RG, 20.06.1889 - VI 94/89

Daten
Fall: 
Erhöhung der Ehescheidungsstrafe
Fundstellen: 
RGZ 23, 182
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
20.06.1889
Aktenzeichen: 
VI 94/89
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Hamburg
  • Oberlandesgericht Hamburg

Voraussetzungen der in Nov. 117 c. 9 §. 5 vorgesehenen Erhöhung der Ehescheidungsstrafe um ein Drittel.

Aus den Gründen

"Die Klägerin, welche durch gerichtliches Urteil die Ehescheidung vom Beklagten wegen Ehebruches des letzteren erlangt hat, hat in dem jetzigen Prozesse die Zahlung eines Drittels des Wertes des Vermögens des Beklagten gefordert. .. . Streitig ist insbesondere ... die Frage geworden, ob die sogenannte Ehescheidungsstrafe, auf welche die Klägerin rechtlichen Anspruch habe, nach den Umständen des vorliegenden Falles auf ein Drittel ober nur auf ein Viertel des Vermögenswertes zu bemessen sei. ... Die beiden vorigen Entscheidungen weichen darin voneinander ab, daß nach Ansicht des Landgerichtes der Klägerin außer dem Viertel noch ein weiteres Zwölftel, also im ganzen ein Drittel vom Vermögen des Beklagten zukommt, während das Oberlandesgericht in diesem Punkte sich gegen die Klägerin ausgesprochen hat. ...

Die Klägerin hat sich darüber beschwert, daß ihr das Oberlandesgericht nicht ein Recht auf ein Drittel, sondern nur auf ein Viertel des Vermögens des Beklagten zuerkannt habe. Sie will ihren Anspruch auf Nov. 117 c. 9 §. 5 stützen. Es war nun freilich dem III. Civilsenate des Reichsgerichtes,1 darin beizutreten, daß, wie die vermögensrechtlichen Ehescheidungsstrafen des Justinianischen Rechtes überhaupt (abgesehen natürlich von den in Nov. 117 c. 10 und Nov. 134 c. 1I auf die auf Grund beiderseitiger Übereinkunft vorgenommene Scheidung gesetzten Strafen), so auch die nach Nov. 117 c. 8 und c. 9 in gewissen Fällen eintretende Erhöhung derselben um ein Drittel noch dem geltenden gemeinen Rechte angehöre, wie dies auch von Windscheid (Pandekten Bd. 2 (6. Aufl.) §. 510 Anm. 7 S. 948) und Dernburg (Pandekten Bd. 3 §. 26 Anm. 5 S. 50) angenommen wird (zweifelnd dagegen Lotmar, Anm. 6 zu Brinz, Pandekten Bd.3 [2.Aufl.] §. 471 S. 680). Aber andererseits schließt sich der jetzt erkennende Senat auch darin dem III. Civilsenate2 an, daß jene Erhöhung nicht etwa zum Nachteile des Mannes nach heutigem Rechte auf jeden Fall auszudehnen ist, wo die Ehe wegen Ehebruches des Mannes geschieden ist, sondern daß sie unter Voraussetzung einer solchen Scheidung doch immer auf diejenigen besonderen Fälle beschränkt bleibt, für welche sie in Nov. 117 c. 9 §. 5 dem Manne angedroht ist. Es konnte nun dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht ohne Verletzung einer revisiblen Rechtsnorm den Beweis, daß der Beklagte in der ihm und bei Klägerin gemeinsamen Wohnung oder doch in einer anderen Wohnung derselben Stadt sich die Frau P. als Beischläferin gehalten habe, für verfehlt erklärt habe; denn nach dem in Frage kommenden Justinianischen Gesetze würde ein solches Verhalten allein noch gar nicht genügt haben, um die Erhöhung des Strafanspruches gegen den Beklagten zu begründen. Es ist vielmehr in Nov. 117 c. 9 §. 5 ganz deutlich bestimmt, daß derjenige Scheidungsgrund, mit welchem dort die Erhöhung der Vermögensstrafe um ein Drittel verknüpft ist, nicht schon dann gegeben sein solle, wenn der Mann in der näher bezeichneten Weise sich eine Konkubine halte, sondern daß außerdem der Mann mindestens zweimal entweder durch seine Eltern oder durch die Eltern seiner Frau oder durch andere achtbare Personen verwarnt sein müsse. Es ist kein Grund abzusehen, weshalb diese Voraussetzung bei der Anwendung der römischen Ehescheidungsstrafen auf die nach heutigem Rechte wegen Verschuldens des Mannes vom Gerichte ausgesprochenen Ehescheidungen in Wegfall kommen sollte, wennschon sie in den gangbaren Pandektenlehrbüchern nicht erwähnt zu werden pflegt.3

Auch ist nicht anzunehmen, daß der III. Civilsenat des Reichsgerichtes diese Voraussetzung dadurch, daß er dieselbe nicht ausdrücklich mit angeführt hat4 für entbehrlich hätte erklären wollen; in jenem Falle war eben die Anwendung der Strafbestimmung von Nov. 117 c. 9 §. 5 doch schon aus anderen Gründen ausgeschlossen. Da nun in der gegenwärtigen Sache nicht das mindeste von einer vorgängigen, dem Beklagten zu teil gewordenen Verwarnung vorlag oder behauptet war, so mußte die hier fragliche Entscheidung des Oberlandesgerichtes jedenfalls schon aus diesem Grunde aufrechterhalten werden." ...

  • 1. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 11 S. 202 flg.
  • 2. vgl. a. a. O. S. 203 flg.
  • 3. Vgl. übrigens doch z. B. Sintenis, Gemeines Civilrecht Bd. 3 (3. Aufl.) §. 136 Anm. 2 S. 75.
  • 4. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 11 S. 202 flg.