BGH, 20.09.2000 - 2 StR 186/00
Ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, kann nicht nur dann Täter eines Bandenraubes sein, wenn es am Tatort an der Ausführung des Raubes unmittelbar beteiligt ist. Es reicht aus, daß es auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Raub von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird (Fortführung von BGH, Urt. vom 9. August 2000 - 3 StR 334/91 - zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
Tenor
Die Revisionen des Angeklagten B. und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1999 werden verworfen.
Der Angeklagte B. trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten D. und P. insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes in vier Fällen schuldig gesprochen. Den Angeklagten B. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren (Einzelstrafen: fünf Jahre und sechs Monate, fünf Jahre und sechs Monate, sieben Jahre und sechs Monate und sechs Jahre), die Angeklagten P. und D. jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren (Einzelstrafen: drei Jahre, drei Jahre, fünf Jahre und sechs Monate, zwei Jahre und sechs Monate) verurteilt und sichergestellte Waffen eingezogen. Dagegen richten sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten P. und D. , die auf die Aussprüche über die Gesamtstrafen beschränkt ist, und die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten B. .
Beide Revisionen haben keinen Erfolg.
II.
Nach den Feststellungen schloß sich der Angeklagte B. Anfang Dezember 1998 mit den beiden Mitangeklagten sowie zwei gesondert verfolgten Jugendlichen zusammen, um Raubüberfalle auf italienische Lokale und Geschäfte zu begehen, wobei die Beute gleichmäßig geteilt werden sollte. B. nahm die Führungsposition ein: er plante und organisierte die Überfälle, wählte ihm bekannte Lokalitäten als Objekte aus, beschrieb den anderen die Örtlichkeiten und gab Anweisungen zur Durchführung der Taten. Für den Fall der Verhaftung einer der Beteiligten sagte er zu, deren Wohnungen zu finanzieren und sich um geeignete Rechtsanwälte zu kümmern. Bei der Ausführung der Taten war er jeweils nicht am Tatort.
In der Zeit vom 6.-16. Dezember 1998 wurden vier italienische Betriebe überfallen, wobei die Taten jeweils nach vorangegangener Einweisung durch den Angeklagten B. von den Mitangeklagten und den beiden jugendlichen Bandenmitgliedern - in einem Fall zusammen mit einem weiteren Mittäter - ausgeführt wurden. Dabei führte gemäß der Absprache in den ersten drei Fällen der Angeklagte D. eine geladene Gaspistole bei sich, während Gü. , eines der jugendlichen Bandenmitglieder, jeweils eine Gotcha-Pistole an den Kopf eines der Opfer hielt. Im letzten Fall hatten alle vier Bandenmitglieder am Tatort geladene Gaspistolen bei sich, wobei Gü. seine Waffe direkt auf den Kopf der Zeugin richtete. Aufgrund der Bedrohungen erlangten sie Bargeldbeträge zwischen 500,-- und 24.000,-- DM sowie diverse Wertsachen.
III.
1. Die Revision des Angeklagten B.
Das Landgericht hat die Taten für alle Angeklagten als mittäterschaftlich begangenen schweren Raub nach § 250 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Absatz 1 Nr. 2 StGB, im Fall 4 zusätzlich qualifiziert nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet. Diese rechtliche Würdigung begegnet auch insoweit keinen Bedenken, als das Landgericht den Angeklagten B. des mittäterschaftlich begangenen Bandenraubs für schuldig befunden hat.
Das Landgericht hat zutreffend angenommen, daß der Angeklagte Mitglied einer Bande gewesen ist, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raubtaten zusammengeschlossen hatte, und als solches die Taten begangen hat. Zu Recht ist das Landgericht aber auch davon ausgegangen, daß der Angeklagte, dessen Tatbeitrag nach allgemeinen Grundsätzen als mittäterschaftliche Tatbeteiligung zu werten war, jeweils Mittäter des Bandenraubs war, obwohl er im Gegensatz zu den anderen Bandenmitgliedern nicht am Tatort war und die Taten nicht im zeitlichen und örtlichen Zusammenwirken mit einem anderen Bandenmitglied begangen hat.
