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BGH, 24.07.1998 - 3 StR 78/98

Daten
Fall: 
Abhören im JVA-Besuchsraum
Fundstellen: 
BGHSt 44, 138; FA-BGS 2000, 25; JZ 1999, 259; JuS 1999, 86; NJW 1998, 3284; NStZ 1999, 145; NZM 1999, 92; RDV 1999, 24; StV 1998, 523
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
24.07.1998
Aktenzeichen: 
3 StR 78/98
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Kutzer, Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, Pfister
Instanzen: 
  • LG Lübeck, 30.06.1997

1. Der Besuchsraum einer Untersuchungshaftvollzugsanstalt ist keine Wohnung im Sinne des Art. 13 GG.
2. Gespräche des Untersuchungsgefangenen mit Angehörigen dürfen jedenfalls dann unter den Voraussetzungen des § 100 c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StPO abgehört werden, wenn der Besuch erkennbar von einem Beamten überwacht wird, der Verdacht einer schweren Straftat gegeben und auch im übrigen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.

Inhaltsverzeichnis 

Tenor

1. Auf die Revisionen der Nebenkläger Khalil El., Assia El., Khaled El. und Walid El. wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 30. Juni 1997 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und EntschE. ung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Strafkammer des Landgerichts Kiel zurückverwiesen.
2. Die Revisionen der Nebenkläger Rima A., Nisrin El. und Nada El. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.

Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung freigesprochen. Ihm wird zur Last gelegt, am 18. Januar 1996 gegen 3.30 Uhr gemeinschaftlich mit anderen nicht ermittelten Personen das als Asylbewerberheim genutzte Haus in der Hafenstraße 52 in Lübeck in Brand gesetzt zu haben, indem er im vom Hauseingang gesehen rechten Flur des ersten Stockwerks Benzin oder ein artverwandtes Brandlegungsmittel ausgoß und anzündete. Bei dem anschließenden Feuer kamen zehn Menschen ums Leben. Unter ihnen befand sich Rabia El., der Sohn der Nebenkläger Khalil und Assia El. und Bruder der Nebenkläger Khaled, Walid und Nisrin El. . 38 Personen, darunter die Nebenklägerinnen Rima A. und Nada El. erlitten teilweise erhebliche Verletzungen. Das Landgericht hat sich von der Beteiligung des Angeklagten an dem Brandanschlag nicht in einem die Verurteilung rechtfertigenden Maße überzeugen können.

Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen der Nebenkläger Khalil, Assia, Khaled und Walid El. haben mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Dagegen sind die lediglich auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Nebenkläger Nisrin und Nada El., sowie Rima A. unbegründet.

II.

1. Mit der Verfahrensrüge wird zu Recht eine Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO geltend gemacht, weil die Strafkammer einen Beweisantrag der Staatsanwaltschaft mit fehlerhafter Begründung zurückgewiesen hat und nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Urteil auf diesem Fehler beruht.

Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
Die Staatsanwaltschaft hat in der Hauptverhandlung beantragt, die aufgrund der Beschlüsse des Amtsgerichts Lübeck vom 26. Januar und 6. Februar 1996 gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO abgehörten und auf Tonband aufgezeichneten Gespräche des zum damaligen Zeitpunkt in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten bei insgesamt sechs Besuchen in der Justizvollzugsanstalt Lübeck abzuspielen, die aufgenommenen Gespräche in die deutsche Sprache übersetzen zu lassen und sachverständige Zeugen zur Bedeutung des Inhalts der Unterhaltungen zu hören. In dem Antrag hat sie Passagen aus vier Gesprächen, die der Angeklagte im Februar 1996 mit seinen Brüdern Bilal und Mohammed E. sowie seinem Vater Marwan E. in einem Besucherraum der Justizvollzugsanstalt geführt hatte, im einzelnen nach Wortlaut und Zeitpunkt wiedergegeben; aus ihnen ergäben sich Hinweise auf die Täterschaft des Angeklagten. Danach habe Bilal E. in dem Gespräch am 1. Februar 1996 u. a. bekundet, er habe alle zum Schweigen gebracht. Alle Leute seien gekommen und hätten ihre Zeugenaussagen verglichen. Es sei kein Türke, kein Libanese oder keiner von den anderen geblieben, der ihnen seine Zeugenaussage nicht gegeben habe. Der Angeklagte habe ferner geäußert, er sei froh, wenn er den Koran lese, erkenne er seine Fehler. Er habe seine Fehler erkannt. Er wisse, was er (mit/im) Gebäude gemacht habe. Gott sei verzeihend und gnädig. In der Unterhaltung vom 13. Februar 1996 hätten der Angeklagte und sein Bruder Mohammed u. a. von der Brandursache gesprochen. Nachdem das Gespräch auf die Familie El. gekommen sei, habe der Angeklagte ausgeführt, Gott möge dem auch helfen, und gesagt: "Herrgott vergib es mir." In dem Gespräch vom 16. Februar 1996 habe Bilal E. den Angeklagten aufgefordert, er solle sich als Unschuldiger darstellen. Hierauf habe der Angeklagte erwidert: "So Gott es will." Die Besuche wurden - für den Angeklagten und seine Gesprächsteilnehmer ersichtlich - von einem Vollzugsbeamten, teilweise unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers überwacht. Die Strafkammer hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Beweiserhebung sei nicht zulässig gewesen, weil ohne eine gesetzliche Ermächtigung in die Grundrechte des Angeklagten eingegriffen worden sei. Das Abhören der Gespräche sei durch § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht gedeckt gewesen, da der Besucherraum der Justizvollzugsanstalt nach dem Schutzzweck des Art. 13 GG einer Wohnung gleichzusetzen sei und in dieser nicht abgehört werden dürfe. Kontrollmaßnahmen hätten sich auf das gemäß § 119 Abs. 3 StPO zur Sicherung des Untersuchungshaftzwecks und der Anstaltsordnung Zulässige zu beschränken.

2. Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben.

a) Es handelt sich nicht lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, sondern um einen Beweisantrag. In ihm sind die als beweiserheblich angesehenen Passagen nach Inhalt, Zeitpunkt und Gesprächsteilnehmer genau konkretisiert. Daß zum Beweis dieser aus vier Gesprächen stammenden Passagen und ihrer Bedeutung beantragt worden ist, nicht nur diese allein, sondern den gesamten Inhalt von sechs abgehörten Besuchsgesprächen abspielen und übersetzen zu lassen, macht den Beweisantrag zumindest hinsichtlich dieser genau bezeichneten Passagen nicht unzulässig. Im übrigen kann es durchaus sachgerecht, möglicherweise sogar geboten sein, nicht nur die konkreten Gesprächspassagen allein, sondern den gesamten Inhalt der geführten Besuchergespräche zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen, um die Bedeutung der bezeichneten Passagen in ihrem Gesamtzusammenhang beurteilen zu können.

b) Die Revision hat den Beweisantrag der Staatsanwaltschaft und die AblehnungsentschE. ung des Gerichts mitgeteilt und damit die zur Nachprüfung des Verfahrensmangels erforderlichen Tatsachen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO angegeben. Der Umfang dieser Darlegungslast richtet sich nach der Eigenart des gerügten Verfahrensverstoßes (Pikart in KK 3. Aufl. § 344 Rdn. 43; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen 6. Aufl. Rdn. 618 ff.). Für die Rüge der fehlerhaften Ablehnung von Beweisanträgen genügt grundsätzlich die Wiedergabe des Antrags und des Ablehnungsbeschlusses, sowie der Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergibt (Pikart aaO Rdn. 54). Da hier nach dem Revisionsvorbringen der Ablehnungsbeschluß schon aus sich heraus fehlerhaft war, weil die Strafkammer den Besuchsraum zu Unrecht als Wohnung i.S. des Art. 13 GG bewertet habe, bedurfte es der Darlegung weiterer Tatsachen nicht. Insbesondere war die Wiedergabe der Beschlüsse, mit denen das Amtsgericht das Abhören nach § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO gestattet hatte, nicht erforderlich, weil die Strafkammer die Unzulässigkeit einer Beweiserhebung nicht auf inhaltliche Mängel dieser Beschlüsse, sondern auf die generelle Unanwendbarkeit des § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO gestützt hatte.

Ebensowenig war es geboten, für die Frage des Beruhens nach § 337 Abs. 1 StPO den gesamten Inhalt der abgehörten Besuchsgespräche und andere Beweisergebnisse mitzuteilen, die zu gegenteiligen Schlüssen Anlaß geben könnten. Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist grundsätzlich nur die Angabe der den Verfahrensmangel selbst enthaltenden Tatsachen, nicht aber die Darlegung des Beruhens vorgeschrieben (RGSt 66, 10, 11; BGH NStZ 1992, 294, 295; Herdegen NStZ 1990, 513, 517). Die von der VertE. igung angeführte EntschE. ung BGHSt 30, 131, 135 [BGH 26.05.1981 - 1 StR 48/81] betrifft eine Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO, bei der das Merkmal "in einem für die EntschE. ung wesentlichen Punkt" ausdrücklich gesetzlich geregelter Bestandteil des Revisionsgrundes ist. Auch können die Anforderungen der Rechtsprechung zur Darlegungslast bei fehlerhaft angenommenen oder abgelehnten Verwertungsverboten (vgl. BGH StV 1995, 450 f.; BGHR StPO § 344 II 2 Verwertungsverbot 6) nicht herangezogen werden, denn darum geht es hier nicht. Im übrigen ergibt sich schon aus dem von der Revision mitgeteilten Inhalt der abgehörten Gespräche, daß sie als den Angeklagten belastende Indizien in Betracht kommen, so daß der Freispruch auf ihrer Nichtverwertung beruhen kann.

