BVerfG, 12.02.1964 - 1 BvL 12/62
Zur Anwendung der Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG auf freiwillige Leistungen des Staates.
Beschluß
des Ersten Senats vom 12. Februar 1964
- 1 BvL 12/62 -
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 3 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wahnbausparer (Wohnungsbau-Prämiengesetz) vom 21. Dezember 1954 - BGBl. I S. 482 - Vorlagebeschluß des Bundesfinanzhofs vom 4. Mai 1962, VI 180/59 U.
Entscheidungsformel:
§ 3 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer (Wohnungsbau-Prämiengesetz) in der Fassung vom 21. Dezember 1954 - Bundesgesetzbl. I S. 482 - ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe
A.
I.
Das Gesetz über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer (Wohnungsbau-Prämiengesetz) - im folgenden: WoPG - vom 17. März 1952 - BGBl. I S. 139 -, das seither mehrfach geändert und neu gefaßt worden ist und im vorliegenden Fall in der Fassung vom 21. Dezember 1954 - BGBl. I S. 482 - zur Anwendung kommt, ist ein Teil der Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus.
Bereits bei der Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes hatte der Bundestag am 28. März 1950 folgende Entschließung angenommen:
Die Bundesregierung wird ersucht, rechtzeitig einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach mit Wirkung ab 1. Juli 1950 dem Kreis der Steuerpflichtigen mit kleinerem Einkommen die Möglichkeit eröffnet wird, für alle nach dem Einkommensteuergesetz begünstigten Aufwendungen, die der Förderung des Wohnungsbaues dienen, Begünstigungen in Höhe von 25% der Einzahlungs- und Sparbeträge in Anspruch zu nehmen. Dabei bleibt es der Bundesregierung überlassen, diese Begünstigungen im Wege des Abzuges von der Steuer oder der Prämie oder einer Verbindung beider Methoden einzuräumen.
Nach längeren Verhandlungen kam es zu einem Initiativentwurf aller Fraktionen, der zum Gesetz vom 17. März 1952 führte. Darnach können unbeschränkt einkommensteuerpflichtige natürliche Personen für Aufwendungen, die echte Sparleistungen darstellen und der Förderung des Wohnungsbaus dienen, eine Prämie in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Aufwendungen erhalten (§§ 1 bis 3).
Die prämienbegünstigten Aufwendungen sind in § 2 des Gesetzes abschließend aufgezählt; an praktischer Bedeutung stehen die "Beiträge an Bausparkassen zur Erlangung von Baudarlehen" (§ 2 Abs. 1 Nr. 1) im Vordergrund.
Die Prämie wird auf Antrag nach Ablauf des Kalenderjahres für die Aufwendungen dieses Jahres gewährt. Das Unternehmen, an das die Aufwendungen geleistet worden sind, fordert die Prämie beim Finanzamt an; dieses überweist sie an das Unternehmen, wo sie dem Empfänger gutgeschrieben und verzinst wird. Erläßt das Finanzamt - auf Antrag des Berechtigten - einen förmlichen Festsetzungsbescheid, so kann dieser im Berufungsverfahren vor den Steuergerichten angefochten werden (§§ 4, 5).
Die Prämien sind - zusammen mit den prämienbegünstigten Aufwendungen - zu dem "vertragsmäßigen Zweck", d.h. grundsätzlich zum Wohnungsbau, zu verwenden; geschieht dies nicht, so müssen sie zurückgezahlt werden (§ 5 Abs. 2).
Wer prämienbegünstigte Aufwendungen macht, die gleichzeitig Sonderausgaben im Sinne des Einkommensteuerrechts sein können, muß sich entscheiden, ob er die Aufwendungen in dem betreffenden Kalenderjahr als Sonderausgaben geltend machen oder eine Prämie beanspruchen will (§ 8).
Von der Anregung in der Entschließung des Bundestags, einen einheitlichen Prämiensatz von 25% der Aufwendungen vorzusehen, weicht das Gesetz in doppelter Richtung ab: einerseits werden die Prämien nach sozialen Gesichtspunkten abgestuft, andererseits ist ein Höchstbetrag von 400 DM für die Jahresprämie festgesetzt. § 3 WoPG bestimmt:
§ 3
Höhe der Prämie
(1) Die Prämie beträgt 25 vom Hundert der prämienbegünstigten Aufwendungen. Für Kinder (§ 32 Abs. 4 Buchstaben a bis f des Einkommensteuergesetzes) des Prämienberechtigten, die in dem Kalenderjahr, in dem die prämienbegünstigungen Aufwendungen gemacht worden sind, das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, erhöht sich die Prämie
bei ein oder zwei Kindern auf 27 vom Hundert,
bei drei bis fünf Kindern auf 30 vom Hundert,
bei mehr als fünf Kindern auf 35 vom Hundert.
