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BVerfG, 14.06.1960 - 2 BvL 7/60

Daten
Fall: 
Beförderungsschnitt
Fundstellen: 
BVerfGE 11, 203; BayVBl 1960, 313; DÖV 1960, 626; DVBl 1960, 593; JZ 1960, 602; MDR 1960, 996; NJW 1960, 1445; RiA 1960, 254; VerwRspr 12, 917; ZBR 1960, 258
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
14.06.1960
Aktenzeichen: 
2 BvL 7/60
Entscheidungstyp: 
Beschluss

1. Der hergebrachte Grundsatz der Beamtenversorgung, nach dem unter Wahrung des Leistungsprinzips und Anerkennung aller Beförderungen das Ruhegehalt aus dem letzten Amt zu berechnen ist, prägt das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beamten und gehört zu den Grundlagen, auf denen die Einrichtung des Berufsbeamtentums ruht.
2. Der "Beförderungsschnitt" des § 110 Bundesbeamtengesetz vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 551) liegt außerhalb des Ermessensspielraums, den Art. 33 Abs. 5 GG dem Gesetzgeber für die Regelung des Rechts des öffentlichen Dienstes einräumt.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Zweiten Senats vom 14. Juni 1960
– 2 BvL 7/60 –
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 110 des Bundesbeamtengesetzes vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 551) - Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts - Zweiter Senat - vom 25. April 1957 - BVerwG II C 50.55.
Entscheidungsformel:

§ 110 des Bundesbeamtengesetzes vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 551) ist mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes unvereinbar und daher nichtig.

Gründe

A.

I.

Gemäß § 107 des Bundesbeamtengesetzes – BBG – vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 551) wird das Ruhegehalt des Beamten auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet. Nach § 108 BBG gehört zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen vor allem das Grundgehalt, das dem Beamten nach dem Besoldungsrecht zuletzt zugestanden hat. § 110 BBG sieht eine Ausnahme von dieser Bestimmung dahin vor, daß "bei der Bemessung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge ... für je sechs Dienstjahre seit der Anstellung höchstens eine Beförderung berücksichtigt (wird), soweit sie der regelmäßigen Dienstlaufbahn entspricht" (§ 110 Abs. 1 Satz 1 BBG). Diese als Beförderungsschnitt bezeichnete Regelung ist durch weitere Vorschriften des § 110 BBG in vielfältiger Weise näher ausgestaltet worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 – eingefügt durch das Beamtenrechtsrahmengesetz vom 1. Juli 1957 – sowie § 110 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 bis 7).

Auf Grund von § 29 Abs. 1, § 37 und § 53 Abs. 1 des G 131 in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 1957 (BGBl. I S. 1296) gilt § 110 BBG zum Teil nach Maßgabe besonderer Bestimmungen – auch für die versorgungsrechtlichen Regelungen des G 131; nach § 19 Abs. 1 G 131 ist § 110 BBG bei der Unterbringung der Beamten zur Wiederverwendung entsprechend anzuwenden.

II.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens stand im Dienst der Deutschen Reichspost und wurde 1928 als Telegrafeninspektor auf eigenen Antrag wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Danach war er in der privaten Wirtschaft tätig. Im Jahre 1945 wurde er von der amerikanischen Militärregierung zum Präsidenten der Reichspostdirektion ... ernannt. Die Ernennung wurde durch eine dem Kläger ausgehändigte Urkunde des Oberpräsidenten des Oberpostdirektoriums München vom 30. Dezember 1946 "unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit" bestätigt. Der Kläger trat nach Vollendung des 65. Lebensjahres mit Ablauf des 31. Januar 1954 aus dem Bundesdienst in den Ruhestand. Sein Ruhegehalt wurde vom Beklagten, dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, unter Anwendung des § 110 BBG nach den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen eines Oberpostrats festgesetzt. Das Landesverwaltungsgericht Köln gab der Klage, den Bundesminister zu verpflichten, das Ruhegehalt nach den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen eines Präsidenten der Oberpostdirektion ... zu berechnen, statt; der Kläger sei gemäß § 181 Abs. 12 BBG vom Beförderungsschnitt ausgenommen. Gegen dieses Urteil legte der Bundesminister Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht ein.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 25. April 1957 (auszugsweise abgedruckt BVerwGE 5, 39) das Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 110 BBG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

III.

1. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts sind durch § 181 Abs. 12 BBG nur solche Beamte vom Beförderungsschnitt des § 110 BBG ausgenommen, die in der Zeit zwischen dem 8. Mai 1945 und dem Inkrafttreten des Bundesbeamtengesetzes (1. September 1953) erstmals auf Lebenszeit angestellt worden sind. Da der Kläger schon früher Beamter auf Lebenszeit gewesen sei, könne § 181 Abs. 12 BBG auf ihn nicht angewandt werden.

2. § 110 BBG sei aus folgenden Gründen mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht vereinbar:

a) Nach einem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums habe der Dienstherr dem Beamten angemessenen Lebensunterhalt in der Form von Dienstbezügen sowie einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Angemessen sei der gewährte Lebensunterhalt nur dann, wenn er dem Beamten einen seinem Amt angemessenen Lebenszuschnitt gestatte. Dementsprechend sei das Versorgungsrecht bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes stets von dem Grundsatz beherrscht worden, daß der Beamte auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des zuletzt bekleideten Amtes zu versorgen sei. Die Höhe seiner Versorgungsbezüge sei als ein nur nach der Zahl der Dienstjahre abgestufter Vomhundertsatz dieser Bezüge dargestellt worden. Die Versorgung des Beamten auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Bezüge seines letzten Amtes sei traditioneller Ausdruck des ihm zu gewährenden angemessenen Unterhalts; sie kennzeichne das Wesen des Berufsbeamtentums und gehöre deshalb zu dessen hergebrachten Grundsätzen im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Dieser Grundsatz werde durch die Erwägung gerechtfertigt, daß dem Beamten durch jede Ernennung eine verbesserte soziale Stellung zugewiesen werde, die auch nach Eintritt des Versorgungsfalles Anerkennung finden müsse. Angemessen seien die Versorgungsbezüge des Beamten deshalb nur dann, wenn sie nach seinen letzten Dienstbezügen bemessen würden. Mit diesem Grundsatz sei § 110 BBG nicht vereinbar.

Der Grundsatz, daß die Versorgung aus dem letzten Amt zu gewähren sei, müsse mit Rücksicht auf § 80 Abs. 2 des Deutschen Beamtengesetzes – DBG – vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 39) und § 109 Abs. 1 BBG allenfalls dahin eingeschränkt werden, daß die zuletzt gewährten Dienstbezüge nur dann der Berechnung des Ruhegehalts zugrunde zu legen seien, wenn der Beamte sie mindestens ein Jahr lang erhalten hat.

b) Aus § 23 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 2 BBG folge, daß jede unter Beachtung der beamtenrechtlichen Vorschriften ausgesprochene Beförderung die Anerkennung der Erfüllung fachlicher Leistungen des Beamten sei.

§ 110 BBG schreibe demgegenüber vor, Beförderungen allein wegen eines als unzureichend angenommenen Verhältnisses zwischen der Zahl der Dienstjahre und der Zahl der Beförderungen nicht zu berücksichtigen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die schnelle Folge von Beförderungen ihre Ursache in der außergewöhnlichen Befähigung und Leistung des Beamten habe. Damit leugne das Gesetz den beamtenrechtlichen Leistungsgrundsatz. Durch die Nichtberücksichtigung einer Beförderung werde dem Beamten die ihm zuvor durch die Beförderung als Folge seiner besonderen Eignung, Befähigung und Leistung vermittelte soziale Stellung nachträglich aus einem Grunde entzogen, der der Beförderung gesetzlich nicht entgegengestanden habe.

IV.

1. Den Vorschriften von § 80 Abs. 4, § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 77 BVerfGG ist genügt.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat ein Gutachten von Professor Dr. Ule vorgelegt, dessen Ausführungen er sich zu eigen gemacht hat. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, daß § 110 BBG sowohl dem Grundsatz der angemessenen Versorgung als auch dem Leistungsprinzip widerspreche. Die Abweichung des § 110 BBG von diesen hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums sei nicht hinreichend gerechtfertigt.