c) Die Nebenkläger können die fehlerhafte Zurückweisung des Beweisantrags geltend machen, obwohl sie nicht vorgetragen haben, daß sie sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft angeschlossen haben. Außer dem Antragsteller ist zur Anfechtung jeder Verfahrensbeteiligte berechtigt, der durch die einen Beweisantrag ablehnende Gerichtsentscheidung beschwert ist. Das sind auch diejenigen Prozeßparteien, deren Interessen mit denjenigen des Antragstellers so erkennbar übereinstimmen, daß das Gericht auch ihnen gegenüber zur rechtlich einwandfreien Behandlung des Beweisantrags verpflichtet war (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 43. Aufl. § 244 Rdn. 84). Diese Interessengleichheit liegt im Verhältnis zwischen Nebenklägern und Staatsanwaltschaft vor (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5. Aufl. S. 871 f.).

3. Die Rüge ist auch begründet. Denn die Ablehnung des Antrags der Staatsanwaltschaft hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Strafkammer durfte den Beweisantrag nicht mit der Begründung ablehnen, die Beweiserhebung sei unzulässig. Das Abhören und Aufzeichnen der Gespräche des Angeklagten mit seinen Verwandten in dem Besuchsraum war durch richterliche Anordnungen gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO gedeckt.

Zwar ist der Einsatz technischer Mittel nach dieser Vorschrift nur außerhalb einer nach Art. 13 GG geschützten Wohnung zulässig. Diese aus dem Wortlaut nicht ersichtliche Einschränkung ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der durch das Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl I 1302) in die Strafprozeßordnung eingefügten Norm (vgl. BGHSt 42, 372, 374 f. [BGH 15.01.1997 - StB 27/96] m.w.Nachw.). Der Besucherraum einer Untersuchungshaftvollzugsanstalt fällt jedoch nicht in den Schutzbereich des Art. 13 GG. Der Begriff der Wohnung i.S.d. Art. 13 GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 32, 54, 69 ff.) nicht im engen Sinne der Umgangssprache zu verstehen, vielmehr ist er weit auszulegen (vgl. BGHSt 42, 372, 375 f.) [BGH 15.01.1997 - StB 27/96]. Er umfaßt zur Gewährleistung einer räumlichen Sphäre, in der sich das Privatleben ungestört entfalten kann, alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Wirkens gemacht sind (vgl. BVerfGE 89, 1, 12 [BVerfG 26.05.1993 - 1 BvR 208/93]; Maunz/ Dürig/Herzog, GG Art. 13 Rdn. 3 c; Herdegen in Bonner Kommentar, GG Art. 13 Rdn. 26). Maßgeblich ist dabei die nach außen erkennbare Zweckbestimmung des Nutzungsberechtigten. Der Schutzbereich des Art. 13 GG erfaßt danach außer Wohnräumen im engeren Sinne etwa Gartenhäuser, Hotelzimmer, Wohnwagen, nicht allgemein zugängliche Geschäfts- und Büroräume, Personalaufenthaltsräume, Arbeitshallen, Werkstätten oder ein nicht allgemein zugängliches Vereinsbüro. Demgegenüber werden z. B. Unterkunftsräume eines Soldaten oder Polizeibeamten (vgl. Maunz/Dürig/Herzog, GG Art. 13 Rdn. 3 c; Herdegen in Bonner Kommentar, GG Art. 13 Rdn. 26), Personenkraftwagen (vgl. BGH -Ermittlungsrichter- NStZ 1998, 157) oder Hafträume in einer Justizvollzugsanstalt (vgl. BVerfG NJW 1996, 2643 [BVerfG 30.05.1996 - 2 BvR 727/94]) nicht als Wohnung im Sinne des Art. 13 GG angesehen.

