RG, 01.10.1880 - II 184/80

Daten
Fall: 
Direktor einer Aktiengesellschaft in einem Prozess
Fundstellen: 
RGZ 2, 400
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
01.10.1880
Aktenzeichen: 
II 184/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Mannheim.
  • OLG Karlsruhe.

Kann der Direktor einer Aktiengesellschaft, welcher dieselbe im Prozesse vertritt, über die im Prozesse streitige Thatsache als Zeuge gehört werden?

Gründe

Die Frage ist verneint worden aus folgenden Gründen:

"In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Revisionsklägerin zunächst als rechtsirrtümlich gerügt, daß Direktor S. als unzulässiger Zeuge erklärt worden sei, jedoch mit Unrecht.

Das Oberlandesgericht faßt in den vollkommen zutreffenden Gründen den Begriff des Zeugen richtig dahin auf, daß derselbe eine dritte Person sein müsse, welche über ihre Wahrnehmungen betreffs der streitigen Thatsachen Auskunft gebe. - Wenn hiergegen darauf hingewiesen wird, daß nicht S., sondern die Aktiengesellschaft, welcher das Recht der Persönlichkeit zukomme, Partei sei, so wird dabei übersehen, daß diese (ideelle) Person, um sich nach außen geltend zu machen, eines Vertreters bedarf, welcher sie in ihrem rechtlichen Auftreten darstellt. Dies ist aber nach Artikel 227 flg. H.G.B, der Vorstand, und muß hierbei besonderes Gewicht darauf gelegt werden, daß durch diesen die Eide namens der Gesellschaft zu leisten sind. Daraus allein folgt schon, daß derselbe nicht zugleich Zeuge sein kann, denn es ist rechtlich undenkbar, daß dieselbe Person betreffs der gleichen Thatsache, über welche ihr ein Parteieid zu- oder (wie im vorliegenden Falle möglich wäre) zurückgeschoben werden kann, zugleich auch als Zeuge vernommen werde. Es würde auf diese Weise dem bei der Abfassung der Prozeßordnung bestimmt abgelehnten Grundsätze, daß die Parteien nicht als Zeugen gehört werden sollen, Eingang verschafft werden, - wenigstens für alle die Fälle, in welchen die Partei, weil sie nicht selbst im Prozesse auftreten kann, solchen mittelst eines gesetzlichen Vertreters führt.

Hieran vermag der in der Verhandlung betonte Grundsatz der freien Beweiswürdigung nichts zu ändern, denn diese kann nur zulässigen Beweismitteln gegenüber eintreten. An dem Satze, daß jenige, von welchem ein Parteieid zu leisten wäre, nicht auch als Zeuge gehört werden könne, ändert die wiederholt angerufene Bestimmung im §. 350 Ziffer 4 C.P.O. nicht nur nichts, sondern bestätigt ihn vielmehr; dieselbe beruht nämlich, wie sich aus den Motiven und den Kommissionsarbeiten ergiebt, auf der Bestimmung des §. 414, wonach der Eid nur der Partei, nicht einem Dritten zu- oder zurückgeschoben werden kann, darf also offenbar nicht auf solche Vertreter einer Partei bezogen werden, welche einen dieser zu- oder zurückgeschobenen Eid für dieselbe zu leisten haben, sondern vielmehr nur auf ehemalige Vertreter, welche nach den verschiedenen früheren Prozeßgesetzen im Wege der Agitation (z. B. §. 123 der badischen Prozeßordnung) oder der Streitverkündung behufs der Eideszuschiebung an sie in den Prozeß gezogen werden konnten."