RG, 19.09.1918 - VI 156/18

Daten
Fall: 
Vereinbarung zwischen Fabrikant und Angestelltem der Heeresverwaltung
Fundstellen: 
RGZ 95, 54
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.09.1918
Aktenzeichen: 
VI 156/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Köln
  • OLG Köln

Anwendung des § 826 BGB., wenn ein Fabrikant mit einem Angestellten der Heeresverwaltung vereinbart, daß dieser ihm durch seinen Einfluß unter Zurückdrängung möglicher anderer Bewerber eine Heereslieferung verschaffen soll, wogegen er den Angestellten an dem zu erwartenden Gewinne beteiligt.

Tatbestand

Die Klägerin, Inhaberin eines großen Konfektionsgeschäfts mit eigenen Werkstätten, ließ am 8. September 1914 dem 2. Immobilen Kraftwagendepot in Cöln ein Angebot zur Lieferung von Heeresausrüstungsstücken machen. Die mündliche Besprechung, die ihr Vertreter M. mit dem Oberleutnant B., dem das Depot unterstand, hatte, führte zu einem Vertragsabschluß über die Lieferung, der jedoch noch der Bestätigung durch die Intendantur in Coblenz bedurfte. Diese Bestätigung wurde indessen, und zwar, wie die Klägerin vorträgt, auf telegrafischen Widerruf des Kraftwagendepots hin, verweigert, und der Lieferungsauftrag der Beklagten zugewendet. Die Klägerin behauptet, daß sie durch die Beklagte sowie durch den bei dem Depot zur Bearbeitung der Heereslieferungen angestellten Vizewachtmeister L., der in seiner Zivilstellung Geschäftsführer der Firma A. H. in Köln war und der den Lieferungsauftrag oder eine Beteiligung daran für sich erstrebt habe, in unlauterer Weise um die Lieferung gebracht worden sei. Die Beklagte habe den L. durch Beteiligung am Gewinne - er habe 51000 M an dem Geschäfte verdient - bestimmt, sich in seiner amtlichen Stellung für die Begebung der Lieferung an die Beklagte einzusetzen, worauf dann L. den Oberleutnant V. durch die Vorspiegelung, das Angebot der Klägerin enthalte eine große Überteuerung, bewogen habe, den Auftrag an die Klägerin rückgängig zu machen und die Lieferung der Beklagten zuzuwenden. Die Klägerin berechnet den ihr entgangenen Gewinn aus dem Geschäft auf 107350 M, zu deren Zahlung sie auf Grund des § 826 BGB. die Beklagte zu verurteilen beantragt hat.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden.

Auf die Revision der Klägerin wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache in die Vorinstanz zurückverwiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

