BVerfG, 21.03.1961 - 1 BvL 3/58; 1 BvL 18/58; 1 BvL 99/58

Daten
Fall: 
Devisenbewirtschaftungsgesetze
Fundstellen: 
BVerfGE 12, 281; MDR 1961, 476; NJW 1961, 723
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
21.03.1961
Aktenzeichen: 
1 BvL 3/58; 1 BvL 18/58; 1 BvL 99/58
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Instanzen: 
  • AG Freiburg - 22 Gs (B) 35/57
  • LG Offenburg, 30.10.1958 - 2 Ns 3/58

Art. I der Devisenbewirtschaftungsgesetze der früheren Besatzungsmächte gilt für den Außenhandel während einer bemessenen Übergangszeit noch fort.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 21. März 1961
- 1 BvL 3, 18, 99/58 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des Art. 1 Abs.1 Satz 2 des Ersten Teiles des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besetzung entstandener Fragen vom 26. Mai 1952 in der Fassung der Bekanntmachung zum Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland vom 30. März 1955 (BGBl. II S. 301/405) - Vorlagen des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Main - II/1 - 413/57 - (1 BvL 3/58), des Amtsgerichts Freiburg i. Br. - 22 Gs (B) 35/57 - (1 BvL 18/58), des Landgerichts Offenburg - 2 Ns 3/58 - (1 BvL 99/58).
Entscheidungsformel:

Das Gesetz betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 1954 über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland vom 24. März 1955 - Bundesgesetzblatt II S. 213 - ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit es durch die Zustimmung zu Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 des Ersten Teiles des Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Bekanntmachung vom 30. März 1955 - Bundesgesetzblatt II S. 405) anordnet, daß Artikel I des Gesetzes Nummer 53 der amerikanischen und der britischen Militärregierung über die Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs in der am 19. September 1949 in Kraft getretenen Fassung (Amtsblatt der Militärregierung Deutschland - Amerikanisches Kontrollgebiet - Nummer 39 vom 8. Oktober 1949 Teil 5 B S. 14) und Artikel I der Verordnung Nummer 235 des französischen Hohen Kommissars in Deutschland über die Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs vom 18. September 1949 (Amtsblatt des französischen Oberkommandos in Deutschland Nummer 305 vom 20. September 1949 S. 2155) für den Außenhandel fortgelten.

Gründe

A.

I.

Nach dem Zusammenbruch des Jahres 1945 hatte der deutsche Außenhandel praktisch aufgehört. Die Besatzungsmächte ließen ihn nur langsam wieder in Gang kommen und behielten sich zunächst selbst die Regelung und Überwachung aller wirtschaftlichen Auslandsbeziehungen und des gesamten Devisenverkehrs vor. Rechtsgrundlage war das Militärregierungsgesetz Nr. 53 "Devisenbewirtschaftung", das bei der Besetzung Deutschlands in den einzelnen Gebieten zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft gesetzt worden war und im Laufe der Zeit durch zahlreiche Durchführungsbestimmungen ergänzt wurde. Außenhandels- und Devisengeschäfte jeder Art waren danach verboten; Ausnahmen bedurften der Genehmigung der Militärregierungen, die hierfür eigene Behörden (JEIA, Officomex) errichteten.

Mit der Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft und der fortschreitenden Lockerung ihrer Absperrung vom Ausland wurde der Kreis der zugelassenen Außenhandelsgeschäfte allmählich erweitert; zunehmend wurden deutsche Behörden und Stellen, vor allem die Bank deutscher Länder, in das Genehmigungsverfahren eingeschaltet.

Mit Wirkung vom 19. September 1949 an wurden die bis dahin geltenden Vorschriften für die amerikanische und britische Besatzungszone ersetzt durch das Militärregierungsgesetz Nr. 53 (Neufassung) "Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs" (Amtsblatt der Militärregierung Deutschland - Amerikanisches Kontrollgebiet - Ausgabe O vom 21. September 1949 S 20; Amtsblatt der Militärregierung Deutschland - Britisches Kontrollgebiet - Nr. 39 vom 8. Oktober 1949 Teil 5 B S. 14); für die französische Besatzungszone erließ die Hohe Kommissar die (gleichlautende) Verordnung Nr. 235 (Amtsblatt des französischen Oberkommandos in Deutschland Nr. 305 vom 20. September 1949 S. 2155). Auch diese Vorschriften - im folgenden zusammenfassend als "Devisenbewirtschaftungsgesetze" bezeichnet - regeln Devisenverkehr und Außenhandel noch nach dem Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. In Durchführungsbestimmungen wurde die Befugnis zum Erlaß weiterer Vorschriften und zur Erteilung von Genehmigungen fast ganz der Bundesregierung, dem Bundesminister für Wirtschaft und der Bank deutscher Länder (später der Deutschen Bundesbank) übertragen. Der Bundesminister für Wirtschaft hat seine Befugnisse zum Teil weiter delegiert, und auch auf die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft.

