RG, 05.11.1918 - VII 202/18

Daten
Fall: 
Anfechtung einer Zahlung durch den Konkursverwalter
Fundstellen: 
RGZ 94, 305
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.11.1918
Aktenzeichen: 
VII 202/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg
  • OLG Hamburg

Darf der Konkursverwalter nach §§ 29 flg. KO. eine Zahlung anfechten, welche der Gemeinschuldner nach Eröffnung des Konkurses auf Grund eines Treuhandverhältnisses und in der Eigenschaft als Treuhänder an den Treugeber geleistet hat?

Tatbestand

Am 15. Oktober 1915 wurde über das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft R. & Co. der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt. Seit November 1914 hatte die spätere Gemeinschuldnerin eine Granatdreherei betrieben. Das Fabrikinventar hatte ehemals einem Neffen der Beklagten, A. B., gehört, von dem es zur Sicherheit für eine Schuld von 5025 M an die Beklagte, seine Gläubigerin, übertragen worden war. Von letzterer war das Inventar an die genannte Handelsgesellschaft gelangt. Der nähere Hergang war im Rechtsstreite streitig. Nach Behauptung des Klägers ist das Inventar der Handelsgesellschaft als Einlage des Sohnes der Beklagten, E. R., übereignet worden; die Beklagte behauptet, sie habe das Inventar der Firma R. & Co. zunächst nur zum Verkauf anvertraut und sodann, als eine Veräußerung nicht ausführbar gewesen sei, es der Firma auf deren Bitte zur Benutzung überlassen. Am 27. September 1915 hat E. R. namens R. & Co. das Maschineninventar für den empfangenen Kaufpreis von 5500 M an K. W. verkauft und zwei Tage darauf hat er, wie der Kläger behauptete, 4500 M an die Beklagte gezahlt.

Mit der Klage focht der Kläger auf Grund der Konkursordnung die Zahlung an und beantragte, die Beklagte zur Zahlung von 4500 M zu verurteilen. Das Landgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht wies dagegen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Gründe

"Wie das Berufungsurteil unangefochten feststellt, hat die Beklagte das Maschineninventar der Granatdreherei auf die Firma R. & Co. nicht zu vollen, uneingeschränkten Eigentumsrechten, sondern nur als Treuhandeigentum zur Benutzung, und zwar entweder mit oder ohne Ermächtigung zum Weiterverkauf übertragen. Davon ausgehend, erwägt das Berufungsurteil: Auf Vermögensstücke, die der Gemeinschuldner nur als Treuhänder zu Eigentum habe, stehe seinen Gläubigern ein Anspruch nicht zu. Es sei gleichgültig, ob W. den Kaufpreis für das Inventar an die Gemeinschuldnerin zahlen wollte und E. R. ihn so angenommen habe, und es sei auch unerheblich, ob letzterer an die Beklagte die gleichen Geldstücke aushändigte, die er von W. empfangen habe. Den Gläubigern gegenüber habe der Kaufpreisanspruch nicht zum Vermögen der Gemeinschuldnerin gehört. Da diese keinen Anspruch darauf gehabt hätten, daß der Kaufpreis der Gemeinschuldnerin zufloß oder gar ihr verblieb, habe in der Ablieferung an die Beklagte keine Benachteiligung der Gläubiger gelegen, auch wenn der Preis durch die Bücher oder Kasse der Gemeinschuldnerin ein- und ausgegangen sei. Sei bei der Eigentumsübertragung auf die Gemeinschuldnerin von einem Verkaufsauftrage nicht die Rede gewesen, so habe das Fabrikinventar zur Verfügung der Beklagten gestanden, sobald die ursprünglich verabredete Benutzung durch Abwickelung des Granatdrehauftrags ihr Ende erreicht habe. Verkaufte dann E. N. das Inventar, ohne sich des Einverständnisses der Beklagten zu versichern, so sei der erhaltene, Gegenwert nur in die Rechtslage des ursprünglichen Treuhandgegenstandes getreten. Das Benutzungsrecht habe als erloschen gelten müssen, als ein weiterer Drehauftrag nicht zu beschaffen gewesen sei; daher sei auch ein solches Recht den Gläubigern nicht entzogen.

Auf diesem Wege gelangt das angegriffene Urteil dazu, für die am 29. September 1915 von dem Gesellschafter E. R. an die Beklagte geleistete Zahlung von 4500 oder 3400 M, gegen die sich der Anfechtungsanspruch des Klägers richtet, das Merkmal einer jeden nach den §§ 29 flg. KO. zulässigen Anfechtung, nämlich daß der angefochtene Akt eine Benachteiligung der Konkursgläubiger zur Folge gehabt habe, zu verneinen. Gegen die Urteilsbegründung sind jedoch im Einklang mit den von der Revision vorgetragenen Ausführungen rechtliche Bedenken zu erheben, die zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache in die Berufungsinstanz führen.

