RG, 08.12.1884 - IV 225/84

Daten
Fall: 
Errichtung eines Familienfideikommisses
Fundstellen: 
RGZ 13, 225
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.12.1884
Aktenzeichen: 
IV 225/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Halle
  • OLG Naumburg

Rechtswirksamkeit einer bei Errichtung eines Familienfideikommisses für den Fall des Aussterbens des zur Succession berufenen Mannsstammes getroffenen Bestimmung über Teilung des Gegenstandes des Fideikommisses unter Abkömmlinge des Stifters.

Tatbestand

In dem wechselseitigen Testamente der Eheleute Landrat E. W. F. v. K. und E. L. H. geb. v. B. war das der Ehefrau gehörige Rittergut H. zum Familienfideikommiß bestimmt und für den Fall des Aussterbens ihrer zur Succession berufenen männlichen Nachkommenschaft angeordnet, daß der Gegenstand des Fideikommisses auf die Nachkommenschaft aller Töchter der Ehefrau u. K. nach Köpfen vererbt werden solle. Nach dem Tode des Landrates u. K. hatte die Witwe unter Zuziehung der Erben des Ehegatten durch einen Akt unter Lebenden das Familienfideikommiß errichtet und in der behufs der Errichtung aufgenommenen Urkunde vom 15. November 1845 festgesetzt, daß für den Fall des Aussterbens der zur Succession berufenen männlichen Nachkommenschaft der Gegenstand des Fideikommisses auf die Abkömmlinge ihrer Töchter und die weiblichen Abkömmlinge ihrer Söhne übergehen und nach Stämmen geteilt werden solle. Diese Bestimmung wurde in die Errichtungsurkunde selbst aufgenommen. Das Familienfideikommiß trat in Kraft. Die männliche Nachkommenschaft starb in der Folge aus. In dem unter den Nachkommen der Töchter der Frau v. K. und den weiblichen Nachkommen der Söhne über die Verteilung des Gegenstandes des Fideikommisses entstandenen Rechtsstreite wurde die Rechtsgültigkeit der von der Frau v. K. bei Errichtung des Fideikommisses für den Fall des Aussterbens der männlichen Nachkommenschaft getroffenen Bestimmung bestritten. Das Reichsgericht erachtete die Anordnung für rechtswirksam.

Aus den Gründen

"Das Gericht erster Instanz legt der in Frage stehenden Erklärung der Frau v. K. in der Verhandlung vom 15. November 1845 nur die negative Wirkung bei, daß damit das in dem Testamente angeordnete bedingte Successionsrecht der Nachkommenschaft der Töchter der Frau v. K. beseitigt werde. Es spricht der fraglichen Erklärung aber eine positive Wirkung ab und gelangt so zu dem Ergebnisse, daß das Rittergut H. mit dem Aussterben der männlichen Nachkommenschaft der Frau v. K. als freies Eigentum den Erben des letzten Fideikommißbesitzers B. L. v. K. zugefallen sei. Das Berufungsgericht dagegen nimmt an, daß die in der Verhandlung vom 15. November 1845 enthaltene, in die Fideikommißstiftungsurkunde aufgenommene Bestimmung der Frau v. K. darüber, wem das Fideikommißvermögen zufallen solle, wenn der zur Fideikommißfolge berufene Mannesstamm erloschen sein werde, einen Teil der Fideikommißstiftung selbst bilde, wie sich aus §. 189 A. L. R. II. 4 in Verbindung mit §§. 139. 148 a. a. O. ergebe. Es spricht sich weiter dahin aus, daß nach §. 55 A. L. R. I. 13 die Eheleute v. K. und ebenso die Witwe v. K. im Vereine mit den Erben des Ehemannes eine über den zweiten Substitutionsfall hinausgehende fideikommissarische Substitution im Sinne des §. 53 a. a. O., wie sie in der Berufung der Kinder der Töchter und der Töchter der Sühne zu finden sei, bei Stiftung des Familienfideikommisses mit rechtlicher Wirkung haben errichten können.

Auch diesen Entscheidungsgrund greifen die Revisionskläger an. Dieselben wollen den Ausführungen des Gerichtes erster Instanz vor denen des Berufungsgerichtes den Vorzug gegeben wissen, mit der Maßgabe jedoch, daß auch der Widerruf der testamentarischen Anordnung nicht zu Recht bestehe, weil er nur als integrierender Bestandteil der anderweiten Zuwendung, nicht aber unabhängig davon und selbständig erklärt sei. Es muß jedoch in Ansehung der Rechtswirksamkeit der in der Urkunde vom 15. November 1845 enthaltenen Festsetzung den Ausführungen des Berufungsgerichtes beigepflichtet werden.