... "Die Begründung, die das Berufungsgericht seiner die Klage abweisenden Entscheidung gegeben hat, reicht nicht aus, die Entscheidung selbst zu tragen. Es legt dieser wesentlich den dem tatsächlichen Vorbringen der Klägerin entsprechenden Sachverhalt zugrunde, den es als richtig unterstellt. Danach hatte der Vorsteher des Kraftwagendepots Oberleutnant V., obwohl er vorher dem unter ihm tätigen Vizewachtmeister L. die Berücksichtigung seiner Firma H. bei der Vergebung der Lieferung in Aussicht gestellt hatte, bei der für die Lieferung gebotenen Eile dem sich am 8. September 1914 bei ihm meldenden Vertreter der Klägerin M., der sich zur Empfehlung seiner Firma auf eine für das Heeresbekleidungsamt in Münster übernommene und ausgeführte Lieferung beziehen konnte, die Lieferung übertragen und mit ihm den darauf bezüglichen Vertrag schriftlich abgeschlossen, der nur noch des Genehmigungsvermerks der Intendantur in Coblenz bedurfte. Diesen erhielt M. aber am folgenden Tage nicht, weil V. inzwischen telegraphisch die Intendantur verständigt hatte, daß das Angebot der Klägerin als zu teuer abgelehnt werde. Die veränderte Stellungnahme des Oberleutnants V. war durch das Dazwischentreten des obengenannten Vizewachtmeisters L. veranlaßt worden. Derselbe hatte danach gestrebt, für die Firma A. H., deren Teilhaber er war, die Lieferung der Mäntel übertragen zu erhalten, die er seinerseits durch die Fabrik R. & S. in Hamburg herstellen lassen wollte. Diese Firma lehnte jedoch die Verbindung mit A. H. ab, da sie mit der Beklagten in Köln in regelmäßiger Geschäftsverbindung stehe und sie nicht umgehen könne. L. trat nun am 9. September an den Mitinhaber der Beklagten, W. S., heran und erreichte, daß die Beklagte ihn zur Hälfte an dem Gewinne aus dem Geschäfte beteiligte, falls sie die Lieferung zugeteilt erhalte, und ebenso des weiteren aus allen ferneren Lieferungen, die die Beklagte für das Kraftwagendepot machen werde, wogegen L. sich erbot, als Angestellter des Kraftwagendepots zu erwirken, daß die Beklagte den Auftrag erhalte. Nunmehr bearbeitete L. den Oberleutnant V., daß der Lieferungsauftrag der Klägerin wieder entzogen und der Beklagten zugewiesen wurde, indem er ihm vorstellte, daß das Angebot der Klägerin zu teuer sei. L. hatte am Tage vorher dem M., als er von der Verhandlung mit V. kam, mitgeteilt, daß billigere Angebote eingegangen seien, worauf M. erwidert hatte, dabei könne es sich nur um Erzeugnisse der Firma R. & S. handeln, deren Fabrikat aber an Güte demjenigen der Klägerin nicht entspreche, die in der Lage sei, eine Ware wie jenes andere Fabrikat noch billiger als die Wettbewerbsfirma zu liefern. Hiervon machte L. jedoch dem V. nicht Mitteilung: er erreichte die Rückgängigmachung des Vertrags mit der Klägerin sowie den Abschluß mit der Beklagten und damit seine Beteiligung an dem Gewinne aus der Lieferung.

Die Handlungsweise des L. ist als arglistig und als wider die guten Sitten verstoßend anzusehen. Er benutzte seine dienstliche Stellung und seine Kenntnis der bei dem Kraftwagendepot eingegangenen Lieferungsangebote, um den lästigen Wettbewerber aus einem Geschäft, das mit diesem schon fertig vereinbart war und nur noch eines formellen Schlußakts bedurfte, zu verdrängen und sich selbst mit der Beklagten an die Stelle zu setzen. Er erreichte dies, indem er einseitig auf den höheren Preis der Ware der Klägerin hinwies, während es der Heeresverwaltung in erster Linie auf die Güte der Ware ankommen mußte, hinsichtlich deren er dem V. die Mitteilungen des M. verschwieg. Damit handelte er vorsätzlich zum Schaden der Klägerin, von der dabei vorauszusetzen ist, daß ohne das Dazwischentreten des L. der Lieferungsauftrag ihr nicht wieder entzogen, die Genehmigung der Intendantur erteilt worden wäre. Es war etwas ganz anderes, wenn sich L. für seine Firma A. H. offen au dem Wettbewerb beteiligt hätte, wozu ihn sein Vorgesetzter V. ja aufgefordert hatte; jetzt hat er diesen unter der Maske eines sachkundigen Beraters getäuscht; er hat verschwiegen, ja sogar auf Befragen verneint, daß er an dem Angebot selbst mit beteiligt war, und hat seine eigene Ware und sein Angebot gepriesen, das der Klägerin aber als Überteuerung der Militärverwaltung hingestellt. Er handelte damit gegen seine dienstlichen Pflichten und schädigte arglistig und vorsätzlich die Klägerin, der die Lieferung bis auf die Formalität des Genehmigungsvermerks der Intendantur schon übertragen war. Daß er dabei vielleicht auch zum Schaden der Armeeverwaltung handelte, der er eine zwar billigere aber auch schlechtere Lieferung vermittelte, nur um sich an die Stelle des Lieferanten zu setzen, und daß er auch hinterlistig, gegen den anderen Teilhaber seiner Firma A. H. vorging, indem er nicht der letzteren, sondern nur sich selbst für seine Person die Beteiligung an dem Gewinn aus dem Geschäft versprechen ließ und jenem gar keine Mitteilung von dem geschlossenen Handel machte, mag nur nebenbei erwähnt werden; für den vorliegenden Streitfall kommt es nur auf die Schädigung der Klägerin an.