(2) Die Prämie beträgt höchstens insgesamt 400 Deutsche Mark für die prämienbegünstigten Aufwendungen eines Kalenderjahrs. Für die Feststellung dieses Höchstbetrags werden die prämienbegünstigten Aufwendungen des Prämienberechtigten und
1. seines Ehegatten, wenn während des ganzen Kalenderjahrs die Ehe bestanden hat und die Ehegatten nicht dauernd getrennt gelebt haben, sowie
2. der in Absatz 1 genannten Kinder des Prämienberechtigten zusammengerechnet.
II.
Der Berufungsführer des Ausgangsverfahren hat 1956 geheiratet; er sowohl wie seine Ehefrau hatten vor der Ehe einen Bausparvertrag abgeschlossen. Die Eheleute beantragten für ihre Aufwendungen im Jahre 1957 Wohnungsbauprämien je im Höchstbetrag von 400 DM. Das Finanzamt gewährte nur eine Prämie von 400 DM; sie wurde anteilig auf die beiden Verträge verteilt, so daß der Berufungsführer 256 DM, seine Ehefrau 144 DM erhielt.
Vor dem Finanzgericht hatte der Berufungsführer keinen Erfolg; der mit Rechtsbeschwerde angerufene Bundesfinanzhof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 3 Abs. 2 Satz 2 WoPG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
1. Der Bundesfinanzhof weist darauf hin, daß er selbst früher die Bestimmung als gültig angesehen habe (BFHE 65, 201); nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Zusammenveranlagung der Ehegatten und nach der Fortbildung der Grundsätze dieser Entscheidung in der späteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne er aber diesen Standpunkt nicht mehr aufrechterhalten.
Bei den Wohnungsbauprämien handle es sich um eine Förderungsmaßnahme des Steuerfiskus. Auch bei Begünstigungen müsse aber den Wertungsprinzipien der Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung getragen werden; sie seien verletzt, wenn Ehegatten nur deshalb, weil sie verheiratet seien, schlechtergestellt würden als unverheiratete Personen. Zwar sei der Gesetzgeber nicht gezwungen gewesen, den Höchstbetrag der Prämie für Ehegatten auf 800 DM festzusetzen, wenn er ihn für Ledige auf 400 DM bemesse. Er müsse aber die bereitgestellten Mittel so verteilen, daß Willkür vermieden werde, Ehegatten also nicht ohne zureichende Gründe benachteiligt würden. Solche Gründe gebe es hier nicht: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Zusammenveranlagung der Ehegatten im Einkommensteuerrecht lasse sich die bis dahin anerkannte Vorstellung, daß zusammenlebende Ehegatten im Bereich des Steuerrechts eine Einheit bildeten, weil sie "in einen Topf wirtschafteten", nicht mehr aufrechterhalten. Der Gesetzgeber hätte den neuen Anschauungen über die Auswirkungen der Ehe im Steuerrecht durch eine Änderung des § 3 Abs. 2 Satz 2 WoPG Rechnung tragen müssen, wie er es auch in dem - dem WoPG nach Inhalt, Zweck und Aufbau ähnlichen - Sparprämiengesetz vom 5. Mai 1959 getan habe.
Bei Bausparverträgen könnten die Ehegatten wählen, ob sie die Beiträge als Sonderausgaben absetzen oder eine Prämie beanspruchen wollten. Im ersten Fall wirke sich der Familienstand beim Sonderausgabenhöchstbetrag aus (§ 10 Abs. 3 Ziff. 3 EStG); es sei nicht ersichtlich, warum das nicht auch beim Prämienhöchstsatz so sei.
