RG, 08.12.1883 - V 268/83

Daten
Fall: 
Verpfändung einer Hypothekenforderung
Fundstellen: 
RGZ 10, 251
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
08.12.1883
Aktenzeichen: 
V 268/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Frankfurt a.O.
  • KG Berlin

Einfluß des guten Glaubens auf den Rechtserwerb desjenigen, dem eine im Grundbuche eingetragene, aber nicht existierende Forderung verpfändet ist.

Tatbestand

Beklagter nahm bei der Subhastation eines Grundstückes den auf eine eingetragene Forderung gefallenen Teil der Kaufgelder auf Grund eines ihm an dieser Forderung eingeräumten Pfandrechtes in Anspruch. Kläger bestritt als nacheingetragener Gläubiger die Richtigkeit der verpfändeten Hypothek, weil die Eintragung derselben in Erwartung eines niemals gegebenen Darlehns erfolgt sei. Beide Vorderrichter sprachen die hinterlegte Streitmasse dem Kläger zu. Auf die Revision des Beklagten ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Feststellung des Betrages der Forderungen, für welche die Hypothek dem Beklagten verpfändet ist, in die Berufungsinstanz zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Nach der thatsächlichen Feststellung des Berufungsrichters hat Br. auf sein Grundstück in R. für die Sparkasse daselbst 9 000 M nebst Zinsen eintragen lassen, diese Hypothek ist ihm aber, weil das bedungene Darlehn nicht gegeben worden ist, von der Sparkasse cediert worden. Br. hat demnächst dieselbe an Fr. cediert, wobei diesem bekannt war, daß ein Darlehn darauf nicht gegeben war. Fr. hat die Hypothek wiederum an den Beklagten Sch. abgetreten. Dabei ist jedoch die Absicht der Kontrahenten nicht dahin gegangen, daß der Sch. Eigentum an derselben erwerbe, sondern vielmehr dahin, daß sie ihm nur als Pfand zur Sicherung verschiedener Forderungen dienen solle. Diese Verpfändung ist nur der größeren Sicherheit und leichteren eventuellen Verwertung des Dokumentes wegen in die Form einer Cession eingekleidet.

Der Berufungsrichter hat es nun für unerheblich erklärt, ob Sch. bei der an ihn geschehenen Cession Kenntnis von der Nichtexistenz der Hypothekenforderung gehabt habe, und ob die Forderungen, für welche die Hypothek verpfändet worden, bereits bezahlt seien oder nicht. Denn da Fr. bei der an ihn erfolgten Cession gewußt habe, daß ein Darlehn auf die Hypothek nicht gegeben sei, so habe er eine solche auch nicht erworben, also an Sch. einen nicht existierenden Gegenstand verpfändet. Dieser habe daher gemäß der §§. 511. 295 A.L.R. I. 20, die durch §. 38 des Eigentumserwerbsgesetzes nicht geändert seien, ein Pfandrecht nicht erwerben können, auch wenn er bei der Cession in gutem Glauben gewesen sei.

Diese vom Berufungsrichter nicht näher motivierte Rechtsansicht entspricht der Auslegung, welche der zweite Hilfssenat des Reichsgerichtes in dem in den Entsch. in Civils. Bd. 7 S. 238 abgedruckten Urteile dem §. 38 Abs. 2 des Eigentumserwerbsgesetzes gegeben hat. Es wird dort ausgeführt, daß derjenige, dem eine Hypothekenforderung verpfändet sei, mit dem Schuldner der verpfändeten Hypothek weder in einem persönlich-rechtlichen, noch in einem dinglich-rechtlichen Verhältnisse stehe, noch ein dingliches Recht an dem verpfändeten Grundstücke geltend machen könne, da ihm ein solches nur an der verpfändeten Hypothekenforderung zustehe, er eine dingliche Klage daher auch nur gegen den Eigentümer dieser Forderung habe. Die hypothekarische Klage gegen den Eigentümer des verpfändeten Grundstückes könne er aus eigenem Rechte nur anstrengen, wenn er das Eigentum an der Hypothekenforderung auf Grund einer freiwilligen Cession oder einer Überweisung mit den Wirkungen einer solchen erworben habe, und nur, wenn er diese Klage anstrenge, stehe ihm die Vorschrift des §. 38 Nr. 2 des Eigentumserwerbsgesetzes schützend zur Seite. Im Falle einer Überweisung mit der bloßen Wirkung der Assignation dagegen mache er nicht ein eigenes Recht an der Hypothek geltend, sondern habe nur die Befugnis, das dingliche Recht seines Schuldners an dem Grundstücke in bezug auf Einklagung und Einziehung auszuüben. Er müsse sich daher auch alle Einwendungen entgegensetzen lassen, welche der hypothekarischen Klage des Verpfänders entgegenstehen würden.