2. Namens der Bundesregierung hat der Bundesminister des Innern die Ansicht vertreten, daß § 110 BBG mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Die Versorgung des Beamten und seiner Hinterbliebenen sei zwar im allgemeinen auf der Grundlage der Dienstbezüge geregelt worden, die der Beamte zuletzt erhalten habe. Das habe jedoch nicht ausnahmslos gegolten. Außer auf die vom Bundesverwaltungsgericht angeführte Regelung des § 109 Abs. 1 BBG sei in diesem Zusammenhang hinzuweisen auf § 119 BBG; danach sei das Ruhegehalt bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nicht nach den Bezügen des letzten, sondern nach den höheren Bezügen eines früheren Amtes zu berechnen (vgl. auch § 43 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten – RBG vom 31. März 1873, RGBl. S. 61; § 90 DBG von 1937). Dem Versorgungsrecht seien auch Höchstbeträge für die Versorgungsbezüge oder für die ihrer Berechnung zugrunde zu legenden Dienstbezüge geläufig (vgl. § 98 Abs. 2 DBG von 1937 – aufgehoben durch Art. I Nr. 4 des Dritten Änderungsgesetzes vom 21. Oktober 1941, RGBl. I S. 646; § 2 des Beamtenhinterbliebenengesetzes vom 17. Mai 1907, RGBl. S. 208). Bei erheblichem Altersunterschied der Ehegatten könne das Witwengeld bis auf 50 v. H. des sonst zu gewährenden Betrages gekürzt werden (§ 129 BBG; § 6 des Beamtenhinterbliebenengesetzes von 1907). § 110 BBG durchbreche daher nicht einen bisher ausnahmslos geltenden Grundsatz, sondern füge lediglich den überkommenen Ausnahmen eine weitere hinzu.

§ 110 BBG lasse auch keineswegs jegliche Rücksichtnahme auf das letzte Amt des Beamten vermissen. Die der Anwendung des Beförderungsschnitts in § 110 BBG, insbesondere in dessen Absatz 1 Satz 2 und Satz 3 sowie in Absatz 4 und 6, gezogenen Grenzen seien ausreichend, um dem Beamten eine angemessene Versorgung zu sichern.

Der Leistungsgrundsatz beziehe sich seinem Sinne nach nur auf den Zeitraum, in dem der Beamte im Dienst sei. Verstehe man diesen Grundsatz aber dahin, daß er den Dienstherrn hindere, eine nach Eignung und Leistung des Beamten vorgenommene Beförderung bei der Versorgung unberücksichtigt zu lassen, so sei er mit dem Grundsatz identisch, daß die Versorgung des Beamten nur dann angemessen sei, wenn sie von den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen seines letzten Amtes ausgehe. Deshalb könne der Leistungsgrundsatz nicht verletzt sein, wenn § 110 BBG in Einklang mit dem Grundsatz der angemessenen Versorgung stehe.

Neben den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen sei von jeher die Dienstzeit des Beamten Hauptgrundlage für die Berechnung der Versorgungsbezüge gewesen (§ 41 RBG in der Fassung von 1907; § 89 DBG von 1937; § 118 BBG). Wenn nach § 110 BBG die zurückgelegte Dienstzeit Bedeutung nicht nur für den als Versorgung zu gewährenden Vomhundertsatz der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge habe, sondern – anders als bisher – auch für die Berechnung der ruhegehaltfähigen Bezüge selbst maßgebend sei, so werde damit ein schon im bisherigen Recht verwurzelter Grundgedanke lediglich weitergehend als bisher berücksichtigt.

Durch Art. 33 Abs. 5 GG sei der Gesetzgeber nicht starr an die bisherigen Grundsätze des Berufsbeamtentums gebunden. Art. 33 Abs. 5 GG sei jedenfalls dann nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber – wie im Fall des § 110 BBG – lediglich eine weitere Ausnahme von einem schon bisher mehrfach durchbrochenen Grundsatz der Beamtenversorgung vorsehe und dabei Gesichtspunkte berücksichtige, die – wie die Dienstzeit – schon immer für die Bemessung der Versorgungsbezüge maßgebend gewesen seien.