Die Erwägung des Finanzgerichts, die Regelung sei sachgerecht, weil die Ehegatten in aller Regel nur für ein Bauvorhaben sparten, sei nicht überzeugend; das Gesetz lasse nicht erkennen, daß es nur ein Bauvorhaben fördern wolle. Bei Bausparverträgen sei es nicht einmal erforderlich, daß der Sparende überhaupt baue, denn nach Ablauf der Sperrfrist von 6 Jahren werde nicht mehr geprüft, zu welchem Zweck der Sparer die Bausparsumme verwende.
Eine verfassungskonforme Auslegung, die aus § 3 Abs. 2 Satz 2 diejenigen Fälle aussondere, in denen Ehegatten schon vor der Ehe eigene Bausparverträge geschlossen hätten, sei angesichts des klar ausgedrückten gesetzgeberischen Willens nicht möglich; sie würde auch zu großer Rechtsunsicherheit führen.
2. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, die zur Prüfung gestellte Norm sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Bei staatlichen Förderungsmaßnahmen habe der Gesetzgeber weitestgehende Gestaltungsfreiheit. Das WoPG sehe die Prämie als Teil der Wohnungsbauförderung; es wolle nicht, wie das Sparprämiengesetz, das Sparen der einzelnen Personen als solches belohnen, sondern stelle auf den konkreten Zweck des Sparens, das Bauvorhaben, ab. Dem Gesetzgeber habe das Leitbild des zweckgebundenen Sparens einer Person oder mehrerer in enger Familiengemeinschaft lebender Personen für ein eigenes Familienwohnheim vorgeschwebt. Es sei sachgemäß, wenn der Gesetzgeber beim kinderlosen Ehepaar und bei einem Ledigen von einem etwa gleich großen Wohnungsbedarf ausgehe und deshalb die Förderung auf denselben Höchstbetrag begrenze. Die Familie mit Kindern sei durch die Staffelung der Prämiensätze in § 3 fühlbar begünstigt. Bei der Berücksichtigung der Bausparverträge im Sonderausgabenrecht der Einkommensteuer stehe die Funktion dieser Verträge als einer Form des individuellen Sparens für die Alterssicherung im Vordergrund. Im übrigen würden Ehegatten, die über 1600 DM sparen könnten, in der Regel Einkommensteuer zu zahlen haben, so daß sie nach § 8 WoPG die Begünstigung ihrer Sparleistung über Sonderausgaben erreichen könnten.
B.
I.
Der Bundesfinanzhof will, wenn die Norm gültig ist, die Rechtsbeschwerde zurückweisen; ist sie ungültig, so will er die Vorentscheidung aufheben. Für seine Entscheidung kommt es also auf die Gültigkeit der Norm an. Daß er sich noch nicht darüber schlüssig gemacht hat, ob er nach Aufhebung der Entscheidung des Finanzgerichts in der Sache selbst erkennen, d.h. den Eheleuten je die Höchstprämie zusprechen könnte, oder das Verfahren bis zu einer gesetzlichen Neuregelung aussetzen müßte, ist für die Beurteilung der Zulässigkeit ohne Bedeutung.
Zu entscheiden ist nur über die Zusammenrechnung der Aufwendungen von Ehegatten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WoPG).
II.
Die zur Prüfung gestellte Norm ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach ausgesprochen, daß der Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit größere Gestaltungsfreiheit besitzt als innerhalb der Eingriffsverwaltung (BVerfGE 6, 55 [77]; 11, 50 [60]; 12, 151 [166]). Dies muß besonders dann gelten, wenn der Staat nicht deshalb Leistungen gewährt, um einer dringenden sozialen Notlage zu steuern oder eine - mindestens moralische - Verpflichtung der Gemeinschaft zu erfüllen (wie etwa beim Lastenausgleich), sondern aus freier Entschließung durch finanzielle Zuwendungen ("Subventionen") ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördert, das ihm aus wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist. Hier kann der Gesetzgeber nicht nur bestimmen, welche Beträge er zur Durchführung der Maßnahme im Haushaltsplan insgesamt bereitstellen will, er ist auch weitgehend frei in der Entscheidung darüber, wie er sie einsetzen und verteilen will. Selbstverständlich bleibt er an die Verfassung, insbesondere an den Gleichheitssatz, gebunden. Das bedeutet, daß er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, nicht "willkürlich", verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte aber stehen ihm im weitesten Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie von der Verfassung her nicht beanstandet werden (vgl. auch BVerfGE 12, 354 [367 f.]).
