RG, 28.09.1880 - III 397/79

Daten
Fall: 
Arbeiterverschulden
Fundstellen: 
RGZ 3, 1
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
28.09.1880
Aktenzeichen: 
III 397/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Altona
  • Appellationsgericht Kiel
Stichwörter: 
  • Eigenes Verschulden des bei einer von ihm selbst geleiteten Betriebshandlung verunglückten Arbeiters

Zu §. 2 des Haftpflichtgesetzes. Eigenes Verschulden des bei einer von ihm selbst geleiteten Betriebshandlung verunglückten Arbeiters oder Verschulden seines Vorgesetzten, dessen Anweisung er befolgt hat?

Tatbestand

In der Eisengießerei der Beklagten war B. als kommandierender Former angestellt; als solchem lag ihm ob, selbständig den Guß zu leiten sowie alle zur Vornahme desselben erforderlichen Vorbereitungen zu treffen, insbesondere die zu verwendenden Materialien aus den in der Fabrik vorhandenen sich auszusuchen. Bei der Vornahme eines von ihm geleiteten Gusses spritzte das glühende Eisen aus der Gußpfanne hinüber auf die bei dem Gusse beschäftigten, auf einem Holzgerüste stehenden Arbeiter; dies machte die letzteren ängstlich und unruhig, infolge ihrer Unruhe stürzte das Gerüst zusammen, B. fiel in das auf die Erde übergeflossene Eisen und starb an den erlittenen Verletzungen. Seine Witwe klagte deshalb auf Grund des §. 2 des Haftpflichtgesetzes gegen die Beklagten auf Entschädigung, indem sie behauptete, das Unglück sei durch den ihrem Ehemann vorgesetzten Werkführer der Beklagten verschuldet; es sei nämlich die Ursache des Unglückes, das Überspritzen des Eisens, dadurch veranlaßt worden, daß die verwandte Pfanne zu klein gewesen sei; der Verstorbene habe dies auch eingesehen und, weil ihm selbst keine andere Pfanne zur Disposition gestanden, den Werkführer hierauf aufmerksam gemacht und denselben gebeten, ihm eine von den vorhandenen größeren Pfannen zu geben; der Werkführer habe aber erwidert, es werde auch so gehen, und ihn angewiesen, mit der vorgefundenen Pfanne den Guß vorzunehmen. Die zweite Instanz wies die Klage ab, indem sie ausführte: B. habe vermöge der ihm als kommandierenden Former obliegenden Pflichten nicht bloß wegen seines eigenen Interesses, sondern auch im Interesse der übrigen bei dem Gusse beschäftigten Arbeiter selbständig und verantwortlich dafür zu sorgen gehabt, daß keine solche Materialien verwandt würden, mit deren Verwendung Gefahr für Gesundheit und Leben verknüpft sei; habe er nun selbst eingesehen, daß die verwandte Pfanne zu klein und deshalb gefahrdrohend sei, so habe er sich auch nicht durch eine Anweisung des Werkführers zur Verwendung derselben bestimmen lassen dürfen, und sei demnach bei Richtigkeit der Klagebehauptungen das Unglück durch sein eigenes Verschulden herbeigeführt worden. Diese Entscheidung wurde aus folgenden Gründen vernichtet:

Gründe

"Der Entscheidungsgrund der Vorinstanz ist rechtsirrtümlich. Da B. die von ihm bekleidete Stellung eines kommandierenden Formers nur kraft Auftrags seiner Dienstherren einnahm, so war er auch hinsichtlich aller ihm aus dieser Stellung obliegenden Geschäfte den Anordnungen seiner Dienstherren und ihrer Repräsentanten unterworfen und demnach zur Vornahme dieser Geschäfte nur so lange und insoweit berufen und berechtigt, als nicht seitens der letzteren hierüber eine anderweitige Bestimmung getroffen wurde. Es hatte folglich der Werkführer der beklagten Firma, welcher dem B. auf seine Vorstellung, daß die von ihm vorgefundene Pfanne untauglich sei, die verlangte größere Pfanne abschlug und ihn anwies, mit der vorgefundenen den Guß auszuführen, auch den von B. dieser Anweisung geleisteten Gehorsam zu verantworten, und es kann dem B. in seiner untergeordneten Stellung nicht zum Vorwurfe gereichen, daß er die von ihm gehe