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RG, 31.03.1897 - I 366/96

Daten
Fall: 
Eisenbalkendecken-Patent
Fundstellen: 
RGZ 39, 32
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
31.03.1897
Aktenzeichen: 
I 366/96
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Potsdam
  • KG Berlin
Stichwörter: 
  • Patentrecht

1. Wann liegt ein gewerbsmäßiger Gebrauch des Gegenstandes der Erfindung im Sinne des § 4 des Patentgesetzes vor?
2. Was ist bei einem Patente für ein Verfahren unter den "durch das Verfahren unmittelbar hergestellten Erzeugnissen“ zu verstehen?

Sachverhalt

Der Kläger war Inhaber eines Patentes auf ein „Verfahren zur Herstellung von feuersicheren Eisenbalkendecken“. Das Verfahren besteht nach dem Patentanspruche darin, daß die Balkenfache mit Platten aus Steinschichten ausgefüllt werden, in deren Fugen und Bindemittel hochkantig gestellte Eisenstäbe eingebettet werden.

Der Kläger behauptete, daß dieses Verfahren ohne seine Erlaubnis bei einem Bau angewandt worden sei, den der Beklagte W. durch den Beklagten H. hatte errichten lassen; W. habe den Bau für den Betrieb seines kaufmännischen Gewerbes, insbesondere auch zur Aufnahme eines Warenlagers, errichtet und inzwischen dafür in Benutzung genommen; bei der Ausführung des Baues habe H. das Patent des Klägers, wenn nicht wissentlich, so doch mindestens aus grober Fahrlässigkeit verletzt. Mit der Klage, die zu einer Zeit erhoben wurde, als der Neubau im Rohen eben fertig war, beantragte der Kläger u. a., festzustellen, daß der Beklagte W. nicht berechtigt sei, ohne Erlaubnis des Klägers die in dem Neubau in sämtlichen Stockwerken vorhandenen flachen Decken für seinen Gewerbebetrieb in Benutzung zu nehmen. Diese Klage ist in allen Instanzen abgewiesen, vom Reichsgerichte aus folgenden Gründen:

Gründe

... “Das Berufungsgericht hat ... in Übereinstimmung mit dem Urteile der ersten Instanz den Untersagungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten W. ... deswegen für unbegründet erklärt, weil in der Benutzung der Räume des erbauten Hauses für das kaufmännische Geschäft des W. kein „gewerbsmäßiger“ Gebrauch des klägerischen Patentes zu erblicken sei: die Konstruktion der Decken seines Hauses stehe mit dem kaufmännischen Gewerbebetriebe des Beklagten W. in gar keinem Zusammenhange. Nach Ansicht des Reichsgerichtes trifft diese Entscheidung im Ergebnisse zwar das rechte, ihrer Begründung aber kann nicht beigetreten werden.

Nach dem früheren Patentgesetze vom 25. Mai 1877 war der Gebrauch des Gegenstandes der Erfindung nur untersagt, wenn es sich um Betriebsvorrichtungen oder Arbeitsgeräte handelte. Das jetzige Gesetz vom 7. April 1891 aber sagt, der gewerbsmäßige Gebrauch an allen patentierten Gegenständen stehe ausschließlich dem Patentinhaber zu. Der Gegenstand der Erfindung wird „gewerbsmäßig“ gebraucht, wenn er in einem Gewerbebetriebe gebraucht wird. Den Gegensatz zum gewerbsmäßigen Gebrauche bildet die Benutzung zu Studienzwecken oder für den persönlichen oder häuslichen Bedarf. Daß eine besondere Beziehung der Erfindung zu dem Gewerbebetriebe besteht, in dem sie benutzt wird, daß sie auf eine Förderung oder Erleichterung gerade dieses Gewerbebetriebes abzielt, fordert das Gesetz nicht. Und es kann nicht für zulässig erachtet werden, eine derartige Unterscheidung in das Gesetz hineinzutragen. Eine solche Unterscheidung würde auch sachlich ungerechtfertigt sein. Soweit ein Gewerbebetrieb stattfindet, fordert das Gesetz von jedem die gehörige Beachtung fremder ausschließlicher Gewerberechte. Wenn aber eine Erfindung thatsächlich in einem bestimmten Gewerbe benutzt wird, so eignet sich damit der betreffende Gewerbetreibende die wirtschaftlichen Vorteile der Erfindung auch für seinen Gewerbebetrieb an.
Vgl. die Begründung des dem Reichstage am 25. November 1890 vorgelegten Entwurfes der Novelle, zu § 4, S. 15.

