BGH, 12.02.1952 - 1 StR 658/51

Daten
Fall: 
Beihilfe zum Mord im Standgerichtsverfahren
Fundstellen: 
BGHSt 2, 173; JZ 1952, 345
Gericht: 
Bundesgerichtshof
Datum: 
12.02.1952
Aktenzeichen: 
1 StR 658/51
Entscheidungstyp: 
Urteil
Richter: 
Richter, Mantel, Greier, Glanzmann, Jagusch
Instanzen: 
  • SchwG München I, 16.02.1951

Mitwirkung als Vertreter der Anklage bei einen von Hitler im April 1945 befohlenen Standgerichtsverfahren als Beihilfe zum Mord.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Schwurgerichts München I vom 16. Februar 1951 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Falle v. D. wegen Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Misshandlung eines Wehrlosen und im Falle K. wegen Pflichtverletzung als Amtsvorgesetzter im Zusammenhang mit Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist. Auch die Gesamtstrafe wird aufgehoben. Im übrigen wird die Revision des Angeklagten verworfen.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil mit den ihn zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte von der Anschuldigung der Beihilfe zum Mord in sechs Fällen freigesprochen worden ist.

Soweit das Urteil aufgehoben ist, wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittel, an das Schwurgericht zurückverwiesen.

Gründe

A.Zur Revision des Angeklagten Huppenkothen

I. Verfahrensrügen.

1.)

Unbegründet ist die Verfahrensrüge, das Schwurgericht habe § 260 Abs. 3 StPO dadurch verletzt, dass es das Verfahren in den Fällen v.D. und Dr. K. nicht wegen Verjährung eingestellt habe. Der Gesichtspunkt der Verjährung als eines Verfahrenshindernisses müsste in übrigen auch ohne ausdrückliche Rüge von Amts wegen berücksichtigt werden. Im Falle v. D. ist der Angeklagte wegen Körperverletzung in Amt in Tateinheit mit Misshandlung eines Wehrlosen (§§ 340 Abs. 1, 223 b, 73 StGB), im Falle Dr. Koch wegen Pflichtverletzung als Amtsvorgesetzter (§ 357 StGB) in Verbindung mit Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 340 Abs. 1, 223 a, 73 StGB) verurteilt worden. Zeitlich ereigneten sich die Misshandlungen im Fall v.D. Ende Januar/Anfang Februar 1945, im Fall Dr. K. am 8. Februar 1945. In beiden Fällen handelte es sich um Straftaten im Sinne des Art. 1 des Bayr.Gesetzes Nr. 22 vom 31. Mai 1946 (Bayr. GVBl 1946 S. 182). Nach Art. 2 Nr. 3 dieses Gesetzes begann wegen dieser Straftaten die Verjährungsfrist erst am 1. Juli 1945. Die Verjährung der Strafverfolgung wäre gemäss § 67 StGB mit Ablauf des 30. Juni 1950 eingetreten, wenn die Verjährung nicht vorher unterbrochen worden wäre. Das ist jedoch am 7. Februar 1950 geschehen. An diesem Tage wurde der Angeklagte in der mündlichen Verhandlung im Haftprüfungsverfahren vor dem Ermittlungsrichter gehört. Zwar war der Haftbefehl vom 2. Dezember 1949 nur wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord in sechs Fällen ergangen und auch in der dem Erlass des Haftbefehls voraussehenden Vernehmung waren nur die dieser. Verdacht zugrunde liegenden Vorgänge zwischen dem Ermittlungsrichter und dem Angeklagten erörtert worden. Der die Sache bearbeitende Staatsanwalt wies jedoch schon in der Verfügung von 30. Januar 1950, mit der er die Akten dem Ermittlungsrichter zum Zwecke der Haftprüfung zuleitete, darauf hin, dass der Angeklagte nach dem Ergebnis der zwischenzeitlichen Ermittlungen in den Fällen v. D. und Dr. K. verdächtig sei, an Gefangenen misshandlungen beteiligt gewesen zu sein und dadurch die §§ 343, 357 StGB verletzt zu haben. In der mündlichen Verhandlung im Haftprüfungsverfahren am 7. Februar 1950 trug der Staatsanwalt, wie die Sitzungsniederschrift ergibt, diesen Verdacht vor. Der Angeklagte wurde daraufhin von Ermittlungsrichter aufgefordert, sich zu allen Vorwürfen zu äussern. Er bestritt nunmehr, dass gegen ihn ein begründeter Verdacht der Beihilfe zum Mord vorliege, weil seine Angaben über den Verlauf des Standgerichtsverfahrens gegen v. D. und des Standgerichtsverfahrens in F. bisher nickt widerlegt worden seien und bei Zugrundelegung dieser Sachdarstellung Beihilfe zum Mord zu verneinen sei. Er führte weiter aus, dass Fluchtverdacht und Verdunklungsgefahr zu verneinen seien, und schloss damit, dass er zu den Fällen der Aussageerpressung und Gefangenenmisshandlung nicht Stellung nehmen wolle, weil der Haftbefehl hierauf nicht gestützt sei. Dieser Verlauf der mündlichen Verhandlung im Haftprüfungsverfahren, der sich zur Überzeugung des Senats aus der Niederschrift über diese Verhandlung ergibt, zeigt deutlich, dass auch die Fülle v. D. und K. unter dem Gesichtspunkt der Gefangenenmisshandlung zum Gegenstand der Erörterung gemacht wurden. Der Sachdarstellung der Revisionsbegründung, dass der Ermittlungsrichter abgelehnt habe, die Fälle der Gefangenenmisshandlung zu erörtern, steht also die Verhandlungsniederschrift entgegen. Da in die Verhandlung vor den Haftrichter und auf seine Veranlassung auch die Fälle der Gefangenenmisshandlung einbezogen wurden, liegt eine wegen dieser Taten gegen den Täter gerichtete Handlung des Richters in Sinne des § 68 StGB vor, durch die die Verjährung unterbrochen wurde. Dass der Angeklagte eine Stellungnahme ablehnte, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, dass die in diesem Termin vom Richter getroffene Entscheidung - die Anordnung der Haftfortdauer - nur mit den Fortbestehen des Verdachts der Beihilfe zum Mord und nicht auch Hit den Verdacht der. Gefangenenmisshandlung begründet wurde. Die Handlung des Richters, durch die die Verjährung unterbrochen wurde, bestand nicht in seiner Entscheidung, sondern darin, dass er den Angeklagten veranlasste, zu allen Anschuldigungen der Strafverfolgungsbehörde Stellung zu nehmen, damit auch zu den Vorwürfen der Gefangenenmisshandlung in den Fällen v. D. und K.

