RG, 16.02.1884 - I 504/83

Daten
Fall: 
Dem Kaufmanne auf seine Schuld erteilte unwiderruflich Anweisung
Fundstellen: 
RGZ 11, 136
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.02.1884
Aktenzeichen: 
I 504/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Nordhausen
  • OLG Naumburg

Ist die einem Kaufmanne auf seine Schuld erteilte Anweisung, sobald dieselbe dem Assignatar gegenüber angenommen ist, auch im Falle nachherigen Konkurses über das Vermögen des Anweisenden unwiderruflich? Entsprechende Grundsätze für die Anweisung nach preußischem Landrechte. Verleiht die Annahme der Anweisung dem Assignatar Rechte, wenn die Anweisung eine Forderung betrifft, die erst durch Vertragsleistungen des Anweisenden gegenüber dem Angewiesenen entstehen soll, diese Leistungen aber nicht von ihm selbst, sondern von dem Verwalter seiner Konkursmasse kraft des ihm nach §. 15 Abs. 1 R.K.O. zustehenden Rechtes bewirkt werden?

Tatbestand

Der Gutsbesitzer M. hatte mit der Beklagten einen Lieferungsvertrag über Zuckerrüben geschlossen, wonach er sich verpflichtete, für das Jahr 1882 150 Morgen Rüben zu bauen und während der Campagne 1882/83 die Rüben den Beklagten für einen bestimmten Preis zu liefern. Während der Vertrag, in der Ausführung begriffen war, wies M. die Beklagte an, das Kaufgeld für die gelieferten und noch zu liefernden Rüben für seine Rechnung an die Handlung S. D. & R., seine Gläubigerin, zu zahlen, und Beklagte erklärte sich hiermit durch den Vermerk auf der schriftlichen Anweisung, daß sie dieselbe acceptiere, einverstanden. M. verfiel bald darauf in Konkurs und der Konkursverwalter erklärte der Beklagten in bezug auf den Rübenlieferungsvertrag, soweit ihn M. noch nicht erfüllt hatte, daß er denselben bestehen lasse und die Lieferung der Rüben fortsetzen wolle. Er hat die Rüben der Beklagten weiter geliefert. Diese hat sie angenommen, verweigert aber die Zahlung des Kaufpreises zur Konkursmasse, indem sie behauptet, sie sei infolge der geschehenen Anweisung, welche, nachdem sie schriftlich erfolgt, nochmals mündlich, und zwar unter Zuziehung der Handlung S. D. & R. von M., wiederholt und von ihr - der Beklagten - angenommen worden sei, der Handlung S. D. & R. zur Zahlung verbunden. Die Beklagte wurde in beiden Instanzen zur Zahlung des Kaufpreises an die Konkursmasse verurteilt. Die Revision der Beklagten wurde vom Reichsgericht verworfen.

Gründe

"Wenn das Berufungsgericht auch im Falle einer angenommenen Anweisung es als feststehenden Rechtsgrundsatz erachtet, daß, so lange der Assignatar nicht den Assignaten statt des anweisenden Schuldners ausdrücklich zu seinem Schuldner angenommen habe, die angewiesene Forderung nicht aus dem Vermögen des Anweisenden herausgegangen sei und die Gläubiger des inzwischen in Konkurs verfallenen Anweisenden sie also noch zum Gegenstande ihrer Befriedigung machen können, so hat es sich damit der allerdings vom preußischen Obertribunale in den auch von ihm angeführten Entscheidungen vom 18. März 1865 (Entsch. des Obertrib. Bd. 53 S. 85) und vom 8. Oktober 1866 ( beschlussStriethorstbeschluss, Archiv Bd. 65 S. 46) in bezug auf die Anweisung im Sinne des preußischen Allgem. Landrechts ausgesprochenen Ansicht angeschlossen. Diese Ansicht des preußischen Obertribunals ist bereits vom Reichsoberhandelsgericht in der Entscheidung vom 25. April 1877 (Entsch. des R.O.H.G.s' Bd. 22 S. 137 flg.) bekämpft worden. In der That unterliegt sie auch den erheblichsten Bedenken. Indem sie lediglich mit dem Eigentumsbegriff operiert, mißt sie der Annahme der Anweisung eine so geringe Bedeutung bei, wie solche mit den §§. 259., 275. 283. 291. 292 A.L.R. I. 16 schwerlich vereinbar ist. Wird durch die Annahme der Anweisung der Assignat dem Assignatar zur Zahlung der Summe, bezw., wenn auf Schuld angewiesen ist, der Schuld an ihn verbunden, so ist nicht ersichtlich, wie der Zahlungsauftrag des Anweisenden an den Assignaten, der eben durch die Annahme derartig teilweise ausgeführt ist, daß der Assignat dem Assignatar zur Zahlung verbunden bleibt, noch soll mit Wirkung zurückgenommen werden können. Die Forderung ist durch die infolge Auftrags geschehene Eingehung der Verbindlichkeit, sie dem Assignatar zu bezahlen, aus dem Herrschaftsbereich des Anweisenden herausgegangen, mag er auch das Eigentum an derselben nicht verloren haben. Von einem Widerruf des Auftrages zur Erhebung an den Assignatar mit der Wirkung, daß dieser das Recht aus der Annahme aufgeben müsse" kann aber nicht die Rede sein, wenn der Auftrag diesem zum Zwecke der Deckung wegen einer ihm gegen den Anweisenden zustehenden Forderung erteilt ist, also kein reines Mandat vorliegt.1

Indessen kann die Beurteilung der preußischen Bestimmungen auf sich beruhen bleiben. Die Beklagte ist Kaufmann, und es liegt, wenn ihre Behauptungen richtig sind, der Fall des ersten Satzes des Art. 300 H.G.B. vor, daß die Anweisung demjenigen gegenüber, zu dessen Gunsten sie ausgestellt, angenommen worden war. Der gedachte Artikel ist auch auf inhaltlich eingeschränkte Anweisungen, also auch auf Anweisungen auf Schuld, anwendbar und, da die Assignatarin Kaufmann war, hätte die Annahme in mündlicher Form dieser gegenüber genügt. Daß aber durch die Annahme entsprechend Art. 300 a. a. O. ein Gläubigerrecht des Assignatars nach Inhalt der Anweisung entsteht, welches ihm der Anweisende, bezw. dessen Gläubiger nicht wieder entreißen können, erscheint unbedenklich.

