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RG, 09.11.1917 - II 220/17

Daten
Fall: 
Vertragsklausel "force majeure befreit von der Lieferungspflicht"
Fundstellen: 
RGZ 91, 108
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.11.1917
Aktenzeichen: 
II 220/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg, Kammer für Handelssachen
  • OLG Hamburg

Kann der Verkäufer die Geltendmachung der Vertragsklausel "force majeure befreit von der Lieferungspflicht" beliebig hinausschieben?

Tatbestand

Die beklagte Firma verkaufte Ende April 1914 an die Klägerin etwa 20 Tonnen netto englisch Samana Kakao, Verladung mit einem oder mehreren Dampfern mit oder ohne Umladung von je etwa 10 Tonnen in den Monaten Juni und Juli j.J. Die Julirate wurde nicht geliefert. Nachdem die Klägerin am 12. Dezember 1914 vergeblich um Mitteilung ersucht hatte, wann sie die Lieferung zu erwarten habe, stellte sie der Beklagten eine Nachfrist zur Lieferung bis zum 19. Dezember und drohte dabei an, daß sie bei fruchtlosem Ablaufe der Frist die Annahme der Leistung ablehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern würde. Am 16. Dezember wurden ihr von der Beklagten 7 Tonnen, verladen am 15. Juli 1914 mit dem Dampfer Schaumburg, und etwa 3 Tonnen, verladen am 2. Juli 1914 mit dem Dampfer Seminola, umgeladen in Neuyork auf Dampfer Kurfürst, mit der Erklärung angedient, daß die Dampfer unterwegs angehalten seien. Die Beklagte hatte hiervon schon am 28. August Kenntnis erhalten. Die Klägerin, die die Andienung nicht gelten lassen wollte, forderte Schadensersatz wegen Nichterfüllung, worauf sich die Beklagte nunmehr auch auf die Vertragsklausel "force majeur" befreit den Verkäufer von der Lieferungspflicht" sowie auf Unmöglichkeit der Leistung berief.

Die Vorderrichter wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin wurde die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe

"Der Berufungsrichter hat die Klage auf Grund der Vertragsklausel " force majeur befreit Verkäufer von Lieferungspflicht" abgewiesen, da der Beklagten nach diesem Vertragsvorbehalte bei den nach Vertragsschluß eingetretenen, das Geschäft ernstlich beeinflussenden und störenden Verhältnissen die Ausführung des Geschäfts nicht mehr habe angesonnen werden können.

Die Revision macht demgegenüber geltend, bei Vertragsklauseln wie der vorliegenden sei nach Treu und Glauben dem Verkäufer das Recht der Lossagung vom Vertrage nur binnen derjenigen Frist zuzugestehen, deren er bedürfe, um nach Eintritt des vorbehaltenen Falles seine Lage zu überblicken; schweige er, so werde dadurch der Käufer abgehalten, anderweit Vorsorge zu treffen. Das habe der Berufungsrichter nicht beachtet, trotz des ausdrücklichen Hinweises der Klägerin, daß die force majeur-Klausel nicht gelte, da die Beklagte sich nicht sofort erklärt habe. Die vom Berufungsrichter geschilderten störend eingreifenden Verhältnisse hätten mit Kriegsausbruch vorgelegen. Nach ihren eigenen Angaben habe die Beklagte von den im Juli 1914 stattgehabten Abladungen sowie davon, daß die Ware unterwegs aufgehalten sei, am 28. August 1914 Kenntnis erhalten. Auf die force majeur-Klausel berufen habe sie sich, soweit ersichtlich, erst im Prozeß, anscheinend zuerst im Schriftsatze vom 1. Mai 1915.

Die Rüge ist begründet. Der Berufungsrichter legt in keiner Weise dar, warum die beklagte Firma, zumal wenn sie schon Ende August 1914 wußte, daß die Juliabladung, die sie für die Lieferung an die Klägerin bestimmt haben wollte, unterwegs aufgehalten sei, also zur Lieferung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht werde gelangen können, von dem ihr durch die Vertragsklausel gegebenen Rechte, den Vertrag aufzuheben, nicht, wie es Treu und Glauben verlangten, beizeiten Gebrauch gemacht, sondern mit der Erklärung Monate und Monate hindurch gezögert hat (RGZ. Bd. 88 S. 143).

Ist danach die Abweisung der Klage auf Grund der erörterten Vertragsklausel nicht haltbar, so kommt in Frage, ob die Leistung unmöglich geworden ist (§ 279 BGB.)." ...