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RG, 29.05.1880 - I 361/80

Daten
Fall: 
Androhung des Selbsthilfeverkaufs
Fundstellen: 
RGZ 1, 310
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.05.1880
Aktenzeichen: 
I 361/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Lübeck
  • Oberlandesgericht Hamburg

Erfordernis der vorherigen Androhung des Selbsthilfeverkaufes nach Art. 343. H.G.B. auch im Falle der Annahmeweigerung des Käufers.

Aus den Gründen

"Die Kläger haben den Beklagten eine größere Partie Hafer verkauft und zu Schiff von Königsberg nach Lübeck versandt und, da die Beklagten die Annahme wegen kontraktwidriger Qualität geweigert, angeblich am 17. Juni 1879 im Wege der Selbsthilfe öffentlich versteigern lassen. Den Klägern ist der Beweis aufgelegt, daß der klägerische Vertreter G. vor dem Selbsthilfeverkauf gemäß Art. 343 H.G.B. denselben den Beklagten angedroht habe. Kläger meinen, daß es auf diese Androhung nicht ankomme, weil die Beklagten vorher mit Bestimmtheit erklärt, daß sie den Hafer nicht annehmen wollten, und beantragen deshalb die Streichung der Beweisauflage über die Androhung. Dieser Antrag kann nicht für begründet erachtet werden. Die im Gesetze vorgeschriebene Androhung hat den Zweck, dem Käufer Gelegenheit zu geben, den Annahmeverzug durch nachträgliche Annahme der Ware zu beseitigen oder, wenn er dies nicht will, Vorkehrungen zu treffen, daß die Ware nicht unter dem Werte verschleudert werde, sei es dadurch, daß er selbst als Bieter auftritt, oder daß er andere zum Bieten veranlaßt. Es soll auch, da dem Verkäufer im Falle des Annahmeverzuges des Käufers das alternative Recht gegeben ist, die Ware zu lagern oder zu verkaufen, dem Käufer durch die vorgeschriebene Androhung des Verkaufes Gewißheit gegeben werden, daß der Verkäufer von der zweiten Alternative Gebrauch machen will. Durch die vorhergegangene Annahmeweigerung des Käufers wird die Androhung nicht zwecklos, zumal der Käufer noch bis zum letzten Moment seinen früheren Entschluß ändern und sich zur nachträglichen Annahme entschließen kann, und ihm auch, wenn er bei seinem Entschlusse, nicht anzunehmen, beharrt, Gelegenheit gegeben werden soll, auf eine möglichst günstige Gestaltung des Ergebnisses des Selbsthilfeverkaufes in der angegebenen Art hinzuwirken. Das Gesetz gebietet die Androhung, ohne zu unterscheiden, ob der Käufer die Annahme geweigert hat, oder ob der Annahmeverzug durch ein anderweites Verhalten des Käufers begründet ist, deshalb ist auch dem Richter eine solche Unterscheidung nicht gestattet. Noch bedenklicher muß es aber erscheinen, mit dem in der Rechtfertigungsschrift citierten Schriftsteller zu unterscheiden, ob die Annahmeweigerung eine mehr oder weniger bestimmte und die Wahrscheinlichkeit eines Widerrufes ausschließende ist. Das R.O.H.G. hat auch nicht nur nicht in dem von den Klägern behaupteten Sinne entschieden, sondern, wie es überhaupt die genaue Wahrung der im Art. 343 H.G.B. vorgeschriebenen Formen erfordert hat, damit der Selbsthilfeverkauf als für Rechnung des Käufers erfolgt gelten könne, namentlich auch die vorgängige Androhung des Verkaufes in dem oben auseinandergesetzten Sinne erfordert (vergl. Entsch. Bd. 19 S. 294). Der im voraus erklärten Annahmeweigerung ist allerdings vom R.O.H.G. insofern Bedeutung beigelegt, als darin ein, namentlich die Real-Oblation erübrigendes Moment für die Konstruierung des Requisites des Annahmeverzuges des Käufers gefunden ist; es hat auch angenommen, daß die Androhung nicht unbedingt dem den Annahmeverzug begründenden Akte nachzufolgen brauche, sondern mit der den Annahmeverzug begründenden Handlung des Verkäufers verbunden werden oder auch, ohne als verfrüht seine Wirkung zu verlieren, der definitiven Annahmeweigerung vorausgehen dürfe. Niemals hat aber das R.O.H.G. angenommen, daß durch die Annahmeweigerung des Käufers die vorgeschriebene Androhung erübrigt werde. Vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 23 S. 169, Bd. 20 S. 19, 20; Bd. 16 S. 422 ff., Bd. 13 S. 58 bis 60, Bd. 12 S. 285 ff., Bd. 10 S. 239 ff., besonders 241, Bd. 9 S. 266 bis 268, Bd. 7 S. 49. 405 ff., Bd. 5 S. 181. 182. 287. 288, Bd. 4 S. 19. 20.

Die behauptete Wissenschaft der Beklagten von dem bevorstehenden Verkaufe könnte von Erheblichkeit sein, wenn die Beklagten zuverlässige Kenntnis davon gehabt hatten, daß der Hafer gemäß Art. 343 H.G.B. im Wege der Selbsthilfe für Rechnung der Beklagten versteigert werden sollte; es würde sich dann fragen, ob nicht ein die Androhung erübrigender dolus der Beklagten vorliege; eine solche Wissenschaft ist aber nicht mit Bestimmtheit behauptet. Die Beklagten konnten immer noch in Ungewißheit darüber bleiben, ob der öffentliche Verkauf, von dessen Bevorstehen sie Kenntnis erhalten haben sollen, nicht für eigene Rechnung der Kläger erfolgen sollte. Es fehlt überdies an einer genauen Angabe der Zeit, zu welcher die Beklagten die behauptete Kenntnis erlangt haben sollen. Die Androhung mußte aber so zeitig erfolgen, daß den Beklagten diejenigen Vorkehrungen ermöglicht wurden, zu deren Zwecke die Androhung eben geboten ist. Hiernach würde es namentlich als verspätet für unerheblich zu erachten sein, wenn Beklagte von dem bevorstehenden Verkaufe erst dadurch Kenntnis erlangten, daß der Hafer zum Zwecke des Verkaufes von dem Boden der Beklagten abgeholt wurde."