Vertretung, §§ 164 ff. BGB

Die Vertretung (auch Stellvertretung1) nach §§ 164 ff. BGB ist das rechtsgeschäftliche Handeln anstelle eines anderen. Sie ist innerhalb des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1. Buch, §§ 1 – 240 BGB) unter dem Abschnitt der Rechtsgeschäfte (3. Abschnitt, §§ 104 – 185 BGB) eingeordnet und wird in den §§ 164 – 184 BGB (5. Titel, Vertretung und Vollmacht) geregelt.

Inhaltsverzeichnis 

1. Allgemeines zur Vertretung

1.1. Funktionsweise der Vertretung

Der Vertreter handelt für den Vertretenen. Dabei kann er entweder eine Willenserklärung für diesen abgeben (Aktivvertretung, § 164 I BGB) oder aber entgegennehmen (Passivvertretung, § 164 III BGB). In beiden Fällen sollen die Rechtsfolgen nicht den Vertreter, sondern den Vertretenen treffen; nur dieser wird aus dem Rechtsgeschäft unmittelbar berechtigt und verpflichtet, vgl. § 164 I 1 BGB.

Der Anwendungsbereich der Vertretung erstreckt sich auf Rechtsgeschäfte sowie auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen2; nicht hingegen auf Realakte wie dem Besitzerwerb (§ 854 BGB), der Besitzaufgabe (§ 856 BGB) oder der Verarbeitung einer Sache (§ 950 BGB).3

1.2. Gesetzliche Vertretung

Es ist zwischen der gesetzlichen und gewillkürten Vertretung zu differenzieren. Bei der gesetzlichen Vertretung muss sich der Vertretene kraft eines Gesetzes vertreten lassen:

  • Bei nicht oder nicht voll geschäftsfähigen natürlichen Personen etwa das Kind von den Eltern (§ 1629 I BGB), das Mündel vom Vormund (§ 1793), der Betreute vom Betreuer (§ 1902 BGB), der Pflegebefohlene vom Pfleger (§ 1915 BGB);
  • bei juristischen Personen etwa der e. V. (§ 26 I BGB) oder die AG (§ 78 I AktG) vom Vorstand, die GmbH von den Geschäftsführern (35 I GmbHG);
  • bei Personengesellschaften4 etwa die GbR (§ 714 BGB) oder oHG (§ 125 I HGB) vom Gesellschafter.

Während die gesetzliche Vertretung bei geschäftsunfähigen natürlichen, ggf. handlungsfähigen Personen eine Schutzfunktion hat, wären rechtsfähige juristische Personen ohne ihre vertretungsberechtigten Organe gar nicht in der Lage im Rechtsverkehr Handlungen vorzunehmen (organschaftliche Vertretung). Fällt der gesetzliche Vertreter aus, muss Ersatz bestellt werden:

  • Für das elternlose Kind ein Vormund (§§ 1773, 1774 BGB),
  • für den fehlenden Vereinsvorstand ein Notvorstand (§ 29 BGB),
  • bei Führungslosigkeit in der AG der Aufsichtsrat (§ 78 I 2 AktG) und in der GmbH die Gesellschafter (§ 35 I 2 GmbHG).

1.3. Gewillkürte Vertretung

Will sich hingegen eine Person vertreten lassen, obwohl sie rechtsgeschäftlich handeln kann, spricht man von einer gewillkürten Vertretung. Dies kann – sowohl im Privat- als auch im Geschäftsleben – zum Beispiel aus Gründen der Praktikabilität erfolgen: Weder der geschäftige Privat- noch Kaufmann kann an mehreren Orten gleichzeitig sein und alle Rechtsgeschäfte selbst vornehmen. Das BGB lässt daher im Gegenzug zur gesetzlich zwingenden Vertretung auch eine freiwillige rechtsgeschäftliche Vertretung nach den §§ 164 ff. BGB zu. Darüber hinaus stellt das HGB besondere Regelungen für die Bevollmächtigung im kaufmännischen Verkehr zur Verfügung: Die Prokura (§§ 48 ff. HGB) sowie die Handlungsvollmacht (§§ 54 ff. HGB).

1.4. Voraussetzungen der Vertretung

1.4.1. Aktivvertretung

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der aktiven Stellvertretung, also der Abgabe einer Willenserklärung für den Vertretenen, sind in § 164 I 1 Teilsatz 2 BGB normiert:

Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt [...].

Daraus geht hervor, dass

  1. eine Willenserklärung abgegeben werden muss (sog. Repräsentationsprinzip),
  2. innerhalb der Vertretungsmacht (beachte Abstraktionsprinzip5),
  3. im Namen des Vertretenen (sog. Offenkundigkeitsprinzip6).

Notwendig ist darüber hinaus, als nicht-tatbestandliche Vorprüfung7, die Zulässigkeit der Vertretung: Denn grundsätzlich ist die Vertretung bei allen Rechtsgeschäften und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen zulässig; ausnahmsweise ist sie jedoch bei höchstpersönlichen Rechtsgeschäften unzulässig, etwa bei

  • der persönlichen Erklärung während der Eheschließung gemäß § 1311 BGB,
  • der persönlichen Anfechtung gemäß § 1600a I BGB,
  • der Einwilligungserklärung gemäß § 1750 III BGB,
  • der persönlichen Errichtung des Testaments gemäß § 2064 BGB,
  • der persönlichen Schließung des Erbvertrags gemäß § 2274 BGB.

Neben diesem Ausschluss kraft Gesetztes, kann die Vertretung auch vertraglich ausgeschlossen sein.8

1.4.2. Passivvertretung

Bei der passiven Stellvertretung, also der Annahme einer Willenserklärung für den Vertretenen, gilt nach § 164 III BGB selbiges wie in Absatz 1:

Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.

In einem solchen Fall ist somit lediglich unter dem obigen Prüfungspunkt 1. nicht die Abgabe, sondern die Annahme einer Willenserklärung zu prüfen; der Rest des Prüfungsschemas wird nicht verändernd tangiert.

1.4.3. Rechtsfolge

Die Rechtsfolge (für beide Vertretungsarten, die aktive wie passive Stellvertretung) wird im 3. Teilsatz der selbigen Norm, § 164 I 1 BGB, angeführt:

Eine Willenserklärung [...] wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen.

Kauft beispielsweise B in Vertretung für A beim Autohändler Z einen Wagen für 10.000 €, so hat A einen Lieferanspruch nach § 433 I 1 BGB gegen Z und Z wiederum einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB gegen A. Auf die Rechte und Pflichten des B hat der Kauf hingegen keinerlei Wirkung.

2. Abgrenzungen der Vertretung zu anderen Formen

2.1. Mittelbarer Vertreter

Der mittelbare Vertreter9 handelt ebenfalls im fremden Interesse, jedoch – anders als der Vertreter – im eigenen Namen. Dem Vertragspartner wird nicht offensichtlich, dass noch ein Auftraggeber hinter seinem Vertragspartner (dem mittelbaren Vertreter) stehen könnte. Man spricht insoweit auch von einer verdeckten Vertretung. Konsequenterweise – das heißt, vor allem zur Wahrung der Rechtssicherheit für den Vertragspartner – wird bei Vertragsschließung nicht der vertretene Auftraggeber, sondern der mittelbare Vertreter selbst Vertragspartei. Ansprüche sind daher gegen ihn zu richten. Ein Beispiel eines mittelbaren Vertreters ist der Kommissionär: Nach § 383 I HGB ist Kommissionär, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen.