Gleichwohl war die Verwerfung des Einwandes der Beklagten begründet, weil die Anweisung und ihre Annahme keine Wirkungen auf solche Kaufpreis-Forderungen ausüben konnte, welche durch Rübenlieferungen erst nach Ausbruch des M.'schen Konkurses seitens des Konkursverwalters begründet wurden. Die Anweisung gewährte der Assignatarin eine Deckung, wenn man von den zur Zeit ihrer Erteilung bereits entstandenen Forderungen des Anweisenden aus Rübenlieferungen absieht, nur insoweit, als solche Forderungen durch Rübenlieferungen zur Entstehung gelangten. Gaben M. und die Beklagte den Rübenlieferungsvertrag auf, was ihnen unverwehrt war, so wurde die Anweisung gegenstandslos. Nun hebt bei einem zweiseitigen noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllten Vertrage der Konkurs des einen Kontrahenten das Recht des anderen Teils auf Erfüllung auf und verwandelt seinen Anspruch auf Erfüllung in einen Konkursanspruch auf Ersatz des Interesses. Nur dem Konkursverwalter ist das Recht verliehen, falls er es im Interesse der Gläubigerschaft findet, an Stelle des Gemeinschuldners Erfüllung zu leisten und die Erfüllung vom anderen Teile zu verlangen (§. 15 R.K.O). Wird dieses Recht von ihm ausgeübt, so kann man zwar nicht den erfüllten Vertrag als einen neuen erachten. Indessen kann die bei vorhandener Freiheit, den Vertrag in seiner Richtung auf die Erfüllung aufzugeben, im Interesse der Gläubiger erfolgte Entschließung, ihn zu erfüllen, nicht die Wirkung haben, statt des Vorteils der Gläubigerschaft die Deckung des einzelnen Gläubigers zur Wirksamkeit zu bringen, die der Gemeinschuldner für den Fall seiner Erfüllung gewollt hatte. Mit der Konkurseröffnung waren die dem M. noch gehörigen Rüben wie das ihre Lieferung betreffende Vertragsrecht der freien Verfügung des M. entzogen und einer Verfügung im Interesse und zum Zwecke der Befriedigung der gesamten Gläubiger desselben unterstellt. Die Realisierung der Rüben, der schon geernteten wie noch zu erntenden, konnte in diesem Interesse und zu diesen: Zwecke in jeder beliebigen Weise, und, wenn dies gedachtem Interesse am besten zu entsprechen schien, auch durch Geltendmachung des zur Konkursmasse gehörigen Verlagsrechtes, erfolgen. Solche Realisierung im Interesse der Gläubigerschaft konnte nicht eine Deckung des Einzelgläubigers zur Wirkung bringen. Sie war eine von derjenigen Erfüllung, welche die angewiesene Forderung zur Entstehung bringen sollte, verschiedene Handlung. Um dies zu rechtfertigen, braucht man nicht die Vermittelung durch Konstruktion einer Nachfolge des Konkursverwalters oder einer Rechtspersönlichkeit der Gläubigerschaft in die Vertragsrechte des Gemeinschuldners. Auch wenn man annimmt, daß es trotz des Konkurses immerhin der Gemeinschuldner selbst bleibe, namens dessen gehandelt werde, immerhin wäre er in bezug auf die Konkursmasse als Rechtssubjekt nur unter einer ihm vom Gesetze im Interesse der Zwecke des Konkursverfahrens auferlegten Zwangsvertretung zu denken, welche die Bedeutung und Wirkung der Handlungen lediglich entsprechend diesem Zwecke und absehend von der Bedeutung und Wirkung solcher Handlungen des Gemeinschuldners als freier Rechtspersönlichkeit bestimmt. Daß M. auch wenn dies sein Wille gewesen wäre, über Forderungen, welche erst durch die Erfüllung des Konkursverwalters aus dem Lieferungsvertrage entstehen sollten, durch die Anweisung nicht hatte verfügen können, bedarf keiner Ausführung. Wäre die Assignatarin bereits in dem Lieferungsvertrage als Kontrahentin derartig mit aufgetreten, daß ihr behufs Wirksamkeit der Anweisung ein Recht auf die Erfüllung des Lieferungsvertrages seitens des M. eingeräumt wurde, so läge eben ein ganz anderes, nicht bloß zweiseitiges Vertragsverhältnis vor. Ob, wenn sie zwar schon zu jenem Vertrage zugezogen worden wäre, ihr aber doch in demselben keine anderen Rechte als die, deren nachträgliche Einräumung behauptet wird, eingeräumt worden wären, die Entscheidung anders, wie jetzt geschieht, zu treffen gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, da dieser Fall nicht vorliegt."

  • 1. Vgl. auch beschlussDernburgbeschluss, Preuß. Privatrecht Bd. 2 S. 118. 119.