Nach Beendigung des Besatzungsregimes im Jahre 1955 sind die Devisenbewirtschaftungsgesetze formell nicht aufgehoben worden. Entsprechend der von der Bundesregierung verfolgten Politik der Liberalisierung des Außenhandels wurde aber durch zahlreiche "Runderlasse Außenwirtschaft" des Bundeswirtschaftsministers und "Allgemeine Genehmigungen" der Bank deutscher Länder und der Deutschen Bundesbank das grundsätzliche Außenhandelsverbot so weitgehend gelockert, daß nunmehr ein Rechtszustand besteht, der "sich materiell als eine Umkehrung des in den Devisenbewirtschaftungsgesetzen normierten Rechts" darstellt; "das gesetzliche Verbot ist gegenwärtig die Ausnahme, die freie Betätigung in der Außenwirtschaft ist die Regel..." (Begründung zum Entwurf eines Außenwirtschaftsgesetzes, BT III/1957 Drucks. 1285 S. 229).

II.

Der Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 26. Mai 1952 in der Fassung des "Pariser Protokolls" über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Oktober 1954 (vollständiger Text siehe Bekanntmachung vom 30. März 1955 - BGBl. II S 405) - im folgenden: Überleitungsvertrag - enthält in Art 1 des Ersten Teiles Vorschriften über die Aufhebung und Änderung des (unmittelbaren) Besatzungsrechts. Art 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 lauten:

Die Organe der Bundesrepublik und der Länder sind gemäß ihrer im Grundgesetz festgelegten Zuständigkeit befugt, von den Besatzungsbehörden erlassene Rechtsvorschriften aufzuheben oder zu ändern, sofern im Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten oder in den in dessen Artikel 8 aufgeführten Zusatzverträgen nichts anderes bestimmt ist. Bis zu einer solchen Aufhebung oder Änderung bleiben von den Besatzungsbehörden erlassene Rechtsvorschriften in Kraft.

Die in Satz 1 genannten Verträge enthalten keine Vorbehalte hinsichtlich der Devisenbewirtschaftungsgesetze.

Die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes haben gemäß Art. 59 Abs. 2 GG dem Vertrag durch Gesetz vom 24. März 1955 - BGBl. II S. 213 - zugestimmt.

B.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Main, das Amtsgericht Freiburg i. Br. und das Landgericht Offenburg haben Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorgelegt, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 2 des Ersten Teiles des Überleitungsvertrags insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar sei, als hiernach Art. I der Devisenbewirtschaftungsgesetze in Kraft bleibe.

1. In dem vom Verwaltungsgericht Frankfurt zu entscheiden den Fall klagt eine Firma, die Weinhandel und Herstellung von Branntwein betreibt, gegen die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft wegen Aufhebung einer Verfügung, mit der ihr die Genehmigung zur Einfuhr von Sektgrundwein verweigert worden ist.
Das Amtsgericht Freiburg hat einen Bußgeldbescheid der Oberfinanzdirektion nachzuprüfen; die Antragstellerin, eine Weinhandelsfirma, hatte gegen Auflagen verstoßen, die einer Einfuhrbewilligung beigefügt waren, und war deshalb mit einer Geldbuße belegt worden.

Die Vorlage des Landgerichts Offenburg geht von einem in der Berufungsinstanz schwebenden Strafverfahren aus, in dem dem Angeklagten u.a. die Lieferung wissentlich falscher oder irreführender Urkunden und Auskünfte zur Last gelegt wird (Verstoß gegen die in Ergänzung der Devisenbewirtschaftungsgesetze erlassenen Gesetze Nr. 33 und 14 der Alliierten Hohen Kommission).