2.2. Bote

Der Bote10 gibt keine (eigene) Willenserklärung ab oder nimmt eine solche an, wie es beim Vertreter nach § 164 I 1 BGB (Abgabe) und § 164 III BGB (Annahme) der Fall ist, sonder er überbringt (Erklärungsbote) sie oder nimmt sie entgegen (Empfangsbote). Weil ein Erklärungswillen damit fehlt, bedarf der Bote – anders als der Vertreter – auch keiner Geschäftsfähigkeit.11 Das Vorliegen der Botenschaft bestimmt sich dabei nach dem äußeren Auftreten des Handelnden aus der Perspektive des Geschäftsgegners, also nach dem für die Stellvertretung geltenden Offenkundigkeitsprinzip.12 Folgt man einer veralteten Auffassung13, sei das Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und der Mittelsperson entscheidend, also die Ermächtigung des Mittlers vom Herren eine Willenserklärung abzugeben (Stellvertretung) oder lediglich zu überbringen (Botenschaft).

2.3. Wissensvertreter

Der Wissensvertreter ist eine Person, die vom Geschäftsherrn – ohne als Vertreter am Rechtsgeschäft mitzuwirken – mit der eigenständigen Wahrnehmung von Aufgaben innerhalb seiner Organisation oder seines Geschäftskreises betraut ist. Dessen Wissen – nicht das rechtsgeschäftliche Handeln – wird dem Vertretenen nach § 166 I BGB analog zugerechnet.14

2.4. Abschlussvermittler

Der Abschlussvermittler vermittelt für einen anderen ein Rechtsgeschäft mit einem Dritten. Vermitteln heißt hierbei nicht die Vornahme des eigentlichen Vertragsschlusses, sondern nur dessen Förderung. Er gibt also weder eine Willenserklärung ab noch handelt er im fremden Namen oder gar mit Vertretungsmacht; keine der Vertretungsvoraussetzungen liegt damit vor. Beispiele hierfür sind der Makler (§§ 652 ff. BGB) und der Handelsmakler (§§ 93 ff. HGB). Unter Umständen muss sich der Auftraggeber des Abschlussvermittlers dessen Handeln zurechnen lassen, etwa bei culpa in contrahendo (§ 311 II BGB) über § 278 BGB oder bei arglistiger Täuschung (§ 123 BGB).

2.5. Verhandlungsgehilfe

Ähnlich dem Abschlussvermittler, beschränkt sich der Wirkungskreis des Verhandlungsgehilfen auf Akte vor dem eigentlichen Vertragsabschluss. Er fördert die Verhandlungen ohne zum Vertragsabschluss berechtigt zu sein. Auch hier liegt damit keine der Voraussetzungen für eine Vertretung vor. Dennoch muss sich auch hier unter Umständen der Auftraggeber das Handeln seines Verhandlungsgehilfen zurechnen lassen, etwa bei culpa in contrahendo (§ 311 II BGB) über § 278 BGB oder bei arglistiger Täuschung (§ 123 BGB). Der Geschäftsherr muss sich auch das Wissen, das diese Person im Rahmen ihrer Tätigkeit erlangt, zurechnen lassen.15

2.6. Treuhänder

Der Treuhänder übt die Rechtsmacht über Vermögensgegenstände aus, die ihm „zu treuen Händen“ übertragen worden sind.16 Handelt der Treuhänder im eigenen Interesse (z. B. bei der Sicherungsübereignung und der Sicherungszession) spricht man von einer eigennützigen Treuhand; ist das Treuhandverhältnis auf die Interessen des Treugebers abgestellt (z. B. bei einer Verwaltungstreuhand), liegt eine fremdnützige Treuhand vor.17 Hinsichtlich des Treugutes ist der Treuhänder nicht als Vertreter tätig, er handelt vielmehr im eigenen Namen.

2.7. Gesetzliche Vermögensverwalter

Gesetzliche Vermögensverwalter, wie etwa der Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder Insolvenzverwalter, sind zwar ebenfalls Vertreter, jedoch keine gewillkürten, sondern gesetzliche.18 Ihre Vertretungsmacht bestimmt sich nach den entsprechenden gesetzlichen Regelungen.

3. Voraussetzungen der Vertretung im Einzelnen

3.1. Abgabe oder Annahme einer Willenserklärung

3.1.1. Vertreter als Zentralfigur

Der Vertreter ist das autonome Bindeglied zwischen dem Vertretenen und dem Geschäftspartner. Er gibt eine eigene Willenserklärung ab oder nimmt eine solche an, die Rechtswirkung trifft dabei den Vertretenen. Dafür muss der Vertreter geschäftsfähig sein;19 oder – da ihn die Rechtswirkung der Vertretung nicht trifft – zumindest beschränkt geschäftsfähig (§ 165 BGB). Auch ist er – und nicht der Vertretene – für die Auslegung eines Angebots vom Geschäftspartner maßgeblich. Selbiges gilt gemäß § 166 I BGB für Willensmängel. Demgemäß berechtigt nur ein Anfechtungsgrund auf der Seite des Vertreters zu einer Anfechtung, obschon das Anfechtungsrecht dem Vertretenen wegen seiner Bindung zum Rechtsgeschäft zusteht. Der Vertreter kann seine Erklärung nur dann anfechten, wenn er die entsprechenden Vertretungsmacht hierfür besitzt – was durch Auslegung zu ermitteln ist.20

3.1.2. Wissenszurechnung

In § 166 I BGB heißt es:

§ 166 BGB Willensmängel; Wissenszurechnung
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.

Wer sich daher eines Vertreters bedient, „muss es im schutzwürdigen Interesse des Adressaten hinnehmen, dass ihm die Kenntnis des Vertreters als eigene zugerechnet wird, kann sich also nicht auf eigene Unkenntnis berufen.“21 Dies kann etwa der Fall sein bei:

  • § 116 S. 2 BGB (Kenntnis vom geheimen Vorbehalt),
  • § 117 I BGB (Einverständnis mit dem Scheingeschäft),
  • § 138 BGB (Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände),
  • § 442 I 1 BGB (Kenntnis des Mangels),
  • §§ 932 ff., 892 BGB (beim gutgläubigen Erwerb).

Damit ein bösgläubiger Vollmachtgeber nicht die Gutgläubigkeit seines Vertreters ausnutzen kann, gilt § 166 II BGB als Einschränkung:

§ 166 BGB Willensmängel; Wissenszurechnung
(1) ...
(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

Hierbei wird der Begriff der Weisung zum Schutze der Betroffenen extensiv ausgelegt. Ausreichend ist dafür schon die Kenntnis des Vertretenen vom vorzunehmenden Geschäft ohne einzugreifen, obwohl er könnte.22

Bringt der Gegner den Vollmachtgeber durch arglistige Täuschung dazu, den Bevollmächtigten zum Abschluss eines bestimmten Geschäfts anzuweisen, so ist die Erteilung der Weisung an den Bevollmächtigten von Willensmängeln beeinflusst, die nicht von § 166 II BGB umschlossen sind. Hierbei könnte nun das Vertretergeschäft nicht nach § 123 BGB angefochten werden, weil es nach § 166 I BGB bei Willensmängeln auf die Person des Vertreters ankommt und dieser nicht getäuscht worden ist. Der Rechtsgedanke des § 166 II BGB ermöglicht hier jedoch, diese Vorschrift auch zum Schutz des Vollmachtgebers anzuwenden, sodass dieser den Willensmangel auch gegenüber dem Vertretergeschäft geltend machen, also nach § 123 BGB anfechten kann.23