Der Gesetzgeber habe es für geboten erachtet, die Versorgungsberechtigten nach dem G 131 und nach dem Bundesbeamtengesetz möglichst gleichmäßig zu behandeln (§ 78 G 131). Deshalb seien die für den Bereich des G 131 unerläßlichen Regelungen über die Nichtberücksichtigung gewisser Beförderungen in das Bundesbeamtengesetz übernommen worden. § 110 BBG verfolge den Zweck, übersteigerte Beförderungen bei der Versorgung unberücksichtigt zu lassen. Für die Vorschrift seien schwerwiegende finanzielle Gesichtspunkte maßgebend gewesen.

Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat sich der Stellungnahme des Bundesministers des Innern angeschlossen.

B.

I.

Die Vorlage ist zulässig. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts kommt es für seine Entscheidung deshalb auf die Gültigkeit von § 110 BBG an, weil § 181 Abs. 12 BBG auf den Kläger nicht anwendbar sei. Das genügt für die Zulässigkeit der Vorlage (vgl. BVerfGE 2, 181 [190 ff.]; 7, 171 [175]).

II.
§ 110 BBG ist mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht vereinbar.

1. Art. 33 Abs. 5 GG bindet den Gesetzgeber in der inhaltlichen Gestaltung des Beamtenrechts (vgl. BVerfGE 8, 1 [11 ff.]; 9, 268 [286]). Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne dieser Vorschrift gehört auch die Verpflichtung des Dienstherrn, dem Beamten angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren; das gilt auch für die Versorgung des Beamten (BVerfGE 3, 58 [160]; 3, 288 [342 f.]; 4, 115 [135]; 8, 1 [16, 20]). Diesen Grundsatz muß der Gesetzgeber nicht nur berücksichtigen, sondern beachten (BVerfGE 8,1 [16 f.]).

In der Frage, welcher Lebensunterhalt "angemessen" ist, räumt zwar Art. 33 Abs. 5 GG dem Gesetzgeber einen weiten Beurteilungsspielraum ein (BVerfGE 8, 1 [19, 22 f.]). Das entbindet den Gesetzgeber aber nicht davon, bei der Regelung der Versorgungsbezüge den Grundsätzen Rechnung zu tragen, die seit jeher für die Bemessung dieser Bezüge maßgebend waren; insofern wird der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich der Angemessenheit der Versorgungsbezüge eingeengt. Einer dieser Grundsätze ist, daß die Versorgungsbezüge des Beamten auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge seines letzten Amtes zu berechnen sind (Versorgung aus dem letzten Amt oder amtsgemäße Versorgung). Mit diesem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG ist § 110 BBG nicht zu vereinbaren.

2. a) Die Versorgungsbezüge sind seit jeher nach den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen des Amtes berechnet worden, das der Beamte zuletzt bekleidet hat. Dieser Grundsatz lag schon den beamtenrechtlichen Vorschriften des Reiches und Preußens in der Zeit nach 1871 zugrunde;

– vgl. § 42 RBG von 1873; § 10 des preußischen Gesetzes, betreffend die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten... (PreußPensionsG) vom 27. März 1872 (GS S. 268) –

er wurde in das Deutsche Beamtengesetz von 1937 übernommen(§ 80 Abs. 1) und gilt auch heute (§ 108 Nr. 1 BBG). Der Grundsatz ist also während eines längeren, traditionbildenden Zeitraumes anerkannt und gewahrt worden (vgl. BVerfGE 8, 332 [343]).

b) Das Bundesverwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß der Grundsatz der Versorgung aus dem letzten Amt nur mit der Einschränkung gegolten habe und gelte, daß der Beamte die Dienstbezüge seines letzten Amtes mindestens ein Jahr lang erhalten hat. Diese Regelung, die zunächst bei Wiederbeschäftigung von Ruhestandsbeamten in einem mit höherem Diensteinkommen verbundenen Amt und im Recht der Militärversorgung galt,

