege steht.

Das Kammergericht leitet aus der Zulassung des Bereicherungsanspruchs die Zulässigkeit des Anspruchs auf Vorlegung eines Bestandsverzeichnisses nach § 260 BGB. ab, weil die Beklagte die gezogenen Nutzungen, einen Inbegriff von Gegenständen, herauszugeben habe. Die Beklagte rügt die Verletzung dieser Vorschrift mit der Ausführung, das Kammergericht habe verlangt, daß sie nicht eine allgemeine Auskunftspflicht, sondern eine Auskunftspflicht für bestimmte Rechtsverhältnisse feststelle. Die Rüge ist nicht stichhaltig.

Nach § 280 Abs. 1 BGB. hat derjenige, welcher verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestandes vorzulegen. Das Bestehen der Verpflichtung zur Herausgabe eines Inbegriffs von Gegenständen oder zur Auskunfterteilung über dessen Bestand bildet die Voraussetzung für die Verzeichnispflicht. Der § 260 führt daher nicht eine allgemeine Rechtspflicht des Schuldners zur Auskunfterteilung ein, sondern enthält eine Sondervorschrift für Fälle, wo bereits eine Herausgabe- oder Auskunftpflicht besteht, in der Beschränkung auf den Bestand eines Inbegriffs und kann, sofern diese Voraussetzungen vorliegen, auch in Fällen der ungerechtfertigten Bereicherung in Betracht kommen. Nun verpflichtet der § 812 BGB. den, der durch die Leistung eines andern oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, zur Herausgabe. Handelt es sich um die Herausgabe eines Inbegriffs von Gegenständen, so würde bei Anwendung des § 260 BGB. durch Vorlegung des Bestandsverzeichnisses mittelbar zugleich Auskunft über den Bestand erteilt werden. Unter einem Inbegriff von Gegenständen im Sinne dieses Paragraphen ist jede Mehrheit von Vermögensgegenständen, Sachen wie Rechten oder Forderungen zu verstehen, bei der der Berechtigte nach dem obwaltenden Verpflichtungsgrunde nicht in der Lage ist, die einzelnen Vermögensgegenstände zu bezeichnen, und bei der die Einheitlichkeit dieses Rechtsgrundes, der zur Herausgabe oder Auskunfterteilung verpflichtet, das Band bildet, welches jene Mehrheit zum Inbegriff vereinigt.

Alles trifft auf den vorliegenden Fall zu. Die Beklagte hat Vorteile durch den Vertrieb des Erikamusters der Klägerin erlangt, und zwar ohne rechtlichen Grund auf Kosten der Klägerin, weil sie zur Verwertung des Musters nicht berechtigt war und durch diese Verwertung die Möglichkeit, das Muster abzusetzen, zum Nachteile der Klägerin beeinflußte. Das genügt zur Anwendung des § 812 BGB. Die Beklagte ist daher gemäß dieser Vorschrift zur Herausgabe verpflichtet. Die Klägerin fordert die Herausgabe der Vorteile, nämlich des Gewinns, den die Beklagte erzielt hat, in Höhe der Bereicherung. Der Gewinn besteht in einer Mehrheit von Vermögenswerten, deren auf der Zahl der vertriebenen Stücke des Musters und dessen Größe beruhende Zusammensetzung die Klägerin nach Lage der Sache im einzelnen nicht bezeichnen kann, die aber durch denselben Rechtsgrund, aus dem die Herausgabepflicht entspringt, einheitlich miteinander verbunden sind. Da hiermit ein Inbegriff von Gegenständen im Sinne des § 260 BGB. gegeben ist, so ist die mit der Klage verfolgte und von dem Kammergerichte zugesprochene Forderung auf Vorlegung eines Verzeichnisses über die Anzahl der von der Beklagten hergestellten und vertriebenen Stücke des Musters berechtigt; denn das Verzeichnis gibt zugleich Ausschluß über den Bestand des Gewinns der Beklagten und vermittelt dessen Herausgabe."...