Sind mehrere Personen vertretungsberechtigt, wie beispielsweise regelmäßig bei juristischen Personen, ist es bereits ausreichend, dass unabhängig von der Mitwirkung nur einer über die Kenntnis eines Mangels verfügt. Die juristische Person muss sich fernerhin auch das Wissen ausgeschiedener oder verstorbener Organmitglieder zurechnen lassen, weil der Vertragspartner aus der strukturellen Besonderheit der juristischen Person, insbesondere dem Wechsel der Vertretungsberechtigten, keinen Nachteil erleiden soll.24 Die Wissenszurechnung soll dem Schutz des Rechtsverkehrs dienen, welcher wiederum verlangt, dass derjenige, der es mit einer Organisation, wie etwa einer Bank, zu tun hat, grundsätzlich nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden darf als derjenige, der einer natürlichen Person gegenübersteht.25 Die Fortdauer der Wissenzurechnung – über das Ausscheiden eines Organvertreters hinaus – wird wesentlich davon abhängig gemacht, ob es sich um typischerweise aktenmäßig festgehaltenes Wissen handelt26, also um geschäfts- und organisationsrelevante Informationen, die zu dokumentieren und dauerhaft27 zu speichern sind. Hat die Organisation alle nötigen Vorkehrungen hierfür getroffen und ist dennoch durch ein Verschulden eines Mitarbeiters Wissen verloren gegangen, so scheidet in diesem Fall eine Wissenszurechnung aus.28 Ob sich eine handelnde Person innerhalb der Organisation gespeichertes Wissen wie eigenes zurechnen lassen muss, ist vom jeweiligen Anlass und einer sich gegebenfalls daraus ergebenden Informationsbeschaffungspflicht abhängig.29

3.2. Vertretungsmacht

3.2.1. Vollmacht

3.2.1.1. Allgemeines

Eine Vollmacht ist gemäß der Legaldefinition in § 166 II BGB eine durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht. Die Erteilung der Vollmacht erfolgt nach § 167 I BGB durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden (Innenvollmacht) oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll (Außenvollmacht). Darüber hinaus kann sie im Sinne des § 171 I Alt. 2 BGB als Erklärung an die Öffentlichkeit erfolgen (öffentlich kundgegebene Vollmacht), etwa als Aushang, auf einer Website oder in einer Zeitung. Die Erklärung bedarf dabei nach § 167 II BGB grundsätzlich keiner Form; die Bevollmächtigung kann etwa durch Aushändigung einer Vollmachtsurkunde ausdrücklich oder etwa durch die Übertragung von Vollmacht voraussetzenden Aufgaben stillschweigend erfolgen. Auf die Erteilung der Vollmacht finden die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit (§§ 104–113 BGB) und die Willenserklärung (§§ 116–144 BGB) Anwendung; ein Geschäftsunfähiger kann mithin kein tauglicher Vollmachtnehmer sein, ein beschränkt Geschäftsfähiger ohne die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nur bei einer lediglich rechtlich vorteilhaften Bevollmächtigung. Nach § 168 BGB bestimmt sich das Erlöschen der Vollmacht nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis; sie ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus diesem ein anderes ergibt. Wurde die Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt, bleibt sie gemäß § 170 BGB diesem gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird. Bei einer öffentlich kundgegebenen Vollmacht erfolgt der Widerruf gemäß § 171 II BGB in derselben öffentlichen Weise.

3.2.1.2. Erteilung

3.2.1.2.1. Einseitig

Die Erteilung der Vollmacht erfolgt durch ein einseitiges Rechtsgeschäft. Sie ist auch dann einseitig, wenn das Vertretergeschäft selbst ein zweiseitiges ist oder die Bevollmächtigung mit einem Vertrag über das Innenverhältnis zusammentrifft.30 Die Wirksamkeit der Bevollmächtigung bedarf folglich keiner Annahmeerklärung.31 Sie ist gleichwohl empfangsbedürftig und wird damit erst mit dem Zugang wirksam (§ 130 BGB).

3.2.1.2.2. Konkludent

Wie sich aus den niedrigen Anforderungen an die Formbedürftigkeit aus § 167 II BGB herleiten lässt, kann die Vollmacht wie auch andere formunabhängige Willenserklärung stillschweigend durch schlüssiges Handeln (konkludent) erteilt werden.32 In der Regel liegt eine solche konkludente Vollmachterteilung bei der Übertragung von Aufgaben, deren ordnungsgemäße Erfüllung eine bestimmte Vollmacht erfordert, bei der Übertragung der Geschäftsführung oder Überlassung von Legitimationsmitteln vor.33

3.2.1.2.3. Kausal

Die Vollmacht wird in der Regel aufgrund eines zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten bestehenden Grundgeschäfts erteilt, das beispielsweise als ein Auftrags- (§ 662 BGB), ein Dienst- (§ 611 BGB), ein Geschäftsbesorgungs- (§ 675 BGB) oder ein Gesellschaftsverhältnis ausgestaltet sein kann. Eine solche vom Grundgeschäft abgeleitete Vollmacht bezeichnet man als kausale Vollmacht. Trotz dieser Ableitung sind jedoch Grundgeschäft und Vollmacht abstrakt34 zu betrachten (sog. Abstraktionsprinzip). Bei der Vertretung spiegelt das Grundgeschäft das rechtliche Dürfen des Bevollmächtigten im Innenverhältnis zum Vollmachtgeber wider, die Vollmacht hingegen das rechtliche Können des Bevollmächtigten im Außenverhältnis zu einem Dritten. Vollmacht und Grundgeschäft bedingen und tangieren nicht einander – dies gilt auch für Mängel.

Das Grundgeschäft und die Vollmacht können jedoch im Einzelfall eine Geschäftseinheit im Sinne des § 139 BGB bilden.35 In einem solchen Fall ist bei Nichtigkeit des Grundgeschäfts auch die Vollmachterteilung nichtig – oder umgekehrt. Auch kann dann eine Fehleridentität oder ferner eine Rechtsscheinvollmacht vorliegen.36

3.2.1.2.4. Isoliert

Wird die Vollmacht ohne das Bestehen eines Grundgeschäfts erteilt, bezeichnet man sie als isolierte Vollmacht. Dies stellt einen Ausnahmefall dar und kommt vor allem dann in Betracht, wenn es sich bei dem Grundgeschäft um ein Gefälligkeitsverhältnis handelt oder etwa bei Erteilung einer Generalvollmacht.37

Häufiger und unfreiwillig liegt eine isolierte Vollmacht bei einem Mangel des Grundgeschäfts vor, da wegen des Abstraktionsprinzips die Nichtigkeit des Grundgeschäfts die Vollmacht grundsätzlich38 unberührt lässt.