2.)

Begründet ist dagegen die Rüge, das Schwurgericht habe bei der Verurteilung des Angeklagten in den Fallen. v. D. und K. § 265 StPO verletzt. Mit der noch vor den 1. Oktober 1950 beim Landgericht eingegangenen Anklageschrift wurde der Angeklagte beschuldigt, sich in den Fällen v. D. und Dr. K. der Aussageerpressung gemäss § 343 StGB schuldig gemacht zu haben. Verurteilt wurde er in Falle v. D. wegen Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Misshandlung eines Wehrlosen (§§ 340 Abs. 1, 223 b, 73 StGB), im Falle Dr. K. wegen Pflichtverletzung als Amtsvorgesetzter in Verbindung mit Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 357, 340 Abs. 1, 223 a, 73 StgB). Auf diese Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts ist der Angeklagte wie sich aus der Sitzungsniederschrift ergibt, entgegen § 265 Abs. 1 StPO nicht hingewiesen worden. Am achten Verhandlungstag wurde er in Anschluss an Ausführungen des Staatsanwalts nur darauf hingewiesen, dass die unter 1.) der Anklageschrift behandelten Vorgänge mit den unter 2.) erörterten (zu denen auch die Fälle v. D. und K. gehörten) als ein fortgesetztes Verbrechen der Aussageerpressung beurteilt werden könnten. Am letzten Verhandlungstag wies ihn der Vorsitzende noch darauf hin, dass anstelle eines fortgesetzten Verbrechens im Amt gemäss § 357 Abs. 1 StGB auch einzelne Verbrechen angenommen werden könnten. Diese Hinweise genügten nicht. Die Anschuldigung wie die Verurteilung wegen Pflichtverletzung gemäss § 357 Abs. 1 StGB verlangt die Angabe, in Bezug auf welche strafbare Handlung des Untergebenen die Pflicht verletzt sein soll, ebenso wie der Vorwurf der Anstiftung oder der Beihilfe die Angabe der strafbaren Handlung erfordert, zu der angestiftet oder Beihilfe geleistet ist. Mit Rücksicht darauf, dass die Anklageschrift den Angeklagten in den Fällen v. D. und Dr. K. Aussageerpressung zum Vorwurf machte, konnte der letzte Hinweis des Vorsitzenden höchstens dahin verstanden werden, dass das Verhalten des Angeklagten in diesen Fällen als Verleitung oder erfolglose Verleitung oder als Geschehenlassen einer Aussageerpressung beurteilt werden könne. Daß das Verhalten des Angeklagten als Pflichtverletzung in Bezug auf eine von einen Untergebenen begangene Körperverletzung im Amt oder als Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Misshandlung eines Wehrlosen, begangen als Täter, beurteilt werden könne, war dem Hinweis nicht zu entnehmen. Unerheblich ist, daß der Vertreter der Staatsanwaltschaft den Antrag stellte, den Angeklagten eines fortgesetzten Verbrechens der Aussageerpressung gemäss § 343 StGB in Tateinheit mit zwei sachlich zusammentreffenden Vergehen der Körperverletzung in Amt gemäss den §§ 340, 73, 74 StGB schuldig zu sprechen. Denn abgesehen davon, dass auch diese rechtliche Beurteilung nicht mit dem Schuldspruch in den Fällen v. D. und Dr. K. übereinstimmt, verlangt § 265 StPO einen Hinweis des Gerichts. Ausführungen des Staatsanwalts vermögen den in § 265 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Hinweis durch den Vorsitzenden des Gerichts nicht zu ersetzen RGSt Bd. 20 S. 33). Nach der Sachlage kann auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Verurteilung in diesen beiden Rillen auf der Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO beruht. Das gilt entgegen der Auffassung des Oberbundesanwalts auch in Bezug auf den Fall Dr. K. Denn die Anklage ging von der Auffassung aus, die Behandlung Dr. K. habe den Zweck verfolgt, die dabei anwesende Frau S. unter Druck zu setzen und von ihr eine Aussage zu erpressen. Die Beurteilung des Vorgangs durch das Gericht veränderte Inhalt und Richtung des Vorwurfs völlig, und es ist nicht abzusehen, wie sich der Angeklagte gegenüber diesen veränderten Vorwurf verteidigt haben würde, wenn er darauf hingewiesen worden wäre. Das Urteil muss deshalb in den beiden Fällen v. D. und Dr. K. auf die Revision des Angeklagten mit den ihn zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben werden.

3.)

Die übrigen Verfahrensrügen sind unbegründet. Da die Anklage vor dem 1. Oktober 1950 bei Gericht eingegangen ist, bedurfte es keines Eröffnungsbeschlusses (Art. 8 III Nr. 114 des Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 12. September 1950). Es ist auch kein solcher Beschluss ergangen, sondern das Gericht hat am 2. Januar 1951 gemäss § 202 StPO in der vor den 1.10.1950 in Bayern geltenden Passung (Bayr. GVBl. 1946 S. 104) durch Beschluss die Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht angeordnet. Dem Angeklagten brauchte deshalb auch kein Eröffnungsbeschluss gemäss § 215 StPO zugestellt zu werden.

Die Ausführungen, mit denen die Revision die behauptete. Verletzung des § 267 Abs. 3 StPO begründet, enthalten nur den Angriff, dass das Schwurgericht sachlich fehlerhaft über die Anrechnung der Untersuchungshaft entschieden habe. Darin liegt also keine Verfahrens-, sondern eine Sachrüge.

Unbegründet ist schliesslich auch die Rüge der Verletzung des § 273 Abs. 3 StPO. Zur Begründung hat die Revision vorgetragen, die gesamte Verhandlung sei von zwei Stenographen des Bayer. Landtags in Kurzschrift festgehalten worden; zwischen den auf diese Weise festgehaltenen Bekundungen von Zeugen und einzelnen Feststellungen des Urteils beständen Unstimmigkeiten und Widersprüche. Ob das zutrifft, kann unerörtert bleiben. Inwiefern daraus eine Verletzung des § 273 Abs. 3 StPO hervorgehen soll, ist nicht einzusehen. Die Landtagsstenographen waren im übrigen nicht als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tätig. Ihre Niederschrift ist nicht das Sitzungsprotokoll. Dass es in noch weiterem Umfange, als es geschehen ist, darauf angekommen wäre, einen Vorgang in der Hauptverhandlung oder den Wortlaut einer Aussage oder einer Äusserung in der Sitzungsniederschrift festzuhalten, kann dem Vorbringen der Revision nicht entnommen werden. Abgesehen davon ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass § 273 Abs. 3 den Beteiligten kein Anrecht darauf gibt, dass bestimmte Vorgänge oder Aussagen wörtlich in die Sitzungsniederschrift aufgenommen werden, und dass auf eine Verletzung des § 273 Abs. 3 StPO die Revision nicht gestützt werden kann (RGSt Bl. 5 S. 352; Bl. 28 S. 394).