Dieser Ansicht kann indes nicht durchweg beigestimmt werden. Richtig ist, daß derjenige, dem eine Hypothekenforderung nur verpfändet ist, ein dingliches Recht an dem Grundstücke nicht hat und ein solches daher auch nur geltend machen kann, wenn ihm das Hypothekenrecht seines Verpfänders abgetreten oder mit den Wirkungen der Cession oder Assignation überwiesen ist.1

Richtig ist ferner, daß nach den Grundsätzen des Allgemeinen Landrechts derjenige, dem im Wege der Zwangsvollstreckung eine Hypothekenforderung überwiesen ist, wenn das nicht behufs Realisierung eines ihm an derselben zustehenden Pfandrechtes geschehen ist, sich gegen Einreden, welche dem Schuldner gegen den bisherigen Hypothekengläubiger zustehen, auf seinen gutgläubigen Erwerb nur dann beziehen konnte, wenn die Überweisung mit den Wirkungen der Cession geschehen war,2 nicht aber dann, wenn die Überweisung nur mit den Wirkungen der Assignation erfolgt war, weil diese kein dingliches Recht an der Hypothek begründete.3

Anders verhält sich jedoch die Sache, wenn die Überweisung mit den Wirkungen der Assignation behufs Realisierung eines an der Hypothekenforderung bereits bestehenden Pfandrechtes erfolgt ist. Denn es kann darüber kein Zweifel obwalten, daß die Vorschriften der §§. 511. 295 A.L.R. I. 20, wonach entsprechend dem allgemeinen Grundsatze des §. 101 der Einl. zum A.L.R. der zweite Pfandgläubiger auf die verpfändete Forderung nicht mehr Rechte erwerben kann, als dem ersten zustanden, in betreff eingetragener Hypothekenforderungen durch die im Interesse der Aufrechterhaltung des öffentlichen Glaubens des Hypothekenbuches gegebenen Vorschriften der §§. 422 flg. 522 A.L.R. I. 20 ebenso wesentlich modifiziert waren, wie der Grundsatz des §. 101 der Einleitung durch die Bestimmungen der §§. 7 flg. A.L.R. I. 10 und des §. 410 I. 26 in betreff des Eigentumes an Grundstücken. Derjenige, welcher sich mit dem als Eigentümer im Grundbuch Eingetragenen über das Grundstück in Verhandlungen eingelassen hat, soll, wenn letzterer in Wahrheit auch nicht Eigentümer war, also nach §. 101 der Einleitung auch kein Recht an dem Grundstücke übertragen konnte, gleichwohl in dem vermeintlich erworbenen Rechte geschützt werden, mag das Recht Eigentum (§§. 7 flg. I. 10) oder Pfandrecht (§. 410 A.L.R. I. 20) oder ein anderes dingliches Recht sein. Denselben allgemeinen Grundsatz des Hypothekenrechtes wenden die §§. 422 flg. und §. 522 A.L.R. I. 20 auf Hypothekenforderungen an, und zwar ohne einen Unterschied zu machen, ob das Recht, welches dem Dritten an der eingetragenen Forderung übertragen worden, Eigentum oder Pfandrecht ist. Dies erhellt nicht bloß aus der allgemeinen Fassung des §. 423, sondern auch aus §. 426 A.L.R. I. 20, wo ausdrücklich von den durch Cession, Verpfändung oder sonst auf die Post erworbenen Rechten die Rede ist.