3.2.1.2.5. Form

Die Erteilung der Vollmacht ist nach § § 167 II BGB grundsätzlich formfrei – selbst dann, wenn für das Vollmacht nutzende Vertretergeschäft eine Form vorgeschrieben ist. Allerdings gelten für diesen Grundsatz auch Ausnahmen. Die Literatur tritt teilweise für eine extensive, generelle Erstreckung aller Formvorschriften mit Warnfunktion auf die Erteilung der Vollmacht ein.39 Daran angelehnt nimmt die Rechtsprechung, sofern der Formzweck einer Norm eine Warn- und Schutzfunktion inne hat, eine teleologische Reduktion des § 167 II BGB und seiner Formfreiheit vor.40

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz der Formfreiheit besteht etwa dann, wenn die Vollmacht integrierter Bestandteil eines beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäfts oder mit diesem anderweitig eng verbunden ist; in solchen Fällen erstreckt sich die Beurkundungspflicht auf den gesamten Vertrag, mithin auf die Vollmacht.41 Es gilt die allgemeine, fallunabhängige Formel: Die Vollmacht bedarf dann der Form des Vertretergeschäfts, wenn der Schutzzweck der betreffenden Norm es erfordert.42

So muss bei einem Grundstückskauf, der nach § 311b I 1 BGB beurkundungsbedürftig ist, eine Vollmacht notariell beurkundet sein, wenn sie unwiderruflich sein soll oder für den Fall des Widerrufs eine Vertragsstrafe vereinbart ist.43 Das Schriftformerfordernis der Bürgschaftserklärung nach § 766 BGB fordert, um der Warn- und Schutzfunktion von Formvorschriften zu entsprechen, gleichsam die Vollmacht zum Abschluss eines Bürgerschaftsvertrages einem Schriftformerfordernis zu unterstellen.44 Bei Verbraucherdarlehensverträgen war ein Formerfordernis der Vollmacht lange umstritten;45 der Gesetzgeber hat darauf den Streit durch § 492 IV BGB entschieden, wonach die Absätze 1 und 2 des § 492 BGB auch für die Vollmacht, die ein Darlehensnehmer zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags erteilt, gelten. Darüber hinaus wird die Formfreiheit des § 167 II BGB durch einige gesetzliche Vorschriften, wie die §§ 1484 II, 1751a II, 1770, 1945 III 1, 1955 BGB sowie § 12 II HGB, §§ 2 II, 47 III GmbHG eingeschränkt. Auch kann die grundsätzliche Formfreiheit rechtsgeschäftlich dahingehend abbedungen werden, dass die Formbedürftigkeit der Vollmachtserteilung vereinbart wird.46

3.2.1.3. Erlöschen

Die Vollmacht erlischt in folgenden Fällen:

  • bei Verbrauch (z. B. bei der Vornahme eines ganz bestimmten Geschäfts, einer sog. Spezialvollmacht), bei Zweckerreichung, bei Zweckwegfall, bei Befristung oder bei Eintritt einer auflösenden Bedingung;
  • wenn gemäß § 168 S. 1 BGB das nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis erlischt, also das Innenverhältnis beendet47 wurde, etwa bei Beendigung des Auftrags (§ 662 BGB);
  • durch einseitigen Verzicht des Bevollmächtigten gegenüber dem Vollmachtgeber;
  • durch Widerruf der Vollmacht durch den Vollmachtgeber nach § 168 S. 2, 3 BGB i. V. m. § 167 I BGB; bei einer unwiderruflichen Vollmacht erfolgt der Widerruf bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – sofern jedoch kein Innenverhältnis zugrunde liegt, ist ein wichtiger Grund nicht nötig48;
  • bei Tod oder Geschäftsunfähigkeit49 des Bevollmächtigten (etwa nach § 673 BGB i. V. m. § 168 S. 1 BGB), da die Vollmachterteilung regelmäßig Ausdruck eines besonderen Vertrauens gegenüber einer bestimmten Person ist; Erben50 oder Betreuer können demnach nicht Nachfolger des Bevollmächtigten werden.

Bei Tod und Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers erlischt demgegenüber die Vollmacht nicht zwangsläufig, um dem Geschäftsgang keinen Schaden zuzufügen. So gilt dies beispielsweise für den Geschäftsbesorgungsvertrag §§ 672 S. 1, 675 BGB oder die Prokura § 52 III HGB.

3.2.1.4. Anfechtung

Hat die Willenserklärung zur Erteilung der Vollmacht Mängel, gelten die allgemeinen Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit (§§ 104–113 BGB) und zur Willenserklärung (§§ 116–144 BGB). Bei der Außenvollmacht erfolgt die Anfechtung der Vollmachtserklärung gegenüber dem Dritten. Eine Anfechtung einer Innenvollmacht ist hingegen problematischer.

Teilweise wird die Möglichkeit einer Innenvollmachtsanfechtung mit dem Argument verneint, dass dem Geschäftsgegner die Mängel der Vollmacht, soweit sie nicht gleichzeitig das Vertretergeschäft beeinflussten, nichts angingen.51 Eine andere, überwiegende Ansicht will den Schutz des Geschäftsgegners, trotz Anfechtung, anderweitig erreichen: Der Anfechtungsgegner ist bei der Innenvollmacht gemäß § 143 III 1 BGB grundsätzlich der Bevollmächtigte; hat dieser von seiner Vollmacht bereits Gebrauch gemacht („betätigte Vollmacht“), so zielt die Anfechtung nicht nur auf (rückwirkende, § 142 I BGB) Beseitigung der Vollmacht, sondern wirtschaftlich betrachtet auch auf die Beseitigung der Bindung an das Vertretergeschäft (§ 177 BGB)52; hat der Geschäftsgegner ein Interesse daran, so ist dann die Anfechtung nach einer Ansicht53 nur gegenüber dem Geschäftsgegner, nach einer anderen Ansicht54 auch gegenüber dem Geschäftsgegner zu erklären. Da die Anfechtung bewirkt, dass sich der Vollmachtgeber aus dem Vertrag mit dem Geschäftsgegner löst, steht diesem einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gemäß § 122 BGB (im Falle der Irrtumsanfechtung) zu.55 Die hierbei zum Einsatz kommenden Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht sind abschließend ebenfalls zu beachten (s.u.).

3.2.1.5. Umfang

Da die Vollmacht eine gewillkürte Vertretungsform darstellt, bestimmt sich der Umfang ihrer Vertretungsmacht auch nach dem Willen des Vollmachtgebers. Bestehen Zweifel über den Umfang, so ist dieser durch Auslegung dahingehend zu ermitteln, wie der Erklärungsempfänger das Verhalten des Vollmachtgebers verstehen durfte.

3.2.1.5.1. Innenvollmacht

Bei der Innenvollmacht – also der kausalen, internen Erteilung der Vollmacht nach § 167 I BGB von Vollmachtgeber zu Bevollmächtigtem – kommt es demnach im Falle einer Auslegung auf den Empfängerhorizont des Bevollmächtigten an. Das Vollmacht vermittelnde Grundgeschäft umfasst lediglich das rechtliche Dürfen, also den zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem rechtsgeschäftlich geregelten Rahmen der Vertretung. Die Vollmacht selbst deckt hingegen das rechtliche Können, also die externe Handlungsmöglichkeit des Bevollmächtigten mit einem Dritten (Geschäftspartner), ab. Der äußere Umfang der Vollmacht kann damit größer als der innere sein.

