RG, 11.10.1918 - VII 114/18

Daten
Fall: 
Fristsetzung bei Unmöglichkeit der vorzunehmenden Handlung
Fundstellen: 
RGZ 94, 29
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.10.1918
Aktenzeichen: 
VII 114/18
Entscheidungstyp: 
Urteil

Ist die Fristsetzung des § 643 BGB auch in dem Falle erforderlich, daß die vom Besteller vorzunehmende Handlung unmöglich geworden ist?

Aus den Gründen

"Die vom Berufungsrichter seiner Entscheidung gegebene Begründung hat folgenden Inhalt. Das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis i. S. des § 645 Abs. 1 Satz 2 BGB sei aufgehoben worden; die Beklagte habe es nämlich unterlassen, die Fundamentierung, welche zur Fertigstellung der von der Klägerin zu liefernden Arbeiten erforderlich gewesen sei, rechtzeitig herzustellen. Sie sei deswegen in Verzug der Annahme der ihr von der Klägerin angebotenen Leistung geraten, als infolge des Ausbruchs des Krieges sowohl die von der Beklagten herzustellende weitere Fundamentierung als auch die völlige Vertragserfüllung seitens der Klägerin unmöglich wurde, so daß es einer Fristsetzung seitens der Klägerin gemäß § 643 BGB nicht bedurft hätte. Die gegen diese Begründung seitens der Revision erhobenen Rügen gehen fehl.

Der Berufungsrichter hat keineswegs verkannt, daß der § 643 seinem Wortlaute nach die Aufhebung des Vertrags davon abhängig macht, daß der Unternehmer dem Besteller, der in Annahmeverzug gekommen ist, eine angemessene Frist zur Nachholung der unterlassenen Handlung mit der Erklärung bestimmt, daß er den Vertrag kündige, wenn die Handlung nicht bis zum Ablaufe der Frist vorgenommen werde. Der Berufungsrichter ist aber der Ansicht, daß es einer solchen Fristsetzung dann nicht bedarf, wenn die vom Besteller vorzunehmende Handlung, wie es vorliegend unbestritten geschehen ist, inzwischen unmöglich geworden ist. Dieser Auffassung ist beizutreten. Wenn es auch für angezeigt erachtet ist, in den § 634 BGB bezüglich der von dem Unternehmer vorzunehmenden Handlung (Beseitigung eines Mangels) die ausdrückliche Bestimmung aufzunehmen, daß es einer Fristsetzung im Falle der Unmöglichkeit der Beseitigung des Mangels nicht bedarf, so ist damit doch nur ein allgemeiner Gedanke zum Ausdruck gebracht, dessen Anwendung auf den Gläubigerverzug nicht zu beanstanden ist. Nicht der Umstand, daß der Unternehmer zur Beseitigung des Mangels schuldnerisch verpflichtet ist, rechtfertigt die im § 634 enthaltene Vorschrift, wie die Revision meint, sondern die ganz allgemeine Erwägung, daß es sinn- und zwecklos sein würde, dem Vertragsgenossen zur Vornahme einer Handlung eine Frist zu bestimmen, obgleich die Unmöglichkeit, diese Handlung vorzunehmen, feststeht."...