Erwirbt aber derjenige, dem eine eingetragene Forderung verpfändet ist, auf Grund seines guten Glaubens an die Richtigkeit des Grundbuches ein dingliches Recht an der Hypothek, auch wenn das Realrecht seines Verpfänders niemals bestanden hat oder erloschen ist, wird also zu seinen Gunsten das eingetragene Hypothekenrecht als noch bestehend fingiert, so muß auch jeder Dritte dieses sein dingliches Recht an der Hypothek anerkennen, und darf es nicht dadurch verletzen, daß er es bestreitet, indem er behauptet, sein Gegenstand, die Hypothek an dem Grundstücke, existiere nicht. Mit Recht hat daher das Obertribunal (Entsch. Bd. 8 S. 289) ausgeführt, der Umstand, daß die Hypothek dem Gläubiger gegenüber nicht existiere, hindere deren Überweisung zum Zwecke der Realisierung eines an derselben im guten Glauben erworbenen Pfandrechtes nicht, weil die verpfändete Forderung für den Pfandinhaber allerdings vorhanden und Gegenstand der Exekution sei. Wenn es daher auch richtig ist, daß der Pfandinhaber ein eigenes dingliches Recht an dem Grundstücke nur durch Cession der hypothekarischen Klage seines Verpfänders erwerben kann, so hat er doch ein von jedem Dritten anzuerkennendes dingliches Recht an der Hypothek, und wenn ihm dieselbe zum Zwecke der Realisierung seines Pfandrechtes auch nur mit den Wirkungen der Assignation überwiesen ist, so würde eine Verletzung seines Pfandrechtes an derselben darin liegen, wenn der Schuldner ihm entgegensetzte, daß die Hypothek nicht existiere, sein Pfandrecht also gegenstandslos sei. Es ist der Ausführung in dem citierten Erkenntnisse des zweiten Hilfssenates des Reichsgerichtes, daß der Pfandgläubiger nach erfolgter gerichtlicher Überweisung das Recht an der Hypothek keineswegs in seiner Eigenschaft als Pfandgläubiger geltend mache, nicht beizustimmen. Mag ihm das hypothekarische Recht mit den Wirkungen der Cession oder der Assignation überwiesen sein, jedenfalls hat die Überweisung den Zweck, sein Pfandrecht an der Hypothek zu realisieren, und dieses würde gegenstandslos gemacht werden, wenn ihm entgegengesetzt werden könnte, daß die verpfändete Forderung nicht existiere. Dagegen kann er sich auf sein in gutem Glauben erworbenes Pfandrecht und auf die gesetzliche Bestimmung berufen, daß ihm gegenüber das hypothekarische Recht am Grundstücke als bestehend fingiert werde. Die Annahme, daß der Pfandnehmer einer hypothekarischen Forderung erst durch die Cession der Hypothek ein mit Rücksicht auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches geschütztes dingliches Recht erwerbe, würde sein Pfandrecht an der Hypothek illusorisch machen, wenn ihm zur Zeit der Überweisung die Nichtexistenz des Realrechtes bekannt ist. Das A.L.R. spricht aber ganz klar aus, daß er in seinem Pfandrechte geschützt werden soll, und selbstverständlich kommt es dabei lediglich auf seinen guten Glauben zur Zeit der Erwerbung dieses Pfandrechtes an. Das Prinzip der Aufrechterhaltung des öffentlichen Glaubens des Grundbuches würde wesentlich durchbrochen sein, wenn derjenige, welcher im Glauben an die Richtigkeit einer eingetragenen Hypothekenforderung gegen Verpfändung derselben Kredit gegeben hat, in seinem Pfandrechte nicht geschützt würde. Die Fassung der betreffenden Bestimmungen des A.L.R. lassen keinen Zweifel darüber, daß ihm dieser Schutz ebenso gewährt werden sollte, wie dem, welcher dem eingetragenen Eigentümer gegen Verpfändung des Grundstückes Kredit gewährt hat.