3.2.1.5.2. Außenvollmacht

Bei der Auslegung einer Außenvollmacht oder einer (zur Vorlage beim Geschäftsgegner bestimmten) Vollmachtsurkunde kommt es – im Gegensatz zur Innenvollmacht – auf den Empfängerhorizont des Geschäftsgegners an.56 Dabei können Inhalt und Zweck des zugrundeliegenden Geschäfts mitberücksichtigt werden; allerdings dürfen nur solche Umstände herangezogen werden, die demjenigen, dem gegenüber von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird, bekannt sind.57 Dies kann dazu führen, dass eine Vollmachtsurkunde entgegen ihrem Wortlaut einschränkend auszulegen ist, insbesondere aber sich die Auslegung am Maßstab von Treu und Glauben (§ 157 BGB) auszurichten hat, sodass eine verkehrstypische Vollmacht im Zweifel einen verkehrsüblichen Umfang besitzt.58

3.2.1.5.3. Spezialvollmacht

Beschränkt der Vollmachtgeber die Vollmacht auf ein bestimmtes Geschäft, so liegt eine Spezialvollmacht vor. Dies kann etwa bei dem Verkauf eines bestimmten Grundstücks der Fall sein.

3.2.1.5.4. Gattungsvollmacht

Eine Gattungsvollmacht liegt vor, wenn sich der Umfang der Vollmacht auf eine bestimmte Gattung oder Art von Rechtsgeschäften erstreckt. Für Kaufleute sind Gattungsvollmachten im Interesse des Vertrauensschutzes in §§ 54, 56 HGB typisiert worden.

3.2.1.5.5. Generalvollmacht

Eine Generalvollmacht ist eine unbeschränkte Vollmacht, die zur Vertretung bei allen Rechtsgeschäften berechtigt. Wegen der weitreichenden Folgen einer solchen Vollmacht, sind Wille und Umfang der Generalität besonders zu prüfen. So erstreckt sich die Generalvollmacht regelmäßig nicht auf nichtvermögensrechtliche Rechtsgeschäfte wie z. B. dem Beitritt zu einem Idealverein.59 Selbiges gilt bei völlig außergewöhnlichen oder offenkundig nachteiligen Geschäften für den Geschäftsherrn. Eine begrenzte Generalvollmacht stellt die Prokura dar (§§ 49, 50 HGB).

3.2.1.5.6. Prozessvollmacht

Die Prozessvollmacht ist die dem Prozessbevollmächtigten erteilte Vertretungsmacht im Prozess, die nach § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen ermächtigt. Neben prozessualen Erklärungen sind auch materiell-rechtliche Willenserklärungen, die sich auf den Gegenstand des Rechtsstreits beziehen, weil sie zur Rechtsverfolgung innerhalb des Prozessziels oder zur Rechtsverteidigung dienen, davon eingeschlossen.60 Dies gilt auch dann, wenn die entsprechende Erklärung außerhalb des Prozesses abgegeben wird.61

3.2.1.5.7. Untervollmacht

Eine Untervollmacht liegt vor, wenn sich der Bevollmächtigte (Hauptvertreter) mittels einer Untervollmacht im Namen und mit Vertretungsmacht unmittelbar für den Geschäftsherrn eines Unterbevollmächtigten (Untervertreters) bedient. Der Unterbevollmächtigte kann somit Rechtswirkungen für und gegen den Vertretenen herbeiführen und ist nur dessen Vertreter, nicht jedoch des Hauptvertreters. Die Befugnis zur Erteilung der Untervollmacht ist nicht grundsätzlich gegeben, sondern hängt vom Willen des Geschäftsherrn ab. Ist die Möglichkeit einer Unterbevollmächtigung nicht ausdrücklich bestimmt, so kann sie sich stillschweigend ergeben. Dafür ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Geschäftsherr aufgrund eines besonderen Vertrauens ein erkennbares Interesse an der persönlichen Wahrnehmung der Vertretungsmacht durch den Bevollmächtigten hat.62 Wenn dies af­fir­mie­rt werden kann, ist die Befugnis zur Erteilung einer Untervollmacht ausgeschlossen. Erteilt der Bevollmächtigte dennoch eine Untervollmacht, handelt er als Vertreter ohne Vertretungsmacht.63 Der Umfang der Untervollmacht wird wiederum vom Hauptvertreter bestimmt und kann genauso umfassend oder enger als seine eigene Bevollmächtigung sein, nicht jedoch weiter.64 Eine Prokura ist nach § 52 II HGB, eine Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) ist nach § 58 HGB nicht ohne die Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäftes übertragbar.

3.2.1.5.8. Gesamtvollmacht

Eine Gesamtvollmacht liegt vor, wenn der Vollmachtgeber mehrere Personen bevollmächtigt. Sind die Vertreter nur gemeinsam befugt, den Geschäftsherrn zu vertreten, so liegt als Unterform eine Gesamtvertretung65 vor. Ist jeder einzelne der vom Vollmachtgeber bevollmächtigten Personen zu seiner Vertretung berechtigt, so liegt eine Alleinvertretung66 vor. Sofern aus der Bevollmächtigungserklärung des Vollmachtgebers keine eindeutige Unterform hervorgeht, ist sie durch Auslegung zu ermitteln. Gesetzliche Regelungen zur Gesamtvertretung finden sich in §§ 709 ff, 1629 BGB, §§ 48 II, 125 II, 150 HGB, § 78 II AktG, § 35 II 2 GmbHG, § 25 I 1 GenG.

3.2.1.5.9. Transmortale Vollmacht

Bei einer transmortalen Vollmacht gilt die Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus. So gilt dies etwa für den Geschäftsbesorgungsvertrag §§ 672 S. 1, 675 BGB oder die Prokura § 52 III HGB.67

3.2.1.5.10. Postmortale Vollmacht

Eine postmortale Vollmacht gilt im Todesfall des Vollmachtgebers. Dies ermöglicht, dass nach dem Tod Angelegenheiten besorgt werden können.68 Aus den dann vom Bevollmächtigten vorgenommenen Rechtsgeschäften werden die Erben des Vollmachtgebers, deren Kenntnis vom Vorhandensein einer solchen postmortalen Vollmacht nicht erforderlich ist, berechtigt und verpflichtet.69 Sie haben jedoch die Möglichkeit, die Vollmacht zu widerrufen.70

3.2.1.5.11. Verdrängende Vollmacht

Eine verdrängende Vollmacht, die den Vollmachtgeber im Geltungsbereich der Vollmacht keine eigenen Geschäfte mehr vornehmen lässt, kann nicht erteilt werden. Der Vollmachtgeber kann sich lediglich im Sinne des § 137 BGB dazu verpflichten.71

3.2.2. Rechtsscheinvollmacht

Hat der Vollmachtgeber dem Vertreter keine Vollmacht erteilt, ist diese unwirksam, ist sie angefochten oder widerrufen worden, so kann er grundsätzlich nicht durch ein Rechtsgeschäft des Vertreters ohne Vertretungsmacht verpflichtet werden. Der Schutz des Geschäftsgegeners, der auf das Bestehen einer Vollmacht vertraut, wird dabei durch § 179 BGB gewährleistet. Das Risiko des vollmachtlosen Handelns trägt folglich grundsätzlich der Vertreter.72

Hat hingegen der Vertretene eine Außenvollmacht erklärt (§ 170 BGB), eine erteilte Innenvollmacht mitgeteilt oder öffentlich bekanntgemacht (§ 171 BGB), oder eine Vollmachtsurkunde ausgestellt (§ 172 BGB), so hat er dadurch einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der zur Wahrung des Verkehrsschutzes bestehen bleibt, wenn und solange nicht den Anforderungen der §§ 170–172 BGB entsprochen wird.

