RG, 19.12.1883 - V 278/83

Daten
Fall: 
Klage auf Ersatz als Feststellungsklage
Fundstellen: 
RGZ 10, 413
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.12.1883
Aktenzeichen: 
V 278/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Dortmund
  • OLG Hamm

Ist eine Klage auf Ersatz eines in besonderem Verfahren der Höhe nach festzustellenden Schadens eine Feststellungsklage? Ist sie als Klage auf Leistung unzulässig?

Tatbestand

Der Kläger, welchem Teile seines Gutes zum Baue einer Eisenbahn enteignet sind, hat mehrere Ansprüche auf Erhöhung der für ihn im Enteignungsverfahren festgestellten Entschädigung erhoben.

Bei einem Punkte hatte er 1000 M Entschädigung gefordert, weil ein Ackerstück infolge gehinderten Wasserabflusses in bestimmter Zeit soviel weniger Ertrag gegeben habe. Durch Urteil erster Instanz mit dieser Forderung abgewiesen, hat er in der Berufungsinstanz die Entschädigung für noch mehrere Grundstücksteile und auf längere Zeit gefordert, den Antrag aber auf Verurteilung zum Ersatze des in separato zu ermittelnden Schadens gestellt.

Das Berufungsgericht hat den in der Berufungsinstanz verfolgten Anspruch als Feststellungsklage im Sinne des §. 231 C.P.O. angesehen, deren Erfordernisse nicht für vorliegend erachtet und die Berufung zurückgewiesen.

Die eingelegte Revision ist bei diesem Punkte für begründet erachtet aus folgenden Gründen:

Gründe

"Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses, wie die Motive zu dem im preußischen Justizministerium bearbeiteten Entwurfe einer deutschen Civilprozeßordnung sagen, die Bedeutung hat, daß durch sie vor eingetretener Rechtsverletzung ein Mittel zur Abwehr einer bevorstehenden Rechtsverletzung gegeben ist, oder ob, wie die Begründung der Civilprozeßordnung sagt, neben dem Anspruche auf Leistung ein weiterer selbständig verfolgbarer Anspruch auf Feststellung ohne Verletzung des Anspruches auf Leistung entsteht; jedenfalls ist das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung mit dieser Klage gefordert werden kann, nicht die Verpflichtung des Beklagten zu einer Leistung an den Kläger, vielmehr nur die rechtliche Beziehung, aus welcher ein Anspruch auf Leistung entstehen kann.

Der vorliegende Antrag auf Verurteilung zum Ersatze eines bestimmten, im besonderen Verfahren festzusetzenden, das heißt der Höhe nach festzusetzenden, Schadens geht daher im Sinne des §. 231 C.P.O. nicht auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses, verfolgt vielmehr einen aus dem durch die Enteignung zwischen den Parteien begründeten Rechtsverhältnisse entstandenen bezw. entstehenden Anspruch auf Leistung.

Nur darüber könnte ein Zweifel entstehen, ob es nicht im Sinne des §. 230 Nr. 2 C.P.O. für den erhobenen Anspruch an der erforderlichen Bestimmtheit des Antrages fehlt, und ob nicht der §. 231 a. a. O. alle Klagen umfaßt, deren Antrag nicht auf eine unmittelbar vollstreckbare Verurteilung geht.

Doch dies ist zu verneinen.

An der nötigen Bestimmtheit im Sinne des §. 230 Nr. 2 a. a. O. fehlt es dem Antrage nicht; denn es wird Ersatz für einen bestimmt angegebenen Nachteil gefordert. In der gemeinrechtlichen wie in der preußischen Praxis ist die Klage auf eine Leistung in bestimmtem Umfange, vorbehaltlich der Feststellung des Betrages in besonderem Prozesse, als unbedenklich zugelassen. Die Worte des §. 230 Nr. 2 a. a. O. ergeben nicht, daß daran etwas habe geändert werden sollen. Auch die Entstehungsgeschichte der Civilprozeßordnung ergiebt eine solche Absicht nicht; es ist zwar davon ausgegangen, daß der §. 231 a. a. O. die Präjudizialklagen und die Provokationsklagen durch die Feststellungsklage hat ersetzen sollen. Daß dadurch aber die Leistungsklage vorbehaltlich der Feststellung der Höhe des Anspruches in besonderem Prozesse hätte beseitigt werden sollen, ist nirgends ausgesprochen.

Die Unzulässigkeit solcher Klage nach der Civilprozeßordnung kann um so weniger angenommen werden, als diese andere Klagen auf Leistungen mit einem Antrage, der eine unmittelbare Vollstreckung nicht ermöglicht, zuläßt, so nach §. 664 a. a. O. eine Verurteilung zu einer Leistung, vorbehaltlich des noch zu führenden Beweises für Thatsachen, und die Verurteilung zu Handlungen unbeschadet des Rechtes des Gläubigers die Leistung des Interesses zu fordern, nach §. 778, und auch im §. 276 a. a. O. dem Richter gestattet, über den Grund der Klage vorab zu entscheiden, womit gerade das erreicht wird, was mit einer Klage der fraglichen Art bezweckt wird."

Der aus §. 231 C.P.O. entnommene Grund zur Abweisung des Anspruches ist danach rechtsirrtümlich, rechtfertigt die Revision nach §. 511 C.P.O., ohne daß es darauf ankommt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Feststellungsklage, wie der Revisionskläger geltend machen will, zu Unrecht verneint sind.