Nach Auffassung der vorlegenden Gerichte kommt es bei ihren Entscheidungen auf die Gültigkeit des Art. I der Devisenbewirtschaftungsgesetze an, da der Verwaltungsakt, der Bußgeldbescheid und das Strafurteil unmittelbar oder mittelbar auf dieser Bestimmung beruhten. Sie sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, weil sie die Freiheit der Betätigung im Außenhandel in rechtsstaatswidriger Weise einschränke; die Befreiung von dem grundsätzlichen Verbot stehe im freien Ermessen der Verwaltungsbehörden, die es bei dem generellen Verbot belassen könnten, aber auch einzelne Kaufleute oder ganze Wirtschaftssparten beliebig vom Außenhandel abschließen dürften. Damit seien die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, ja in ihrem Wesensgehalt angetastet. Auch der Gleichheitssatz werde mißachtet, weil jede wie immer gestaltete Regelung der Ausnahmegenehmigung erlaubt sei; wenn z. B. die bewilligende Stelle eine allgemeine Einfuhrausschreibung vornehme, braute sie nur innerhalb dieser Ausschreibung den Gleichheitsgrundsatz zu beachten; jede neue Ausschreibung könne aber wieder nach anderen Grundsätzen, d.h. willkürlich, gestaltet werden. Da die Geltung der Devisenbewirtschaftungsgesetze seit dem 5. Mai 1955 allein darauf beruhe, daß sie im Überleitungsvertrag bis zur Aufhebung oder Änderung durch den deutschen Gesetzgeber aufrechterhalten würden, sei auch die Vertragsbestimmung selbst insoweit verfassungswidrig; Vertrag und Zustimmungsgesetz hätten das Fortgelten verfassungswidrigen Besatzungsrechts nicht rechtswirksam anordnen können.

2. Für die Bundesregierung hat sich der Bundesminister für Wirtschaft geäußert. Er geht davon aus, daß der Überleitungsvertrag die Fortgeltung des Besatzungsrechts ohne Einschränkung vorsehe, daß deshalb auch Vorschriften, die mit dem Grundgesetz nicht im Einklang ständen, weitergälten, bis sie vom deutschen Gesetzgeber aufgehoben oder geändert würden. Solche Bestimmungen könnten, da sie Besatzungsrecht geblieben seien, nicht unmittelbar am Grundgesetz gemessen werden. Ihre verfassungsrechtliche Prüfung sei vielmehr nur auf dem Wege über die Prüfung des Zustimmungsgesetzes zu den Pariser Protokollen möglich, dem der Überleitungsvertrag als Anlage beigefügt sei. Dieses Gesetz sei aber bei Anwendung der Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht im Saar-Urteil (BVerfGE 4, 157) entwickelt habe, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da das Vertragswerk im ganzen dem Abbau der besatzungsrechtlichen Ordnung diene und von der "Grundtendenz zur Verfassungsmäßigkeit hin" getragen sei. Die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes bedeute zugleich, daß auch jede Einzelbestimmung der Verträge verfassungsmäßig sei. Unverzichtbare Grundprinzipien des Grundgesetzes seien nicht verletzt. Das grundsätzliche Verbot aller Außenhandelsgeschäfte in Art. I der Devisenbewirtschaftungsgesetze sei durch zahlreiche allgemeine Genehmigungen in weitem Umfang durchbrochen; daneben würden laufend Einzelgenehmigungen erteilt. Wenn die bestehende gesetzliche Regelung also auch noch gewisse Erschwerungen für die Betätigung im Außenhandel mit sich bringe, so könne doch keine Rede davon sein, daß sie eine Sperre des Zugangs zum Beruf des Außenhandelskaufmanns bedeute. Auch der Gleichheitssatz sei durch das Gesetz nicht verletzt, denn die deutschen Behörden seien, wenn sie von der Ermächtigung zur Ausnahmegenehmigung Gebrauch machten, jedenfalls seit dem 5. Mai 1955 an die unverzichtbaren Verfassungsgrundsätze gebunden, zu denen auch der Gleichheitssatz gehöre. Wenn in Durchführungsvorschriften deutscher Stellen der Gleichheitssatz verletzt sein sollte, könnten allenfalls diese Vorschriften nichtig sein, das berühre aber die Gültigkeit des Gesetzes selbst nicht.