Der Vertretene muss sich den durch ihn schuldhaft gesetzten Rechtsschein zurechnen lassen, sofern der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen durfte und von ihr ausgegangen ist.73 Dies umschreibt der Begriff der Rechtsscheinvollmacht74.

Die §§ 170–172 BGB stellen dabei nur die gesetzlich geregelten Fälle der Rechtsscheinvollmacht dar. Darüber hinaus ergänzen die von der Rechtsprechung entwickelte Duldungs- und Anscheinsvollmacht die Rechtsscheinhaftung.

3.2.2.1. Gesetzliche Rechtsscheinvollmacht

3.2.2.1.1. § 170 BGB: Fortbestand einer Außenvollmacht

Nach § 170 BGB bleibt die Vollmacht im Falle der Erklärung gegenüber einem Dritten solange in Kraft, bis diesem das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird – denn von einem Erlöschen der Vollmacht durch Widerruf gegenüber dem Bevollmächtigten (§ 168 S. 3 BGB) kann er regelmäßig keine Kenntnis erlangen. Zum Wirksamwerden muss die Anzeige dem Dritten zugehen, sie ist jedoch keine Willenserklärung, sondern eine geschäftsähnliche Handlung, auf die die §§ 104 ff., 119 ff. BGB allerdings entsprechend anwendbar sind.75 Wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts hingegen kennt oder kennen muss, so findet nach § 173 BGB der § 170 BGB keine Anwendung.

3.2.2.1.2. § 171 BGB: Kundgabe der Bevollmächtigung

Hat jemand nach § 171 I BGB durch besondere Mitteilung an einen Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung kundgegeben, dass er einen anderen bevollmächtigt habe, so bleibt nach § 171 II BGB die Vertretungsmacht bestehen, bis die Kundgebung in derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird. Die Kundgabe stellt eine geschäftsähnliche Handlung dar, auf die wiederum die §§ 104 ff., §§ 119 ff. BGB entsprechend Anwendung finden; bei der Kundgabe durch öffentliche Bekanntmachung wird man eine Anfechtung ausschließen müssen.76 Nach § 173 BGB findet § 171 II BGB keine Anwendung, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muss.

3.2.2.1.3. § 172 BGB: Aushändigung einer Vollmachtsurkunde

Hat der Vollmachtgeber nach § 172 I BGB dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt und dieser wiederum dem Dritten vorlegt, so bleibt die Vertretungsmacht nach § 172 II BGB solange bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt (§ 176 BGB) wird. Die Aushändigung der Urkunde stellt eine geschäftsähnliche Handlung dar. Die Vorlage bezieht sich auf das Original oder eine notarielle Beurkundung; Kopien (jeglicher Art) genügen insoweit nicht77, weil sie weder Auskunft über den Fortbestand des Originals noch über deren Anzahl geben und sich ferner der Kontrolle des Vollmachtgebers entziehen. Die Vorlage hat spätestens bei Abschluss des Vertrages zu erfolgen, da sich das Vertrauen des Gegners auf die Vertretungsbefugnis bezieht.78 Weigert sich der Vertreter, die Urkunde herauszugeben, kann mittels analoger Anwendung des § 171 II BGB durch Kundgabe des Nicht- oder Nichtmehrbestehens der Vollmacht gegenüber den Dritten oder an die Öffentlichkeit der Rechtsschein beseitigt werden.79

3.2.2.2. Duldungsvollmacht

Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Auftreten des Scheinvertreters duldet80 und der Geschäftsgegner dies nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte gutgläubig dahingehend wertet, als habe der Handelnde Vollmacht.81

Ein einmaliges Dulden ist zur Annnahme einer Duldungsvollmacht bereits ausreichend; ein in aller Regel erst durch eine gewisse Häufigkeit und Dauer des vollmachtlosen Vertreterhandelns erzeugter Rechtsschein und ein Verschulden des Vertretenen sind daher nicht erforderlich.82 Die Kenntnis vom Vertreterhandeln muss bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen; eine spätere Kenntniserlangung kann nur bei einer etwaigen konkludenten Genehmigung (§ 182 BGB) des Vertreterhandelns eine Rolle spielen.83 Der Umfang der Duldungsvollmacht bestimmt sich danach, wie der Gegner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (vgl. § 157 BGB) das Verhalten des Vertretenen werten durfte. Das Ende der Duldungsvollmacht hängt von der Fortdauer der Kenntnis und Duldung über die Handlungen des Scheinvertreters durch den Vertretenen ab. Ist aufgrunddessen eine Duldungsvollmacht nicht mehr gegeben, so kommt eine Anscheinsvollmacht in Betracht.

Sowohl bei einer Duldungsvollmacht als auch einer konkludenten Vollmachtserteilung lässt der Vertretene es wissentlich geschehen, dass ein Dritter für ihn wie ein Vertreter auftritt; das Abgrenzungskriterium zwischen diesen beiden Vollmachtformen bildet die rechtsgeschäftliche Billigung: Eine konkludente Bevollmächtigung liegt nämlich dann vor, wenn der Vertretene das Verhalten des nicht ausdrücklich Bevollmächtigten zur Kenntnis nimmt und mit rechtgeschäftlichem Willen billigt.84 Das Vorliegen der rechtsgeschäftlichen Billigung ist durch Auslegung des objektiven Empfängerhorizonts zu ermitteln; im Falle der Innenvollmacht also die Sicht des Vertreters, im Falle der Außenvollmacht die des Geschäftsgegners.85

3.2.2.3. Anscheinsvollmacht

Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte gutgläubig annimmt, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters.86

Hat der Geschäftspartner Zweifel hinsichtlich der Kenntnis und Billigung durch den Vertretenen, besteht eine Erkundigungspflicht.87 Der Umfang der Anscheinsvollmacht bestimmt sich wie bei der Duldungsvollmacht danach, wie der Gegner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (vgl. § 157 BGB) das Verhalten des Vertretenen werten durfte. Das Ende der Anscheinsvollmacht tritt ein, wenn der Vertretene den Rechtsschein beseitigt oder das weitere Handeln des Vertreters nicht mehr erkennen oder verhindern kann. Der Vertretene genügt seinen Obliegenheiten nicht schon dadurch, dass er dem Vertreter Handlungen intern ernstlich untersagt; er muss vielmehr im Rahmen des ihm Zumutbaren selbst die Handlungen vornehmen die geeignet sind, den aus der früheren Bevollmächtigung erwachsenden Rechtsschein zu zerstören.88

Hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Anscheinsvollmacht herrscht Uneinigkeit. Während ein Teil der Literatur89 sie lediglich auf den kaufmännischen Verkehr beschränken will, weil nur hier ein erhöhter Verkehrsschutz angebracht und ansonsten im privaten Rechtsverkehr die Haftung des Vertretenen nach den Grundsätzen über die culpa in contrahendo auf das negative Interesse zu beschränke sei, hält die herrschende Meinung90 demgegenüber, dass die Unterscheidung zwischen Kaufleuten und sonstigen am Wirtschaftsleben teilnehmenden Personen oder der öffentlichen Hand sachlich nicht gerechtfertigt sei; vielmehr seien die schutzwürdigen Belange des Privaten durch entsprechend strengere Anforderungen an die Verhaltenszurechnung zu wahren.91 Dass Fahrlässigkeit für die Zurechnung eines Rechtsscheins ausreichen kann, sei auch nicht systemfremd, da für die Zurechnung eines Verhaltens als Willenserklärung trotz Fehlen des Erklärungsbewusstseins es ebenfalls ausreiche, dass der Handelnde bei gehöriger Sorgfalt die Deutung seines Verhaltens als Willenserklärung hätte erkennen und verhindern können; und auch die §§ 170–172 BGB knüpften in diesem Sinne an ein Unterlassen des Vertretenen bei der Beseitigung eines Rechtsscheins an.92