– vgl. § 28 Abs. 1 des PreußPensionsG von 1872; § 58 Abs. 1 RBG von 1873; § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Pensionierung der Offiziere ... vom 31. Mai 1906 (RGBl. S. 565); § 5 Abs. 2 des Gesetzes über das Ingenieurkorps der Luftwaffe vom 18. Oktober 1935 (RGBl. I S. 1248) –

wurde in das Deutsche Beamtengesetz von 1937 (§ 80 Abs. 2) und das Bundesbeamtengesetz (§ 109 Abs. 1) als allgemeine Regel übernommen. Die überkommenen Regelungen dieser Art (einschließlich der Einzelvorschriften des § 80 Abs. 3 DBG von 1937 und § 109 Abs. 2 BBG) müssen als ein im Sinne einer Einschränkung modifizierender Bestandteil des Satzes angesehen werden, daß die Versorgungsbezüge auf der Grundlage der letzten ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Beamten zu berechnen sind. Deshalb ist es nicht zulässig, aus diesen Vorschriften Schlüsse auf die Zulässigkeit weiterer Einschränkungen des Grundsatzes zu ziehen.

c) Der Bundesminister des Innern meint, daß der Grundsatz der Versorgung aus dem letzten Amt seit jeher weitgehend durchbrochen worden sei und daß § 110 BBG den überkommenen Ausnahmen lediglich eine weitere hinzugefügt habe. Diese Ansicht ist nicht richtig.

Außer Betracht bleiben muß zunächst die Vorschrift des § 119 BBG (vgl. auch § 43 RBG von 1873 sowie § 90 Abs. 1 DBG von 1937), nach der die Versorgungsbezüge aus den höheren Bezügen eines früheren Amtes zu berechnen sind, wenn der Beamte die Bezüge dieses Amtes mindestens ein Jahr erhalten hatte und in das mit niedrigeren Bezügen verbundene Amt nicht lediglich im eigenen Interesse übergetreten war. Derartige Bestimmungen tragen dem Bestreben Rechnung, dem Beamten die Vorteile einer ihm zuteil gewordenen Beförderung wenigstens für seine Versorgungsbezüge zu erhalten. Solche Regelungen entsprechen daher dem Sinn des Grundsatzes der amtgemäßen Versorgung: die Versorgungsbezüge in Beziehung zu setzen zu dem Amt, das der Beamte wahrgenommen hat. Sie können nicht als Ausnahmen oder Durchbrechung dieses Grundsatzes angesehen werden. Entsprechendes gilt von Vorschriften wie § 141 Nr. 3 BBG und § 112 DBG von 1937, nach denen im Rahmen der Unfallfürsorge ein Beamter auf Probe Versorgungsbezüge aus einem Amt erhält, das ihm zwar noch nicht verliehen worden war, in das er aber ohne den Unfall später eingewiesen worden wäre.

Außer Betracht bleiben müssen ferner vereinzelte und in das Bundesbeamtengesetz nicht übernommene Regelungen, die – nur im Fall sehr hoher Versorgungsbezüge Höchstbeträge für das Witwengeld vorsahen

- vgl. § 8 Abs. 2 des preußischen Gesetzes, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten vom 20. Mai 1882 (GS S. 298) in der Fassung des Gesetzes vom 12. Juli 1923 (GS S. 305) und des preußischen Besoldungsgesetzes vom 17. Dezember 1927 (GS S.223);
§ 2 Abs. 2 des Beamtenhinterbliebenengesetzes von 1907;
§ 98 Abs. 2 DBG von 1937, aufgehoben durch Art. I Nr. 4 des Dritten Änderungsgesetzes von 1941.

Für die Bemessung des Witwengeldes haben seit jeher Besonderheiten gegolten, die auch für die Kürzung der Versorgungsbezüge der im Verhältnis zum Ehemann erheblich jüngeren Witwe maßgebend waren

- vgl. § 12 Abs. I des Gesetzes, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen der Reichsbeamten der Zivilverwaltung vom 20. April 1881 (RGBl. S. 85);
§ 12 Abs. 1 des preußischen Gesetzes, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten von 1882;
§ 6 Abs. 1 des Beamtenhinterbliebenengesetzes von 1907;
Art. 77 Abs. 1 des bayerischen Beamtengesetzes vom 15. August 1908 (GVBl. S. 581);
§ 64 des badischen Beamtengesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 15. Dezember 1921 (GVBl. 1922 S. 21);
Art. 123 des württembergischen Beamtengesetzes vom 21. Januar 1929 (RGBl. S. 7); § 129 Abs. 1 BBG.