Ein Besucherraum in einer Untersuchungshaftvollzugsanstalt gewährt dem Gefangenen keine Privatsphäre, wie sie der Schutzbereich des Art. 13 GG voraussetzt. Das Recht des Einzelnen, in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BVerfGE 89, 1, 12) [BVerfG 26.05.1993 - 1 BvR 208/93], wird einem Gefangenen unter den besonderen Bedingungen des Untersuchungshaftvollzugs in einem Besucherraum nur in erheblich beschränktem Umfang gewährleistet. Eine räumliche Privatsphäre ist dort noch weniger garantiert als in einem Haftraum. Dies folgt schon daraus, daß gemäß § 119 Abs. 3 StPO, Nr. 27 UVollzO die Besuche regelmäßig durch einen Anstaltsbediensteten, in besonderen Fällen auch durch einen Kriminalbeamten überwacht werden können. Dieser kann eingreifen, notfalls den Besuch abbrechen, wenn ihm der Inhalt der Unterredung im Hinblick auf das Strafverfahren oder mit Rücksicht auf die Ordnung in der Anstalt bedenklich erscheint, vgl. Nr. 27 Abs. 3 UVollzO; hierbei muß der Gefangene damit rechnen, daß der Gesprächsinhalt in Vermerkform in die Ermittlungsakten aufgenommen wird (vgl. Schlothauer/ Weider, Untersuchungshaft, 2. Aufl. Rdn. 448). Die Kommunikation zwischen Gefangenem und Besucher kann darüber hinaus weiteren Beschränkungen unterworfen sein. So kann angeordnet werden, daß die Unterhaltung nur in deutscher Sprache zu führen ist oder nur im Beisein eines Dolmetschers stattfinden darf. Im übrigen erstreckt sich das Hausrecht der Anstalt auch auf den Besucherraum, so daß der Gefangene grundsätzlich jederzeit den Zutritt weiterer Personen gewärtigen muß (vgl. für den Haftraum BVerfG NJW 1996, 2643 [BVerfG 30.05.1996 - 2 BvR 727/94]).

Die Beweisaufnahme ist weiter nicht deshalb unzulässig, weil mit ihr auch Aussagen der Gesprächspartner Gegenstand der Urteilsfindung werden. § 100 c Abs. 3 StPO gestattet ausdrücklich die Durchführung der Überwachungsmaßnahmen auch dann, wenn Dritte von ihnen unvermeidbar betroffen werden, weil andernfalls die Regelung weitgehend ihren Sinn verlieren würde (vgl. BT-Drucks. 12/989 S. 40). Auch bei der insoweit vergleichbaren Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach § 100 a StPO werden infolge des Kommunikationscharakters von Telefongesprächen notwendigerweise auch Personen, mit denen der Verdächtige in Verbindung steht, in die Überwachung einbezogen (vgl. BVerfGE 30, 1, 22). Daß die Gesprächspartner Angehörige i.S. des § 52 StPO waren, die in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatten, ändert hieran nichts.

b) Dieses Ergebnis wird durch das nach Anordnung und Durchführung der Abhörmaßnahmen in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 4. Mai 1998 (BGBl I 845) bestätigt. Wie sich aus der Regelung des § 100 d Abs. 3 Satz 3 StPO n.F. ergibt, sind Abhörmaßnahmen nach § 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO n.F., die Angehörige des Beschuldigten miteinbeziehen, grundsätzlich selbst dann zulässig, wenn sie innerhalb einer Wohnung erfolgen; für den Bereich außerhalb einer Wohnung muß dies umso eher gelten. Die in § 100 d Abs. 3 Satz 3 StPO n.F. als Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes enthaltene Einschränkung, wonach eine Verwertung so gewonnener Erkenntnisse nur dann zulässig ist, wenn dies unter Berücksichtigung der Bedeutung des Vertrauensverhältnisses nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Erforschung des Sachverhalts steht, ist für den Anwendungsbereich des § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO (außerhalb von Wohnungen) nicht vorgesehen. Selbst wenn man den Rechtsgedanken des § 100 d Abs. 3 Satz 3 StPO hier wegen der besonderen Situation eines Untersuchungsgefangenen entsprechend heranziehen würde, wäre angesichts des Interesses an der Aufklärung einer besonders schweren Brandstiftung, bei der zehn Menschen getötet und 38 weitere verletzt worden sind, einerseits und angesichts des durch die erkennbare und auch vom Angeklagten erkannte Besuchsüberwachung ohnehin eingeschränkten Vertrauensverhältnisses andererseits die Zulässigkeit der Verwertung nicht zweifelhaft.

