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BVerfG, 20.04.1966 - 1 BvR 20/62; 1 BvR 27/64

Daten
Fall: 
Ehemäklerlohn
Fundstellen: 
BVerfGE 20, 31; FamRZ 1966, 301; MDR 1966, 651; NJW 1966, 1211; Rpfleger 1966, 248
Gericht: 
Bundesverfassungsgericht
Datum: 
20.04.1966
Aktenzeichen: 
1 BvR 27/64
Entscheidungstyp: 
Beschluss
Instanzen: 
  • AG Aachen, 11.12.1963 - 12 C 660/63

Der Ausschluß der Klagbarkeit des Ehemäklerlohns durch § 656 BGB verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

Inhaltsverzeichnis 

Beschluß

des Ersten Senats vom 20. April 1966
- 1 BvR 20/62 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. der Firma ..., vertreten durch den allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer ..., - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt ... - gegen das Schiedsurteil des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 14. Dezember 1961 - 318 C 1296/61 - 2. der Firma ..., vertreten durch den Geschäftsführer ..., - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt ... - gegen das Schiedsurteil des Amtsgerichts Aachen vom 11. Dezember 1963 - 12 C 660/63 -.
Entscheidungsformel:

1. Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Verfassungsbeschwerden werden verworfen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerinnen sind Ehevermittlungsinstitute. Die von ihnen in zwei Fällen auf Zahlung von Ehemäklerlohn erhobenen Klagen sind durch Schiedsurteile der Amtsgerichte Frankfurt a.M. und Aachen mit der Begründung abgewiesen worden, daß § 656 BGB die Einklagbarkeit des vereinbarten Ehemäklerlohnes ausschließe.

In den gegen diese Urteile erhobenen Verfassungsbeschwerden machen die Beschwerdeführerinnen geltend, der von den Gerichten angewandte § 656 BGB sei mit dem Grundgesetz aus folgenden Gründen nicht vereinbar. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG werde verletzt, weil § 656 BGB den Berufsstand der Ehevermittler diffamiere. Außerdem gewähre dieser Artikel einen Anspruch auf ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit, die nur denkbar sei, wenn der Bürger den Lohn seiner Tätigkeit nötigenfalls einklagen könne. § 656 BGB verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG; der Ehemäklervertrag weise gegenüber anderen Mäklerverträgen keine Besonderheiten auf, die eine Schlechterstellung rechtfertigen könnten. Ferner erfordere die Berufsfreiheit einen staatlichen Schutz der Berufstätigkeit durch Gewährung eines einklagbaren Vergütungsanspruchs. Art. 14 Abs. 1 GG sei deshalb verletzt, weil das grundgesetzlich geschützte Eigentum auch obligatorische Ansprüche umfasse, der Vergütungsanspruch auf Grund eines Ehemäklervertrages also als Eigentum im Sinne des Art. 14 anzusehen sei; durch § 656 werde er ausdrücklich außerhalb jedes staatlichen und gerichtlichen Schutzes gestellt.

Die Beschwerdeführerin zu 2) trägt zusätzlich vor: Die gewerbsmäßige Ehevermittlung diene der Förderung von Ehe und Familie. Sie sei gegenwärtig für viele Menschen die einzige Möglichkeit, zu einer Ehe und Familie zu kommen. Deshalb verdiene und erfordere auch die gewerbsmäßige Ehevermittlung Förderung und Schutz durch die staatliche Ordnung. § 656 BGB verhindere aber eine verantwortungsbewußte und erfolgversprechende Ehevermittlung durch Versagung eines einklagbaren Vergütungsanspruchs.

Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) ist dem Bundesminister der Justiz und dem Hessischen Minister der Justiz zugestellt worden. Beide halten sie für unbegründet.

II.

Die Verfassungsbeschwerden sind offensichtlich unbegründet.

