RG, 25.06.1920 - III 23/20
Sind die Verordnungen des Internationalen Ausschusses für Oberschlesien über die Aufhebung der Zuständigkeit des Reichsgerichts und das Ruhen der Revisionsfristen in oberschlesischen Sachen rechtsgültig?
Gründe
Die Frage wurde verneint aus folgenden Gründen:
" ... Der Senat hat sich an der Entscheidung über das Armenrechtsgesuch nicht durch die Verordnungen behindert gesehen, welche der in § 2 der Anlage zu Art. 88 des Friedensvertrags vorgesehene internationale Ausschuß unter dem 11. Februar 1920 erlassen und in der ersten Nummer des von ihm herausgegebenen Amtsblatts für Oberschlesien veröffentlicht hat. In den Verordnungen wird verfügt, daß an Stelle des Reichsgerichts in Oberschlesien ein oberstes Gericht einzurichten sei und daß vom 11. Februar 1920 an bis zum Amtsantritte dieses Gerichtshofs die Revisionsfristen betreffs der von den oberschlesischen Gerichten erlassenen Entscheidungen, gegen welche das Rechtsmittel bei einem Gericht außerhalb des Abstimmungsgebiets habe eingelegt werden müssen, ruhen sollen. Diese Anordnungen stellen sich ihrem Inhalte nach als Abänderungen der Vorschriften in § 135 GVG. und § 552 ZPO. dar, wonach in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten das Reichsgericht für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision zuständig ist und wonach die Zustellung des Berufungsurteils die Revisionsfrist in Lauf setzt. Den Verordnungen würde daher verbindliche Kraft nur beizumessen sein, wenn dem internationalen Ausschuß auch in bezug auf die Gesetzgebung die Befugnisse der deutschen Regierung zustünden. In § 3 Abs. 1 der bezeichneten Anlage wird dies jedoch ausdrücklich verneint. Auch aus Abs. 3. wonach die Abänderung bestehender Gesetze nur mit Zustimmung des Ausschusses in Kraft treten soll, erhellt, daß der Ausschuß zwar zur Überwachung solcher Änderungen berufen ist, diese selbst aber außerhalb der Grenzen seiner Machtbefugnisse liegen. Es kann auch keine Rede davon sein, daß nur der Ausschuß selbst über diese Grenzen zu befinden hat. Abs. 2 des § 3 legt ihm die Zuständigkeit nur für die Auslegung der ihm in der Anlage zu Art. 88 übertragenen Befugnisse bei, zu denen die gesetzgebende Gewalt gerade nicht gehört."