Die besonderen Wertentscheidungen des Grundgesetzes prägen den Gleichheitssatz nach bestimmten Richtungen hin aus. Sie schränken die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers ein, selbst zu bestimmen, was "gleich" und "ungleich" sein soll (BVerfGE 13, 290 [298 f.]), indem sie Unterscheidungen verbieten, die dem in der Wertentscheidung ausgedrückten Willen des Verfassungsgebers zuwiderlaufen würden, einem bestimmten Lebensbereich oder Lebensverhältnis seinen besonderen Schutz angedeihen zu lassen.
Die im vorliegenden Fall in Betracht kommende Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG wirkt sich, soweit sie eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes enthält, im Rahmen einer freiwilligen Förderungsmaßnahme des Staates dahin aus, daß Verheiratete nicht allein deshalb, weil sie verheiratet sind, weniger erhalten dürfen als Ledige. Das heißt nicht, daß sie immer und in jedem Zusammenhang mehr oder mindestens gleich viel erhalten müßten wie Ledige. Es bedarf aber einleuchtender Sachgründe, die erkennen lassen, daß eine für Ehegatten verhältnismäßig ungünstigere Regelung ihren Grund in der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten hat und daß deren Berücksichtigung gerade bei dieser konkreten Maßnahme den Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht widerstreitet, somit nicht als Diskriminierung der Ehe angesehen werden kann.
2. Die Wohnungsbauprämien sollen die Gewinnung von Wohnraum für Familien - namentlich mit kleinerem Einkommen - erleichtern helfen. Grundsätzlich wohnt der Maßnahme also eine soziale und familienfördernde Tendenz inne. Das zeigt sich u.a. darin, daß die Prämie erhöht wird, wenn der Prämienberechtigte Kinder unter 18 Jahren hat. Er erhält dann bei gleicher Sparleistung eine höhere Prämie oder erzielt schon mit einer geringeren Sparleistung dieselbe Prämie wie ein Lediger; um den Höchstsatz der Prämie zu erreichen, hat der Ledige Aufwendungen in Höhe von 1600 DM zu erbringen, der Verheiratete mit ein oder zwei Kindern 1482 DM, mit drei bis fünf Kindern 1334 DM, mit über fünf Kindern 1143 DM. Daraus erhellt zunächst grundsätzlich, daß das Gesetz dem Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG nach Schutz und Förderung der Familie gerecht zu werden sucht.
3. Der Gesetzgeber hat einen einheitlichen Höchstbetrag von 400 DM für die Jahresprämie festgesetzt. Dazu war er befugt; die Begrenzung war angesichts der ohnehin sehr hohen Gesamtaufwendungen für Prämien wohl kaum zu vermeiden, nachdem die ursprüngliche Absicht fallengelassen war, die Prämienberechtigung an eine Einkommenshöchstgrenze zu binden. Wenn das Gesetz darüber hinaus anordnet, daß für die Feststellung des Höchstbetrags die prämienbegünstigten Aufwendungen des Prämienberechtigten und seines Ehegatten (sowie der Kinder unter 18 Jahren) zusammengerechnet werden, so werden damit die Verheirateten gegenüber den Ledigen ungleich und schlechter behandelt, da ein Ehepaar zusammen nur höchstens 400 DM an Wohnungsbauprämie erhalten kann, während zwei Ledige, auch wenn sie zusammen wohnen und wirtschaften, bis zu 800 DM erhalten können. Ein gewisser Ausgleich durch die Staffelung der Prämiensätze (siehe oben unter 2) tritt erst bei Ehegatten mit Kindern ein, kinderlose Ehepaare haben daran keinen Anteil.
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung dieser Regelung ist nach den oben unter 1. dargelegten Grundsätzen allein entscheidend, ob sich für die getroffene Regelung sachbezogene Gründe finden lassen, die "Willkür" in dem dort bezeichneten Sinne ausschließen.