3.2.2.4. Anfechtung

Teilweise wird die Anfechtung einer Rechtsscheinvollmacht im Schrifttum bejaht.93 Die Rechtsscheinvollmacht ist ein Vertrauenstatbestand, der auf ein tatsächliches Verhalten des Vertretenen fußt. Diese tatsächlichen Verhaltensweisen können wiederum keinem Willensmangel unterliegen; die allgemeinen Regeln der Anfechtung können nur rechtsgeschäftlichen Handlungen zugänglich sein.94

3.2.3. Umfang der Vertretungsmacht

3.2.3.1. Gesetzliche und organschaftliche Vertretungsmacht

Die Vertretungsmacht der gesetzlichen Vertreter (Eltern, Vormund) ist grundsätzlich unbeschränkt,95 für bestimmte schwerwiegende Geschäfte ist jedoch die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich (§§ 1643, 1821 ff. BGB). Die des Betreuers ist auf seinen Aufgabenkreis beschränkt (§ 1902 BGB), für bestimmte Geschäfte bedarf er ebenfalls der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§§ 1904 ff. BGB).

Sowohl unbeschränkt als auch unbeschränkbar ist die Vertretungsmacht der Organe von juristischen Personen (§ 82 I AktG; § 37 II GmbHG) sowie der vertretungsberechtigten Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften (§§ 126, 161 II HGB). Eine Ausnahme gilt nur für den eingetragenen Verein (§§ 26 II 2, 70).

Zum Umfang der Vertretungsmacht im Falle einer Vollmacht s.o.

3.2.3.2. Gesamtvertretung

Eine Gesamtvertretung liegt vor, wenn die Vertretungsmacht mehreren Personen gemeinsam zusteht. Ein gesetzliches Beispiel hierfür ist § 1629 I 2 BGB, ein organschaftliches § 78 II 1 AktG; ferner bei der Vollmacht die Gesamtprokura, § 48 II HGB. Zur Gesamtvollmacht s.o.

Hinsichtlich der Ausübung der Gesamtvertretung müssen bei der Aktivvertretung grundsätzlich alle Gesamtvertreter mitwirken, wobei es genügt, wenn einer handelt und die anderen ihre Einwilligung oder Genehmigung erklären;96 zur Passivvertretung, also der Entgegennahme von Erklärungen, ist jeder einzelne Vertreter befugt.97

3.2.3.3. Missbrauch

Missbraucht der Vertreter seine Vertretungsmacht, indem er die im Innenverhältnis erteilten Befugnisse überschreitet, führt dies zum Schutze des Geschäftsgegners nicht gleichzeitig auch zur Unwirksamkeit seiner Erklärung. Denn dem Vertragspartner obliegt im allgemeinen keine besondere Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von einer nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen.98 Folglich trägt grundsätzlich der Vertretene das Risiko eines Vollmachtsmissbrauchs.99

Die Schutzwürdigkeit des Geschäftsgegners entfällt allerdings – und damit auch das Risiko des Vollmachtmissbrauchs für den Vertretenen –, wenn er weiß, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht objektiv pflichtwidrig gebraucht100, oder dann, wenn der Missbrauch der Vertretungsmacht für ihn zumindest ohne weiteres erkennbar war101. Dafür ist eine objektive Evidenz des Missbrauchs notwendig.102 Diese liegt dann vor, wenn sich nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage des Geschäftsgegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt.103 Fehlt dann also die Schutzwürdigkeit des Geschäftsgegner, so kann ihm der Vertretene den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten.104 Er muss sich also so behandeln lassen, als hätte keine ausreichende Vertretungsmacht vorgelegen. Auf das vorgenommene Rechtsgeschäft sind deshalb die §§ 177 ff. BGB anzuwenden.105

3.2.3.4. Kollusion

Eine Kollusion liegt vor, wenn der Vertreter mit dem Geschäftsgegner zusammenwirkt, um dem Vertretenen zu schädigen. Die geschlossenen Geschäfte sind nach § 138 I BGB nichtig.106 Beide haften dem Vertretenen nach § 826 BGB auf Schadensersatz.

3.2.3.5. Insichgeschäft

Nimmt der Vertreter ein Rechtsgeschäft mit sich selbst vor, ist ein Insichgeschäft gegeben. Dabei ist im Falle des Selbstkontrahierens der Vertreter zugleich eigener Geschäftsgegner, er handelt also gleichzeitig im eigenen und im fremden Namen. Im Falle der Mehrvertretung ist der Vertreter zugleich Vertreter eines Dritten.

Das Insichgeschäft birgt die Gefahr eines Interessenkonfliktes. § 181 BGB bestimmt deshalb:

§ 181 BGB Insichgeschäft
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

Ein Interessenkonflikt ist indes bei einem für den Vertretenen lediglich vorteilhaften Rechtsgeschäft107 nicht gegeben.108 In einem solchen Fall wird durch teleologische Reduktion der Anwendungsbereich des § 181 BGB eingeschränkt.109 Eine teleologische Extension des § 181 BGB ist hingegen dann geboten, wenn der Vertreter das Verbot des § 181 durch Einschaltung eines Unterbevollmächtigten umgehen will, weil dieser typischerweise von den Weisungen seines (Unter-)Vollmachtgebers abhängig ist.110

3.2.4. Handeln ohne Vertretungsmacht

Für das Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht sind die §§ 177, 178, 180 BGB maßgeblich, die den §§ 108, 109, 111 BGB im Minderjährigenrecht dogmatisch entsprechen.

Hat der Vertreter keine Vertretungsmacht, wirkt das von oder gegenüber ihm vorgenommene Rechtsgeschäft nicht für und gegen den Vertretenen. Der geschlossene Vertrag ist nach § 177 I BGB schwebend unwirksam und kann durch Genehmigung des Vertretenen rückwirkend (§§ 182, 184 I BGB) wirksam werden. Die Genehmigung kann dabei ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Eine Genehmigung schwebend unwirksamer Geschäfte durch schlüssiges Verhalten setzt regelmäßig voraus, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen.111 Bei Verweigerung der Genehmigung, wird der Vertrag endgültig unwirksam.

Nach § 178 S. 1 BGB ist bis zur Genehmigung des Vertrags der andere Teil (Geschäftsgegner) zum Widerruf berechtigt. Der Widerruf kann dabei gemäß § 178 S. 2 BGB auch dem Vertreter gegenüber erklärt werden. Die Erklärung muss erkennen lassen, dass der Vertrag wegen des Vertretungsmangels nicht gelten soll.112 Auch der Widerruf kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen. Ein konkludenter Widerruf kann aus einer Geltendmachung eines Anspruchs aus § 179 gegen den Vertreter bestehen.113 Die Möglichkeit eines Widerrufs ist dem Geschäftsgegner allerdings verwehrt, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht bei Abschluss des Vertrags gekannt hat (§ 178 S. 1 BGB).

Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht bestimmt sich nach § 179 BGB. Der Norm liegt der Gedanke zugrunde, dass durch das Fehlen der Vertretungsmacht das Vertrauen des Geschäftsgegners enttäuscht wird und der Vertreter ohne Vertretungsmacht deshalb für diesen im Interesse der Verkehrssicherheit einstehen soll.114 Der BGH führte diesbezüglich aus:115 „Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht ist eine gesetzliche Garantiehaftung, die dem Vertreter das verschuldensunabhängige Risiko auferlegt, seine Erklärung, er habe die erforderliche Vertretungsmacht, sei richtig. Das Einstehenmüssen des vollmachtlosen Vertreters für die Rechtsfolgen dieser Erklärung beruht somit auf einer im Interesse der Verkehrssicherheit geregelten Vertrauenshaftung.“

3.3. Im Namen des Vertretenen

3.3.1. Offenkundigkeitsprinzip

Nach dem Offenkundigkeitsprinzip116 muss der Vertreter zum Schutze des Vertragspartners117 offen kundtun, dass er nicht für sich selbst, sondern für den Vertretenen handelt und die Rechtsfolgen des Geschäfts folglich nur diesen treffen. Denn grundsätzlich ist dem Vertragspartner nicht gleichgültig, mit wem er sich vertraglich bindet.

Das Vorliegen des Offenkundigkeitsprinzips kann sich neben der ausdrücklichen Erklärung auch nach dem Auftreten des Vertreters richten. In § 164 I 1 BGB heißt es:

Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

Ob ein Handeln in eigenem oder in fremdem Namen vorliegt, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Interessenlage zu ermitteln: Dabei kommt es darauf an, wie der Geschäftsgegner das Handeln auffassen durfte („objektiver Erklärungswert“).118 Im Falle einer ergebnislosen Auslegung gilt § 164 II BGB:

Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.119

Bei einem solchen Eigengeschäft trägt derjenige die Beweislast, der behauptet, nicht im eigenen, sondern im fremden Namen gehandelt zu haben120; gelingt dieser Nachweis nicht, kann die Erklärung nicht wegen Inhaltsirrtums (§ 119 I BGB) mit der Begründung, nicht im eigenen Namen gehandelt haben zu wollen, angefochten werden121. Selbiges gilt in umgekehrter Weise: Wer objektiv im fremden Namen handelt, kann seine Erklärung nicht mit der Begründung anfechten, im eigenen Namen gehandelt haben zu wollen; denn sonst entfiele die Rechtsposition des Vertretenen ohne diesem zum Ersatz des Vertrauensschadens (§ 122 BGB) verpflichtet zu sein.

3.3.2. Geschäft für den, den es angeht

Das Geschäft für den, den es angeht122 kennt eine schwache (offene) Form, die das Offenkundigkeitsprinzip abschwächt, und eine starke (verdeckte) Form, die das Offenkundigkeitsprinzip durchbricht.

3.3.2.1. Offenes Geschäft für den, den es angeht

Beim offenen Geschäft für den, den es angeht macht der Vertreter deutlich, dass er für einen anderen handelt, obwohl dem Geschäftsgegner die Person seines eigentlichen Vertragskontrahenten gleichgültig ist.

Die Person des Vertretenen muss bei der Vornahme des Vertretergeschäfts noch nicht bestimmt, aber zumindest bestimmbar sein; es genügt, dass die nachträgliche Bestimmung dem Vertreter überlassen wird oder vereinbarungsgemäß aufgrund sonstiger Umstände erfolgen soll.123 Unterlässt der Vertreter die Bestimmung, kommt eine Eigenhaftung nach § 179 BGB in Betracht, wenn die Durchführung des Geschäfts daran scheitert.124

3.3.2.2. Verdecktes Geschäft für den, den es angeht

Bei einem verdeckten Geschäft für den, den es angeht legt der Vertreter nicht offen, dass er für einen anderen handelt, weil dem Geschäftsgegner die Person seines eigentlichen Vertragskontrahenten gleichgültig ist.

Die Offenlegung der Fremdwirkung zum Schutze des Geschäftsgegners wird damit nicht benötigt; der Zweck des Offenkundigkeitsprinzips entfällt.125 Eine wirksame Stellvertretung ist hier daher trotz fehlender Offenkundigkeit möglich. Die Gleichgültigkeit des Geschäftsgegners hinsichtlich seines Vertragskontrahenten ist anhand objektiver Anhaltspunkte zu ermitteln.126 Bei alltäglichen Bargeschäften, etwa bei schuldrechtlichen oder dinglichen Geschäften zur Deckung des Alltagsbedarf, ist dies regelmäßig der Fall.127

3.3.3. Unternehmensbezogenes Geschäft

Anders als beim Offenkundigkeitsprinzip hinsichtlich der Berechtigung und Verpflichtung – zumindest bei oberflächlicher Betrachtung – üblich, geht bei einem unternehmensbezogenen Geschäft der Wille der Beteiligten nach der in ständiger Rechtsprechung angewandten Auslegungsregel im Zweifel dahin, dass der Inhaber des Unternehmens, also der wahre Rechtsträger, Vertragspartei wird und nicht der für das Unternehmen Handelnde – selbst dann, wenn der Inhaber des Unternehmens falsch bezeichnet wird oder sonst Fehlvorstellungen über ihn bestehen.128 Der Handelnde haftet nur dann nach § 179 BGB, wenn ein Unternehmensträger gar nicht existiert oder wenn er keine Vollmacht hatte, für den Unternehmensträger zu handeln.129 Eine Rechtsscheinhaftung des Handelnden kommt dann in Betracht, „wenn dieser in zurechenbarer Weise den Eindruck erweckt, dass der Unternehmensträger unbeschränkt für die Verbindlichkeit hafte. Ist der Unternehmensträger in Wahrheit eine Gesellschaft mit beschränkter Haftungsmasse, so ist der Handelnde dem gutgläubig auf den gesetzten Rechtsschein vertrauenden Vertragspartner gesamtschuldnerisch neben dieser verpflichtet.“130

3.3.4. Handeln unter fremdem Namen

Tritt der Handelnde nicht in, sondern unter fremdem Namen auf, so gibt er vor, Träger dieses Namens zu sein. Dabei ist hinsichtlich der rechtlichen Wirkung zwischen zwei Varianten zu unterscheiden:

3.3.4.1. Eigengeschäft

Ein Eigengeschäft131 des Vertreters liegt vor, wenn der Geschäftsgegner trotz falscher Namensangabe keinem Identitätsirrtum unterliegt, weil ihm die Identität seines Gegenüber gleichgültig ist.132 Die Gleichgültig kann regelmäßig dann bejaht werden, wenn die Willenserklärungen mündlich abgegeben werden und der Vertrag vor Ort vollständig abgewickelt wird.133 Typische Fälle hierfür sind etwa Hotelübernachtungen; in einer eher modernen Ausprägung trifft dies aber auch auf Interneteinkäufe unter falschem Namen zu.

3.3.4.2. Identitätsirrtum

Wenn der Geschäftsgegner hingegen mit dem wahren Namensinhaber abschließen möchte134 und hinsichtlich der handelnden Person einem Identitätsirrtum unterliegt, so wird das Handeln unter fremdem Namen der Stellvertretung gleichgestellt.135 Das Rechtsgeschäft kommt somit zwischen dem Geschäftsgegner und dem Namensträger zustande, sofern der Vertreter Vertretungsmacht hatte; fehlt die Vertretungsmacht, finden die §§ 177, 179 BGB Anwendung.136

Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
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Rechtsprechung: