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RG, 18.11.1879 - II 10/79

Daten
Fall: 
Eisenbahntransport in unbedeckten Wagen
Fundstellen: 
RGZ 1, 14
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.11.1879
Aktenzeichen: 
II 10/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Elberfeld.

Ist Art. 424 Nr. 1. H.G.B. auch anwendbar, wenn der Transport, welcher in unbedeckten Wagen erfolgen durfte, in bedeckten Wagen erfolgt ist?1 -- Mündliche Bestellung eines bedeckten Wagens.

Tatbestand

Kläger verlangte von der beklagten Bahnverwaltung Ersatz des Schadens, welcher an Eisenblechen, die er ihr zur Beförderung übergeben hatte, während des in einem bedeckten Wagen bewerkstelligten Transportes infolge des defekten Zustandes der Wagendecke durch eingedrungenes Regenwasser verursacht war. Eisenbleche gehören zu den Gütern, welche nach dem Tarife in unbedeckten Wagen transportiert werden dürfen, und in dem Frachtbriefe war die Beförderung in bedecktem Wagen nicht verlangt; die Beklagte glaubte deshalb gemäß Art. 424 Nr. 1 H.G.B. in Verbindung mit §. 67 Nr. 2 des Betriebsreglements vom 11. Mai 1874 von der Haft für den entstandenen Schaden befreit zu sein. Das Handelsgericht stellte fest, daß die Verwendung eines bedeckten Wagens erfolgt war in Ausführung einer nach Aufgabe des Frachtbriefes von einem Vertreter des Klägers an den Wagenmeister der Beklagten gerichteten und von letzterem angenommenen mündlichen Bestellung eines solchen, und es verurteilte die Beklagte, indem es hiernach in der Verwendung des defekten Wagens ein dieselbe gemäß Art. 424 Abs, 3. H.G.B. verpflichtendes Verschulden der Leute derselben fand. Das Erkenntnis wurde aus einem formellen Grunde vernichtet und zugleich die Klage abgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"In Erwägung daß nach §. 67 Nr. 2 des Betriebsreglementes (dessen Bestimmungen, vermöge der Hinweisung des Frachtbriefes auf dieselben, als Bestandteil des unter den Parteien abgeschlossenen Frachtvertrages anzusehen sind) hinsichtlich derjenigen Güter, welche der Tarif in unbedeckten Wagen zu transportieren gestattet, der Absender sein Einverständnis mit dieser Beförderung zu erkennen giebt, falls er nicht bei der Aufgabe durch schriftlichen Vermerk auf dem Frachtbriefe eine andere Beförderungsart ausdrücklich verlangt hat;

  • daß hiernach auch durch die nachträglich, ohne nachträgliche Eintragung in den Frachtbrief, erfolgte Bestellung eines bedeckten Wagens und durch die Ausführung oder Zusicherung der Ausführung derselben eine Verbindlichkeit der Bahnverwaltung zur Stellung eines bedeckten Wagens nicht begründet wird;
  • daß diese Bestimmung des §. 67 Nr. 2 überdies nur eine Konsequenz der Bestimmung des §. 47 das. ist, nach welcher der Frachtvertrag -- der auch alle hinsichtlich der Transportart getroffenen Vereinbarungen in sich faßt -- ausschließlich abgeschlossen wird durch die Ausstellung des Frachtbriefes und dessen zum Zeichen der Annahme erfolgte Abstempelung, daß ferner, da hiernach und gemäß Art. 406 H.G.B. die Eisenbahn ihren Anspruch auf Zahlung der Fracht nur aus dem Frachtbriefe zu begründen vermag, die Bestimmung auch für die Realisation des der Bahn im §. 67 Nr. 2 für den Fall des verlangten Transportes in bedecktem Wagen beigelegten Anspruches auf einen Frachtzuschlag unentbehrlich, und daß sie endlich auch geboten ist, um für den Fall von Umladungen die Beachtung der geschehenen Bestellung zu sichern;
  • daß hiernach, wenn eine Eisenbahn zum Transporte von Gütern der fraglichen Art aus Anlaß eines anders, als durch schriftlichen Vermerk im Frachtbriefe, erklärten Verlangens einen bedeckten Wagen verwendet, diese Verwendung rechtlich als eine bloße Liberalität erscheint;
  • daß derjenige, welcher einem anderen ohne Verpflichtung etwas gewährt, für die Mangelhaftigkeit dieser Leistung ohne Hinzutritt eines anderweitigen Verpflichtungsgrundes nicht verhaftet sein kann;
  • daß demnach auch in dem soeben bezeichneten Falle der Eisenbahn eine Haftung dafür, daß der verwendete bedeckte Wagen gegen diejenige Gefahr, für welche sie beim Transporte in unbedecktem Wagen nicht zu haften hat, ausreichenden Schutz gewähre, nicht obliegen kann;
  • daß in Anbetracht dieser Konsequenz eines allgemeinen gültigen Rechtsgrundsatzes der Haftbefreiungsgrund des Art. 424 Nr. 1 H.G.B. in Verbindung mit §. 67 Nr. 2 Betriebsreglements, wenngleich der Wortlaut dieser Bestimmungen nur den Fall trifft, in welchem die Güter nach Vereinbarung mit dem Absender in unbedecktem Wagen transportiert werden, auch auf den Fall erstreckt werden muß, in welchem der Transport zwar in bedecktem Wagen erfolgt ist, aber nach der Vereinbarung mit dem Absender in unbedecktem Wagen erfolgen durfte;
  • daß anlangend den dritten Absatz, des Art. 424, da ein Verschulden ohne Rechtsverletzung nicht denkbar ist, in dem obigen Falle bloß darin, daß zum Transporte ein bedeckter Wagen, welcher gegen die gedachte Gefahr_ keinen ausreichenden Schutz gewährt, verwendet wird, ein Verschulden der Bahnverwaltung oder ihrer Leute nicht enthalten sein kann." ...
  • 1. Amtl. Anm.:
    Vergl. Entsch. des R.O.H,G,'s Bd. 25 Nr. 39 S. 120) auch Bd. 14 Nr. 72 S. 218; Bd. 20 Nr. 65 S. 238.