RG, 19.10.1918 - V 176/18

Daten
Fall: 
Empfangsbedürftige Willenserklärung des Konkursverwalters
Fundstellen: 
RGZ 94, 55
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.10.1918
Aktenzeichen: 
V 176/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

1. Erfordert die Freigabe eines Gegenstandes aus der Konkursmasse eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Konkursverwalters gegenüber dem Gemeinschuldner?
2. Bedeutung des § 1148 BGB.

Tatbestand

Auf dem Grundstücke P.er Straße 50 in B. sind unter 8 und 9 der III. Abteilung zwei Hypotheken von 54000 M und 21000 M je mit 4% Zinsen und bei nicht pünktlicher Zinszahlung ohne Kündigung fällig für die Klägerin eingetragen. Eingetragener Eigentümer des Grundstücks ist auf Grund des Zuschlagsbeschlusses vom 13. Juli 1914 der Kaufmann Elias Z., der später wegen Geistesschwäche entmündigt und über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist. Gegen den Konkursverwalter Dr. R., an dessen Stelle dann der jetzige Konkursverwalter getreten ist, erhob die Klägerin aus den bezeichneten Hypotheken wegen Zinsrückständen von 2750 M und wegen eines Teilbetrags der fällig gewordenen Hauptforderungen die dingliche Klage auf Zahlung von 12750 M zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung in das bezeichnete Grundstück. Der Beklagte machte demgegenüber geltend, der Gemeinschuldner sei trotz der Eintragung nicht Eigentümer des Grundstücks geworden; denn er sei bei der Abgabe des Meistgebots, auf Grund dessen er am 13. Juli 1914 den Zuschlag erhalten habe, bereits geisteskrank und geschäftsunfähig gewesen. Es sei deshalb auch gegen den Zuschlagsbeschluß Beschwerde eingelegt worden. Der richtige Beklagte sei der Konkursverwalter aber auch deshalb nicht, weil er das Grundstück nicht zur Konkursmasse gezogen habe. Das Landgericht verurteilte den Beklagten nach dem Klagantrage. Berufung und Revision sind zurückgewiesen worden.

Gründe

... "In Übereinstimmung mit dem Landgerichte hat das Berufungsgericht angenommen, daß der verklagte Konkursverwalter ... der richtige Beklagte sei, und die in dieser Beziehung vom Beklagten erhobenen Einwendungen verworfen. Nur hiergegen richteten sich die Angriffe der Revision, und diese sind hinfällig.

Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens verlor Elias Z. die Verfügungsbefugnis über sein ihm damals gehöriges, der Zwangsvollstreckung unterliegendes Vermögen (§§ 1, 6 KO.) und damit über sein bezeichnetes, einen Bestandteil dieses Vermögens bildendes Grundstück. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht darüber wurde fortan durch den Konkursverwalter ausgeübt (§ 6 Abs. 2), und er ist deshalb auch für alle Ansprüche aus dinglichen Rechten an dem Grundstücke der richtige Beklagte. Daß der Konkursverwalter "das Grundstück zur Masse gezogen", oder gemäß § 117 KO. in Besitz und Verwaltung genommen hat, ist dazu nicht erforderlich. Wohl aber ist der Konkursverwalter nach dem angezogenen § 6 Abs. 2 in der Lage, zur Konkursmasse gehörige Sachen, insbesondere auch das Grundstück, -- unbeschadet der im § 82 KO. verordneten Verantwortlichkeit -- aus der Masse freizugeben. Es wird dies im § 114 KO. vorausgesetzt, ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts wiederholt anerkannt (vgl. RGZ. Bd. 60 S. 108/9, Bd. 79 S. 29) und auch vom Berufungsgerichte nicht verkannt worden. Mit Recht nimmt dieses indes weiter an, daß dazu eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Verwalters gegenüber dem Gemeinschuldner erforderlich ist. Dies folgt schon daraus, daß es sich dabei um eine Regelung der Rechtsbeziehungen eben des Verwalters und des Gemeinschuldners mit Bezug auf die Vermögensmasse handelt; das wird im Schrifttum namentlich von Jaeger (5. Aufl. Anm. 44 zu § 6 KO.) und unter Bezugnahme auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg von Willenbücher (3. Aufl. Anm. 5 Abs. 2 zu § 6 KO.) vertreten und ist auch bereits vom Reichsgericht anerkannt, weniger in dem bereits herangezogenen Urteile des VII. Zivilsenats Bd. 60 S. 108 der Entscheidungen, das auf diesen Punkt nicht besonders eingeht, als in dem Urteile des I. Zivilsenats vom 27. Mai 1914 in der Leipz. Zeitschr. 1914 S. 1720 Nr. 6. Eine Erklärung des Konkursverwalters gegenüber einem anderen als dem Gemeinschuldner, im gegebenen Falle das Schreiben des Konkursverwalters an die Klägerin vom 13. März 1918, konnte den Bestand der Konkursmasse sowie die Verfügungsbefugnisse des Konkursverwalters und des Gemeinschuldners über das dazu gehörige Grundstück nicht ändern, und mit Unrecht meint die Revision, daß der mit der dinglichen Klage etwa belangte Gemeinschuldner angesichts des Schreibens vom 13. März 1918 nicht mit der Einrede gehört werden könnte, der Konkurs sei ausgebrochen und die Verfügung über das Grundstück stehe dem Konkursverwalter zu, zu Unrecht meint sie auch, daß das Schreiben die "möglicherweise vorher vorhandene Passivlegitimation" des Verwalters beseitigt habe. Richtig ist, daß der § 265 ZPO. der letzteren Ansicht nicht entgegenstehen würde (vgl. RGZ. Bd. 79 S. 30/31); es kommt hierauf indes nicht an, und dahingestellt kann bleiben, ob das Berufungsgericht recht auch damit hat, daß es die Erklärung, durch die der Verwalter einen zur Konkursmasse gehörigen Gegenstand dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überläßt, als Verzicht auffaßt.