Diese Sonderregelungen für das Witwengeld lassen den für die Bemessung der Versorgungsbezüge des Ruhestandsbeamten geltenden Grundsatz der amtgemäßen Versorgung unberührt. Der Beförderungsschnitt des § 110 BBG kann sich zwar auch auf die Höhe des Witwengeldes auswirken. Die Vorschrift gehört aber nicht zu den überkommenen Regelungen, durch die der Gesetzgeber seit jeher den Besonderheiten der Witwenversorgung Rechnung getragen hat.

Die vom Bundesminister des Innern angeführte Vorschrift des § 19 Abs. 2 des preußischen Besoldungsgesetzes von 1927 betrifft nicht die Höhe der Versorgungsbezüge im Amt befindlicher Beamter, sondern die Anpassung der Versorgungsbezüge bereits im Ruhestand befindlicher Beamter an eine allgemeine Erhöhung der Dienstbezüge. Sie kann daher nicht als Ausnahme vom Grundsatz der amtgemäßen Versorgung gewertet werden.

d) Der Ansicht des Bundesministers des Innern, daß § 110 BBG Dienstzeiten der Beamten lediglich weitergehend als bisher berücksichtige, kann nicht zugestimmt werden. Es ist zwar richtig, daß neben den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen des letzten Amtes die Dienstzeiten des Beamten Grundlage für die Bemessung seiner Versorgungsbezüge gewesen sind und auch heute noch sind

- vgl. § 8 PreußPensionsG von 1872, § 41 RBG von 1873, § 89 DBG von 1937 und § 118 BBG: Die Höhe der Versorgungsbezüge ergibt sich aus einem nach der Zahl der ruhegehaltfähigen Dienstjahre abgestuften Vomhundertsatz der zuletzt bezogenen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge.

Diese Regelungen lassen jedoch den Grundsatz der amtgemäßen Versorgung unberührt; sie ändern nichts daran, daß bei der Berechnung der Versorgungsbezüge von den Dienstbezügen des letzten Amtes auszugehen ist. Die Bestimmung fiktiver Dienstbezüge als Grundlage der Versorgung nach der Dauer der Dienstzeit ist nicht eine Fortbildung des Grundsatzes, daß der für die Berechnung der Versorgungsbezüge maßgebende Vomhundertsatz sich nach der Dauer der Dienstzeit bestimmt, sondern etwas wesentlich anderes.

Entsprechendes gilt von denjenigen Bestimmungen, die wie § 106 Abs. 1 Nr. 1 BBG (vgl. auch § 1 PreußPensionsG von 1872 und § 34 RBG von 1873) die Entstehung des Anspruchs auf Ruhegehalt davon abhängig machen, daß der Beamte eine Dienstzeit (Wartezeit) von mindestens 10 Jahren abgeleistet hat. Der Grundsatz der amtgemäßen Versorgung kann nur dann eingreifen, wenn ein Versorgungsanspruch besteht. Er bezieht sich nicht auf die Frage, ob und wann der Gesetzgeber Versorgungsansprüche einräumt oder einzuräumen hat.

e) Die vom Bundesminister des Innern hervorgehobenen Beschränkungen des Beförderungsschnitts durch die Bestimmungen von § 110 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BBG sowie der Absätze 2, 4 und 6 dieser Vorschrift ändern nichts daran, daß § 11G Abs. 1 Satz 1 BBG vom Grundsatz der Versorgung des Beamten aus dem letzten Amt abweicht.

3. Insgesamt hat sich also ergeben, daß der Grundsatz der Versorgung des Beamten auf der Grundlage der zuletzt bezogenen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG ist (vgl. BVerfGE 3, 58 [160]; 3, 288 [336 f., 343 f.]; 4, 115 [135]; 8, 1 [14]). Diesem Grundsatz widersprechen aber die Regelungen des § 110 BBG, da der Beförderungsschnitt dazu führt, daß – sofern die in § 110 Abs. 1 Satz 1 angeführten Voraussetzungen vorliegen – die Versorgungsbezüge des Beamten ohne Berücksichtigung aller ihm zuteil gewordenen Beförderungen aus den Bezügen eines niedrigeren als des von ihm zuletzt wahrgenommenen Amtes berechnet werden.