Die prämienbegünstigten Aufwendungen, insbesondere die im Ausgangsverfahren in Betracht kommenden Beiträge an eine Bausparkasse, sollen dem Sparer nach bestimmter Zeit die Verfügung über einen Kapitalbetrag verschaffen, mit dem er in aller Regel für sich und seine Familie ein Eigenheim baut oder erwirbt. Diese Spartätigkeit wollte der Gesetzgeber fördern; ihm hat, wie der Bundesminister der Finanzen es ausdrückt, das Leitbild des zweckgebundenen Sparens einer Person oder mehrerer im Familienverband lebender Personen für ein eigenes Familienwohnheim vor Augen gestanden. Er ging davon aus, daß Verheiratete, ob sie nun einen oder mehrere Bausparverträge abschließen, nach der Lebenserfahrung für ein gemeinsames Heim sparen, für dessen Bau oder Erwerb sie grundsätzlich nicht mehr aufzuwenden haben als ein Lediger. Der Gesetzgeber sieht im Bausparen ein objektbezogenes Zwecksparen, dessen Ziel das Eigenheim für die Familie ist. Verheiraten sich zwei Personen, die bisher je für ein eigenes Heim gespart hatten, so will der Gesetzgeber die Förderung, die er bisher im Blick auf zwei Bauvorhaben gewährt hatte, nunmehr auf den Höchstbetrag beschränken, den er allgemein für ein Wohnheim zur Verfügung stellt; er nimmt an, daß die Aufwendungen der beiden Gatten von nun an nur noch dem Erwerb eines gemeinsamen Heims dienen werden. Das ist eine sachliche Erwägung, die auf einer vernünftigen, jedenfalls vertretbaren Würdigung eines typischen Lebenssachverhalts beruht; die staatliche Förderung wird sinnvoll auf die nunmehr veränderte Interessenlage ausgerichtet. Darin kann weder eine "willkürliche" Ungleichbehandlung noch eine die Familie diskriminierende Tendenz erblickt werden.
4. Gleichwohl sind die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesfinanzhofs nicht ganz von der Hand zu weisen. Zwar geht es zu weit, wenn er annimmt, das Bundesverfassungsgericht habe in der Entscheidung vom 17. Januar 1957 (BVerfGE 6, 55) den Grundsatz "Zusammenlebende Ehegatten bilden im Bereich des Steuerrechts eine Einheit, weil sie in einen Topf wirtschaften", schlechthin als mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt. Schon im Bereich des eigentlichen Steuerrechts ist es nicht ausgeschlossen, daß die Ehe Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein kann, wenn die Natur des geregelten Lebensgebietes es rechtfertigt (a.a.O. S. 77; 9, 237 [247 f.]). So kann im Bereich von Steuerprivilegien berücksichtigt werden, daß Eheleuten typischerweise bestimmte Ausgaben nicht erwachsen, so daß ein gerade mit Rücksicht auf solche Ausgaben gewährter Freibetrag ihnen versagt werden darf (BVerfGE 14, 34, insbesondere die grundsätzlichen Ausführungen S. 40 bis 42). Deshalb widerspricht es dem Gebot des Ehe- und Familienschutzes nicht unbedingt, wenn der Staat dort, wo er lediglich fördert und hilft, die normalerweise vorauszusetzende Lebens- und Interessengemeinschaft der Ehegatten in der Weise berücksichtigt, daß er das Ausmaß einer finanziellen Zuwendung ihrer besonderen wirtschaftlichen Situation und der dadurch etwa geminderten Förderungsbedürftigkeit anpaßt (BVerfGE 12, 180 [190]).
Mehr Gewicht hat der Einwand, das WoPG lasse nicht erkennen, daß es jeweils nur ein Bauvorhaben durch eine Prämie gefördert wissen wolle, ja es komme bei Bausparverträgen letztlich nicht darauf an, ob der Prämienbegünstigte überhaupt baue. Das ist aber nicht entscheidend. Dem Gesetzgeber muß soviel Gestaltungsfreiheit zugestanden werden, daß er sich an der durchschnittlichen Lebenserfahrung orientieren darf; sie zeigt, daß Ehegatten, die Bausparverträge abschließen, in der Regel für ein gemeinsames Wohnheim sparen. Deshalb darf der Gesetzgeber seine Förderungsmaßnahme auf diesen typischen Sachverhalt ausrichten. Er darf insbesondere die Fälle vernachlässigen, in denen Personen, die nicht zu dem in § 3 Abs. 2 WoPG bezeichneten engeren Familienkreis gehören, gemeinsam ebenfalls nur für ein Wohnheim sparen. Abgesehen davon, daß diese Fälle nicht sehr zahlreich sind, würde die individuelle Feststellung und Kontrolle solcher Zweckgemeinschaften, die ja nicht wie Ehe und engere Familie die Gewähr der Dauer in sich tragen, die Verwaltung so belasten, daß der Gesetzgeber hier dem Gesichtspunkt der Praktikabilität den Vorzug geben kann.
