RG, 07.02.1919 - II 255/18

Daten
Fall: 
Schadensersatz wegen Nichterfüllung bei fehlendem Erfüllungsinteresse
Fundstellen: 
RGZ 94, 326
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
07.02.1919
Aktenzeichen: 
II 255/18
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG I Berlin
  • KG Berlin

Ist die Bestimmung des § 326 Abs. 2 BGB. nur dann anwendbar, wenn der säumige Teil voraussehen konnte, dass infolge seines Verzugs die Erfüllung des Vertrags für den anderen Teil kein Interesse haben werde?

Tatbestand

Die Klägerin kaufte Anfang März 1915 von der Beklagten 10000 Paar Hufeisen, ihrer Behauptung nach lieferbar bis zum 26. März 1915. Da die Beklagte nicht lieferte, forderte die Klägerin, angeblich weil die spätere Erfüllung für sie kein Interesse hatte, Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Das Landgericht verurteilte die Beklagte nach dem Klagantrag. Ihre Berufung war erfolglos, ebenso die Revision.

Aus den Gründen

... "Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte sich seit dem Ablaufe des 26. März 1915 in Leistungsverzug befunden habe, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das gleiche gilt aber auch von der Feststellung, daß infolge dieses Verzuges die Erfüllung des Vertrags für die Klägerin kein Interesse mehr gehabt habe, und daß die Klägerin deshalb berechtigt gewesen sei, ohne Bestimmung einer Nachfrist statt der Erfüllung Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern. Das Berufungsgericht hat als erwiesen angesehen, und hiergegen ist von der Revision nichts erinnert worden, daß die in Rede stehenden 10000 Paar Hufeisen von der Klägerin an die Firma W. von dieser an die Firma B. und von der letzteren an das Traindepot in C. verkauft worden waren, daß die Ablieferung in C. bis zum 30. März 1915 zu erfolgen hatte, und daß die Heeresverwaltung und infolgedessen auch die Firmen B. und W. weder verpflichtet noch gewillt waren, eine spätere Lieferung anzunehmen. Daraus ergab sich ohne weiteres, daß die Klägerin, die ein Bankgeschäft betreibt, an der Erfüllung des von ihr mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrags kein Interesse mehr hatte, als wegen des Leistungsverzugs der Beklagten die Möglichkeit der rechtzeitigen Ablieferung der Hufeisen in C. ausgeschlossen war. Ob die Beklagte voraussehen konnte, daß, wenn sie die Hufeisen nicht bis zum 26. März 1915 lieferte, das Interesse der Klägerin an der Vertragserfüllung fortfallen würde, ist für die Anwendbarkeit des V 326 Abs. 2 BGB. unerheblich. Hatte die Klägerin es unterlassen, die Beklagte auf die Notwendigkeit der Ablieferung der Hufeisen in C. bis zum 30. März 1915 aufmerksam zu machen, so konnte das nur für den Einwand der Beklagten aus § 254 Abs. 2 BGB. ins Gewicht fallen, daß ein ungewöhnlich hoher Schaden auf dem Spiele gestanden habe. Diesen Einwand hat jedoch das Berufungsgericht gleichfalls ohne Gesetzesverletzung zurückgewiesen." ...