Das Berufungsgericht läßt dahingestellt, ob den L. der Vorwurf unehrenhafter Handlungsweise und eines Dienstvergehens treffe; der Beklagten sei aber die Überlegung, ob L. gegen seine militärischen Dienstpflichten verstoße, nicht zuzumuten. Dem kann nicht beigetreten werden. Nach den das öffentliche und das Geschäftsleben im deutschen Volke beherrschenden sittlichen Anschauungen ist es selbstverständlich, daß ein Beamter oder eine in dienstlicher Stellung befindliche Militärperson diese Stellung nicht benutzen und mißbrauchen darf, um unter Schädigung anderer sich Vorteile zuzuwenden, auf die er keinen Anspruch hat. Der außenstehende Geschäftsmann, der in Kenntnis des Sachverhalts mit dem Beamten oder der Militärperson zur Erreichung solchen unlauteren Zieles zusammenwirkt, handelt in gleicher Weise unehrenhaft und gegen die guten Sitten. Das Verhalten der Beklagten war Teilnahme an der unehrenhaften und pflichtwidrigen Handlungsweise des L., wenn sie von dessen Stellung bei dem die Lieferung vergebenden Kraftwagendepot Kenntnis hatte. Das Berufungsgericht stellt nicht fest, noch unterstellt es, daß die Beklagte oder ihr Mitinhaber W. S. von den zwischen der Klägerin und dem Vorsteher des Depots gepflogenen Verhandlungen oder auch nur von dem Angebot der Klägerin Kenntnis hatte. Aber es nimmt an oder unterstellt, daß die Beklagte einmal wußte, daß andere Bewerber bei der Lieferung in Frage kamen, deren Wettbewerb eben beseitigt werden sollte, und ferner, daß L. Angestellter des Kraftwagendepots war; sollte er ja durch den ihm in dieser Eigenschaft zustehenden "größeren Einfluß" auf die Vergebung der Lieferungen die Entscheidung zugunsten der Beklagten herbeiführen und ihr die Lieferung unter Zurückstellung und zum Nachteil anderer Wettbewerber sichern. Ist dem so, dann hatte sie auch die mögliche Schädigung eines dritten Bewerbers durch den in unlauterer Weise geltend gemachten Einfluß des L. in ihren Willen aufgenommen, selbst wenn sie über den besonderen Sachverhalt hinsichtlich der einzelnen Bewerbungen nicht unterrichtet war, und der Tatbestand des § 826 BGB ist gegeben.

Es ist deshalb nicht zu billigen, daß das Berufungsgericht ohne Sonderung der festgestellten Tatsachen von der durch die Klägerin gegebenen Sachdarstellung, deren Wahrheit es unterstellt, schlechthin eine Handlungsweise gegen die guten Sitten auf Seite der Beklagten verneint. Es kommt vielmehr auf die Feststellungen an, einmal, ob der Klägerin ohne das Dazwischentreten des L., das auf Grund seiner Vereinbarung mit der Beklagten unter Geltendmachung seines Einflusses auf den Oberleutnant V. erfolgte, die Lieferung zugewendet worden wäre, was die Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin bildet, und ferner, ob der Vertreter der Beklagten W. S. diese unlautere Geltendmachung des Einflusses des L. und die damit gegebene Schädigung dritter Bewerber, auch möglicherweise solcher, denen gegenüber die Militärverwaltung nicht mehr in jeder Hinsicht frei war und denen sie bereits, wenngleich ohne bindenden Abschluß, Zusagen für die Lieferung gemacht hatte, billigte und in seinen Willen aufgenommen hatte."