4. a) Die Tatsache, daß der Beförderungsschnitt einem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums widerspricht, zwingt noch nicht dazu anzunehmen, daß § 110 BBG nichtig ist.

Art. 33 Abs. 5 GG will das Berufsbeamtentum im Interesse der Allgemeinheit erhalten (BVerfGE 8, 332 [343]; 9, 268 [286]) und schützt nur einen "Kernbestand von Strukturprinzipien" der Institution des Berufsbeamtentums (BVerfGE 8, 332 [343]). Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sind bei der Regelung des Rechts des öffentlichen Dienstes zu "berücksichtigen". Der Gesetzgeber hat einen weiten Ermessensspielraum, aber nicht völlige Regelungsfreiheit. Der einzelne hergebrachte Grundsatz ist in seiner Bedeutung für die Institution des Berufsbeamtentums in der freiheitlichen rechts- und sozialstaatlichen Demokratie zu würdigen. Von dieser Würdigung hängt es ab, in welcher Weise und in welchem Ausmaß der Gesetzgeber dem einzelnen Grundsatz Rechnung tragen muß (BVerfGE 8, 1 [16]; 9, 268 [286]).

b) Eine Würdigung des Grundsatzes der amtgemäßen Versorgung unter diesen Gesichtspunkten ergibt folgendes:
Die Besoldung des Beamten ist seit jeher nach seinem Amt und der mit diesem Amt verbundenen Verantwortung abgestuft worden (BVerfGE 3, 58 [160]; 4, 115 [135]; 8, 1 [14]). Es gehört daher zu den überkommenen Grundlagen des Berufsbeamtentums, daß mit einem höheren Amt in aller Regel auch höhere Dienstbezüge verbunden sind.

Entscheidend ist weiterhin, daß für Beförderungen der Leistungsgrundsatz gilt und daß nach § 23 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 BBG und § 1 der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) vom 31. Juli 1956 (BGBl. I S. 712) Beförderungen nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen, Herkunft oder Beziehungen vorzunehmen sind (vgl. auch § 8 Buchst. c der Reichsgrundsätze über Einstellung, Anstellung und Beförderung vom 14. Oktober 1936 i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. Januar 1951, BGBl. I S. 87). Außerdem sind die Bestimmungen der §§ 9 ff. BLV zu beachten. Diese verbindlichen Vorschriften bedeuten, daß mit jeder ordnungsgemäßen Beförderung eines Beamten seine Eignung, Befähigung und fachliche Leistung anerkannt wird. Diese Anerkennung ist aber nach dem überkommenen System der Beamtenversorgung nicht auf die Zeit beschränkt, in der sich der Beamte im Dienst befindet. Sie hat sich vielmehr seit jeher auch auf sein Ruhegehalt ausgewirkt. Die Abstufung des "angemessenen" Lebensunterhalts nach Amt und Verantwortung wirkt in die Zeit des Ruhestandes hinüber. Diese Anerkennung ordnungsgemäßer Beförderungen auch im Versorgungsrecht kann als Anerkennung des Leistungsgrundsatzes für den Bereich der Beamtenversorgung verstanden werden. Es widerspricht diesem Prinzip, wenn der Beamte, der unter Beachtung der beamtenrechtlichen Vorschriften wegen seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung schnell befördert wurde, bei seiner Versorgung Einbußen erleidet, weil infolge des Beförderungsschnitts seine Beförderungen oder einzelne von ihnen nicht berücksichtigt werden dürfen.

Bei den überkommenen Grundsätzen der Beamtenversorgung, nach denen unter Wahrung des Leistungsprinzips und Anerkennung aller Beförderungen das Ruhegehalt aus dem letzten Amt zu berechnen ist, handelt es sich nicht nur um Grundsätze des Versorgungsrechts. Sie prägen vielmehr das öffentlich- rechtliche Dienstverhältnis des Beamten und gehören zu den Grundlagen, auf denen die Einrichtung des Berufsbeamtentums ruht.

