RG, 07.12.1917 - II 286/17

Daten
Fall: 
Milchlieferung
Fundstellen: 
RGZ 91, 312
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
07.12.1917
Aktenzeichen: 
II 286/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin
Stichwörter: 
  • Milchlieferungsvertrag, zur Unmöglichkeit der Leistung, zur Tantiemenberechnung

In welchem Umfang ist der Bewirtschafter eines Gutes, der sich verpflichtet hat, täglich eine gewisse Milchmenge daraus zu liefern, an diese Verpflichtung gebunden?

Sachverhalt

Der Beklagte, der das Gut Br. bewirtschaftete, verpflichtete sich durch Kaufvertrag vom 29. April 1914, dem Kläger bis zum 30. September 1915 täglich mindestens 800 bis höchstens 1000 Liter Milch zu liefern. Mit der Behauptung, die Verpflichtung sei nach Kriegsausbruch nicht mehr genügend erfüllt worden, nahm ihn der Kläger für die Zeit vom 31. März bis zum 30.. September 1915 auf Schadensersatz in Anspruch. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab; die Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

... "Der Beklagte hat eingewendet, daß er wegen unverschuldeter Unmöglichkeit der Erfüllung von der Leistungspflicht, soweit er ihr nicht genügt habe, frei gewesen sei (§275 BGB). Beide Vorderrichter haben auf Grund der Beweisaufnahme, insbesondere des erhobenen Gutachtens, den Einwand als gerechtfertigt anerkannt. Sie führen aus, der Milchertrag des Gutes Br. habe sich um die fragliche Zeit infolge von Erkrankungen des Viehbestandes (Maul- und Klauenseuche, Scheidenkatarrh) erheblich vermindert; der Rückgang habe sich noch gesteigert, als im Frühjahr 1915 die Futtermittel zu Ende gegangen seien. Dazu sei dann noch als widriger Umstand die Dürre gekommen, die im Juni 1915 eingesetzt habe. Das habe zur Folge gehabt, daß der Beklagte nach Abzug des für die eigene Wirtschaft Nötigen, insbesondere auch für die durchaus erforderliche Aufzucht von Kälbern und Ferkeln Gebrauchten, dem Kläger nicht mehr habe liefern können, als er tatsächlich geliefert habe.

Die hiergegen erhobenen Ansprüche sind nicht begründet. ...

Die Revision wendet sich mit Unrecht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß der Beklagte die zur Befriedigung des eigenen Bedarfs notwendige Milch habe zurückbehalten dürfen. Der Vertrag der Parteien enthält allerdings keine dahin gehende ausdrückliche Bestimmung. Bei einem Vertragsverhältnisse der vorliegenden Art war dies aber auch nicht erforderlich. Der Beklagte hat nicht überhaupt gewisse Milchmengen verkauft, sondern seine Verpflichtung war beschränkt auf den Ertrag seines Gutes und damit nach der Verkehrssitte auf denjenigen Teil des Erzeugnisses, der bei Einhaltung der Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft Gegenstand der Veräußerung ist. Dazu gehört aber bei einem landwirtschaftlichen Betriebe regelmäßig nicht das zur geordneten Fortführung des Betriebes Erforderliche. Die Auffassung des Berufungsgerichts steht deshalb im Einklange mit den Vorschriften sowohl des § 157 als auch des § 242 und verstößt darum auch nicht gegen § 275 BGB. Entgegen der Meinung der Revision ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht annimmt, dem Beklagten sei nicht zuzumuten gewesen, in unwirtschaftlicher Weise enorme Preise für Kraftfuttermittel zu zahlen, um die Milchgewinnung zu steigern. Der Beklagte hatte nicht Milch schlechthin, sondern Milch aus dem Ertrage seines Gutes zu liefern. Als Ertrag konnte aber nach der maßgebenden Anschauung des Verkehrs nur gelten, was bei verständiger Führung der Wirtschaft zu erzielen war. Eine Anwendung der Grundsätze, die im kaufmännischen Verkehr für die Verteuerung der zu liefernden Ware gelten, hat hier außer Betracht zu bleiben." ...

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