II. Sachbeschwerde.

Da in den Fällen v. D. und Dr. K. das Urteil schon auf die Verfahrensbeschwerde hin aufgehoben werden muss, braucht auf die Sachbeschwerde zu diesen beiden Fällen nur eingegangen zu werden, soweit es für die neue Hauptverhandlung erforderlich ist.

1.)

Dass v. D. in Januar/Februar 1945 infolge seiner Lähmung wehrlos wegen Krankheit und Gebrechlichkeit war und dem Angeklagten dieser Zustand bekannt war, wird im Urteil ausdrücklich festgestellt. Soweit die Revision das Gegenteil behauptet, kann sie damit, nicht gehört werden. Die Merkmale des § 223 b StGB sind von Schwurgericht nicht verkannt worden. Die Häftlinge der Gestapo waren, wie die Feststellungen des Urteils erkennen lassen, den jeweiligen Bearbeitern ihrer Sache mit ihrer ganzen Person in ganz anderer Weise ausgeliefert, als es in einem von rechtsstaatlichen Grundsätzen beherrschten Verfahren im Verhältnis zwischen dem Staatsanwalt, den Polizeibeamten oder den Untersuchungsrichter und dem Untersuchungsgefangenen der Fall ist. Es kann unentschieden bleiben, ob ein Untersuchungshäftling in Sinne des § 223 b StGB der Obhut dieser Personen untersteht, Jedenfalls kann rechtlich nicht beanstandet werden, dass das Schwurgericht angenommen hat, der wegen seiner Lähmungserscheinungen Gebrechliche Dr. v. D. habe im Hinblick auf seinen leiblichen Zustand der Obhut des Angeklagten unterstanden und dieser habe auf Grund seiner Amtsstellung sowohl die Möglichkeit wie die Verpflichtung gehabt, dafür zu sorgen, dass dem Kranken die nach den Umstünden mögliche Pflege zuteil wurde. Gegen diese Pflicht hat der Angeklagte bewusst Verstossen. Mit der Feststellung, dass der Angeklagte aus Hass gegen Dr. v.D. gehandelt habe, enthält das Urteil auch ausreichende Darlegungen zur inneren Tatseite. Die Verletzung der §§ 340 Abs. 1 und 223 b StGB ist damit von Schwurgericht ohne Rechtsirrtum bejaht. Bedenkenfrei ist auch die Annahme, dass die Verletzung beider Strafgesetze zueinander im Verhältnis der Tateinheit stellt. Für die Bejahung der rechtlichen Möglichkeit hierfür sprechen dieselben Gründe wie bei den §§ 340 Abs. 1 und 223 a StGB (RGSt Bd. 75 S. 355).

2.)

In Falle Dr. K. hat das Schwurgericht das Verhalten der beiden Gestapobeamten zutreffend als Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 340 Abs. 1, 223 a StGB) beurteilt. Da der Angeklagte der Dienstvorgesetzte dieser beiden Beamten war und die Misshandlung sich in seiner Gegenwart ereignete, war er verpflichtet, dagegen einzuschreiten. Er hat das nach den Urteilsfeststellungen bewusst unterlassen. Dr war auch, wie weiter ausdrücklich festgestellt wird durch das Vorgehen der ihm unterstellten Gestapobeamten keineswegs überrascht. Zum Tatbestand des § 357 StGB in der Form des "Geschehenlassens" gehört, mag auch, was hier dahinstehen kann, dieses Merkmal in den §§ 340, 341 und 343 StGB anders zu verstehen sein (RGSt Bd. 5 S 332; Bd. 59, S. 86), keine ausserhalb der pflichtwidrigen Unterlassung des Einschreitens liegende Mitwirkung an der strafbaren Handlung des Untergebenen. Die Verurteilung des Angeklagten aus § 357 in Verbindung mit den §§ 340 Abs. 1, 223 a StGB begegnet nach alledem keinen rechtlichen Bedenken.

3.)

Auch die Verurteilung wegen Aussageerpressung (§ 343 StGB) im Falle v. G. wird durch die Feststellungen getragen. Dass er nicht in Tateinheit mit der Aussageerpressung auch wegen Körperverletzung im Amt verurteilt worden ist, beschwert den Angeklagten nicht. Da der Verfahrensfehler, der zur Aufhebung des Urteils in den Fällen v. D. und Dr. K. führt, die Verurteilung wegen Aussageerpresssung im Falle G. nicht berührt, muss der Revision insoweit der Erfolg versagt bleiben.

4.)

Ob und inwieweit das Schwurgericht die Untersuchungshaft auf die Strafe anrechnen wollte, stand in seinen Ermessen (§ 60 StGB). Die Gründe, die es für die nur teilweise Anrechnung anführt, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Auch der vom Angeklagten in der Verhandlung behauptete Widerspruch in den Strafzumessungsgründen besteht nicht. Bis zum Frühjahr 1944 war der Angeklagte Gruppenleiter in Amt IV des RSHA. Zwar verlor er mit der zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Organisationsänderung formell diese Stellung. Sein Aufgabenkreis blieb aber, wie das Schwurgericht ausdrücklich feststellt, sachlich derselbe. Der Angeklagte wurde sogar zu diesen Zeitpunkt beförderte. Das Schwurgericht durfte deshalb bei der Strafzumessung berücksichtigen, dass der Angeklagte nach den Chef des RSHA und den Amtschefs zu den führenden Hopfen des RSHA zählte.

B. Zur Revision der Staatsanwaltschaft.

Die Revision der Staatsanwaltschaft greift das Urteil nur insoweit an, als der Angeklagte von der Anschuldigung der Beihilfe zum Mord in sechs Fällen freigesprochen werden ist.

I.