c) Soweit das Landgericht meint, die Kontrollmaßnahmen überschritten den durch § 119 Abs. 3 StPO für die Beschränkung des Vollzugs der Untersuchungshaft vorgegebenen Rahmen, geht es von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatzpunkt aus. Die genannte Vorschrift gestattet zwar nur solche Beschränkungen, die der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordert. Sie läßt jedoch grundsätzlich die allgemeinen Eingriffsbefugnisse zum Zwecke der Strafverfolgung unberührt (vgl. Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 119 Rdn. 39; Boujong in KK 3. Aufl. § 119 Rdn. 11; Paeffgen in SK-StPO § 119 Rdn. 10). So können etwa Beweismittel gemäß §§ 94 ff. StPO beschlagnahmt, die körperliche Untersuchung nach § 81 a StPO oder Maßnahmen nach § 81 b StPO angeordnet werden (vgl. zur körperlichen Veränderung zum Zwecke der Gegenüberstellung BVerfGE 47, 239, 246). Nichts anderes gilt für Maßnahmen gemäß § 100 c StPO.

Allerdings sind bei ihrer Anordnung und Durchführung die besonderen Verhältnisse des Untersuchungshaftvollzuges zu beachten. Der Einsatz der Maßnahmen darf nicht zu einer Verletzung der Menschenwürde führen, etwa auf eine Totalausforschung des Beschuldigten hinauslaufen (vgl. Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 119 Rdn. 39). Der auch im Bereich der Strafverfolgung unantastbare, der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogene Kernbereich privater Lebensgestaltung (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 80, 367, 373 ff.) darf nicht berührt werden. Dies ist jedoch bei dem heimlichen Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen mit Besuchern jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Besuch unter den oben beschriebenen Bedingungen einer für die Gesprächsteilnehmer erkennbaren Überwachung stattfindet, der Verdacht einer schweren Straftat gegeben und auch im übrigen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Tatsächlich wurden die Gespräche des Angeklagten, wie dieser wußte, sämtlich von einem Vollzugsbeamten und, soweit sie mit seinem Bruder Mohammed und seinem Vater Marwan geführt wurden, zusätzlich unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers der arabischen Sprache überwacht. Da gegen den Angeklagten der dringende Verdacht einer schweren Straftat bestand, mußte er auch im Vollzug mit solchen Überwachungsmaßnahmen rechnen, die gegen ihn auch in Freiheit zulässig gewesen wären.

d) Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht. Das Landgericht hat mehrere - teilweise gewichtige - für die Beteiligung des Angeklagten an dem Brandanschlag sprechende Umstände festgestellt. Es hat ausgeschlossen, daß die Brandentstehung auf einem technischen Defekt der Elektro- oder Gasanlage beruhte. Nach den Feststellungen wurde das Feuer vielmehr mit Hilfe von Benzin oder einem anderen artverwandten Brandlegungsmittel im rechten Flur des ersten Stockwerks entzündet. Ein Eindringen eines Täters von außen hat das Landgericht nach den vorgefundenen Spuren ausgeschlossen. Aufgrund einer sorgfältig begründeten Würdigung der Bekundungen des Rettungssanitäters Leonhard ist das Tatgericht ferner davon überzeugt, daß der Angeklagte während der Busfahrt in das Krankenhaus geäußert hat: "Wir waren's". Außerdem hat er bei dem Gespräch wesentliche Teile des Geschehensablaufs und ein Motiv für die Tat genannt. Die Kammer hat in diesem Zusammenhang ihrer Bewertung zu Grunde gelegt, daß der Angeklagte sich in einem Augenblick der Besinnung die Sache von der Seele reden wollte, weil er allein damit nicht fertig wurde. In der Wohnung der Familie Eid wurde ein leerer 20-Liter-Benzinkanister gefunden. Der Angeklagte warf ferner auf dem Krankenhausgelände seinen zuvor getragenen Kaftan weg, ohne daß hierfür eine Begründung festgestellt ist. Auf die Hilferufe der Mitglieder der Familie Alias rief er diesen durch die Zimmerwand zu, es handele sich nur um ein kleines Feuer.

Unter diesen Umständen kann der Senat auch unter Beachtung der gegen eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände nicht ausschließen, daß das Tatgericht eine Beteiligung des Angeklagten an dem Brandanschlag festgestellt hätte, wenn es den beantragten Beweis erhoben und das Beweisergebnis in eine Gesamtwürdigung einbezogen hätte.

III.

Die lediglich auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen der Nebenkläger Nisrin und Nada El-Omari sowie

Rima Amine sind unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen sachlichrechtlichen Fehler ergeben hat.

Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 letzte Alternative StPO Gebrauch und verweist die Sache an ein anderes Landgericht zurück.