Die Frage, ob die Konkursgläubiger objektiv benachteiligt sind, ist zu bejahen, wenn durch die angefochtene Zahlung aus dem Vermögen der Gemeinschuldnerin Werte ausgeschieden sind, welche ohne die Zahlung zur Verteilung an die Gesamtheit der Gläubiger zur Verfügung gestanden hätten. Der Fall liegt vor. Nach den Ausführungen des Berufungsurteils ist anzunehmen, daß die Handelsgesellschaft R. & Co. in Ansehung des ihr zur Benutzung überlassenen Maschineninventars zwar Treuhänderin für die Beklagte, indes immerhin Eigentümerin geworden war, daß E. R. namens der Handelsgesellschaft das Inventar veräußert und den Kaufpreis von 5500 M empfangen hat, und daß somit dieser Erlös, der zur Gesellschaftskasse floß, Eigentum von R. & Co. geworden ist. Die Vereinnahmung ermöglichte die zwei Tage später an die Beklagte erfolgte Zahlung. Wäre aber der Betrag der Gesellschaftskasse verblieben, so hätte die Beklagte seiner Verteilung an die Gesamtheit der Konkursgläubiger nicht widersprechen dürfen. In der Rechtsprechung des Reichsgerichts und in der herrschenden Rechtslehre ist anerkannt, daß fiduziarisch übereignete Vermögensgegenstände im Konkurse des Treuhänders unter entsprechender Anwendung des § 43 KO. vom Treugeber ausgesondert werden dürfen (vgl. RGZ. Bd. 45 S. 80, Bd. 62 S. 198, Bd. 79 S. 121, Bd. 91 S. 12; Jaeger KO. § 43 Anm. 38 flg.). Wenn sich also das Maschineninventar noch bei Eröffnung des Konkurses im Treuhandeigentum der Gemeinschuldnerin befunden hätte, so würde der Beklagten ein das Beteiligungsrecht der Gesamtheit der Konkursgläubiger ausschließender Anspruch auf Aussonderung des Inventars zugestanden haben. Nachdem aber das Treugut an W. veräußert war und die Firma R. & Co. den Kaufpreis vereinnahmt hatte, bestand ein auf das Treuhandverhältnis zurückzuführender Anspruch der Beklagten von dinglicher Art nicht mehr. Aus dem § 46 KO. ergibt sich vielmehr unzweideutig für den vorliegenden Tatbestand, indes abgesehen von der angefochtenen Zahlung, daß die Beklagte auf Grund des Treuhandverhältnisses nur noch schuldrechtliche Ansprüche geltend machen konnte, die ihr im Konkurse der Treuhänderin die Stellung einer einfachen Konkursgläubigerin ohne Vorrecht vor den anderen Konkursgläubigern zuwiesen. Selbst in den Fällen einer Verkaufskommission, in denen der Kommittent Eigentümer des Kommissionsgutes, solange es der Kommissionär in Händen hatte, geblieben war, ist ersterer im Konkurse des letzteren auf eine bloße Konkursforderung ohne Aussonderungs- oder Absonderungskraft angewiesen, wenn der Kommissionär vor seinem Konkurse das Gut veräußert und den Preis eingezogen hat. Keineswegs läßt sich etwa der bei der Veräußerung an W. von R. & Co. erzielte Erlös als ein im Verhältnis zur Beklagten einer gleichen Beurteilung wie das Maschineninventar unterliegender fiduziarischer Erwerb auffassen. Ein fiduziarisches Eigentum hat zur Voraussetzung, daß der Gegenstand vom Treugeber aus seinem Vermögen dem Treuhänder anvertraut und übereignet ist (vgl. RGZ. Bd. 84 S. 214, Bd. 91 S.12; Gruchot Bd. 54 S.626). Dies Erfordernis ist bei jenem Erlöse nicht erfüllt. Auch die im Rechtssysteme für mannigfache Verhältnisse maßgebliche Regel des dinglichen Ersatzes, die in den Erörterungen der Vorinstanz berührt und herangezogen ist, kann dem angegriffenen Urteile nicht zur Stütze dienen. Wie der erkennende Senat schon wiederholt ausgesprochen hat, ist der Grundsatz der Surrogation kein allgemein geltender, sondern in Ansehung seiner Wirksamkeit und seines Umfanges nach den einzelnen ihn betreffenden Bestimmungen zu bemessen (vgl. RGZ. Bd. 70 S. 233, Bd. 94 S. 20). Bei einem zur Sicherung von Forderungen eingegangenen Treuhandverhältnis kann im Einzelfalle die Frage entstehen, ob eine der auf Surrogation bezüglichen Vorschriften aus dem Gebiete des Pfandrechts entsprechend anwendbar ist. Dies bedarf aber hier keiner Erörterung. Denn die Übertragung des Maschineninventars auf die Handelsgesellschaft R. & Co. war nicht zu Pfandzwecken, sondern deshalb erfolgt, damit die Firma das Inventar zur Granatdreherei benutzte, vielleicht auch, damit sie es weiter veräußerte. Aus der mit oder ohne Genehmigung der Treugeberin vorgenommenen Veräußerung des Treuguts an W. erwuchs der Beklagten ein auf Herausgabe des erzielten Erlöses oder auf Wertersatz gerichteter Anspruch gegen die Treuhänderin. Dieserhalb konnte aber die Beklagte, wenn die Zahlung vom 29. September 1915 unterblieb, im Konkurse der Treuhänderin immer nur eine Geldforderung verfolgen und anteilsmäßige Befriedigung aus der Masse nach dem für die Konkursgläubiger ermittelten Maßstäbe erwarten."