Für die Frage, ob sich der Angeklagte durch seine Mitwirkung als Vertreter der Anklage beim Standgerichtsverfahren gegen v. D. der Beihilfe zum Mord schuldig Gemacht hat, konnte nach den übrigen im Urteil getroffenen Feststellungen von Bedeutung sein, ob v. D. zu der Zeit, als das Standgericht gegen ihn verhandelte, überhaupt verhandlungsfähig war Zweifel nach dieser Richtung ergaben sich aus folgenden aus den Urteil ersichtlichen Umständen: Dr. T., der Dr. v. D. im Polizeikrankenhaus behandelt hatte, verabreichte in der Absicht, die Verhandlungsunfähigkeit v. D. herbeizuführen und dadurch die Durchführung des Verfahrens zu verhindern oder wenigstens zu verzögern, gegen Mitternacht vor dem Verhandlungstage dem Kranken 0,3 Gramm Luminal und gab die Weisung, ihm gegen 2-3 Uhr nochmals 0.2 Gramm Luminal zu verabreichen. Auf Grund des Gutachtens eines Sachverständigen erlangte das Schwurgericht die Überzeugung, v. D. sei jedenfalls am Mittag oder Nachmittag des 6. April 1945 nicht mehr so schlaftrunken gewesen, dass nicht hätte gegen ihn verhandelt werden können. Unter diesen Umständen konnte von entscheidender Bedeutung sein, wann die Verhandlung vor dem Standgericht stattgefunden hat. Nach dieser Richtung lässt das Urteil aber jede klare Feststellung vermissen. Es enthält nur die Angabe des Angeklagten, dass die Verhandlung erst an Nachmittag begonnen habe. Diesen Angaben ist das Gericht gefolgt offenbar ohne sie näher zu prüfen, obwohl dazu die Möglichkeit bestanden hätte. Es standen ihm dazu als Zeugen zur Verfügung der frühere Polizeioberst So., der selbst als Beisitzer beim Standgericht mitgewirkt hatte, der Kommissar Son. und die Stenotypistin E. v. Ti. Solange den Gericht solche Aufklärungmöglichkeiten zur Verfügung standen, bedeutete es bei der Wichtigkeit einer genauen Feststellung über den Zeitpunkt des Standgerichtsverfahrens eine Verletzung der dem Gericht nach § 244 Abs. 2 StPO obliegenden Aufklärungspflicht, wenn es den Angaben des Angeklagten folgte, ohne sie näher zu überprüfen. Die Verpflichtung dazu muss und so mehr bejaht werden, als der frühere Politzeioberst So. bei seiner Vernehmung im Vorverfahren am 18. Januar 1950 bekundet hatte, dass das Verfahren gegen v. D. vor den Standgericht schon gegen 9 Uhr am Vormittag begonnen habe. Die von der Revision der Staatsanwaltschaft erhobene Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO ist daher begründet. Hätte das Schwurgericht die gegebene, Möglichkeit zur Überprüfung der Angaben des Angeklagten hinsichtlich des Zeitpunktes der Standgerichtsverhandlung genutzt dann ist nicht ausgeschlossen, dass es die Verhandlungsfähigkeit v. D. verneint hätte, vom Boden dieser Tatsache aus auch die Kenntnis des Angeklagten von einer etwaigen Verhandlungsunfähigkeit anders beurteilt hätte und dann bei der Würdigung der Vorgänge zu einen anderen Ergebnis gelangt wäre. Das Urteil muss deshalb, soweit der Angeklagte in diesem Punkte von der Anschuldigung der Beihilfe zum Mord freigesprochen worden ist, schon aus diesem Grunde aufgehoben werden.

II.

Bei diesem Vorgang in O. und auch in dem in F. gegen den Generalstabsrichter Dr. S. Admiral C., General O., Pastor D. B. ... und Hauptmann G. durchgeführten Standgerichts verfahren ging es um die Frage, ob es sich um rechtmässig durchgeführte Standgerichtsverfahren handelte oder ob die Verhafteten in Wahrheit in einem gesetzlosen Verfahren willkürlich getötet wurden. Für die Beantwortung dieser Frage konnte, wie das Schwurgericht richtig erkannt hat, von ausschlaggebender Bedeutung die Feststellung darüber sein, wann die Verurteilten "hingerichtet" wurden. Denn aus der genauen Festlegung des Zeitpunktes der "Hinrichtung" ergab sich, ob die Angaben des Angeklagten dazu der Wahrheit entsprachen. Wäre das nicht der Fall gewesen, so konnten sich daraus für das Gericht wichtige Schlüsse dafür ergeben, wie die Glaubwürdigkeit der Einlassung des Angeklagten überhaupt zu beurteilen war. Die Darlegungen des Schwurgerichts dazu, sind nicht frei von Widersprüchen. Das Urteil gibt auf Seite 36-41 die Aussagen mehrerer Zeugen wieder, die sämtlich darin übereinstimmen, dass in F. die Opfer am Morgen des 9. April 1945 getötet wurden. Es muss, wie das Urteil selbst folgert, als ziemlich sicher festgestellt angesehen werden, dass am Morgen des Montag, des 9. April 1945, Erhängungen stattgefunden haben in dem kleinen Hof neben den Dellenbau innerhalb des Konzentrationslagers, bei denen zum mindesten Canaris und Oster getötet wurden (Urteil S. 36). Aus der Aussage des Prinzen P. v. H. im Zusammenhang mit den übrigen Zeugen ergab sich mit der gleichen Sicherheit wie für O., dass zusammen mit C. auch B. getötet worden ist.

Das Schwurgericht hat den Zeugen, die als Tag der Tötungen den Morgen des 9. April 1945 bezeichneten offensichtlich Glauben geschenkt. Im Urteil ist näher ausgeführt, dass vier von diesen Zeugen nämlich Dr. L., Dr. J. M., Oberstleutnant L. und Prinz Philipp von Hessen "genaue Gedächtnisstützen für das bestimmte Datum" angegeben haben und dass ein fünfter Zeuge, nämlich der Generaloberst H., sich die wichtigsten Ereignisse "damals" in einen kleinen Notizkalender aufzeichnete, den er in der Hauptverhandlung dem Gericht vorgelegt und vorgelesehen hat (S 37 UA).