Das Berufsbeamtentum kann die ihm in der freiheitlichen rechts- und sozialstaatlichen Demokratie zufallende Funktion, eine stabile Verwaltung zu sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften zu bilden, nur erfüllen, wenn es rechtlich und wirtschaftlich gesichert ist (BVerfGE 8, 1 [16]. Zu seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Sicherung gehört auch, daß das überkommene Versorgungssystem und die Grundsätze, die es wesentlich prägen, gewahrt bleiben. Diesen Grundsätzen widerspricht aber der Beförderungsschnitt. § 110 BBG liegt außerhalb des Ermessensspielraums, den Art. 33 Abs. 5 GG dem Gesetzgeber für die Regelung des öffentlichen Dienstes einräumt; die Vorschrift ist mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht vereinbar [ebenso von Mangoldt/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Anm. VII 4 zu Art. 33; Grabendorff, Bundesbeamtengesetz, 2. Aufl., Anm. 1 zu § 110; Ule, Die Institution des Berufsbeamtentums und der Gesetzgeber, Heft 2 der Beamtenrechtlichen Schriftenreihe der Deutschen Postgewerkschaft, S. 11 ff.; Otto, DDB 1957, 99 ff., a. A. BayVerwGH, Urteil vom 19. November 1957 – Nr. 2 VIII 57 – BayVwBl. 1958, 57 f.; Plog/Wiedow, Kommentar zum BBG, Anm. 2 zu § 110; Kallabis, ZBR 1958, 117 [118 ff.]].

III.

Ist § 110 BBG nichtig, so kann sich die Vorschrift auch nicht nach Maßgabe des § 180 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BBG auf Ruhestandsbeamte und andere Personen auswirken, die zur Zeit des Inkrafttretens des Bundesbeamtengesetzes Versorgungsbezüge erhielten.

Anders liegt es jedoch, soweit das G 131 auf § 110 BBG Bezug nimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, daß der Anwendung des Beförderungsschnitts im Rahmen der versorgungsrechtlichen Regelungen für Berufssoldaten und ihre Hinterbliebenen nach § 53 Abs. 1 i.V.m. § 37 und § 29 Abs. 1 G 131 verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegenstehen (BVerfGE 3, 288 [336 f., 343 f.]). Auch das Bundesverwaltungsgericht hält die Anwendung des § 110 BBG nach Maßgabe der Vorschriften des G 131 für verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerwGE 3, 226 ff.; 7, 214 [216]; 9, 345 [346] sowie den Vorlagebeschluß des Bundesverwaltungsgerichts im Ausgangsverfahren, BVerwGE 5, 39 [40]).

Der Beförderungsschnitt galt zunächst nur im Bereich der Gesetzgebung zu Art. 131 GG. Von dort ist er in das Bundesbeamtengesetz übernommen worden. Bei der Neufassung des G 131 sind dann in diesem Gesetz – der Einfachheit halber – die den Beförderungsschnitt betreffenden Vorschriften zum größeren Teil gestrichen und durch Verweisungen auf § 110 BBG ersetzt worden (G 131 i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. September 1953, BGBl. I S. 1287). Die Tatsache der Verweisung auf das Bundesbeamtengesetz ändert nichts daran, daß dem Beförderungsschnitt für die Gesetzgebung zu Art. 131 GG selbständige Bedeutung zukommt und daß die entsprechenden Vorschriften den in § 110 BBG getroffenen Regelungen einen selbständigen Geltungsgrund für den Bereich des G 131 geben (a. A. Grabendorff, ZBR 1957, 365 [366] und Kallabis, ZBR 1958, 117 [121], 123 [124]; vgl. auch Ule, ZBR 1958, 122 [123]). Die Bestimmungen des § 110 BBG müssen als in das G 131 übernommen angesehen werden. Die Nichtigkeit des § 110 BBG für die Versorgung der Bundesbeamten läßt also die Gültigkeit seiner Regelungen für die Gesetzgebung zu Art. 131 GG unberührt.