Der Bundesminister für Wirtschaft sieht im Ergebnis die Weitergeltung der Devisenbewirtschaftungsgesetze für eine gewisse Übergangszeit als verfassungsrechtlich unbedenklich an. Er weist in diesem Zusammenhang auf d kommende Außenwirtschaftsgesetz hin, das die Devisenbewirtschaftungsgesetze ablösen solle.

3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat zunächst berichtet, daß Straf- und Zivilsenate in Entscheidungen mehrfach - ohne nähere Erörterung - von der Gültigkeit der Bestimmungen des Gesetzes Nr. 53 (Neufassung) ausgegangen seien. Die Präsidenten des Bundesfinanzhofs und des Bundesverwaltungsgerichts haben Äußerungen der zuständigen Senate übermittelt, die übereinstimmend darlegen, daß die Devisenbewirtschaftungsgesetze auch heute noch geltendes Recht seien.
Inzwischen hat der Erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung vom 9. Juni 1959 (BGHSt 13, 190) eingehend die Auffassung begründet, daß die Regelung der Devisenbewirtschaftung und des Außenhandels in der alten und neuen Fassung des Gesetzes Nr. 53 rechtsgültig "war und ist".

4. Die Anfechtungsklägerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt hat vorgetragen, daß Art. I der Devisenbewirtschaftungsgesetze und Art. 1 des Ersten Teiles des Überleitungsvertrags rechtsgültig seien; die Bestimmungen müßten aber verfassungskonform ausgelegt werden und das bedeute, daß zur Zeit jeder Antrag auf Genehmigung einer Einfuhr genehmigt werden müsse.

Die Antragstellerin im Verfahren vor dem Amtsgericht Freiburg und der Angeklagte im Verfahren vor dem Landgericht Offenburg haben sich der Rechtsauffassung der vorlegenden Gerichte angeschlossen.

5. Da niemand dem Verfahren beigetreten ist, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Es erschien zweckmäßig, die drei Vorlagen zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.

C.

Die Vorlagen sind zulässig. Daß es bei den Entscheidungen der vorlegenden Gerichte auf die Gültigkeit des Art I der Devisenbewirtschaftungsgesetze ankommt, ist in den Vorlagebeschlüssen überzeugend dargelegt. Die Rechtsauffassung, daß die Geltung dieser Gesetze seit dem 5. Mai 1955 allein auf Art. 1 Abs. 1 Satz 2 des Ersten Teiles des Überleitungsvertrags beruhe, ist jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach entschieden, daß auch die "in der Form eines Bundesgesetzes" ergehenden Beschlüsse, in denen die gesetzgebenden Körperschaften gemäß Art. 59 Abs. 2 GG die Zustimmung zu einem völkerrechtlichen Vertrag erklären (sog. Vertragsgesetze), Gegenstand eines Verfahrens der abstrakten Normenkontrolle sein können. Da der materiell- rechtliche Gehalt eines solchen Gesetzes sich erst aus dem Vertrag ergibt, dem zugestimmt wird, hat das Bundesverfassungsgericht hier zu prüfen, ob die gesetzgebenden Körperschaften einem Vertrag dieses Inhalts zustimmen durften (BVerfGE 1, 396 [410]; 4, 157 [162 f.]). Diese Grundsätze gelten auch für das Verfahren der Normenkontrolle auf Vorlage von Gerichten nach Art. 100 Abs. 1 GG.

Die vorlegenden Gerichte haben nicht zu erkennen gegeben, welches der drei Devisenbewirtschaftungsgesetze sie in dem von ihnen zu entscheidenden Fall anzuwenden haben. Das ist aber unerheblich, weil Art. I in den drei Gesetzen denselben Wortlaut hat.

Aus der Bezugnahme auf Art. 12 Abs. 1 GG und aus dem Inhalt der Vorlagebeschlüsse ergibt sich, daß es den Gerichten nur auf die Prüfung ankommt, ob Art. I für die berufsmäßige Betätigung im Außenhandel weitergilt. Darauf kann die Fragestellung sinngemäß begrenzt werden.

D.

Zustimmungsgesetz und Überleitungsvertrag haben dadurch, daß sie Art. I der Devisenbewirtschaftungsgesetze über den 5. Mai 1955 hinaus zunächst aufrechterhielten, bis heute keinen verfassungswidrigen Zustand geschaffen.

