RG, 03.10.1884 - III 190/84

Daten
Fall: 
Verfügungsrecht über auf Grundstücke entspringenden Quellen
Fundstellen: 
RGZ 12, 183
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.10.1884
Aktenzeichen: 
III 190/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hanau
  • OLG Kassel

Hat der Grundeigentümer über die auf seinem Grundstücke entspringenden Quellen eines öffentlichen Flusses freies Verfügungsrecht?

Tatbestand

Die Beklagte sammelt für die Zwecke ihrer Quellwasserleitung das auf ihrem Grund und Boden hervortretende Quellwasser, welches früher gewissen Nebenflüssen der Kinzig zugeflossen ist. Der Kläger, Eigentümer zweier an der Kinzig belegenen Mühlen, behauptet, daß durch die Abfangung der Quellen jenen Nebenflüssen der Kinzig und damit letzterer selbst ein Teil der treibenden Kraft entzogen werde, hält diese Schmälerung der Wasserkraft für rechtswidrig, weil die abgefangenen Quellen die Ausgangspunkte der in Frage stehenden Nebenflüsse seien und denselben ebenso wie diesen Flüssen der Charakter der öffentlichen Gewässer zukomme und fordert von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von ...

Beide Vorgerichte haben die Klage abgewiesen. In den Gründen des Appellationsurteiles ist ausgeführt, daß ein Recht des Müllers auf das Wasser von Quellen, welche auf Privatgrundstücken entspringen und ihren natürlichen Abfluß in das öffentliche Gewässer nehmen, nach gemeinem Rechte nicht anzuerkennen sei, es vielmehr dem Eigentümer freisteht, dasselbe nicht bloß auf dem Grundstücke beliebig zu verwenden, sondern auch von demselben weg zu anderen Zwecken abzuleiten.

Die von dem Kläger erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist zurückgewiesen worden aus folgenden Gründen.

Gründe

"Die auf der Erdoberfläche zu Tage tretende Quelle ist ebenso wie die unterirdische Wasserader nach römischem Rechte pars agri und steht im Eigentume des Grundeigentümers. Fließt das Quellwasser nach seinem hervortreten in einem natürlichen oder künstlichen Rinnsale ab, so ist zwar an der fließenden Wasserwelle Eigentum nicht möglich, das Wasser steht jedoch zur freisten Verfügung des Grundeigentümers, welcher es abfließen lassen oder zurückhalten und ganz verbrauchen kann. Wann der Privatbach zum öffentlichen Flusse wird, muß im einzelnen Falle nach den thatsächlichen Verhältnissen festgestellt werden. In vorliegender Sache besteht nach der eigenen Darstellung des Klägers kein Zweifel darüber, daß die Anlagen der Beklagten nicht in den als öffentliche Flüsse angenommenen Nebengewässern der Kinzig errichtet sind, vielmehr durch jene Anlagen unmittelbar die Quellen selbst abgefangen und gesammelt werden, bevor dieselben in jene Nebengewässer fließen. Hiermit hält die Beklagte sich ganz innerhalb der ihr nach römischem Rechte als Grundeigentümerin zustehenden Befugnisse. Daß das heutige gemeine Recht jenen römischen Rechtsgrundsatz modifiziert habe und, wenn es auch nicht die Quellen eines öffentlichen Flusses für ein öffentliches Gewässer gelten lasse, so doch zu Gunsten bestehender Mühlenanlagen den Eigentümer des Quellwasser Beschränkungen in der Benutzung unterwerfe, ist in keiner Weise zu begründen. Die Rechtsprechung der früheren Höchstgerichte im gemeinrechtlichen Gebiete spricht entschieden gegen die Annahme einer Modifikation des römischen Rechtsgrundsatzes. Die volle Geltung des letzteren ist überall anerkannt und den Mühlenbesitzern, welche auf das bisherige ungehinderte Abfließen des Quellwassers den Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes hatten gründen wollen, ist wiederholt entgegengehalten, daß. jener frühere Zustand auf der Willkür des Grundeigentümers beruht habe und der thatsächlich bisher genossene Vorteil für sich allein, trotz aller Länge der Zeit, ein Recht nicht habe geben können."