Es ist richtig, daß nach Ablauf einer Sperrfrist von 5 bis 6 Jahren der Bausparer die gesparten Beträge und die Prämien nicht mehr unbedingt "zum Wohnungsbau" verwenden muß. Die "Zweckentfremdung" der auf Grund eines Bausparvertrags angesammelten Beträge ist jedoch ein Ausnahmefall. Das tritt schon darin zu Tage, daß das Gesetz in § 5 Abs. 2 den Grundsatz der Zweckbindung der prämienbegünstigten Sparbeträge ohne Einschränkung aufstellt; die ausnahmsweise Zulässigkeit anderweitiger Verwendung der Mittel ergibt sich erst aus Durchführungsvorschriften, die vorsehen, daß nach Ablauf der Sperrfrist die "Verwendung zu dem vertragsmäßigen Zweck nicht mehr zu prüfen" ist (vgl. Nr. 17 der Richtlinien zum WoPG, jetzt in der Fassung vom 5. Januar 1961, BAnz. Nr. 6). Das wird damit gerechtfertigt, daß die gesparten Beträge immerhin während der Sperrfrist bereits mittelbar der Finanzierung "des Wohnungsbaus" gedient haben. Daß es sich hier um atypische Fälle handelt, bestätigt die Praxis; sie hat ergeben, daß weitaus die meisten Bausparer tatsächlich für sich bauen; nach Angaben führender Bausparkassen machen die nicht für den Wohnungsbau verwendeten Sparbeträge nur etwa 1,7 bis 1,8% der gesamten Auszahlungen aus. Auch diese Fälle lassen also das gesetzgeberische Leitbild nicht als unrichtig erscheinen.
Zu den vorstehend behandelten beiden Einwendungen mag auch an den vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 24. Juli 1963 - 1 BvL 11/61 und 30/57 - (abgedr. in NJW 1963 S. 1723) ausgesprochenen Gedanken erinnert werden, daß es bei einer typisierenden Regelung begünstigender Art für das Gerechtigkeitsgefühl leichter erträglich ist, wenn die für einen bestimmten "Normalfall" (hier: die Förderung eines Bauvorhabens durch eine Prämie) gedachte Regelung infolge der Typisierung auch einer kleinen Gruppe von Personen zugute kommt, für die sie nicht bestimmt war, als wenn Personen ausgeschlossen werden, denen die Begünstigung nach dem Zweck des Gesetzes zukommen sollte.
Der Bundesfinanzhof hat weiter darauf hingewiesen, daß sowohl im Sparprämiengesetz wie bei den Sonderausgaben des Einkommensteuergesetzes der Familienstand sich auf den Höchstbetrag der Prämie oder des Sonderausgabenbetrags auswirke; es sei nicht ersichtlich, warum nicht auch die Höhe der Bausparprämien parallel ausgestaltet worden sei. Darauf ist zunächst grundsätzlich zu entgegnen, daß der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht zur "Konsequenz" in dem hier angedeuteten Sinne verpflichtet ist; es ist nicht entscheidend, ob etwa die Regelung des Sparprämiengesetzes "im ganzen dem Wesen der Familie und dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG besser entspricht als die des WoPG". Wenn eine Regelung dem Gleichheitssatz nur eben noch entspricht, kann sie von den Gerichten nicht deshalb beanstandet werden, weil nach ihrer Ansicht eine andere Regelung ihm noch besser gerecht würde (BVerfGE 3, 162 [182]; 9, 201 [206]). Im übrigen unterscheiden sich Sparprämiengesetz und WoPG gerade in dem Punkt, auf den es dem Gesetzgeber ankam; hier soll das auf Gewinnung eines Sachobjekts, das gemeinsame Wohnheim, bezogene Zwecksparen der Familie, dort die allgemeine Sparleistung des einzelnen Sparers als solche belohnt werden. Dieser verschiedene Zusammenhang legt es nahe, beim zweckfreien Sparen den einzelnen Sparer zu berücksichtigen, bei Ehegatten also den - gegenüber dem WoPG übrigens wesentlich niedrigeren - Höchstbetrag zu verdoppeln.