I.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Devisenbewirtschaftungsgesetze als unmittelbares Besatzungsrecht auch ohne die Regelung des Überleitungsvertrags nach Beendigung des Besatzungsregimes weitergegolten hätten. Denn es war jedenfalls zulässig, über ihre Weitergeltung mit den bisherigen Besatzungsmäßigen vertragliche Vereinbarungen zu treffen. Das ist im Überleitungsvertrag geschehen. Das Zustimmungsgesetz hat dieser vertraglichen Abmachung die Kraft innerstaatlichen deutschen Rechts verliehen. Es hat so für die Weitergeltung der besatzungsrechtlichen Normen eine neue Rechtsgrundlage geschaffen, auf der von jetzt an mindestens formell die Geltung dieses in seinem Ursprung fremden Rechts beruht. Ob damit das bisherige Besatzungsrecht zu deutschem Recht geworden oder ob es "Besatzungsrecht" geblieben ist, kann also dahinstehen; aus der bloßen begrifflichen Zuordnung läßt sich für die Beurteilung und praktische Behandlung dieses Rechtskomplexes nichts folgern. Für sie sind die positiv- rechtlichen Vorschriften des Überleitungsvertrags und allgemeine verfassungsrechtliche Grundsätze maßgebend.

2. Die Devisenbewirtschaftungsgesetze gehören nicht zu den besatzungsrechtlichen Vorschriften, zu deren Aufrechterhaltung die Bundesrepublik Deutschland sich vertraglich verpflichtet hat (sog. "versteinertes Besatzungsrecht"). Sie sind "gewöhnliches" Besatzungsrecht, das nach dem Überleitungsvertrag nur so lange in Kraft bleibt, bis es von den nach dem Grundgesetz zuständigen Organen des Bundes oder der Länder aufgehoben oder geändert wird. Dieses Recht steht also voll zur Disposition jedenfalls des deutschen Gesetzgebers, der es jederzeit ändern oder beseitigen kann. Den ihm bisher zukommenden Vorrang vor der deutschen Gesetzgebung (einschließlich des Grundgesetzes) hat es damit verloren.

3. Damit ist noch nicht entschieden, ob auch deutsche Gerichte solches "Besatzungsrecht" am Grundgesetz messen und gegebenenfalls als nichtig behandeln oder für nichtig erklären dürfen. Aber auch wenn man dies verneinte, würde sich die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts doch jedenfalls auf die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes erstrecken, d. h. es wäre zu fragen, ob der Gesetzgeber auch solchem Besatzungsrecht Fortgeltung sichern durfte, das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Über die Verfassungsmäßigkeit dieses Rechts selbst würde hierbei nur mittelbar entschieden. Ergibt sich nun, daß ein Widerspruch des aufrechterhaltenen Rechts mit der Verfassung nicht besteht, so steht einem Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts, der die Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes insoweit bestätigt, nichts entgegen. Dasselbe gilt auch, soweit Besatzungsrecht fortgelten soll, das mit der Verfassung zwar nicht voll in Einklang steht, aber aus besonderen, in der Sache liegenden Gründen noch für eine Übergangszeit hingenommen werden konnte und mußte, das also auch, wenn es von einem vorkonstitutionellen deutschen Gesetzgeber erlassen wäre, ausnahmsweise noch für eine Übergangszeit hätte in Kraft belassen werden dürfen (BVerfGE 9, 63 [71 f.]).

II.

Die Devisenbewirtschaftungsgesetze stellen solches Recht dar. Das ergibt sich, wenn man in Anlehnung an grundsätzliche Gedanken des Saar-Urteils und der eben erwähnten Entscheidung vom 17. Dezember 1958 (BVerfGE 9, 63 [71 f.]) die politische Lage zur Zeit des Vertragsschlusses, aber auch die rechtliche und tatsächliche Entwicklung auf dem Gebiet des Außenhandels seit dem Zusammenbruch, die wirtschaftspolitische Bedeutung der devisenrechtlichen Vorschriften und endlich die praktischen Schwierigkeiten der Gesetzgebung auf diesem Gebiet ins Auge faßt.