Ohne Grund greift die Revision sodann die Feststellung des Berufungsgerichts an, der Beklagte habe weder in erster Instanz, noch ungeachtet der an ihn gerichteten Frage in zweiter Instanz behauptet, daß er dem Gemeinschuldner oder dessen Vormunde gegenüber die Freigabe des Grundstücks erklärt habe." ... (Dies wird im folgenden ausgeführt. Dann wird fortgefahren:)

... "Der Einwendung gegen die Klage, die der Beklagte auf die Behauptung stützt, der Gemeinschuldner sei zu der Zeit, als er das Meistgebot abgab und den Zuschlag erhielt, geisteskrank und geschäftsunfähig gewesen, er sei deshalb nicht Eigentümer des Grundstücks geworden, begegnet das Berufungsgericht mit dem § 1148 BGB. Danach gilt bei der Verfolgung des Rechtes aus der Hypothek zugunsten des Gläubigers der im Grundbuch als Eigentümer Eingetragene als der wirkliche Eigentümer. Die auf einem Beschlusse der II. Kommission beruhende Vorschrift bezweckt, dem Hypothekengläubiger die Verfolgung seines dinglichen Anspruchs zu erleichtern. De entspricht dem sich auf die Kündigung der Hypothek beziehenden § 1141 Satz 2 BGB. und stellt wie dieser zugunsten des Gläubigers hinsichtlich der Eigentumseintragung nicht nur eine widerlegbare Vermutung, sondern -- über den § 891 hinausgehend -- eine unwiderlegliche Fiktion auf. Der eingetragene Eigentümer wird gegenüber der hypothekarischen Klage mit dem Einwand, er sei nicht der wahre Eigentümer, seine Eintragung sei zu Unrecht erfolgt, gar nicht gehört. Allerdings wahrt der 2. Satz des § 1148 dem nicht eingetragenen wahren Eigentümer die ihm gegen die Hypothek zustehenden Einwendungen; diese müssen aber gegen den Gläubiger mittels besonderer Klage geltend gemacht werden und kommen keinesfalls dem als Eigentümer Eingetragenen oder dem infolge der Eröffnung des Konkurses an seiner Stelle stehenden Konkursverwalter zu (vgl. Prot. der II. Komm, bei Mugdan Bd. 3 S. 816; Turnau und Foerster, Liegenschaftsrecht 3. Aufl. Anm. zu § 1148, Komm. der RGRäte 2. Aufl. Anm. 2 zu § 1148). Die Revision hat in diesem Punkte übrigens nur die Ausführungen des Berufungsurteils, ohne besondere Angriffe zu erheben, zur Nachprüfung gestellt." ...