RG, 19.12.1883 - I 324/83

Daten
Fall: 
Berechnung, Einziehung und Niederschlagung der Gerichtskosten
Fundstellen: 
RGZ 10, 425
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.12.1883
Aktenzeichen: 
I 324/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Welche Grundsätze gelten für die Berechnung, Einziehung und Niederschlagung der Gerichtskosten der Revisionsinstanzen, wenn auf Revision des Beklagten das Berufungsurteil wegen mangelhaften Thatbestandes aufgehoben, die Sache unter Vorbehalt der Entscheidung über den Kostenpunkt für das Endurteil in die Berufungsinstanz zurückverwiesen, gegen das anderweite Berufungsurteil von beiden Streitteilen Revision eingelegt, die Revision des Beklagten zurückgewiesen, auf des Klägers Revision zu dessen Gunsten erkannt ist, und die Kosten des Rechtsstreites dem Beklagten auferlegt sind?

Tatbestand

In einem Falle der in der Überschrift gekennzeichneten Art waren die für die erste Revisionsinstanz angesetzten Gebühren auf Grund der §§. 89. 93 G.K.G. von dem Beklagten eingezogen.

Die Kosten der zuletzt verhandelten Revisionsinstanz wurden nach §§.8. 18. 49 G.K.G. angesetzt und der Beklagte durch die zuständige Steuerbehörde zur Zahlung des (nach Abrechnung des zuvor eingezogenen Vorschusses) verbleibenden Kostenbetrages aufgefordert. Der Beklagte erhob gegen die erwähnte Kostenrechnung gemäß §. 4 G.K.G. Erinnerung mit dem Antrage,

anzuordnen, daß die Einziehung des Betrages der letzterwähnten Kostenrechnung zu unterbleiben habe, daß die bereits für die frühere Revisionsinstanz liquidierten Verhandlungs- und Entscheidungsgebühren auf die zuletzt berechneten Kosten anzurechnen und der danach zuviel erhobene Betrag an ihn zurückzuzahlen sei.

Gründe

Diese Erinnerung wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

"Der Beklagte geht bei diesem Antrage von der Voraussetzung aus, daß die frühere und spätere Revisionsinstanz im Sinne des Gerichtskostengesetzes nur eine Instanz bildeten, daß mithin die im §.18 a. a. O. bezeichneten Gebühren nach dem Grundsatze des §. 28 nur einmal erhoben werden dürften.

Diese Voraussetzung ist eine rechtsirrtümliche.

Das Gerichtskostengesetz bestimmt im §. 31:

"Wird eine Sache zur anderweiten Verhandlung an das Gericht unterer Instanz zurückverwiesen (§§. 500. 501. 528 C.P.O.), so bildet das weitere Verfahren mit dem früheren Verfahren vor diesem Gerichte im Sinne des §. 28 eine Instanz."

Dagegen bestimmt das Gesetz nicht, daß, wenn das Gericht unterer Instanz nach der Zurückverweisung auf anderweite Verhandlung von neuem erkennt, und gegen dieses neue Urteil Rechtsmittel eingelegt werden, dies Verfahren auf diese Rechtsmittel in der höheren Instanz mit dem früheren Verfahren in der höheren Instanz im Sinne des §. 28 G.K.G. als eine Instanz zu gelten habe.

Eine solche Bestimmung folgt auch nicht aus allgemeinen Prinzipien, wäre vielmehr ganz prinzipwidrig, da von dem Gerichte höherer Instanz in dem früheren und in dem späteren Verfahren über ganz neue Rechtsmittel gegen ganz verschiedene Urteile verhandelt und erkannt wird, bei welchem Verfahren eine etwaige Gleichheit des materiellen Inhaltes der angegriffenen Urteile und der prozessualen Stellung der die Urteile angreifenden Partei, etwas rein Zufälliges wäre, wie denn auch im vorliegenden Falle das Berufungsurteil, welches den Gegenstand der früheren Revision des Beklagten bildete, einen ganz anderen Inhalt hatte, als dasjenige Urteil, welches in dem letzten Revisionsverfahren von beiden Parteien durch Revisionen angegriffen worden ist.

Der Beklagte zieht zur Unterstützung seiner Auffassung einen zweiten Gesichtspunkt heran, nämlich den Gesichtspunkt, daß bei Aufhebung eines Urteiles der unteren Instanz seitens des Revisionsgerichtes und der Zurückverweisung der Sache in die Vorinstanz ein unrichtiges Verfahren des Gerichtes der Vorinstanz den Grund der Zurückverweisung bilde, und dieses unrichtige Verfahren sich als ursachlich auch für das doppelte Verfahren in der Revisionsinstanz qualifiziere. Dieser Gesichtspunkt ist aber völlig irrelevant für die Bestimmung des Begriffes der Instanz im Sinne des Gerichtskostengesetzes, und ist nur soviel richtig, daß unter konkreten Umständen in einzelnen Fällen gewisse Versehen der Gerichte in der Behandlung eines Rechtsstreites einen derartigen Einfluß auf das Existentwerden einer mehrfachen Verhandlung in der Revisionsinstanz äußern können, daß eine Veranlassung für den Revisionsrichter nach dessen Ermessen für gegeben erachtet werden kann, einen Teil der Gebühren der mehrfachen Verhandlungen in den Revisionsinstanzen vermöge der den Gerichten im §. 6 G.K.G. gegebenen Befugnis niederzuschlagen. Die Frage, ob die Thätigung dieser Befugnis in dem vorliegenden Falle angezeigt sei, hat das Revisionsgericht bei Fällung des früheren Revisionsurteiles ausdrücklich erwogen und verneint; mithin durften die Gebühren nicht anders berechnet werden, als in der letzten Gerichtskostenrechnung geschehen ist."