1. Mit den Erwägungen des Saar-Urteils allein ließe sich freilich die übergangsweise Weitergeltung der Devisenbewirtschaftungsgesetze noch nicht begründen. Dort konnten vertragliche Abmachungen, deren Inhalt mit dem Grundgesetz nicht voll vereinbar war, ausnahmsweise hingenommen werden, weil ein der Verfassung vollkommen entsprechender Zustand außenpolitisch nicht erreichbar gewesen war, der durch den Vertrag zu schaffende Zustand aber immerhin dem Grundgesetz näher kam als der vorher bestehende. Das liegt hier offenbar anders: Im Überleitungsvertrag wird das ("gewöhnliche") Besatzungsrecht uneingeschränkt zur Verfügung des deutschen Gesetzgebers gestellt, der es theoretisch bereits am Tage nach der Beendigung des Besatzungsregimes im ganzen Umfang hätte aufheben können; deshalb kann nicht wohl angenommen werden, daß die Alliierten ein solches Interesse an dem Weiterbestehen dieses Rechts gehabt hätten, daß sie gegenüber dem Hinweis auf die verfassungsrechtliche Lage politisch darauf bestanden haben würden, den deutschen Gerichten müsse die verfassungsrechtliche Prüfung des Rechts und gegebenenfalls seine Nichtanwendung wegen Verfassungswidrigkeit versagt bleiben. Lag aber, wie anzunehmen, die Vertragsbestimmung vorwiegend im Interesse des deutschen Vertragspartners, der aus praktischen Gründen die Entstehung von zunächst unausfüllbaren Lücken der Rechtsordnung vermeiden wollte, so fällt dieser tragende Gesichtspunkt des Saar-Urteils fort. Deshalb kann die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber verfassungsrechtlich befugt war, dieser Regelung zuzustimmen, nicht, wie die Bundesregierung meint, schon mit der Erwägung bejaht werden, daß das Pariser Vertragswerk im ganzen dem Abbau des Besatzungsregimes diene und seiner Grundtendenz nach zu einem der Verfassung voll entsprechenden Zustand hinführe. Überdies würden gegen die Auffassung, daß hieraus allein die Verfassungsmäßigkeit auch jeder einzelnen Bestimmung des Vertragswerks gefolgert werden dürfe, auch andere Bedenken bestehen. Es handelt sich hier nicht, wie beim Saar-Abkommen, um die Regelung einer einzigen konkreten Angelegenheit in einem kurzen, leicht übersehbaren Vertragsinstrument, sondern um ein Vertragswerk von großem Umfang und komplexem Inhalt. Hier kann nicht aus der Grundtendenz des ganzen Werkes heraus ohne weiteres die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit auch solcher Einzelbestimmungen gefolgert werden, die den Charakter weitgreifender Generalklauseln tragen, deren Bedeutung und Auswirkung im einzelnen sich bei Abschluß der Verträge noch nicht übersehen ließ.

2. Die ergänzende Heranziehung der in der Entscheidung vom 17. Dezember 1958 entwickelten Grundsätze ermöglicht es aber, die Weitergeltung der Devisenbewirtschaftungsgesetze für eine bemessene Übergangszeit hinzunehmen.

a) Die außenwirtschaftliche Lage nach dem vollkommenen Zusammenbruch des Deutschen Reiches und nach Übernahme der vollen Regierungsgewalt durch die alliierten Mächte war technisch zunächst nur durch ein umfassendes System der Zwangswirtschaft zu meistern. Ein rechtliches Instrument dazu war das Verbot aller Außenhandelsgeschäfte mit Erlaubnisvorbehalt für jedes einzelne von den Besatzungsbehörden für unbedenklich gehaltene Geschäft. Dieses System hatte, wenn man von weitergehenden, aber bald fallengelassenen politischen Zielen der ersten Nachkriegszeit absieht, nicht den Sinn, den deutschen Außenhandel auf die Dauer zu unterbinden, sondern ihn wirksam zu kontrollieren, zu steuern und so langsam wieder aufzubauen.