Allerdings wurde in der bisherigen Rechtsprechung zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F., § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F. und § 25O Abs. 1 Nr. 4 StGB a.F., § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F. das Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" als täterschaftsbegründendes Merkmal verstanden. Voraussetzung für die Annahme einer mittäterschaftlichen Begehung eines Bandendiebstahls oder eines Bandenraubs war es danach, daß das Bandenmitglied örtlich und zeitlich, wenn auch nicht notwendig körperlich bei der Tat mit mindestens einem weiteren Bandenmitglied zusammengewirkt hat (BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 4 Bande 1; BGHSt 33, 50, 52 [BGH 10.10.1984 - 2 StR 470/84]; 8, 205, 207). Das nicht am Tatort anwesende Bandenmitglied konnte danach - auch wenn es nach allgemeinen Grundsätzen Mittäter war - lediglich wegen Teilnahme am Bandendelikt und tateinheitlich dazu wegen Mittäterschaft am Grunddelikt bestraft werden (BGHSt 33, 50, 52, 53 [BGH 10.10.1984 - 2 StR 470/84]; Ruß in LK StGB 11. Aufl. § 244 Rdn. 13; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 244 Rdn. 15).
Diese im Schrifttum umstrittene Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof durch das zum Bandendiebstahl ergangene Urteil vom 9. August 2000 - 3 StR 339/99 - (zum Abdruck in BGHSt vorgesehen) ausdrücklich aufgegeben. Nach dieser Entscheidung kann ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, auch dann Täter eines Bandendiebstahls sein, wenn es zwar nicht am Tatort an der Ausführung unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird. Das Merkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" ist als tatbezogenes, die Tatausführung näher kennzeichnendes Tatbestandsmerkmal anzusehen, das akzessorisch zu behandeln ist und nach allgemeinen Teilnahmegrundsätzen, insbesondere nach § 25 Abs. 2 StGB, dem nicht am Tatort agierenden Bandenmitglied zugerechnet werden kann.
Die Erwägungen zur Änderung der Rechtsprechung hinsichtlich § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a StGB haben auch für die bandenmäßige Begehung eines Raubes gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB Geltung. Denn der Qualifikationstatbestand des bandenmäßig begangenen schweren Raubes entspricht dem des Bandendiebstahls (BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 4 Bande 1; Herdegen in LK 11. Aufl. § 250 Rdn. 31; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 250 Rdn. 6; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 35; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 250 Rdn. 26). Dies ergibt sich aus dem nahezu identischen Wortlaut der Vorschriften und dem Willen des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 250 Abs. 1 StGB a.F. ist ersichtlich, daß durch die Neufassung dieser Vorschrift durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 die Straferschwerungsgründe beim Raub im wesentlichen an § 244 Abs. 1 StGB a.F. angepaßt werden sollten (BT-Drucks. VI/3250 S. 237; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 250 Rdn. 1). Durch das Sechste Gesetz zur
Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 sind insoweit - abgesehen von der in § 250 Abs. 2 Nr. 2 neu eingefügten zusätzlichen Qualifikation (BT-Drucks. 13/9064 S. 18) - keine inhaltlichen Änderungen erfolgt. Das in § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a und in § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB gleichermaßen verwendete Tatbestandsmerkmal "unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds" kann daher grundsätzlich nur einheitlich ausgelegt werden.
In Fortführung der geänderten Rechtsprechung zu § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a StGB ist demgemäß auch § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB dahingehend auszulegen, daß ein nicht am Tatort anwesendes Bandenmitglied jedenfalls in dem - hier allein entscheidungserheblichen - Fall, daß mindestens zwei weitere Bandenmitglieder den Raub in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begehen, auch dann Mittäter eines schweren (bandenmäßig begangenen) Raubes sein kann, wenn es zwar nicht am Tatort an der Ausführung der Tat unmittelbar beteiligt ist, aber auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran mitwirkt.
Diese Auslegung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird nicht nur den beiden bisher als Grund für die Strafschärfung angeführten Gesichtspunkten gerecht: der besonderen Gefährlichkeit, die sich aus der Bandenverabredung für die Allgemeinheit ergibt und der erhöhten Gefahr für das Opfer im Einzelfall aufgrund der örtlich gemeinsamen Tatausführung durch mehrere (vgl. BGHSt 8, 205, 209; Ruß/Herdegen in LK 11. Aufl. § 244 Rdn. 11, § 250 Rdn. 31; Günther in SK-StGB § 250 Rdn. 35; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 244 Rdn. 23, § 250 Rdn. 26; Meyer JuS 1986, 189, 191, 192). Sie trägt auch der Gefährlichkeit des Tatbeitrags des im Hintergrund - möglicherweise, wie hier, als Bandenchef - Mitwirkenden Rechnung und vermeidet das unbefriedigende Ergebnis, daß bei einer Bande, die aus mehr als der für die Bandenbildung notwendigen Mindestzahl von zwei Personen besteht und deshalb von vornherein gefährlicher ist, die nicht am Tatort handelnden Mitglieder ein geringeres Strafbarkeitsrisiko tragen.