Aber der Schutz des Gesetzes geht doch bezüglich des Produktes der Erfindung nicht so weit, wie der Kläger und die Vorderrichter unterstellen. Auf dem Boden des früheren Gesetzes war es streitig, ob durch das Patent auf ein Verfahren auch das Produkt als das letzte Glied des Verfahrens geschützt sei. Das Reichsgericht hatte sich schon damals,
vgl. Entsch. des R.G.`s in Zivils. Bd. 22 S. 8,
für die Bejahung dieser Frage ausgesprochen, und das neue Gesetz hat diesen Standpunkt durch die veränderte Fassung des § 4 ausdrücklich gutgeheißen. „Ist das Patent für ein Verfahren erteilt,“ heißt es jetzt, „so erstreckt sich die Wirkung“ – d. h. die Wirkung, die das Patent überhaupt hat, daß „der Patentinhaber ausschließlich befugt ist, gewerbsmäßig den Gegenstand der Erfindung herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen“ – „auch auf die durch das Verfahren unmittelbar hergestellten Erzeugnisse.“ Die Worte „auf die durch das Verfahren unmittelbar hergestellten Erzeugnisse“ geben aber zugleich den Anhalt für die Einschränkung, die hier notwendigerweise Platz greifen muß, wenn der Verkehr nicht in unerträglicher Weise belästigt werden soll.
Vgl. die Stenographischen Berichte über die Patent-Enquete von 1886 S. 95 flg. und Bolze, Patent-Novelle S. 165 flg.

Gegenüber der weiteren und unbestimmteren Fassung der Reichstagsvorlage: „auf die mittels des Verfahrens hergestellten Erzeugnisse“, sind jene Worte von der Reichstagskommission absichtlich gewählt, „um“ – wie der Bericht S. 10 sagt – „den Schutz nicht zu weit auszudehnen, insbesondere um zu verhüten, daß etwa Gegenstände, die mit Stoffen zusammen verarbeitet sind, welche nach einem patentierten Verfahren hergestellt werden, auch von dem Patente erfaßt werden“.

Nur das unmittelbare Erzeugnis des Verfahrens ist noch von dem gesetzlichen Schutze gedeckt; die mit dem Erzeugnisse weiter gewonnenen Produkte aber (z. B. die Semmeln, die aus einem mittels eines patentierten Verfahrens geteilten Teige hergestellt sind) fallen ins Freie. Und dasselbe wird man zu sagen haben von einem Gegenstande, der zwar für sich allein genommen ein unmittelbares Erzeugnis des geschützten Verfahrens ist, der aber nicht in diesem Zustande Gegenstand des Verkehrs oder Gebrauches wird, sondern erst nachdem er zu einem unselbständigen Bestandteile eines neuen Ganzen geworden ist. Das Recht erkennt einen Besitz an Sachen, die Bestandteile einer anderen Sache geworden sind, nicht an, und wie für die juristische Betrachtung überhaupt Bestandteile, solange die Verbindung dauert, keine selbständige Existenz haben, so wird dies auch hier gelten müssen. Ein Tischler, der Nägel verwendet, die unter Verletzung eines patentierten Verfahrens hergestellt sind, macht sich einer Patentverletzung schuldig. Der gewerbsmäßige Gebrauch des Schrankes aber, bei dessen Herstellung die Nägel verwendet worden sind, ist keine Patentverletzung mehr, und zwar aus dem doppelten Grunde, weil erstens dieser Schrank kein unmittelbares Erzeugnis des patentierten Nagelschmiedeverfahrens ist, und weil man zweitens im Rechtssinne nicht sagen kann, daß, wer den Schrank gebraucht (oder aber feil hält), auch den Nagel gebrauche (oder aber feil halte).

So liegt die Sache auch hier. Dem Kläger ist ein Patent erteilt auf ein Verfahren zur Herstellung von feuersicheren Eisenbalkendecken. Ist dieses Verfahren im W.´schen Neubau zur Anwendung gekommen, so sind die Decken dieses Neubaues allerdings die unmittelbaren Erzeugnisse des patentierten Verfahrens. Diese Decken sind aber jetzt zu einem untrennbaren Bestandteile des erbauten Hauses und damit des Grundstückes selbst geworden. Für das Recht und für den Verkehr haben sie aufgehört Sachen zu sein, denen eine selbständige Bedeutung zukommt. Sie sind daher auch kein Gegenstand des gewerbsmäßigen Gebrauches, den der Beklagte W. von seinem Grundstücke allerdings macht. Das Grundstück aber ist kein Produkt des beim Kläger patentierten Verfahrens.“ ...

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RG, 31.03.1897 - I 36696 - RGZ 39, 32.pdf119.66 KB