Beim Sonderausgabenrecht geht es um die Milderung des steuerlichen Eingriffs. Es ist hier zunächst natürlich, daß jeder Ehegatte seine eigenen begünstigten Aufwendungen von seinen Einkünften absetzen kann. Daß hierzu auch Beiträge an Bausparkassen gehören, erklärt sich aus der historischen Entwicklung; vor Erlaß des WoPG war die Berücksichtigung dieser Beiträge bei den Sonderausgaben die einzige Form der Förderung des Bausparens. Die Bausparkassenbeiträge werden hier, wie der Zusammenhang mit den übrigen begünstigten Aufwendungen (§ 10 Abs. 2 Ziff. 2 EStG) zeigt, mehr in ihrer Funktion als Sparleistungen für die allgemeine Lebensvorsorge gesehen. Wird für die Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 EStG (Versicherungs- und Bausparkassenbeiträge) ein gemeinsamer Höchstbetrag festgesetzt, so entspricht es einer Forderung der Gerechtigkeit, ihn bei Ehegatten zu verdoppeln; es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber hiervon nicht wieder für Bausparkassenbeiträge eine Ausnahme gemacht hat. Für die Bemessung freiwilliger, von vornherein zweckgebundener staatlicher Leistungen wie der Wohnungsbauprämie läßt sich daraus aber nichts Entscheidendes folgern. Wollte man trotzdem in den verschiedenen Höchstbetragsregelungen des WoPG und des Sonderausgabenrechts eine "Ungerechtigkeit" oder doch eine Unstimmigkeit erblicken, so ist sie durch das Wahlrecht des § 8 WoPG in ihrer praktischen Wirkung wesentlich gemildert: Ehegatten, die beide Einkommen beziehen und in der Lage sind, Aufwendungen von über 1600 DM zur Förderung des Wohnungsbaus zu erbringen, werden in der Regel die Begünstigung ihrer doppelten Sparleistung dadurch erreichen können, daß sie die Aufwendungen als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer absetzen.
5. Die neuere Gesetzgebung betont den Gedanken des Familienschutzes nachdrücklich gerade im Bereich der darreichenden Verwaltung. Dem würde es entsprechen, bei der Abstufung freiwilliger sozialer Leistungen des Staates der Familie gegenüber großzügig zu verfahren und auch den Anschein zu vermeiden, als werde sie gegenüber den Unverheirateten zurückgesetzt. Es mag zutreffen, daß diese - durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Abs. 1 GG wesentlich beeinflußte - Tendenz im Sparprämiengesetz bereits wirksam geworden ist, während sie bei dem 1952 erlassenen WoPG noch nicht in gleicher Weise sichtbar wird. Es läge darum nahe, bei der zur Zeit erörterten "Harmonisierung" der Sparförderungsmaßnahmen auf eine Angleichung der Höchstbetragsregelungen bedacht zu sein, die die Sparleistung der Familie auch beim Bausparen stärker begünstigen würde. Diese Erwägungen reichen aber nicht aus, um die jetzt bestehende Regelung für verfassungswidrig zu erklären. Bei der Abwägung der für und gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 2 Satz 2 WoPG sprechenden Gesichtspunkte ist für das Bundesverfassungsgericht letztlich folgendes entscheidend: Die Regelung des WoPG, insbesondere die Staffelung der Prämiensätze, ist im ganzen nicht familienfeindlich; von einer "absoluten", d.h. nicht durch Vorteile wieder einigermaßen ausgeglichenen Schlechterstellung der Familie gegenüber Ledigen könnte man höchstens bei den kinderlosen Ehepaaren sprechen. Die zu beurteilende Norm vernachlässigt also den Familienschutz nicht wesentlich und grundsätzlich, jedenfalls nicht so, daß die wirtschaftliche Basis der meisten Ehen und Familien fühlbar und nachhaltig betroffen würde; sie stellt sich allenfalls als ein nicht schwerwiegender und nur eine Gruppe von Familien berührende Mangel innerhalb einer im ganzen dem Schutzgedanken des Art. 6 Abs. 1 GG gerecht werdenden Regelung dar.
Die vom Bundesfinanzhof vorgetragenen Bedenken reichen somit nicht aus, um eine Verletzung des Schutzgebots des Art. 6 Abs. 1 GG festzustellen. Eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG entfällt (BVerfGE 14, 34 [42]).