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RG, 13.02.1880 - II 195/79

Daten
Fall: 
Anwendbarkeit von Art. 347 HGB
Fundstellen: 
RGZ 1, 57
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.02.1880
Aktenzeichen: 
II 195/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Bamberg

Ist bei einem Vertrage über Fertigung und Lieferung einer Maschine, falls er nach dem maßgebenden Landesgesetze als Kauf anzusehen ist, Art. 347 H.G.B. anwendbar?

Gründe

"Der in Frage stehende Vertrag hatte einfach die Fertigung und Lieferung eines Mühlenwerkes von bestimmter Beschaffenheit zum Gegenstande und ist insbesondere davon, daß Kläger auch noch die Einrichtung oder Aufstellung des Werkes besorgen sollte, nicht die Rede. Daß Kläger das Material zur Fertigung des Mühlenwerkes selbst geliefert, ist unbestritten.

Ein Vertrag dieser Art ist nach den Grundsätzen des zur Anwendung kommenden gemeinen Rechtes nicht als Werkverdingung, sondern als Kauf zu betrachten und zu behandeln, weshalb die Folgerungen, die an die Behauptung geknüpft werden, es liege ein Werkverdingungsvertrag vor, hinfällig erscheinen. Es könnte sich nur fragen, ob nicht trotzdessen, daß nach bürgerlichem Rechte ein Kauf vorliegt, doch ein Handelskauf im Sinne des Art. 347 H.G.B. nicht angenommen werden könne. (Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 11 Nr. 36 S. 100.) Es ist dies zu verneinen.

Das H.G.B. hat den Begriff des "Kaufes" nicht bestimmt, sondern sich darauf beschränkt, betreffs der Verträge über Lieferung vertretbarer Sachen die durchgreifende, alle landesrechtlichen Besonderheiten beseitigende Vorschrift zu geben, daß sie nach den Bestimmungen über den Kauf zu beurteilen seien, im übrigen aber die Beantwortung der Frage, was Kauf sei, dem bürgerlichen Rechte (Art. 1 H.G.B.), also dem bezüglich maßgebenden Landesrechte überlassen. (Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 2 Nr. 68 S. 290; Bd. 19 Nr. 77 S. 262.)

Es besteht kein Grund, für solche landesrechtlich als Käufe geltende Verträge, welche die Lieferung einer erst anzufertigenden Sache zum Gegenstände haben, eine Ausnahme zu machen, also für dieselben die Anwendbarkeit der Bestimmungen des H.G.B.'s, insbesondere des Art. 347 auszuschließen, und zwar umsoweniger, als selbst beim reinen Werkverdingungsvertrage anerkannt ist, es sei betreffs desselben eine wenigstens analoge Anwendung des Art. 347 geboten. (Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 14 Nr. 19 S. 43.)

Insbesondere läßt sich nicht sagen, der Eigentümlichkeit solcher Verträge, welche die Lieferung von erst anzufertigenden Sachen, insbesondere Maschinen, zum Gegenstande haben, stehe entgegen, den Art. 347 direkt anzuwenden bezw. anzunehmen, daß das Gesetz Verträge dieser Art habe treffen wollen, denn die Bestimmungen des Art. 347 lassen dem richterlichen Ermessen so weiten Spielraum, daß auch diesen Eigentümlichkeiten volle Rechnung getragen werden kann."