Mit zunehmender Wiederherstellung der Ordnung und Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft wurden mehr und mehr einzelne, bald auch generelle Ausnahmen vom Außenhandelsverbot zunächst von den alliierten, dann von den deutschen Stellen verfügt.

b) Die auf "Liberalisierung" des Außenhandels gerichtete Wirtschaftspolitik der Bundesregierung führte schon vor Beendigung des Besatzungsregimes zu dem Zustand, daß die Erlaubnis zur Regel, das Verbot zur Ausnahme wurde. Es war eine klare Entwicklung in der Richtung auf freien Außenhandel, eine Entwicklung, die nach Intention und praktischer Wirkung auf einen dem Grundgesetz entsprechenden Rechtszustand der freien beruflichen Betätigung auch auf diesem Gebiete hinzielte. Da das rechtstechnische System des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt für diese tatsächliche Entwicklung Raum ließ, sahen die Alliierten kein Bedürfnis für eine Änderung der gesetzlichen Grundlage dieses Verfahrens.

c) Wären am 5. Mai 1955 unvermittelt die devisenrechtlichen Vorschriften außer Kraft gesetzt worden, so wäre trotzdem noch in weitem Umfang chaotische Unordnung eingetreten. An die Stelle einer planvollen, Schritt für Schritt je nach den wirtschafts- und handelspolitischen Notwendigkeiten vorgehenden Lockerung der Beschränkungen wäre mit einem Schlage absolute, regellose Freiheit getreten. Die Möglichkeit, notwendige und auch nach dem Grundgesetz zulässige Einschränkungen zu verfügen, hätte zunächst nicht bestanden, da Rechtsgrundlagen im deutschen Recht dafür noch nicht vorhanden waren. Unter diesen Umständen war zunächst die Fortführung des devisenrechtlichen Systems des Besatzungsrechts unumgänglich. War es auch mit seinem grundsätzlichen Verbot aller Außenhandelsgeschäfte längst überholt, so wäre doch die Umkehrung des Prinzips in diesem Zeitpunkt kaum durchführbar gewesen, zumal über das Maß der nach dem Grundgesetz künftig zulässigen Beschränkungen der Berufsfreiheit im Außenhandel bis zum Apothekenurteil" des Bundesverfassungsgerichts noch keine volle Klarheit herrschte.

d) Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG war jedoch unerläßliche Voraussetzung für die Duldung eines dieser Grundrechtsnorm nicht voll entsprechenden Übergangszustandes, daß die auf prinzipielle Freiheit des Außenhandels im Rahmen des Grundgesetzes gerichtete Entwicklung planmäßig und ohne grundsätzliche Abweichungen weitergeführt wurde, daß alsbald die Vorarbeiten für ein neues, dem Grundgesetz entsprechendes deutsches Gesetz aufgenommen wurden und daß bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht zu viel Zeit verstreichen durfte.

Die deutsche Wirtschaftspolitik ist in der Richtung auf volle Liberalisierung des Außenhandels planmäßig und ohne grundsätzliche Abweichungen und Unterbrechungen fortgesetzt worden. Die Ermächtigungen zu allgemeinen Befreiungen wurden ausgenutzt, soweit die wirtschaftliche Entwicklung es zuließ. Die Freiheit des Außenhandels ist gegenwärtig in weitem Umfang tatsächlich hergestellt. Nach umfangreichen Vorarbeiten hat die Bundesregierung den Entwurf eines "Außenwirtschaftsgesetzes" im Jahre 1959 dem Parlament vorgelegt (BT III/1957 Drucks. 1285), also innerhalb einer Zeit, die bei Würdigung aller Umstände nicht als unangemessen lang bezeichnet werden kann; schon der Umfang des Entwurfs und die Fülle seiner Einzelregelungen zeigen die Schwierigkeiten der Materie, die gerade auch darin besteht, daß im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Forderung grundsätzlicher Freiheit des Außenhandels nur die notwendigen Beschränkungen aufrechterhalten werden dürfen. Bundestag und Bundesrat haben die Beratungen des Gesetzentwurfs in der angemessenen Zeit von etwa 1,5 Jahren abgeschlossen. Das Außenwirtschaftsgesetz wird nunmehr in Bälde in Kraft treten.