Dazu steht, wie die Revision der Staatsanwaltschaft mit Recht geltend macht, deutlich in Widerspruch, wenn das Urteil später (S. 41 UA) davon spricht, dass die Zeugen "bezüglich der Zeit nachträglich auf Kombinationen angewiesen waren" und sich möglicherweise "bei ihren Kombinationen nachträglich zeitlich geirrt haben". Denn die vorangehenden Ausführungen zeigen, dass es sich weder und "Kombinationen", noch gar um "nachträgliche Kombinationen" handelte, sondern um Schlüsse aus Umständen, die den Zeugen damals gegenwärtig waren und ihnen damals schon erlaubten, die Vorgänge zeitlich sicher festzulegen oder als gleichzeitig mit einen anderen Ereignis (z.B. mit der Abreise der Familie Sch.) zu erleben, das durch einen anderen Zeugen, den Generalobersten H., auf Grund der damaligen Aufzeichnungen zeitlich bestimmt werden konnte.

Bis zu diesem Widerspruch zu den eigenen Feststellungen lässt die Beweiswürdigung deutlich erkennen, dass die Wendung "ziemlich sicher", mit der das Schwurgericht S. 36 den Morgen des 9. April 1945 als Zeitpunkt der "Hinrichtung" bezeichnet, jenem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit gleichkommt, "wie er bei allgemein erschöpfender und gewissenhafter Anwendung der vorhandenen Mittel der Erkenntnis entsteht" (RGSt Bd. 61 S. 202, 206). Dieser Umstand, der nach den eigenen Darlegungen des Schwurgerichts in so hohem Grade wahrscheinlich war, dass er als gewiss angesehen werden musste, wenn das Gericht nicht die Anforderungen an die Gewinnung der richterlichen Überzeugung rechtsirrig zu hoch bemessen wollte, hätte deshalb von ihm als erwiesene Tatsache der Beurteilung des Sachverhalts zugrunde gelegt werden müssen, und es hätte nicht wegen der nur ganz unbestimmten, durch nichts einwandfrei begründeten und nur abstrakt ins Auge gefassten Möglichkeit, dass sich die Zeugen trotzdem irren könnten, davon absehen dürfen, sie bei der Beurteilung des Standgerichtsverfahrens zu berücksichtigen.

III.

Abgesehen von den erörterten Widersprüchen in den Feststellungen, die allein schon zur Aufhebung des Urteils in diesem Punkte führen müssten, halten auch seine Rechtsausführungen der Nachprüfung nicht stand. Sie gipfeln darin, gegen v. D. wie auch gegen Dr. S., C., O., B., und G. hätten in der Tat Standgerichtsverfahren stattgefunden, bei denen jedenfalls das "gerichtliche Gesicht" gewahrt worden sei. Die den sechs Verurteilten zur Last gelegten und von ihnen begangenen Handlungen hätten nach dem damaligen Rechtszustand die Tatbestände des Hoch- und Landesverrats oder des Feindverrats erfüllt. Es könne also nicht behauptet werden, die Verurteilten seien im Sinne der damaligen Anklagen und des damaligen Rechts nicht schuldig gewesen. Man müsse deshalb die gegen sie ergangenen sechs Todesurteile für Rechtens halten. Damit scheide auch die Möglichkeit aus, in der Tätigkeit des Angeklagten als Vertreter der Anklage bei diesen Standgerichtsverfahren eine Beihilfe zum Mord zu sehen.

Soweit das Urteil davon ausgeht, es sei nicht widerlegt, dass die sechs Männer unter Mitwirkung des Angeklagten getötet worden seien, nachdem der Tötung ein mit den Todesurteil endendes gerichtliches Verfahren vorausgegangen sei, bewegen sich seine Gründe weitgehend im tatsächlichen Bereich. Das Schwurgericht wird jedoch auch insoweit bei der aus anderen Gründen notwendig werdenden neuen Verhandlung den Sachverhalt von neuem unter dem Gesichtspunkt prüfen und aufklären müssen, ob gegen die sechs Opfer überhaupt ein irgendwie geartetes gerichtliches Verfahren durchgeführt worden ist.

Rechtlich zu beanstanden sind die Ausführungen des Urteils jedenfalls schon deshalb, weil es annimmt, Beihilfe zum Mord scheide aus, wenn ein Standgerichtsverfahren "unter Wahrung des gerichtlichen Gesichts" stattgefunden habe. Diese Wendung kann ihren Wortsinn wie den Zusammenhang nach nur bedeuten, dass das Schwurgericht von der Auffassung ausgegangen ist, der gegen den Angeklagten gerichteten Anschuldigung wegen Beihilfe zum Mord sei schon dann der Boden entzogen, wenn der äussere Schein eines gerichtlichen Verfahrens gewahrt worden sei. Das ist rechtsirrig.

Das Verhältnis des einzelnen zu Volk und Staat ist zwar nicht für alle Seiten und Zustände unverändert zu bestimmen. Staatliche Eingriffe in Freiheit und Leben des einzelnen können und müssen unter Umständen verschieden beurteilt werden, je nachdem ob sich die Gemeinschaft eines unangefochtenen, sicheren Daseins erfreut oder ob sie sich in einem Kampf auf Leben and Tod befindete. Es entspricht der geschichtlichen Überlieferung und übereinstimmender Übung aller Kulturvölker, dass ein Staatswesen in Zeiten höchster kriegerischer und politischer Gefahr Gerichte walten läßt, die sachlich mit grösster Strenge zu arbeiten baten und formell weitgehende Freiheiten geniessen. Dem Angeklagten kann also strafrechtlich noch kein Vorwurf gemacht werden, wenn nichts anderes feststellt, als dass er bei einem Standgerichtsverfahren mitgewirkt hat, bei dem nach dem damals geltenden Rechtszustand nur wenige zwingende Verfahrensvorschriften zu beachten waren und die Rechte der Angeklagten daher nur in weit geringerem Maße gesichert waren, als das sonst allgemein in friedlichen Seiten üblich ist. Seine Mitwirkung bei den Geschehnissen, die mit dem Tode der sechs Männer endeten, muss aber als Beihilfe zu einer rechtswidrigen Tötung, also als Beihilfe zum Mord oder zum Totschlag (§§ 211, 212, 49 StGB) beurteilt werden, sobald feststeht, dass die Art und Weise, wie ihnen das Leben genommen wurde, auch durch das damals geltende Recht nicht gedeckt wurde oder gegen allgemein verbindliche rechtliche Grundsätze verstiess, die unabhängig von staatlicher Anerkennung gelten, und der Angeklagte das wusste als er seinen Beitrag leistete.