1. Der Ausschluß der Einklagbarkeit des Ehemäklerlohnes verletzt nicht die Menschenwürde der die Tätigkeit eines Heiratsvermittlers gewerbsmäßig betreibenden Personen. Dieser Ausschluß diffamiert nicht den Berufsstand der Heiratsvermittler, sondern beruht auf sachlichen Erwägungen, die mit der Natur und dem besonderen Charakter des Ehemäklervertrages zusammenhängen. § 656 BGB nimmt dem gewerbsmäßigen Ehevermittler nicht das für ein menschenwürdiges Dasein erforderliche Mindestmaß an sozialer Sicherheit. Der Ehevermittler kann seine Forderung durch Vorauszahlungen sichern, deren Rückforderung gemäß § 656 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist.

2. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ungleich, nicht dagegen wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, wenn also eine unterschiedliche Behandlung als willkürlich bezeichnet werden muß. Daß der Beruf eines Ehemäklers nicht der gleiche ist wie etwa der eines Grundstücksmaklers, verkennen die Beschwerdeführerinnen nicht. Der Gleichheitssatz gebietet daher nicht, die entgeltliche Heiratsvermittlung ebenso zu behandeln wie andere Mäklerverträge. Insbesondere lassen sich Ehemäklervertrag und Adoptionsvermittlungsvertrag nicht vergleichen. Nach § 1 Abs. 4 des Gesetzes über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt vom 29. März 1951 (BGBl. I S. 214) ist anderen als den in § 1 Abs. 1-3 dieses Gesetzes genannten Behörden und Verbänden die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt schlechthin untersagt, sofern sie gewerbsmäßig oder in Einzelfällen zur Erlangung wirtschaftlicher Vorteile betrieben wird. Wenn der Gesetzgeber befürchtet hat, daß Prozesse wegen Ehemäklerlohnes Anlaß zu Ärgernis geben und durch solche Prozesse die geschlossenen Ehen und die Intimsphäre der Ehegatten beeinträchtigt werden könnten, so schließt diese Begründung die Annahme einer willkürlichen Differenzierung aus. In einem Rechtsstreit über die Verpflichtung zur Zahlung des Ehemäklerlohnes müßten nämlich die Beweggründe für die Eheschließung gerichtlich nachgeprüft werden, weil der Ehemäklerlohn nur entstanden ist, wenn die Tätigkeit des Mäklers für die Eheschließung ursächlich gewesen ist.

3. Aus der durch Art. 6 Abs. 1 GG begründeten Verpflichtung des Staates zum Schutz von Ehe und Familie läßt sich ebenfalls kein Anspruch der gewerbsmäßigen Ehevermittler auf staatliche Förderung oder auf die Gewährung von finanziellen Vorteilen herleiten. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die bisher geltende Rechtslage eine verantwortungsbewußte Ehevermittlung verhindert haben soll.

4. Auch Art. 12 GG ist nicht verletzt. Auch wenn § 656 BGB als Regelung der Berufsausübung anzusehen sein sollte, wäre sie durch Gesetz zulässig (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Freiheit der Berufsausübung kann im Wege der "Regelung" beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen (BVerfGE 7, 377 [405]). Der bereits erwähnte Gesichtspunkt, daß durch Prozesse über den Ehemäklerlohn Vorgänge der Eheanbahnung offenbart werden müßten und damit in die Intimsphäre der Ehegatten eingegriffen würde, stellt eine solche vernünftige Erwägung dar. Die Regelung macht auch die Berufsausübung nicht tatsächlich unmöglich, wie die Praxis zeigt.

5. Der Ausschluß eines klagbaren Vergütungsanspruchs verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift schützt lediglich Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen. Die Beschwerdeführerinnen hatten aber zu keiner Zeit einen klagbaren Vergütungsanspruch, der ihnen hätte entzogen werden können, weil nach § 656 Abs. 1 Satz 1 BGB durch das Versprechen eines Lohnes für den Nachweis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittlung des Zustandekommens einer Ehe "eine Verbindlichkeit nicht begründet" wird, also überhaupt keine Forderung entsteht.