3. Bei dieser Sachlage würde die Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgesetzes und des Überleitungsvertrags, soweit sie die Devisenbewirtschaftungsgesetze aufrechterhalten, nur festgestellt werden können, wenn diese Gesetze ihrem Inhalt nach unverzichtbare Grundsätze des Grundgesetzes klar verletzten (BVerfGE 4, 157 [170]). Recht solcher Art könnte auch nicht für eine Übergangszeit aufrechterhalten bleiben. Für die Devisenbewirtschaftungsgesetze trifft diese Ausnahme nicht zu. Es wird durchweg angenommen, daß Art. I der Gesetze, soweit er sich auf die berufsmäßige Betätigung im Außenhandel bezieht, mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sei. Das Verbot gewisser Geschäfte im Außenhandel ist zunächst eine Regelung der Berufsausübung, in deren Gestaltung der Gesetzgeber weitgehend frei ist; ein generelles Verbot jeglichen Außenhandels würde freilich auch das Grundrecht der Berufswahl einschränken und nur unter besonders strengen Voraussetzungen zulässig sein (BVerfGE 7, 377 [405]). Es mag unterstellt werden, daß der absolute Verbotsgrundsatz des Art. I der Devisenbewirtschaftungsgesetze mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist; doch kann man nicht daran vorbeisehen, daß dieses absolute Verbot nur noch im rechtstechnischen Sinne besteht, praktisch aber durch die Fülle der Ausnahmeregelungen überholt und daher der Sache nach auch als Rechtsnorm ausgehöhlt ist. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG hier etwa gar in seinem Wesensgehalt verletzt sei. Die tatsächlichen Verhältnisse zeigen, daß die Annahme lebensfremd wäre, die Devisenbewirtschaftungsgesetze bewirkten eine Sperre des Zugangs zum Beruf des Außenhandelskaufmanns. Eine große Anzahl von Kaufleuten hat während der Geltung der Gesetze diesen Beruf ergriffen, andere haben den Umfang ihrer Geschäfte erweitert, der Außenhandel im ganzen hat sich in außerordentlichem Maße entwickelt; das wäre nicht möglich gewesen, wenn die gesetzliche Regelung die Freiheit auf diesem Gebiet so eingeschränkt hätte, wie das behauptet wird.

Auch der Umstand, daß alle generellen und speziellen Befreiungen von dem Verbot abhängig bleiben vom pflichtmäßigen Ermessen der Verwaltungsbehörden, hat, im ganzen gesehen, keine die Berufsfreiheit unerträglich einengende Wirkung. Abgesehen davon, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 13, 190) ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung angenommen werden muß, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, ist stets im Auge zu behalten, daß der gesamte Vollzug des Gesetzes von der Tendenz zur "Liberalisierung" beherrscht ist; die Praxis der Genehmigungsbehörden besitzt hier eine feste Richtschnur, von der sie nicht willkürlich abweichen darf, weil die grundsätzliche Freiheitsvermutung des Art 12 GG auch im Bereich bloßer Berufsausübungsregelungen gilt und somit auch d Exekutive hier unmittelbar gebunden ist. Diese gleichbleibende Tendenz zur Freiheit hin ist nach dem oben Dargelegten Voraussetzung für die übergangsweise Weitergeltung der Gesetze; eine rückläufige, zu unnötig strenger oder gar willkürlicher Handhabung des Ausnahmebewilligungsrechts führende Praxis wäre verfassungswidrig. Soweit Ausnahmegenehmigungen weiterhin noch erteilt werden müssen, ist die Exekutive auch an den Gleichheitssatz gebunden. Er sichert dem Bürger überall da, wo freiheitsbeschränkende staatliche Einzelanordnungen unerläßlich sind, das in diesem Rahmen mögliche Höchstmaß an Schutz vor willkürlicher Beschränkung seiner Freiheit. Die Verwirklichung der sich hier ergebenden, aus dem Grundrecht des Art 3 Abs. 1 GG fließenden Ansprüche ist Sache d Vollzugs; gegen beschwerende Einzelakte der öffentlichen Gewalt kann Rechtsschutz bei den Gerichten, gegebenenfalls durch Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht, gesucht werden.

Andere Verfassungsvorschriften sind nicht verletzt. Die verbleibende Diskrepanz zwischen dem nur noch formalen Verbotsprinzip und dem Grundgesetz ist nicht grundsätzlicher Art; sie kann, ohne daß der Rechtszustand auf diesem Gebiet im ganzen das Gepräge der Rechtsstaatswidrigkeit erhielte, noch für eine Übergangszeit in Kauf genommen werden.

Ob es möglich gewesen wäre, das Außenwirtschaftsgesetz früher zustandezubringen, kann dahinstehen. Keinesfalls läßt sich das mit dem Grade von Evidenz belegen, der erforderlich wäre, um dem Richter die Feststellung zu ermöglichen, daß die gesetzlichen Bestimmungen von einem bestimmten Zeitpunkt an verfassungswidrig und nichtig geworden seien.