Der Vorwurf gegen den Angeklagten geht hier dahin, dass durch die Art des Verfahrens diese keine Ausnahme duldenden Mindestanforderungen mißachtet wurden, gleichviel ob die Handlungen, die den zur Verantwortung Gezogenen zum Vorwurf gemacht wurden, von der damals herrschenden Auffassung aus als todeswürdige Taten angesehen wurden. Die Verwirkung des Lebens auch wegen einer selchen Tat setzte auch nach dem damals geltenden Recht den Spruch eines Gerichts voraus. Zum unabdingbaren Wesen des Richterspruchs gehört jedoch, daß er von befehlsunabhängigen Richtern als Entscheidung ihres freien Rechtsgewissens auf Grund eines Verfahrens gefällt wird, das dazu dient, die Wahrheit zu erforschen, Schuld oder Unschuld und das Maß der Schuld zu ermitteln und festzustellen, so dass von dem Ergebnis dieses Verfahrens allein der von den Züchtern nach ihrem Gewissen zu fällende Spruch abhängt. Ein Verfahren, bei dem, wie es das Urteil ausdrückt, nur das "gerichtliche. Gesicht" gewahrt ist, das also nur äusserlich und zum Schein die für ein gerichtliches Verfahren geltenden Vorschriften beachtet, und dessen Ergebnisse für den Richterspruch ohne Bedeutung sind, sowie ein Urteil, das nicht allein auf den Ergebnissen eines Verfahrens beruht, das sich ernsthaft um die erschöpfende Klärung der Schuldfrage bemüht, sind weder dem Nahmen noch der Sache nach ein gerichtliches Verfahren und ein Urteil, auch wenn die notwendigen äusseren Formen noch gewahrt sind. Die "Vollstreckung" eines solchen "Urteils" ist eine rechtswidrige Tötung unabhängig von der Art des Vorwurfs, der dem Getöteten gemacht worden war.

Mit der Annahne, dass der Hinrichtung der Opfer möglicherweise ein Verfahren zugrunde lag, das notdürftig die äusseren Formen eines gerichtlichen Verfahrens und eines Urteils wahrte, hat das Schwurgericht also nicht die Möglichkeit ausgeräumt, dass die angeblichen Urteile der Standgerichte in Wahrheit nur in Urteilsform gekleidete willkürliche Machtsprüche waren, die dem Wunsch oder dem Befehl eines Auftraggebers nachkamen.

Die in Urteil erörterten ausserordentlichen Regelwidrigkeiten und Auffälligkeiten bei der Vernichtung dieser sechs Männer nötigten zu einer viel eingehenderen Untersuchung, ob sie die vom Urteil selbst nahegelegte Annahme rechtfertigten, dass die Wahrung der äusseren Formen von Standgerichtsverfahren nur Schein war und den Zweck verfolgte, die unter allen Umständen und ohne echte und erschöpfende Prüfung einer etwaigen strafbaren Schuld gewollte und gewünschte Beseitigung von Gegnern der nationalsozialistischen Führung unter einem rechtlichen Gewand zu verbergen.

Bei dieser Prüfung brauchte zwar noch nicht jede Verletzung damals geltender Rechtsvorschriften zu den Ergebnis zu führen, dass das ganze Verfahren ein willkürliches Scheinverfahren war, wenn sich eine solche Überzeugung aufdrängen so eher aufdrängen musste, je häufiger es zu solchen Verstössen kam und je gröber sie waren. Umgekehrt kann ein blosses Schweinverfahren, das für die Tötung der Opfer keinen Rechtfertigungsgrund abzugeben verrmochte, auch dann vorgelegen haben, wenn keinerlei Verstösse gegen damals geltende Rechtsvorschriften festzustellen waren. Das wäre dann der Fall, wenn die geltenden Rechtsvorschriften von den Mitwirkenden eben nur zum Schein und nicht mit den Wunsche und den Willen einer ernsthaften Klärung der Schuldfrage beachtet worden waren, würde aber auch dann zu bejahen sein, wenn einzelnen dieser Vorschriften die Rechtsnatur überhaupt abgesprochen werden müsste und die Mitwirkenden sich dessen bewusst waren.

Denn die Machthaber des nationalsozialistischen Staates haben, wie offenkundig ist und auch damals schon allen Einsichtigen klar war, zahlreiche Vorschriften erlassen und Anordnungen getroffen, die mit dem Anspruch auftraten, "Recht" zu setzen und dem "Recht" zu entsprechen, die aber trotzdem der Rechtsnatur ermangelten, weil sie jene rechtlichen Grundsätze verletzten, die unabhängig von jeder staatlichen Anerkennung gelten und starker sind als ihnen entgegenstehende obrigkeitlichen Akte, die mit dem Wortlaut weitgefaßter: gesetzlicher Vorschriften noch vereinbar zu sein scheinen. Obrigkeitliche Anordnungen, die die Gerechtigkeit nicht einmal anstreben, den Gedanken der Gleichheit bewusst verleugnen und allen Kulturvölkern gemeinsame Rechtsüberzeugungen von Wert und Würde der menschlichen Persönlichkeit gröblich missachten, schaffen - wie der Senat in den zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 29. Januar 1952 - 1 StR 563/51 - näher ausgeführt hat - kein materielles Recht, und ein ihnen entsprechendes Verhalten bleibt Unrecht. (Vgl OGHSt Bd. 1 S. 321, 324; Bd. 2 S. 271; BGHZ Bd. 3 S. 94, 106/107). Es braucht in diesen Zusammenhang nur auf die "Endlösung der Judenfrage" und auf die Massentötung von Geisteskranken in Kriege hingewiesen zu werden, die dadurch kein "Recht" wurden, dass auch sie auf "Willenskundgebungen Hitlers beruhten.