Im landgerichtlichen Urteile wird zuerst die Frage erörtert, ob die zu Gunsten der Kinder der Töchter und der Töchter der Sühne getroffene Bestimmung als eine fideikommissarische Substitution aufzufassen und in dieser Auffassung für rechtswirksam zu erachten sei. Das Gericht spricht aber der fraglichen Bestimmung die Eigenschaft einer letztwilligen Verfügung überhaupt ab. Mit Rücksicht darauf, daß ein Familienfideikommiß nicht bloß durch eine letztwillige Verordnung, sondern auch durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden errichtet werden könne (§§. 62. 28 II. 4 a. a. O.) und im vorliegenden Falle solchergestalt errichtet worden sei, erwägt es sodann, ob die in Rede stehende Bestimmung dadurch, daß ihre Aufnahme in die Stiftungsurkunde stattgefunden habe, als Teil der Stiftung durch den Stiftungsakt rechtsgültig geworden sei. Allein es spricht dem Fideikommißstifter als solchem die rechtliche Möglichkeit ab, durch den Stiftungsakt über das Schicksal des Gegenstandes des Fideikommisses für den Fall des Aufhörens der Fideikommißeigenschaft infolge Aussterbens der successionsberechtigten Nachkommenschaft zu verfügen. Dieser Ansicht ist indes nicht beizupflichten. Zu Gunsten derselben läßt sich mit einigem Scheine der Begründung der Satz von der Unteilbarkeit des Familienfideikommisses verwenden und die Rechtsnorm, laut deren zum Wesen des Familienfideikommisses die Anordnung einer Successionsordnung gehört, nach welcher ein zum Gegenstande eines solchen gewidmetes Landgut immer nur Einem aus der Familie zu teil werden kann (§. 142 a. a. O.). Und es muß zugegeben werden, daß der von der Frau v. K. angeordnete Übergang des Gutes H. nebst Zubehör auf die Nachkommen der Töchter der Eheleute v. K. und die weiblichen Nachkommen ihrer Söhne und die gewollte Verteilung nach Stämmen aus dem Wesen des Familienfideikommisses nach der angegebenen Begrenzung desselben heraustritt. Allein diese Argumente führen dennoch nicht zur Aufhebung des Berufungsurteiles. Die von der Frau v. K. in der Urkunde vom 15. November 1845 angeordnete Succession kann zwar nicht mehr unter den Begriff einer Succession in das Familienfideikommiß gebracht werden. Die Anordnung ist vielmehr gerade für den Fall des Aufhörens des Familienfideikommisses infolge des Aussterbens des zur Succession in dasselbe allein berufenen Mannesstammes getroffen und soll mit diesem Aufhören ihre Wirkungen äußern. Sie stellt sich als eine zwar über den Begriff des eigentlichen Familienfideikommisses hinausgehende, aber immerhin fideikommissarische Belastung des letzten Fideikommißbesitzers dar, auf Grund welcher der bisherige Gegenstand des Familienfideikommisses in der Hand des letzten Besitzers nicht freies Eigentum werden, sondern eine anderweite letzte Bestimmung nach dem Willen des Stifters erhallen soll. Die Befugnis zu einer derartigen Verfügung über den Gegenstand des Fideikommisses aber ist dem Stifter nicht abzusprechen. Und es ist auch weder in positiven gesetzlichen Bestimmungen, noch im Wesen des Familienfideikommisses die Nötigung zu finden, eine solche Verfügung der Form nach anders zu behandeln, als die Stiftung selbst, ihr also Rechtswirkungen nur beizulegen, wenn sie als letztwillige Verfügung des Stifters bestehen kann, sie aber nicht gelten zu lassen, wenn die Familienfideikommißstiftung in der Form eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden erfolgt. Die in §. 139 a. a. O. enthaltene Bestimmung, nach welcher das Fideikommiß beim Erlöschen des Mannesstammes unter der Voraussetzung, daß für diesen Fall der Stifter nichts verordnet hat, freies Eigentum des letzten Besitzers werden soll, ist allgemein genug gefaßt, um nach ihrem Wortlaute dahin verstanden zu werden, daß sie dem Stifter als solchem die in Rede stehende Befugnis giebt. Die Meinung, daß der Stifter des Familienfideikommisses als solcher für den Fall des Aussterbens der zur Succession in das Fideikommiß selbst berufenen Nachkommenschaft über den Gegenstand des Fideikommisses Bestimmungen zu treffen befugt ist, wird auch in der Theorie vertreten. Vgl. Lewis, Das Recht des Familienfideikommisses S. 430. 401. 402. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die von der Frau v. K. in der Urkunde vom 15. November 1845 für den Fall des Aussterbens der männlichen Nachkommenschaft der Eheleute v. K. getroffene, in die Stiftungsurkunde aufgenommene Verfügung als ein Teil der Familienfideikommißstiftung selbst zu behandeln und als solcher für rechtsgültig zu achten."