Auch im übrigen weist die Revision des Angeklagten keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.
2. Revision der Staatsanwaltschaft
Die wirksam auf die Gesamtstrafenaussprüche hinsichtlich der Angeklagten D. und P. beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist ebenfalls unbegründet.
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349). Diese Grundsätze gelten auch für die Bildung der Gesamtstrafe (BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5).
An die Begründung der Strafhöhe sind allerdings um so größere Anforderungen zu stellen, je mehr sich die Strafe der unteren oder oberen Grenze des Zulässigen nähert (BGH NJW 1995, 2234, 2235 [BGH 22.03.1995 - 3 StR 625/94]; BGHSt 24, 268, 271) [BGH 30.11.1971 - 1 StR 485/71]. Diesen Anforderungen wird das Urteil des Landgerichts jedoch gerecht. Die Kammer hat die - jeweils nur geringfügige - Erhöhung der Einsatzstrafe umfassend und rechtsfehlerfrei begründet. Die dabei zunächst erfolgte Bezugnahme auf die für die Bestimmung der Einzelstrafen maßgebenden Erwägungen ist zulässig (vgl. BGHSt 24, 268, 271 [BGH 30.11.1971 - 1 StR 485/71]; BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1). Insoweit hat die Kammer alle wesentlichen belastenden und entlastenden Gesichtspunkte abgewogen. Dabei hat sie u.a. zugunsten berücksichtigt, daß die umfassend geständigen Angeklagten D. und P. auf Weisung des Mitangeklagten B. gehandelt haben und von diesem zu den Taten verlockt worden sind. Darüber hinaus hat sie bei der Gesamtstrafenbildung das relativ junge Alter der beiden Angeklagten, die nicht vorbestraft sind, ihre überzeugende Abkehr von den Taten und die Tatsache, daß sie wesentliche Aufklärungsbeiträge bezüglich des Mittäters B. geleistet haben, gewürdigt. Zu Lasten der Angeklagten ist u.a. die Maskierung des Angeklagten gewertet worden, die geeignet gewesen sei, die von den Opfern beschriebenen Angstzustände hervorzurufen. Daß die Strafkammer unter diesen Umständen die eingetretenen Tatfolgen und die Mehrzahl der Tatopfer übersehen hat, ist auszuschließen.
Der Bundesgerichtshof hat im übrigen wiederholt klargestellt, daß gerade bei einer Reihe gleichartiger Taten die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel niedriger auszufallen hat, wenn - wie hier - zwischen den Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht. Insoweit ist die bloße Zusammenzählung der verwirkten Einzelstrafen nicht maßgebend, sondern eher geeignet, den Blick für die gesetzmäßige Strafe zu verstellen (vgl. BGH NJW 1995, 2234, 2235 [BGH 22.03.1995 - 3 StR 625/94]; BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1).
Unter den gegebenen Umständen unterscheiden sich die - wenn auch am unteren Rand des Vertretbaren - gebildeten Gesamtstrafen von den in vergleichbaren Fällen üblicherweise verhängten Strafen nicht so stark, daß der mit ihnen verfolgte Zweck des Schutzes der Rechtsordnung durch gerechten Schuldausgleich nicht mehr erreicht werden könnte.
Die Gesamtstrafen bezüglich der Angeklagten D. und P. von 6 Jahren erscheinen auch im Verhältnis zu der Gesamtfreiheitsstrafe hinsichtlich des Angeklagten B. von 9 Jahren nicht als unangemessen milde. Zwar muß, auch wenn mehrere Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt werden, für jeden von ihnen die Strafe aus der Sache selbst gefunden werden. Der Gesichtspunkt, daß gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, darf aber nicht völlig außer Betracht bleiben (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH StV 1981, 122, 123). Die umfassend geständigen Angaben der Angeklagten D. und P. haben erheblich zur Überführung des Mitangeklagten B. , der hier der Initiator, Bandenchef und Organisator der Taten war, beigetragen.