Diesen rechtlichen Grundsatz trägt das Urteil vor allen bei der Prüfung der gesetzlichen Grundlagen der angeblich gebildeten Standgerichte nicht Rechnung. Seine Ausführungen laufen in Ergebnis darauf hinaus, dass zwar die Bildung dieser Standgerichte keiner Zuständigkeitsregelung der Kriegsstrafverfahrensordnung entspreche, dass sie aber trotzdem nicht als ungesetzlich bezeichnet werden könne, weil Hitler in der unbegrenzten Machtfülle, die ihm durch den Beschluss des Reichstages von 26. April 1942 verliehen worden sei, an keinerlei Schranken einer allgemeinen Zuständigkeitsregelung mehr gebunden gewesen sei. Die Frage nach der gesetzlichen Grundlage eines Verfahrens wird aber sinnlos, wenn man davon ausgeht, dass die Bindung an jede gesetzliche Regelung entfallen sei. Selbst wenn man nicht annehmen wollte, dass der Ermächtigung selbst schon jeder Rechtscharakter abgeht, weil sie unbegrenzt war, so kann kein Zweifel darüber sein, dass erst rocht ihre willkürliche Handhabung und Ausnutzung keinerlei Recht schaffende Wirkung haben konnte. Nach dieser Richtung ergibt sich aus den Urteil, dass Hitler diejenigen Angehörigen der Wehrmacht, die an den Vorgängen des 20. Juli 1944 beteiligt waren, zunächst durch einen Ehrenrat aus der Wehrmacht ausstossen liess. Durch einen Sondererlass beseitigte er die nach § 2 a KStVO) trotzdem fortbestehende Zuständigkeit der Wehrmachtsgerichtsbarkeit, beauftragte mit der Untersuchung aller mit den Anschlag von 20. Juli 1944 zusammenhängenden Vorgänge, auch soweit ehemalige Wehrmachtsangehörige verwickelt waren, die Gestapo, die sich schon längst zum ebenso gefügigen wie gefürchteten Werkzeug des Terrors und der Willkür entwickelt hatte, und begründete für die Aburteilung die ausschliessliche Zuständigkeit des Volksgerichtshofes. Als die sechs späteren Opfer der angeblichen Standgerichtsverfahren durch den sogen. Zossener Aktenfund besondere belastet erschienen, verbot er wieder in scharfer Form auch die Anklageerhebung vor den Volksgerichtshof und behielt sich selbst jede weitere Anordnung vor, bis er Anfang April 1945 ihre sofortige Aburteilung durch ein "Standgericht" befahl, das sich aber, obwohl keiner der Verurteilten jemals der SS angehört hatte, ausschliesslich aus Angehörigen der SS zusammensetzte. Dabei wirkte der jeweilige Kommandant des Konzentrationslagers als "Richter" mit, ein Mann also, dessen Aufgäbe, wie auch dem Schwurgericht nicht gut unbekannt sein konnte, darin bestand, verbrecherische Weisungen auszuführen. Wer wie der Angeklagte zu den führenden Hopfen in Amt IV des RSHA gehörte, zu Konzentrationslagern ungehindert Zutritt hatte und, wie auch aus den Urteil hervorgeht, dort häufig Vernehmungen durchführte den konnte der wahre Charakter dieser Lager als einer Stätte staatlich nicht nur geduldeter und geförderter, sondern befohlener schwerster Verbrechen auch nicht gut verborgen bleiben. War das aber der Fall, dann ergaben sich schon daraus möglicherweise entscheidende Schlüsse für die innere Tatseite, nämlich dafür, was der Angeklagte selbst von einen "Urteil" hielt, bei dem der in der willfährigen Ausführung verbrecherischer Weisungen erfahrene Kommandant eines solchen Lagers als "Richter" mitwirkte. Nimmt man schließlich noch die Feststellung des Schwurgerichts hinzu, dass schon seit dem Jahre 1943 "bei der höchsten politischen Führung des Reiches ein starkes Misstrauen gegen die Heeresjustiz in politischen Strafsachen zu bemerken" war, dass sie also offensichtlich ausgeschaltet wurde, weil sie nicht fügsam genug erschien, und dass der Angeklagte seit langer Zeit demjenigen Teil des RSHA angehörte, in dem das Misstrauen gegen die Heeresjustiz genährt wurde, dann bieten schon die bisherigen Darlegungen des Schwurgerichts das Bild einer schrankenlosen Willkür und ebenso wichtige Anzeichen dafür, wie der Angeklagte die Vorgänge selbst beurteilt haben nag. Das Schwurgericht hat das Wesen des Rechts, das der Willkür entgegengesetzt ist, und das Wesen des Richterspruchs völlig verkannt, wenn es trotz der willkürlichen, regelwidrigen Art der Berufung und, trotz der offensichtlich zweckbestimmten Auswahl der Berufenen die Frage nicht einmal stellt, ob diese willkürliche Handlung bestehender Ermächtigungen, deren Verbindlichkeit bei verständiger Handhabung vielleicht noch bejaht werden kann, auf den Rechtscharakter der sogenannten Standgerichte und der vor ihnen durchgeführten Verfahren von Einfluss sein könnte, sondern den Urstand, daß die Ermächtigung überhaupt keine Begrenzung enthielt, genügend sein lässt, die Standgerichtsurteile "für Rechtens" zu erklären.

Ähnliche Fehler treten auch bei der rechtlichen Würdigung von Einzelheiten der Standgerichtsverfahren zu Tage.

Nach § 51 Abs. 2 KStVO hätte jedem der Angeklagten ein Verteidiger bestellt werden müssen. Zwar gestattete § 1 Abs. 3 KStVO den Standgerichten, ihr Verfahren unter Wahrung der nach § 1 Abs. 2 unter allen Umständen zu beachtenden Vorschriften im übrigen nach pflichtgemässem Ermessen zu gestalten. Die durch § 1 Abs. 3 eröffnete rechtliche Möglichkeit, von der Wahrung der in § 1 Abs. 2 nicht aufgeführten übrigen Mussvorschriften der KStVO abzusehen, durfte aber ebenfalls nicht willkürlich gehandhabt werden. Das ergibt sich aus der in § 1 Abs. 3 enthaltenen Wendung vom "pflichtgemässen Ermessen". Wenn ein Gesetz von pflichtgemässen Ermessen spricht, meint es niemals die Willkür, sondern ein rechtlich gebundenes Ermessen. Dass auch ein Standgericht nur aus triftigen Gründen von der Einhaltung der übrigen in der KStVO enthaltenen Vorschriften absehen durfte, wird besonders deutlich aus dem Umstande dass es sich nicht und Bestimmungen handelt, deren Beachtung von vornherein in das Ermessen des Gerichts gestellt war, sondern und Vorschriften, die grundsätzlich einzuhalten waren. Ihre Nichtbeachtung sollte also ersichtlich die Ausnahme sein. Sie bedurfte als solche zu ihrer Rechtfertigung einleuchtender Gründe (Urteil des OGH BrZ v. 15. November 1949 in der Strafsache gegen B.U.a. - StS 227/49). Das Schwurgericht erörtert diese Frage aber nicht einmal näher. Bedenkt man, dass die Verfahren gegen die Angeklagten schon seit Monaten, zum Teil schon seit Jahren liefen und dass es keine Schwierigkeiten bereitete, die für die Durchführung des Verfahrens für geeignet befundenen Mitwirkenden in grösster Eile zum Teil von weither herbeizuholen, so sind nur schwer Gründe denkbar, die die Nichtbestellung eines Verteidigers als eine auf pflichtgemässem Ermessen beruhende Entscheidung erscheinen lassen könnten.

