RG, 11.05.1906 - II 459/05

Daten
Fall: 
Rücktritt vom Bierlieferungsvertrag
Fundstellen: 
RGZ 63, 297
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
11.05.1906
Aktenzeichen: 
II 459/05
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Köln
  • OLG Köln

Kann ein Wirt von einem auf längere Zeit abgeschlossenen Bierlieferungsvertrage wegen vereinzelter Lieferungen schlechten Bieres zurücktreten?

Tatbestand

Die Frage wurde verneint, aus folgenden Gründen:

Gründe

"Das Berufungsgericht ist von der Annahme ausgegangen, der Beklagte habe niemals, weder bei der Bestellung einer weiteren Sicherungshypothek von 1000 M wegen Erhöhung seiner Bierschuld, noch bei seinem Rückzahlungserbieten vom 13. August 1904, das Bier der Klägerin irgend bemängelt. ... Von jenem Ausgangspunkte aus konnte nun das Berufungsgericht eine Gefährdung des Vertragszwecks wegen angeblicher Lieferung schlechten Bieres und folgeweise ein Recht des Beklagten zum Rücktritt vom Vertrage verneinen, indem es in dem Unterlassen jedweder Bemängelung des Bieres, somit in dem eigenen Verhalten des Beklagten, einen Beweis dafür erblickte, daß dieser selbst die angebliche Lieferung schlechten Bieres nicht für erheblich genug angesehen habe, um deshalb Beschwerde zu führen, geschweige denn von dem Vertrage zurückzutreten. Vom Standpunkte dieser rechtlich nicht zu beanstandenden Auffassung aus konnte es das Beweiserbieten des Beklagten dafür, daß ihm und anderen von der Klägerin schlechtes Bier geliefert worden sei, als unerheblich ablehnen. Denn für den Regelfall und abgesehen von besonderen, vom Beklagten nicht behaupteten Umständen gebieten bei einem auf längere Zeit abgeschlossenen Bierabnahmevertrage Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte, daß ein Wirt nicht wegen jeder, selbst unerheblichen, Lieferung vertragswidrigen Bieres sofort und ohne vorherige Beanstandung vom ganzen Vertrage zurücktreten, sondern hierzu erst dann übergehen darf, wenn trotz Beschwerde die Bierlieferung von nicht vertragsmäßiger Beschaffenheit in einer Weise fortgesetzt wird, daß er an der weiteren Lieferung in solcher Art kein Interesse hat, und die Fortsetzung des Vertrags bei loyaler Auslegung und Erfüllung nach den Umständen des Falles billigerweise ihm nicht zugemutet werden kann. Wegen vereinzelter vertragswidriger Lieferungen ist der Wirt genugsam geschützt durch das Recht, 1. die Annahme der vertragswidrigen Lieferung zu verweigern, und a) auf vertragsmäßiger Lieferung zu bestehen (§ 480 B. G. B.), oder b) sofern dies zur ununterbrochenen ordnungsmäßigen Fortführung der Wirtschaft notwendig erscheint, was vielfach der Fall sein wird, sofort und ohne vorherige Fristbestimmung anderweitig sich zu decken und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu fordern (§ 326 Abs. 2 B. G. B.), 2. Wandelung oder Preisminderung zu verlangen (§ 462 B. G. B.)." ...