Das Eigentumserwerbsgesetz vom 5. Mai 1872 hat sich in §. 38 Abs. 2 allerdings weniger deutlich ausgedrückt:
Gegen die Klage aus einer Hypothek können Einreden aus dem persönlichen Schuldverhältnisse einem Dritten, welcher ein Recht auf die Hypothek gegen Entgelt erworben hat, nur entgegengesetzt werden, wenn sie ihm vorher bekannt geworden sind oder sich aus dem Grundbuche ergeben.

In dem gedachten Erkenntnisse des Reichsgerichtes wird hieraus gefolgert, daß auch ein Pfandberechtigter an der Hypothek, wenn ihm die Klage aus derselben nur mit den Wirkungen der Assignation überwiesen sei, da er kein eigenes dingliches Recht an dem Grundstücke habe, sondern nur das seines Verpfänders ausüben könne, nicht für einen Dritten, welcher ein Recht auf die Hypothek erworben habe, im Sinne des §. 38 Abs. 2 des Eigentumserwerbsgesetzes zu erachten sei, und daß unter dem auf die Hypothek erworbenen Rechte nur das Eigentum, nicht aber ein bloßes Pfandrecht an derselben verstanden werden könne. Es ist indes nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber in derselben Allgemeinheit, wie im §. 423 A.L.R. I. 20 von einem auf die Hypothek erworbenen Rechte gesprochen haben sollte, wenn er den Erwerb der Hypothekenforderung durch Cession als Bedingung des zu gewahrenden Schutzes hätte aufstellen, dem Erwerber eines Pfandrechtes aber in Abänderung des bestehenden Rechtes diesen Schutz hätte versagen wollen. Er würde dann deutlicher lediglich von einem Dritten, dem das Hypothekenrecht gegen Entgelt abgetreten worden, gesprochen haben, und in den Motiven würde die Absicht einer so wesentlichen Abänderung des bestehenden Rechtes erörtert und begründet sein. Davon findet sich aber keine Spur, und es läßt sich daher nicht annehmen, daß eine solche das in §. 9 des Gesetzes anerkannte, für die Sicherheit des Hypothekenverkehres unentbehrliche Prinzip durchbrechende Abänderung des bisherigen Rechtes beabsichtigt sei. Förster hebt vielmehr in seinem Grundbuchrecht, S. 46, ausdrücklich hervor, der öffentliche Glaube des Grundbuches verlange, daß die Existenz einer Hypothek durch dasselbe bekannt gemacht werde, woraus dann von selbst folgt, daß nunmehr auch jeder, welcher im Vertrauen auf diese Existenz Kredit gegen Einräumung eines dinglichen Rechtes an der Hypothek gewährt, ihrer Existenz sicher sein muß.

Wenn daher der Berufungsrichter davon ausgeht, derjenige, welchem ein Pfandrecht an einer eingetragenen, aber in Wirklichkeit nicht existierenden Hypothek bestellt sei, habe, auch wenn er im guten Glauben gewesen sei, nach §§. 511. 295 A.L.R. I. 20 nichts erwerben können, weil diese Bestimmungen durch §. 38 Abs. 2 des Eigentumserwerbsgesetzes nicht geändert seien, so verletzt er diese Gesetze, da die gedachten Bestimmungen in betreff der Hypothekenordnungen durch die §§. 423. 522 A.L.R. I. 20 modifiziert waren, und der §. 38 des Eigentumserwerbsgesetzes diese letzteren Bestimmungen im wesentlichen unberührt gelassen hat."

  • 1. Vgl. Entsch. des Obertrib. Bd. 8 S. 279 flg.
  • 2. vgl. Entsch. des Obertrib. Bd. 30 S.416,
  • 3. Vgl. Striethorst, Archiv Bd. 18 S. 68.