Das Urteil gibt ferner (S. 37 UA) die Bekundung des Zeugen L. wieder, wonach Canaris am Abend des 8. April 1945 - jedenfalls aber in der Nacht vor seiner Hinrichtung - aus seiner Zelle geholt, erst nach Mitternacht wieder dorthin zurückgebracht wurde und dann den Zeugen durch Morseklopfzeichen mitteilte: ""Letzte Vernehmung. Nasenbein gebrochen. Meine Zeit ist um". Auffälligerweise lässt das Urteil jede rechtliche Würdigung dieses Umstandes vermissen. Wenn die Aussage als zuverlässig angesehen wurde, ging aus ihr hervor, dass C. während der Zeit, in der die angebliche Verhandlung vor dem Standgericht stattgefunden haben müsste, schwer misshandelt worden war. War dem aber so, dann läge auf der Hand, dass die angebliche Gerichtsverhandlung nicht einmal den äusseren Schein wahrte.

Das Schwurgericht ist weiter anscheinend davon ausgegangen dass die standgerichtlichten Urteile vom Gerichtsherrn nicht bestätigt zu werden brauchten, weil eine Bestätigung "nicht mehr zwingend vorgeschrieben" gewesen sei. Auch darin liegt ein Rechtsirrtum. Nach § 90 b Abs. 2 KStVO in der Fassung der 10. Ausführungsverordnung vom 23. Juni 1944 (RGBl I S. 145) konnten unter bestimmten Voraussetzungen Urteile wegen Freischärlerei, Spionage und Sabotage ohne Nachprüfungsverfahren durch einstimmigen Beschluß des erkennenden Gerichts für vollstreckbar erklärt werden. Weder handelte es sich um einen der angeführten Verfahrensgegenstände, noch lagen die sonstigen Voraussetzungen der erwähnten Vorschrift vor. Dieser Rechtsirrtum hat, wie die Revision der Staatsanwaltschaft mit Recht rügt, zur Folge gehabt, dass das Schwurgericht keinerlei Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob zur Zeit der Hinrichtungen in F. die Todesurteile des Standgerichts überhaupt bestätigt waren und wer die Vollstreckung angeordnet hat, ja dass es diese Frage offenbar überhaupt nicht näher geprüft hat. Denn das Urteil gibt dazu nur die Einlassung des Angeklagten wieder, dass er sich "um die Bestätigung und Vollstreckung der Urteile ... nicht mehr gekümmert" habe, und aus der Aussage des Zeugen Thorbeck, dass er "bei der Wegfahrt am Montag nachmittag gegen 4 Uhr mit dem Lagerkommandanten K. noch über die Bestätigung der fünf Urteile und die Vollstreckung gesprochen haben" will. Zu dem Inhalt des angeblicher Gesprächs enthält das Urteil keine Feststellungen. Es durfte aber nicht an der Prüfung vorbeigehen, ob die Einrichtungen in ordnungsmässiger Vollstreckung ordnungsmässig zustande gekommener Todesurteile vollzogen wurden, und musste deshalb der Frage der Bestätigung und Vollstreckungsanordnung nachgehen; selbst wenn ordnungsmässige Urteile ergangen waren, konnte ihre Vollstreckung ohne Bestätigung und Vollstreckungsanordnung ungesetzlich sein. Wenn sich herausstelle, dass die Frage der Bestätigung in einer alle Rechtsformen verleugnenden Weise behandelt worden ist, konnten sich daraus bedeutsame Schlüsse für die Frage der Rechtmässigkeit und Ordnungsmässigkeit der ganzen angeblich vorausgegangenen Verfahren ergeben. Das Schwurgericht würdigt aber mit keinem Wort, wie die angeblichen Todesurteile vollstreckt wurden. Die im Urteil dazu mitgeteilten Einzelheiten lassen erkennen, dass die Einrichtungen in Formen vollzogen wurden, die Menschenwert und Menschenwürde, auf deren Achtung selbst der todeswürdige Verbrecher einen unantastbaren Anspruch hat, völlig missachteten.

Erst auf der Grundlage einer die angegebenen Rechtsfehler vermeidenden zutreffenden Würdigung der äusseren Tatseite konnte das Schwurgericht zuverlässig die weitere Frage prüfen und entscheiden, ob der Angeklagte für den Fall, dass die Verfahren als blosse Scheinverfahren für die Hinrichtung der Opfer keine rechtfertigende Grundlage boten, darum wusste oder mindestens damit rechnete und auch für diesen Fall seine Mitwirkung wollte. Neben den schon hervorgehobenen Umständen sprach allein die Tatsache, dass in den schon lange schwebenden Verfahren Hitler in April 1945 - also zu einer Zeit, in der seine Niederlage offenkundig war plötzlich den Befehl zur sofortigen Aburteilung durch ein Standgericht gab, deutlich für die Annahne, dass es ihn nicht um einen auf Wahrheitserforschung und Gerechtigkeit gegründeten unabhängigen Richterspruch zu tun war sondern um die Vernichtung von Gegnern, die seine Niederlage nicht überleben sollten. Die Verdachtsgründe, die sich daraus und aus den schon in anderem Zusammenhang erörterten Regelwidrigkeiten und Auffälligkeiten ergaben, waren so stark, dass das Schwurgericht hätte eingehend darlegen müssen, aus welchen Gründen sich diese Erkenntnis einen Kenner der bei der Gestapo üblichen Gewaltmaßnahmen wie den Angeklagten nicht aufgedrängt haben sollte, der sich seit Jahren in einer Spitzenstellung des Amtes IV des RSHA befand und den das Schwurgericht in denselben Verfahren der Aussageerpressung schuldig sprach.

Nach alledem muss auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil, soweit der Angeklagte von der Anschuldigung der Beihilfe zum Mord in sechs Fällen freigesprochen worden ist, mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

Die Entscheidung entspricht dem Antrage des Oberbundesanwalts.